Karte von Shikoku mit den 88 Haupt- und 20 Nebentempeln


Mittwoch, 7. Oktober 2009

Montag, 30.03.09, Kōchi, Engyojiguchi, Jugendherberge Sakenokuni

Der 15. Tag in Japan

Um 7.00 Uhr ist heute Aufstehen und Packen angesagt. Die Sonne scheint schon, ich hoffe dass der heutige Tag etwas wärmer wird als der gestrige. Zum Frühstück gibt es heute mal Kaffee, da es gestern spät geworden ist. Wir haben die Route kalkuliert und sind zum dem Schluss gekommen, dass wenn alles so weiterläuft, wir schon Ende April wieder in Naruto sein könnten. Eine Idee, die mir gar nicht behagt, da ich noch nicht weiß, ob ich umbuchen kann bzw. wenn nicht, was ich dann in Japan besuchen könnte und ob es nicht ein allzu großes Loch in meine Finanzen reißt. Wir verabschieden uns recht herzlich von unserem netten Herbergsvater. Er hat uns sehr mit seinen Karten und Tipps für die Busanfahrt zu den Tempeln geholfen. Wir müssen heute unbedingt einen Geldautomaten finden, der unsere Karten akzeptiert. Hierzu wollen wir das Postamt besuchen und danach unsere Reise fortsetzen. Wenn alles gut läuft, wollen wir Tempel Nr. 35 und 36 besuchen.

Schon auf der Straße vor der Jugendherberge erhalten wir unser erstes Osettai (Pilgergeschenk), Schokoladentäfelchen von einer Radfahrerin, die gerade an uns vorbeifahren will. Der Tag fängt ja gut an, denke ich so bei mir, wenn wir jetzt noch an Bargeld kommen ohne eine Bank überfallen zu müssen, ist der Tag gerettet. Am Bahnhof Engyojiguchi essen wir unsere Schokotäfelchen, die würde bei Witterung, es ist sonnig und windstill, ohnehin nur weich werden. Vom Bahnsteig aus kann ich eine große Kannon Statue in der Ferne sehen, zu welchem Tempel die wohl gehört? Pünktlich stehen wir vor dem Hauptpostamt in Kochi, die Tür zu den ATM Automaten wird etwas früher geöffnet, als die Postschalter. Und oh Wunder – nein Kōbō Daishi sei Dank – die ATMs schlucken nicht nur unsere Kreditkarten, sondern spucken sogar japanische Yen Scheine aus! Die weitere Reise ist gesichert. Ich mache noch einen kurzen Abstecher ins Postamt, um einige Prospekte und Unterlagen zwecks Übergewicht nach Hause zu schicken. Man geht ja davon aus, dass man in jedem Postamt auch Umschläge für das kaufen kann, was man wegschicken will, aber leider nicht hier. Ich springe also zurück auf die Straße, vorher erkläre ich Hajo, dass ich schnell noch einen Umschlag kaufen muss. Mir rattert das Gehirn, wo habe ich heute einen Kombini gesehen? Ich laufe die Straße rauf und wieder runter. Im Hauptbahnhof müsste es doch einen 24-Stunden-Markt geben. Hier kaufe ich ein Zehnerpack Umschläge, die leider viel zu klein sind, was mir aber erst im Postamt auffällt. Als ich wieder im Schalterraum stehe und mit meinem gebrochenen Japanisch erneut erkläre, diese Prospekte nach Doitsu (Deuchland) schicken zu wollen, gibt es auf einmal doch große Kuverte. Das sind aber keine Umschläge (fudō), sondern Verpackungen für Pakete, klärt mich eine der drei Postangestellten auf, die sich am Schalter versammelt haben, um ihrer Kollegin, die ich angesprochen hatte, zu unterstützen. Wenn ein Ausländer ein Postamt betritt, ist immer derjenige der Doofe, der etwas Englisch spricht, aber meist rotten sich mehrere Personen zusammen, die dann kichernd im Hintergrund den oder die Mutigste vorschicken, den Gaijin (Ausländer) zu bedienen. Das Ende vom Lied ist, dass ich 1800 Yen Porto für ein paar Broschüren berappen muss, da mir bei dem ganzen Hickhack nicht einfällt, die Sachen per Seepost (funebin) zu schicken. Ich war dermaßen mit dem Ausfüllen des Zoll- bzw. Ausfuhrformulars beschäftigt, dass ich weder nach der günstigsten Möglichkeit gefragt noch sie angekreuzt habe. Ich kaufe dann noch 10 Briefmarken für Postkarten (ich hatte am Kap Muroto einige schöne Postkarten gekauft). Es könnte alle so einfach sein, wenn man vorher wissen würde, wie der Hase läuft. So muss man sich umständlich durchfragen. Aber unser weiterer Weg ist schon geplant: Wir laufen zurück zum Hauptbahnhof, essen noch beim Bäcker ein „Teilchen“ und setzen uns in die Wartehalle des Busbahnhofs, der auf der Rückseite (der Innenstadt abgewandten Seite) liegt. Eigentlich wollten wir am Takaoka-eigyoosho Bus Stopp aussteigen, aber der Bus fährt noch näher an den Tempel Nr. 35 ran.
Da wir nicht genau wissen, wo wir hier sind, fragen wir fast jeden, den wir treffen nach dem Tempel. Wir passieren einen Lawson Kombini, vorbei an einem „Mos Burger“ Restaurant, das ist so eine Art japanischer McDoof, bei dem eigentlich Reis-Burger verkauft werden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht warmgehalten, sondern frisch zubereitet werden. MOS ist die Abkürzung für die englischen Worte Moon (Mond), Ocean (Meer) und Sun (Sonne). Wir fragen bei einem Reifenhändler, ob wir unsere Rucksäcke unterstellen dürfen. Von hier glauben wir, den Tempel am Berghang schon sehen zu können, aber da es hier viele Tempel gibt, heißt das noch lange nicht, dass es auch Tempel Nr. 35 ist.
Während der Anstieg anfangs noch recht gemächlich ist, nimmt die Schwierigkeit des Trail hinter einer Brücke unter dem Kochi Expressway (Autobahn) doch merklich zu. Hajo nimmt zwar jetzt Medikamente für sein überlastetes Bein, doch geschont hat er es nicht und der Weg zum Tempel ist auch kein Zuckerschlecken.

Exkurs Tempel Nr. 35 Kiyotakiji (清滝寺)
„Der Tempel des reinen Wasserfalls“ wurde im frühen 8. Jahrhundert (723) von Gyōgi gegründet, damals hieß der Tempel noch Keizanmitsuin Taku-mokuji. Yakushi Nyorai gewidmet, hat Gyōgi auch dessen Statue geschnitzt. Knapp ein Jahrhundert später kam Kōbō Daishi hierher, um sein religiöses Training fortzuführen. Am Ende einer 7-tägigen Fastenperiode soll der Daishi mit seinem Stock gegen den Altar gestoßen sein und siehe da – Wasser rann aus dem Boden, welches einen kleinen Teich bildete. Der Tempel erhielt nun seinen neuen Namen und die Quelle sprudelt noch heute (sie liegt rechts hinter der Haupthalle und ist auf keinem Schild eingetragen). 848 kam Prinz Takaoka, auch bekannt unter seinem Mönchsnamen Shinyo Shinnō, dritter Sohn des damaligen Kaisers Heizei und einer der 10 Schüler Kōbō Daishis, hierher. Der Prinz soll in eine Verschwörung verstrickt gewesen sein, wurde seiner Privilegien beraubt und vom Hofe verstoßen. Die unabwendbare Verbannung wartete er nicht ab, sondern reiste nach Shikoku, wo er diesen Tempel zu seinem Ahnentempel (bodasiho) erklärte und eine „5-Fuß-5-Stockwerke Pagode“, sowie ein Monument, das Gayakushu-to genannt wird, erbaute. Als treuer Schüler von Kōbō Daishi, wollte er nach Indien reisen, um die Ursprünge des Buddhismus zu studieren, aber auf dem Weg dorthin starb er in Indochina. Eine Legende besagt, er sei in Laos von einem Tiger gefressen worden, doch seine Seele verblieb in der Pagode dieses Tempels und beschützt diesen vor Unglück.
Der Weg zum Tempeltor wird „hacchōzaka“ („Anstieg der 880 m“) genannt. Das Tempeltor wurde vom Künstler Kubo Nansō (1868-1912) mit einem Drachenbild (kōryuuzu) versehen. Hier stehen auch 8 besondere Jizō Statuen. 1933 wurde vor den beiden Tempelhallen eine 15 m hohe Yakushi Nyorai Statue erbaut, die im Sockel einen schmalen Rundgang aufweist. Der Pilger gelangt über 88 Schritte durch die Dunkelheit an einen kleinen Altar, der wiederum beleuchtet ist. Ein Gebet hier soll vor Unglück schützen.
Bei gutem Wetter hat man eine tolle Aussicht auf den Ozean und die Takaōka Ebene.

Es ist wirklich ein schöner Tempel und zur Zeit der Kirschblüte (sakura) einfach umwerfend. Leider ist der „Anstieg der 880 m“ nicht nur ein leeres Versprechen und wir müssen uns ganz schön anstrengen, dieses letzte Hindernis vor dem Tempel zu nehmen. Als wir das Tempeltor erreichen, kann ich das Drachenbild im Durchgang bewundern. Mir fallen vor allem die Tempelwächter auf, die so alt sind, dass ihnen schon die Augen herausgefallen sind. Auch die nachfolgenden Jizō Figuren bekommen wir zu sehen. Doch endlich haben wir das eigentliche Tempelareal erreicht. Nachdem wir unseren Pilgerverpflichtungen nachgekommen sind und unsere Pilgerbücher (nokyochō) unterschreiben haben lassen, bekomme ich als Osettai (Pilgergeschenk) ein kleines Tütchen mit Stift und Tenugui (Baumwolltuch). Die
begehbare Statue mit Altar nehme ich anfangs gar nicht so richtig wahr, da mich hier vor allem die beiden alten Tempelhallen und die vielen Details locken. Da der Eingang der Statue mit Bändern und Pylonen (Verkehrshüttchen) irgendwie abgesperrt wirkt, traue ich mich auch nicht hinein. Eine Japanerin, die meine Unsicherheit wohl beobachtet hat, zeigt welchen Eingang ich nehmen muss und es ist wirklich stockfinster und recht eng. Hajo will sich nicht durch die Enge quetschen, aber später das Bild vom Altar sehen, das ich in der Statue gemacht habe. Die 5-Fuß-Pagode, sie könnte so ca. 1,6 m messen, finde ich leider nicht und auch die Quelle übersehe ich und merke erst später, dass ich ein Foto davon gemacht habe.
Leider ist nicht immer alles ausgeschildert oder wenn es doch beschildert ist, kann ich meist die Kanji (Schriftzeichen) nicht lesen. Von hier oben hat man eine gute Aussicht auf die Takaooka Ebene. Auf dem Rückweg bekomme ich von einem Obsthändler, der hier am Parkplatz seine Früchte verkauft, zwei Klementinen als Pilgergeschenk (osettai), doch schon wird der Platz von einem Strom Buspilger überflutet. Es werden auch ein paar Mönche oder sind es die dazugehörigen Gemeindevorsteher mit Taxis den Berg rauf gekarrt. Jetzt wird es hektische und wir beschließen den Rückzug anzutreten.
Wir holen unsere Rucksäcke beim Reifenhändler ab und verbringen unsere Mittagspause bei einem Lawson Kombini, der sogar mit Tischen und Stühlen vor der Tür ausgestattet ist. Man hat sich hier wohl auf die Pilger eingestellt, denn ich habe noch nie eine Sitzmöglichkeit in oder vor einem Kombini gesehen. Ganz im Gegenteil, meist setze ich mich auf den kleinen Vorsprung, den das große Schaufenster frei lässt. Das ist zwar nichts Halbes und nichts Ganzes, aber besser als Stehen oder auf dem Fußboden sitzen. Hajo probiert Oden, das ist eine Suppe, deren Einlage man sich aus einem großen Suppentopf selber zusammenstellen kann. Die Brühe ist also nicht der wichtige Teil dieses Gerichts, das sind vielmehr die in dem Sud gekochten Eier (tamago), Rettichstücke (daikon),“Fischwurst“ (kamaboko), Stärkeblöckchen aus Konyakuwurzelmehl (konyaku), Kartoffeln, Tofu usw.

Bis zum nächsten Tempel (Nr. 36) sind es ca. 12 km, eine recht ordentliche Strecke, wenn man keinen Bus findet. Aber wir laufen erst mal an einer sehr großen Straße in Tosa City entlang. Als wir an einem Sunny Mart Kombini abbiegen wollen, hält Hajo ein Auto an, um nach dem Weg zu fragen oder sich fahren zulassen, das weis man bei Hajo nie. Aber der Autofahrer will uns ein Stück mitnehmen bzw. eigentlich fährt er uns fast ganz bis zu Tempel Nr. 36. Hier vor der Usa-ohashi Brücke gäbe es eine Bushaltestelle, aber von wo man da hätte starten können ist mir schleierhaft. Auf alle Fälle sind wir unserem heutigen Ziel ein großes Stück näher gekommen. Wir bedanken uns beim Fahrer und ich winke ihm noch nach, als er wieder zurück fährt. Das ist hier eine tolle Trailführung! Durch so eine Art Moor oder ist es ein Naturschutzgebiet mit Seen führt ein Trampelpfad über eine kaputte Brücke zum Tempel Nr. 36. Der Weg ist hier so verwittert wie das nachfolgende Tempeltor mit seinen Wächtern. Früher, als es noch nicht die Usa-ohashi Brücke gab, sind die Pilger hier mit einer Fähre angelandet, aber heute ist alles per pedes (zu Fuß) erreichbar.

Exkurs Tempel Nr. 36 Shōryūji (青竜寺)
„Der Tempel des grünen Drachen“ wurde von Kōbō Daishi in Erinnerung an seinen chinesischen Meister Keika (Hui kuo), 7. Patriarch des Ching-lung Tempels in Chang-an, gegründet. Bevor Kōbō Daishi China verließ warf er eine Vajra (rituelles Kampfzepter, jap. auch tokko) in Richtung Japan. Der Legende nach fand er es in einer Pinie wieder, in deren Nähe er, unter Absprache mit dem Kaiser Saga, den Tempel gründete. Als Honzon (Hauptgottheit) für den Tempel schnitzte er einen Fudō Myōō, der als Beschützer der Fischer gilt und von ihnen auch „Drachen Fudōō“ genannt wird. „Shōryūji“ ist die japanische Übersetzung der chinesischen Schriftzeichen des Tempelnamens „Ching-lung Tempel in Chang-an“. Bis 1975 mussten die Pilger mithilfe eines Bootes den Tempel besuchen, doch in diesem Jahr wurde die Brücke gebaut. Von Interesse ist die Halle zu Ehren des 7. Patriarchen Keika, die sich vor dem Eingangstor befindet, sowie die von Fischern verehrte Namikiri Fudō Statue („Wellen zerschneidende Fudō“). Im Hondō (Haupthalle) steht ein Aizen Myōō (mit grimmigem Gesicht) und unzählige „Ema“ (Votivholztäfelchen), auf die Pilger ihre Wünsche schreiben können. Der Hafen von Usa liegt mehr oder weniger in der Nähe des Tempels, dessen Aufbau sehr an sein chinesisches Vorbild erinnert.

Die Pagode hier ist wirklich eindrucksvoll und der rote Baum davor sind ideale Fotomotive. Aber dass der Tempel hier direkt am Meer liegt heißt nicht, dass keine Treppen überwunden werden müssen. Ganz im Gegenteil, damit nicht jeder Taifun (Wirbelsturm) oder Tsunami (Riesenwelle v. a. durch Seebeben ausgelöst) den Tempel gleich hinwegfegen kann, ist er hier in sicherer Höhe an den Berg gebaut worden. Im Pilgerbüro sehen wir Ossis Buch in der Auslage, als wir fragen, ob man es kaufen kann, verneint die Frau, aber wir können uns die schönen Bilder anschauen.

Auf der Rückseite der Haupthallen (Honzon) fallen mir die kleinen Kōbō Daishi Figürchen auf, die haben wohl Pilger hier zum Dank aufgestellt. Es gibt auch eine Quelle, die über ca. 3 m bemooster Steine herunterplätschert. Leider finde ich in meinem Pilgerführer nichts zu dieser Quelle, aber wahrscheinlich ist Kōbō Daishi hier mit dem Großen Zeh gegen gestoßen. Vom Tempelbüro aus ruft jemand für uns im Kokuminshikushu Tosa Ryokan an, nicht auszudenken, wenn wir uns den ganzen Berg hoch gequält haben und es ist alles besetzt. Aber wir haben doppeltes Glück – wir bekommen ein Zimmer und der Hotelier persönlich holt uns mit dem Auto ab. Das nenne ich Service!

Schnell ist der Hoteleigner mit seinem silbernen Minibus den Berg heruntergeflitzt und packt uns und unser Gepäck ein. Er spricht hervorragend Englisch und Hajo schnackt erst mal eine Runde mit ihm. Beim Hochfahren, das Hotel liegt wirklich auf der Spitze des Berges, fällt mir immer wieder ein blau-weißes Schilder auf, das eine „Villa Santorini“ ankündigt. Und die Überraschung ist nicht geringer, als wir vor dem Hotel eintreffen, denn links vom doch eher postmodern wirkenden Hotelkomplex, leuchtet uns blau-weiß eine Anlage entgegen, die verdammt an das griechische Santorin erinnert. Der Hotelier erklärt uns, dass er so begeistert von griechischen Santorin war, dass er als er diesen Platz sah genau wusste, dass er sich sein kleines Santorin hier hinbauen wollte. Und nicht nur die Anlage selber, sondern auch die Aussicht ist hier atemberaubend. Wenn man sich eine Gelegenheit für ein heißes Bad (Onsen) nicht entgehen lassen sollte, dann ist es hier. Auch wenn man nicht unbedingt hier übernachten will, so sollte man jedoch ein Bad mit der dazugehörigen Aussicht genießen. Da wäre auch ein Fußmarsch über die ganzen Serpentinen gerechtfertigt.
Für 6800 Yen gibt es hier Übernachtung mit Frühstück und Abendessen, und nicht nur die Aussicht ist eine Superlative, sondern auch das Essen.
Als ich heute meine Onsen-Premiere habe, bin ich froh, dass ich fast alleine bin, da ich noch nicht so über die Regeln in so einem Freiluft- bzw. Thermalbad Bescheid weiß. Hier im Onsen baden Männlein und Weiblein getrennt, obwohl ich anfangs Hajos Stimme noch hören kann. „Dem werden die japanischen Männer schon zeigen, wie alles funktioniert“, denke ich so bei mir und bemerke nicht, dass ich mein „toru“ (Handtuch) bzw. Waschlappen, der im Zimmer auslag, vergessen haben. Zum Glück bin ich mit einer Japanerin allein. Ich seife mich ganz schnell unter den tief hängenden Duschen ab, denn es ist kalt. Wir haben Ende März, liegen hier direkt am Meer und ich mach’ einen auf Freiduscher. Schnell sitze ich im heißen Bad, der kleinen Frau gegenüber und sie versucht einen schüchternden Smalltalk. Ich versuche mit ihr zu kommunizieren und ersetze die japanischen Worte, die ich nicht kenne durch Englische Vokabeln, die ich etwas japanisiere. Viele japanische Worte haben ihren Ursprung im Englischen, so z.B. toru (towel – Handtuch), suripa (slippa – Hausschuhe), nekutai (tai – Schlips), baasu (bus) oder auch depaato (department store – Geschäft). Mit meiner alten Unterwäsche muss ich mich abtrocknen, aber das ist der einzige Wehrmutstropfen an diesem Tag. Wie gesagt, das Essen ist nicht nur vom Geschmack, sondern auch von der Präsentation, es wird in lackierten Holzboxen serviert, eine echte Wucht. Die Muschelschalen aus der Muschelsuppe behalte ich als Andenken. Von unserem Fenster aus, wie wohnen leider nicht in der griechisch angehauchten Villa, sondern in der danebenliegenden Bettenburg, haben wir trotzdem einen tollen Blick über die ganze Buch. Man kann die Autos sehen, die die Serpentinen hochgeflitzt kommen, die Pilger haben da schon weniger Tempo drauf. Wenn man Besucher erwartet, hält man einfach nur Ausschau und wenn sie in Blickfeld kommen, kann man schon man den Kaffee bzw. in Japan wohl eher Tee aufsetzen. Raubvögel kreisen in der Höhe und ein Foto von ihnen zu schießen, ist zum Scheitern verurteilt, da sie einfach zu schnell sind. Wir lernen noch einen Engländer kennen, der hier auch die Pilgertour läuft. Wir verabreden uns mit ihm zum Frühstück. In einer kleinen Ecke steht ein Computer, von dem aus man kostenlos ins Internet gehen kann. Während Hajo also seine Verbindung zur Heimat übers Internet aufrecht hält, scheint mir das Telefon das probatere Mittel zu sein, mich bei meinen Eltern zu melden.

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