Karte von Shikoku mit den 88 Haupt- und 20 Nebentempeln


Freitag, 21. August 2009

Freitag, der 20. März 2009, Tokushima, Kamiyama Town, Pilgerhütte kurz hinter Nr. 11

Der fünfte Tag in Japan

Heute habe ich noch weniger geschlafen als sonst. Die Hüfte und die Knie tun mir weh, da die schmalen Holzbänke einem nicht viel Gelegenheit geben, sich zu drehen. Ich habe das Gefühl, dass ich nur kurz weggesackt bin und dann schlagartig wieder wach war, weil ich vom Zahnarzt geträumt habe. Käuzchen haben in der Nacht geschrien, Hajo hat geröchelt und am Morgen haben sich zwei, ich nenne sie mal „Fxxxyou“-Vögel, ein Singduell geliefert. Überraschender Weise habe ich in dieser Nacht nicht gefroren, obwohl es erst Ende März ist und wir uns in den Bergen befinden. Kurz nach dem Frühstück, als wir gerade unsere Sachen gepackt hatten, fängt es an zu regnen. Wir warten den Schauer ab und mein Regenponcho hat seinen ersten Regeneinsatz. Ich hoffe, dass das Wetter sich nicht einregnet, da wir heute einen schwierig zu erreichenden Bergtempel besuchen wollen. Der Trail ist nass und rutschig, aber glücklicherweise sind wir heute Morgen nicht allein unterwegs. Es ziehen mehrere Fußpilger an uns vorbei, denen wir den Weg freimachen, da sie doch weniger schleppen als wir und somit auch schneller sind.
Wir wandern vorbei an Teesträuchern, kommen an einem Unterstand vorbei, der die „Hashiyama Rest Hut“ sein könnte. Wir haben gut daran getan, auf unseren „Ziegenbart“ zu hören, denn diese Hütte wäre zum Übernachten nicht geeignet gewesen, da in der Mitte nur ein Tisch mit Hockern steht und sie auch keinen Schutz vor Regen beboten hätte. Der Regen lässt nach, aber der Nebel hängt noch in den Bergen. Schnell wandere ich nur noch mit Bluse bekleidet, da die Anstiege so anstrengend sind, dass ich aus allen Poren schwitze. Hier gibt es zeitweilig nur noch Treppen zu steigen, die mäanderförmig den Berg hochziehen. Ich schnaufe, bleibe fast in jeder Wegbiege stehen, gestützt auf meinen Wanderstock. Zum Glück geht es Hajo nicht besser. Ich muss mir also keine Sorgen machen, dass mein Marathon Mann einfach davonzieht. Er läuft mit der Karte als Navigator voran, ich folge ihm in einigem Abstand.
Für die schönen Bambus- und Zedernwälder haben wir im Moment kein Auge, es geht daran den Berg hochzukommen. Und große Enttäuschung, als wir das lichtere Waldgebiet der Bergspitze passieren, ist da kein Tempel. Hajo erklärt mir, dass es erstmal ziemlich auf und ab gehen wird, bevor wir vor dem Tempel Nr. 12, der auf 800 Metern liegt, nochmals eine heftige Steigung erklimmen müssen. Wir machen eine kurze Pause, in der sich drei japanische Herren zu uns gesellen. Ich habe noch einige Kräcker, die ich an meine Leidensgenossen verteile. Ich merke, dass mich die Schulter schmerzt. Ich habe in der Vorbereitung meine Kleidung extra auf eventuelle Scheuernähte überprüft. Da ich jetzt aber die kleine Umhängetasche in den Rucksack gepackt habe, damit sie mir beim Steigen nicht vor den Beinen baumelt, muss ich jetzt die vollen 12 kg auf den Schultern tragen. Das macht sich doch bemerkbar, wo ich vorher eine ausgewogen Verteilung von 4 zu 8 kg hatte.

Der in der Karte als „Fountain“ eingetragenen Brunnen entpuppt sich als Frosch verseuchtes Wasserloch, es könnte Schwierigkeiten mit der Trinkwasserversorgung geben. So viel Trinkwasser-Ballast wollten wir dann doch nicht schleppen, aber dass wir so viel schwitzen würden, hätten wir nicht gedacht. Es gibt zwar viele Wasserrohre, die zu einer Art Trinkbecken führen, Hajo bedient sich ausgiebig, aber da ich Probleme mit dem Magen habe, halte ich mich lieber zurück. Wir machen einen Zwischen-Stopp am Chōdo-an Tempel. Er sieht verlassen aus, dass hier noch Zeremonien abgehalten werden bezweifle ich, aber es ist eine gute Möglichkeit sich auszuruhen und dient als Orientierungspunkt. Wir quälen uns bergauf und bergab, passieren schmale Pässe zwischen zwei Bergen, an denen es links uns rechts steil abfällt. Die Schilder weisen uns den Weg und auch Durchhalteparolen, die andere Pilger und Leute aus der Umgebung hinterlassen haben, machen es leicht, den Weg zu finden.
Es geht wieder bergab, aber leider ist das Gebäude vor uns nicht der ersehnte Tempel Nr. 12, sondern der Ryuusui-an Tempel. Hier werden wir schon von einer Delegation Freiwilliger erwartet, die heiße Getränke und kleine Snacks verteilen. Ich bin begeistert von dieser Form des Pilgergeschenks (Osettai). Dass nach so einer Bergetappe den müden Wanderer, fernab von jeglicher Zivilisation, eine so angenehme Erholungsmöglichkeit geboten wird, lässt einen die Strapazen fast vergessen. Hier treffen wir auch alte Bekannte wie die drei älteren Damen, Herrn Hinkebein, Herrn Grüner Rucksack und Herrn Blaukopf wieder. Selbst die Pilger, die vorher an uns vorbeigezogen sind, haben wir hier wieder eingeholt. Da sie sich nicht von dieser netten Runde losreißen können. Wir bekommen Schwarzen Tee mit viel Zucker, kleine Kekse, und auch die Pilger verteilen untereinander Süßigkeiten, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht haben. „Omiage“ nenne der Japaner kleine Leckereien wie Keks, Reiscracker oder Teegebäck, die für eine Region spezifisch sind und als Reisemitbringsel für die Daheimgebliebenen gekauft werden. So kommen wir in den Genuss von Honigbonbons von Herrn Hinkebein und Schokoladentäfelchen von Herrn Blaukopf. Ich suche die Toilette auf bzw. das Plumpsklo. So modern auch die Hightech Toiletten in Japans Städten sein mögen, so primitiv sind die Plumpsklos in den Bergen. Man folgt einfach dem Geruch und sollte besser sein eigenes Toilettenpapier immer parat haben. Wir müssen uns jetzt aber losreißen, damit wir heute nicht wieder in der Wildnis übernachten müssen. Wir verlassen die gastliche Runde und treffen kurz hinter dem Ryuusui-an auf die luxuriöseste Pilgerhütte, die man je sehen hat: Eine geschlossene Hütte mit Tatamis, Wasser- und Stromversorgung sowie WC.

Wir machen am Joren-an nochmals eine Pause, wandern ins Tal und müssen jetzt den Aufstieg zum Shōsanji packen. Der Schweiß läuft mir in die Augen, mir ist so heiß und mir zittern die Beine. „Warum tut man sich so was freiwillig an?“, frage ich Hajo. Mit dem Gedanken, dass es nach dem Tempel nur noch bergab geht, motiviert mich durchzuhalten. Mit dem Mantra „Namu Daishi Hengyō Kongō“ auf den Lippen erklimme ich den Berg. Es geht tatsächlich besser – vielleicht hat das was mit der Atmung zu tun. Jetzt weiß ich auch warum ich den Pilgerhut trage: Er verhindert, dass ich allzu weit nach oben sehen kann, da er auf meinem Rucksack drückt, wenn ich den Kopf in den Nacken legen will. Man soll zwar wissen wohin es geht, aber den Blick auf das Hier und Jetzt gerichtet haben. Ich beherzige diese Lektion – jeden Schritt plane ich. Nicht zu groß und nicht zu klein. Sind die Treppen zu hoch, trete ich seitlich in die Vegetation, um mir eine kleinere Stufen zu schaffen. Wenn ich früher hinter jeder Biegung, die ich nicht einsehen konnte, ein Plateau oder die Bergspitze vermutet habe und natürlich enttäuscht wurde, wandere ich jetzt mit den 2 bis 3 Metern vor mir. Man soll das Ziel kennen, die Motivation Durchzuhalten holt man sich aber auf den Zwischenetappen. Nie mitten auf dem Weg stehenbleiben, immer eine möglichst geraden Teil zum Verpusten aussuchen, immer noch ein paar Schritte vielleicht bis zum Richtungswechsel laufen, so kommt man den Berg einigermaßen hoch. Und endlich der heißersehnte Tempel Nr. 12

Exkurs Tempel Nr. 12 Shōzanji (焼山寺)
„Der Tempel des brennenden Berges“ erhielt seinen Namen aufgrund einer Legende um einen feuerspeienden Drachen, der die Bewohner dieser Gegend terrorisierte. Vom Tempelgründer Enno Gyōja, einem asketischen Wanderer, wurde der Drachen besiegt und gebannt. Eine Statue am Gipfel des Berges erinnert heute noch an seinen Sieg über das Untier. 100 Jahre später war es nun an Kōbō Daishi den Drachen erneut zu bannen, was ihm mit Hilfe von Kokuzō Bosatsu auch gelang. Kōbō Daishi schnitze zwei Wächterstatuen, die die Höhle, in der sich der Drache befand, schützen sollten. Zu den Tempelschätzen zählt ein Brief des Kaisers Daigo (885-930), der Förderer des gleichnamigen Shingon Tempels in Kyoto war.

Von Interesse ist auch das Grab von Emon Saburō (Joshi-an), das einige Kilometer talwärts liegt. Der Legende nach soll Kōbō Daishi vor dem Haus des Emon Saburō gebettelt haben, eine für einen Wandermönch typische Tätigkeit. Anstatt jedoch dem Mönch etwas in die Schale zu werfen, zerschlug Saburō diese in 8 Teile. An den folgenden der 8 Tage starben seine 8 Söhne. Da wurde ihm sein Fehler bewusst, da er in dem bettelnden Mönch Kōbō Daishi erkannte. Es gelang ihm auch nach 20 Pilgerrunden nicht, Kōbō Daishi einzuholen. Bei seiner 21. Runde, die er in umgekehrter Reihenfolge unternahm, brach er jedoch vor Erschöpfung zusammen. Da erschien der Mönch, vergab ihm und fragte nach einem Wunsch für die Zukunft. Er wollte in seiner damaligen Familie, die die Provinz Ivo beherrschten wiedergeboren werden. Kōbō Daishi drückte dem Sterbenden einen Stein mit der Aufschrift “Emon Saburō kommt wieder“ in die Hand. Als er gestorben war, wuchs sein Wanderstock zu einer mächtigen Zeder aus. Der Stein und ein Teil des Nachlasses von Emon Saburō sind bis heute im Besitzt des Tempels Nr. 51 (Ishiteji).

Ich bin total verschwitz und jetzt, wo wir es geschafft haben bringt mich der kalte Wind hier oben zum Frieren. Ich zittere am ganzen Körper, obwohl ich mir schon meine Fleech- und meine Überjacke angezogen habe. Während wir nach unserem Gebet noch einige Fotos machen, geht Hajos Film kaputt. Er hatte mir schon berichtet, dass die alte Knipse schon mal Probleme mit dem Filmtransport hat, aber jetzt ist der Film von der Spule gerissen. „Zum Glück habe ich ja noch die Fotos meiner Digitalkamera“, tröste ich ihn, „dann sind nicht alle Bilder verloren“.
Hier gibt es einen großen Raum mit Bewirtung. An den überall aufgestellten Ölöfen wärmen wir uns und versuchen unsere Kleidung ein wenig zu trocknen. Von innen spendet uns eine große Portion Udon Nudeln, die es hier schon für 200 Yen gibt, die nötige Wärme. Ich wundere mich heute noch, dass ich mir hier nicht den Tod geholt habe. So wie ich gefroren habe, hätte das locker eine Erkältung mit 5-8 Tagen Bettruhe werden können.

Jetzt müssen wir uns aber beeilen, um den Abstieg nach Kamiyama Town noch bei Tageslicht zu bewerkstelligen. Leider ist das, was hier als Stadt bezeichnet wird, nicht viel mehr als ein Dorf, welches nur eine Unterkunftsmöglichkeit bietet. Wir fragen uns zum Uemura Ryokan durch, aber als ich dann ein Haus betrete und frage ob besagter Ryokan nun links oder rechts die Straße runter liegt, antwortet man mir mit „koko“ (hier). Es dauert eine Weile, bis ich aus den Brocken, die ich verstehen kann, schließe, dass ich wirklich im Uemura Ryokan stehe, es aber keine freien Zimmer mehr gibt. Es fallen ein paar Brocken English und man ruft bei B&B Yasuragi an, eine Pension, die ca. 7 km entfern liegt. Der Wirt will uns mit dem Auto abholen, da es auch schon dämmert. Während der Wartezeit spiele ich mit einem kleinen Jungen. Ich versuche meine japanischen Sprachkenntnisse anzuwenden und erzähle ihm was von der Comic Katze, deren Bild auf dem Becher ist, mit dem er mich immer wieder bewirft.
Nee, das ist keine „neko“, sondern eine „cato“ und die Maus heißt hier „Mouse“ und nicht „nezumi“, erklärt der Kleine mir. Mein Gott die japanische Sprache wird auch immer weiter „amerikanisiert“ oder kommen diese Vokabeln aus dem Englischunterricht aus dem Kindergarten? Er hat auf einen kleinen Zettel eine Maus gemalt und ich muss jetzt mit dem Katzenbecher in der Hand so tun, als würde der Becher pardon die Katze vor der Maus fliegen.
Doraemon, die Katze aus der Zukunft, ist ein berühmtes Comic bzw. Manga hier in Japan. Wohl die einzige Katze, die Angst vor Mäusen hat, da Mäuse ehemals der Roboterkatze (!) die Ohren abgefressen haben.

Als der Wirt mit seinem Auto angerast kommt, atmen wir erleichtert auf – er spricht Englisch! Wir bedanken und verabschieden uns bei den Ryokan Besitzern. Auf Weg ins Hotel will der Wirt noch eine Pilgerin im Auto mitnehmen, aber sie lehnt ab. Wir werden sie später noch beim Essen treffen, ebenso wie die lustige Frauengruppe, die im Aufenthaltsraum sitz, als wir einchecken. Da das Essen um 19.00 Uhr beginnt und es nur eine halbe Stunde bis dahin ist, legen wir nur kurz unsere Klamotten ins Doppelzimmer. Nach dem Essen waschen wir Wäsche im Badezimmer. Mir fällt die Stoffbezogenen Toilettenbrille auf – wenn es einen warmen Popo macht, aber wie hygienische ist das?

Donnerstag, der 19. März 2009, Tokushima, Awa City, Business Hotel - Access Awa

Der vierte Tag in Japan

Um 7.00 Uhr klingelt der eingebaute Wecker. Da ich mich in einem Business Hotel befinde, habe ich auch mein eigenes Badezimmer. Es ist ein kleiner Container mit Tür, der im eigentlichen Zimmer steht. Hier sind Toilette, Waschbecken und Bad-Duschkombination auf engstem Raum untergebracht. Nachdem ich mich angezogen und gewaschen habe, packe noch kurz mein Zeug zusammen, damit wir nach dem Frühstück schnell aufbrechen können. Ich habe hier in einer Art Nachthemd geschlafen und Waschzeug wie Zahnbürste, Pasta, Rasierer und Seife stehen hier ebenfalls zur Verfügung genau so wie Duschgel und Shampoo.

Ich treffe Hajo um 8.00 Uhr beim Frühstück. Leider gibt es hier nur europäisches Frühstück also Brötchen mit Marmelade, Kaffee oder Tee, sowie hartgekochte Eier. Aber die Brötchen hier sind nicht mit den in Deutschland zu vergleichen. Es sind vielmehr kleine, weiche Brioche Brötchen, die man mit den stumpfen Messerchen eher aufreißt als schneidet. Aber ich bin schon froh, dass es hier aus einem Automaten „Kaffee satt“ gibt, damit kann ich den Schlafmangel der letzten Zeit kompensieren. Wir essen noch ein gekochtes Ei, wobei zwei weitere in unseren Taschen verschwinden. Ich fülle ein leeres Zuckertütchen mit etwas Salz aus dem Streuer, um für den Snack zwischendurch gerüstet zu sein.

Wir wollen zunächst zu Tempel Nr. 9 marschieren, dort unsere schweren Rucksäcke lassen, um den, von uns gestern links liegen gelassenen, Tempel Nr. 8 in unser Pilgerbuch eintragen zu lassen. Tempel Nr. 10 und vielleicht noch Tempel Nr. 11 könnte man heute schaffen und dann zwischen Nr. 11 und 12 in einer Pilgerhütte übernachten.

Bevor wir jedoch in Richtung Tempel Nr. 9 abmarschieren, will Hajo sich noch was im “Kusuri“, dem Drogeriegroßmarkt in der Nähe, kaufen. Wenn wir dem Weg hinter dem Hotel folgen, müssten wir eigentlich direkt zum Tempel Nr. 9, dem Hōrinji, gelangen.

Exkurs Tempel Nr. 9 Hōrinji (法輪寺)
Kōbō Daishi hat den „Tempel des Rades des Dharma“ gegründet. Mit dem Rad ist hier der ewige Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt gemeint, aus dem der Buddhist versucht auszubrechen. Kōbō Daishi hat auch das, für japanische Verhältnisse seltene, liegende Standbild Buddhas (nehan-zo) geschaffen. Es zeigt den historischen Buddha Shakyamuni, wie er in Indien ums Jahr 480 v. Chr. endgültig und vollkommen ins Nirvana eingeht und so das oben erwähnte Rad verlässt. Erleuchtet war der Buddha schon zu Lebzeiten, doch mit seinem Tod, löst sich seine Existenz und dass, was wiedergeboren werden kann, ins Nichts (Nirvana) auf. Während der Tempel ebenfalls durch Chōsokabes Truppen niedergebrannt wurde, überstand diese Darstellung Buddhas das zerstörerische 16. Jahrhundert und wird heute den Pilgern, leider nur alle 5 Jahre präsentiert. Nach dem Wiederaufbau an der derzeitigen Stelle brannte der Komplex, mit Ausnahme des Glockenturms, im 19. Jahrhundert nochmals nieder. Man kann heute noch in ca. 6 km Entfernung die Ruinen und Grundsteine aus dem 16. Jahrhundert vorfinden. Dem Honzon (Hauptgottheit) Shaka Nyorai werden heilende Fähigkeiten im Bezug auf Füße zugesprochen.

Wir laufen auf Trampelpfaden an Reisfelder entlang. Es ist ein Katzensprung vom Hotel nach Tempel Nr. 9. Hier fallen mir Palmen und Bäume auf, zu denen ich leider nichts im Pilgerführer finde. Es gibt vor dem Pilgerbüro ein eine Art „Zen Gärtchen“ mit Steinen und eine überdachter Sitzgelegenheit. Eine japanische Frau schenkt uns Bonbons als Osettai. Es gibt meist Obst oder Süßigkeiten als Pilgergeschenk, da dass neue Energie für den Weg gibt, andere Geschenke würden ohnehin nur das Packgewicht steigern. Wir fragen im Tempelbüro, ob wir unsere Rucksäcke hier deponieren können: “Nimotsu o chozō suru ka“ (Gepäck aufbewahren?), vielleicht nicht gerade richtig, aber die Mönche haben verstanden und winken, wir sollen die Rucksäcke in die Ecke stellen. Mit „domō arigatō gozaimasu“ (Herzlichen Dank) verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg zum Tempel Nr. 8. Es geht bergaufwärts und ich komme ganz schön ins Schwitzen. Die Sonne kann hier ganz schön beißen, aber zum Glück habe ich meinen Sonnenblocker 50+++ dabei.

Exkurs Tempel Nr. 8 Kumataniji (熊谷寺)
„Der Tempel im Tal des Bären“ wurde von Kōbō Daishi gegründet, nachdem ihm während eines esoterischen Rituals die Shintogottheit von Kumano erschienen ist. Sie hat ihm eine kleine Kannon Bosatsu Statue überreicht, die er in eine, vorher im Akagatani Tal geschnitzte, tausendarmige Kannon Statue (Senju Kannon Bosatsu) aufbewarte. 29 der 88 Tempel sind Kannon gewidmet, da dieser meist mit weiblichen Zügen dargestellte Buddha, das universellen Mitgefühls bereits im Namen („die Stimmen der Welt hörend“) führt. Leider fielen die beiden Statuen 1927 einem Feuer zum Opfer und wurden 1971 durch eine Statue von einem Künstler aus Nagoya ersetzt. Bemerkenswert ist weiterhin das Tor, welches 1687 erbaut und zu den größten Toren der Pilgerreise zählt. Auch der Glockenturm (tahōtō) aus dem Jahre 1774 ist der älteste auf Shikoku und beherbergt einige Buddha Statuen.

In unserem Tempelführer von der Homepage von David Turkington lesen wir, dass diese Tor das erlesenste bzw. schönste Tor („finest of all temples“) der Pilgertour sein soll. Wir finden beide, dass das Tor, vor dem wir stehen, einen nicht gerade vom Hocker reißt. Aber vielleicht ist ja das andere Tor gemeint, dass direkt vor dem Tempel steht. Mit seinen geschnitzten und kolorierten Wächterstatuen sieht dieses Tor schon eher nach einer Superlative aus. Nachdem wir unseren Pilgerverpflichtungen nachgegangen sind, liest Hajo mir erneut aus seinem Tempelführer vor. Sogar der Daimyō (Landesherr) von Awa soll hier während des Tokugawa-Shogunats (1603–1867) mit seinen Kriegern eine Mondschein Party gefeiert haben.
Es soll hier auch eine Pinie (garyuu no matsu) geben, die wie ein Drache aussehen soll. Leider finde ich sie nicht, obwohl ich solche Pflanzen und vor allem die Geschichten dazu liebe. Weiter fallen mir ein paar sehr junge Pilger auf, die mit ihren Skateboards unterwegs sind. Von Fahrradpilgern hatte ich schon gehört, aber diese modernere Form der „schnellen bergab Fortbewegung“ kannte ich noch nicht. Man trifft immer wieder sehr junge Leute, die in den Ferien mit Bergen von Pilgerbüchern oder Rollbildern bewaffnet, die Pilgerbüros stürmen. Sie verdienen sich mit dem Abstempeln wohl etwas Geld nebenbei oder finanzieren sich die Pilgerreise durch den Verkauf der vollständig gestempelten Pilgerutensilien.

Es geht weiter zur Tempel Nr. 10, der für uns ca. 8 km entfernt liegt, da wir wieder zurück zu Nr. 9 müssen, um unsere Rucksäcke zu holen. Wir laufen auf der Straße, vorbei an den Tempeln Enkōji und Shōnenji, die ebenfalls in unseren Karten eingetragen sind, aber weder zu den 88 „Haupttempeln“ (fudasho) noch zu den 20 nicht nummerierten („unnumbered“; bangai fudasho) „Nebentempeln“ gehören.

An der Straße zum Tempel Tempel Nr. 10 Kirihataji gibt es eine Gasse mit Geschäften und Gaststätten. Wir fragen in einer Suppenküche, ob wir unsere Rucksäcke da lassen können und machen uns auf den Weg. Während wir den Aufstieg über den Pilgertrail machen, bekommen wir einen Vorgeschmack auf die noch folgenden Bergtempel. Die Rücktour werden wir auf der Autostraße entlang laufen, da der liebe Hajo mit seinen Füßen hardert.

Exkurs Tempel Nr. 10 Kirihataji (切幡寺)
„Der Tempel des Webens und Schneidens“ hat seinen Namen von einer Legende, die sich hier zugetragen haben soll: Als Kōbō Daishi sich hier religiösen Praktiken widmete, wurde er von einer jungen Weberin mit Essen versorgt. Als er sie um ein Stück Stoff für eine Hose bat, gab sie ihm ohne Zögern so viel Stoff, dass er eine ganzes Mönchsgewand schneidern konnte. Er fragte sie nach ihrer Herkunft und sie erzählt ihm von ihrem schweren Schicksal. Ihre Mutter war eine Adlige, die einer Intrige am Kaiserhof zu Opfer gefallen war, während ihr Vater in der Verbannung leben musste. Die schwangere Mutter betete am Tempel Kiumizudera in Kyoto zu Kannon, sie möge eine Tochter gebären, so dass ihr Kind vor den Auswirkungen des Skandals sicher sei. Kurz nachdem das Kind geboren war, erschien Kannon und wies die Mutter an, mit dem Kind nach Sikoku zu fliehen.
Bewegt durch diese Geschichte schnitzte Kōbō Daishi eine Kannon Statue. Die Weberin bat ihn, sie als Nonne zu ordinieren und ihr die Haare zu rasieren. Alsbald wurde diese Nonne erleuchtet und nahm die Gestalt einer Kannon Statue an. Zum Gedenken an diese Begebenheit gründete Kōbō Daishi diesen Tempel, der auch unter dem Namen Tokudozan Kanjōjo (Berg der Ordination) bekannt ist und machte die beiden Kannon Statuen zum Honzon.
330 Stufen führen hier zur Haupthalle (Hondō), zur Pagode noch einige mehr. Der Tempel beherbergt trotz zweimaliger Zerstörung durch Feuer zahlreiche Schätze u. A. Sutren Manuskripte.

Nach der Rückkehr in die Suppenküche, die als Spezialität Udon in allen Variationen anbietet, bestelle ich „Kake Udon“ und Hajo „Tempura Udon“. Udon sind Nudeln, die nicht wie Soba aus Buchweizenmehl hergestellt werden, sondern Weizenmehl. Sie sind auch nicht so dünn wie, die bei uns aus japanischen Fertiggerichten bekannten, Ramen Nudeln. Sie werden in einer heißen Brühe serviert, die im Falle des Kake Udon noch Frühlingszwiebeln und Kamaboko enthält. Kamaboko ist eine wurstartige Fischmasse, die gekocht, zT. rotgefärbt und in Scheiben geschnitten (naruto), in vielen Suppen zu finden ist. Tempura ist die japanische Bezeichnung für frittiertes Gemüse, aber auch fittierter Tofu (aburaage) findet sich in Hajos Suppenschüssel. Sollten keine Löffel serviert werden, kann man die Suppentasse an den Mund führen und genüsslich schlürfen. Die Nudeln werden meist zuvor mit den Stäbchen herausgefischt. Auch hier ist ein geräuschvolles Einsaugen überlebensnotwendig, da man die Nudeln mit der Frischluftzufuhr abkühlt und sich so nicht den Mund verbrennt.

Gut gestärkt wollen wir jetzt die knapp 10 km zu Tempel Nr. 11 (Fujiidera) angehen. Wir durchqueren die Flussniederungen des Yoshino-gawa, der an dieser Stelle aus zwei Armen besteht. Hier wird viel Landwirtschaft betrieben. Geschäftige Menschen arbeiten auf den Feldern, alle in Handschuhen, die Frauen mit großen Hüten und Mützen vermummt, um sich vor der bissigen Sonne zu schützen. Ich denke, es sind die ersten schönen Tage des Frühlings, aber wenn die Sonne scheint, hat diese schon richtig Kraft. Es werden Plastikbahnen aufgespannt und Bahnen mit Erde angehäufelt. Es sind nicht so große Felder, wie ich sie aus Deutschland kenne, wo fast alles maschinell gemacht werden kann, hier herrscht noch echte Handarbeit vor. Wir überqueren eine schmale Brücke, die gerade mal Platz für ein Auto hat. In kleinen Nothaltebuchten muss der Gegenverkehr ausweichen. Ich frage mich immer wieder, wann weiß ein Japaner, dass er ausweichen bzw. anhalten muss? Die Reglung des Straßenverkehrs, der wohl sehr auf gegenseitige Rücksichtnahme beruht, wird mir bis zum Ende meiner Reise ein Rätsel bleiben.

Wir treffen Herr Blaukopf wieder und Hajo hält ein Schwätzchen, danach gelangen wir über einen Deich in die Stadt. Hier sehen wir auch ein Pilgerhäuschen, das recht komfortabel wirkt und wir hoffen, dass unsere heutiges Nachtlager die gleichen Vorzüge besitz. Wir folgen einem jungem Mann und einer Gruppe von drei älteren Damen. Als diese jedoch abbiegen, nimmt das Schlamassel seinen Lauf: Da wir noch Proviant aus einem Lawson Kombini kaufen wollen, können wir ihnen nicht folgen. Als wir aus dem Laden kommen verfehlen wir wohl irgendwie den richtigen Weg und landen in einem Wohngebiet. Kaum ein Mensch auf der Straße oder in den Gärten, den man fragen könnte und wenn man jemanden findet, dann wissen die Leute meist auch nicht wo den der Fujiidera Tempel liegt. Aber das Glück ist uns abermals hold oder hatte Kōbō Daishi ein Einsehen mit uns Gaijin (Ausländer), jedenfalls finden wir einen Pilger, dem wir bis zum Tempel Nr. 11 folgen können. Hier treffen mir auch unseren Tent Boy (Zelt Jungen) wieder, den wir auf dem Weg gestern verloren haben.

Exkurs Tempel Nr. 11 Fujiidera (藤井寺)
Der Fujiidera ist der Tempel der Glyzinien oder des Brunnens voller Glyzinien, wie die direkte Übersetzung lautet. Glyzinien oder auch Wisteria, wie sie im Englischen Sprachraum genannt werden, sind bei uns unter der Bezeichnung „Blauregen“ bekannt. In Japan dient diese verholzende Kletterpflanze vor allem um Lauben und Unterständen ein lebendiges Dach aus Blättern und Blüten zu verschaffen. Kōbō Daishi soll hier, nachdem der den Tempel gegründet (815) und die Statue von Yakushi Nyorai geschaffen hat, eine fünffarbige Glyzinie gepflanzt haben. Noch heute zeugen die Muster der Dachziegel und die vielen Glyzinien der Umgebung davon. Die Statue des Yakushi Nyorai, hat als einziger Tempelbestandteil die Feuer überstanden und soll vor Naturkatastrophen schützen. Nach neuen Erkenntnissen stammt die Statue aus dem 13. Jahrhundert und wird als Nationalschatz geführt. Seit 1681, nach seinem Wiederaufbau, der Rinzai Sekte des Zen Buddhismus zugehörig, ist es einer von drei Zen Tempeln, in der sonst shingonbuddhistischen Pilgerroute. Eine Mini Shikoku Pilgertour befindet sich hinter dem Hondō (Haupthalle).

Nachdem wir unsere Sutra rezitiert und unsere Nōkyochō (Pilgerbuch) haben abstempeln lassen, kommen wir mit einigen Pilgern ins Gespräch. Ich lerne einen Herrn aus Kamakura kennen. Kamakura ist auch so ein Tempel Hotspot wie Kyoto oder Nara. Ich kenne es recht gut, da ich es oft besucht habe, als ich noch in Yokohama gelebt habe. Hier habe ich auch meine Leidenschaft zu Tempeln und Schreinen entdeckt und das erste Mal ein Pilgerbuch gekauft. Eine Japanerin, die geradezu den Kontakt zur mir sucht, erklärt mir sie sei Christin. Ich grinse verlegen, nun ich komme zwar aus einer christlichen Kultur, mache mir aber mehr aus dem Buddhismus als aus dem Christum. „Immer das was man nicht hat zieht einen an“, erkläre ich ihr.

Hajo unterhält sich mit Händen und Füßen mit so einem zahnarmen Opa mit Ziegenbart. Als ich näher komme, schlägt mir der Geruch von Alkohol in die Nase. Wenn wir den Sake-Pilger richtig verstehen, ist die „Hashiyama Rest Hut“, in der wir unser Nachlager aufschlagen wollten, kaputt und „Ryuusui-an“ zu weit weg. Er selber will wieder in die Stadt, um dort beim Kamo Onzen oder Kamo-no-yu kostenlos zu übernachten. Als wir uns daran machen, den Pilgerweg in die Berge zu nehmen, kommt der Typ hinterher. Ungeachtet des Verfolgers wandern wir den Trail entlang, bis Meister Ziegenbart uns einholt und auf eine kleine Brücke aus Beton weist. Er will uns einen Unterschlupf zeigen, der nicht in den Karten verzeichnet ist. Es stellt sich als stabile Holzhütte heraus, die zwar keine Seitenwände hat, aber bei nicht allzu schlechtem Wetter, mit ihren Bänken doch eine willkommene Schlafgelegenheit bietet.

Kaum sitzen wir in der Hütte, beginn es zu regnen. „Schwein gehabt“, denke ich. Jetzt kann ich meine selbstaufblasbare Isomatte und meinen Schlafsack ausprobieren und zusätzlich mindestens 5000 Yen für eine Unterkunft sparen. Proviant für Abendessen und Frühstück haben wir auch dabei. Nur ein Getränkeautomat für den heißen Tee am Morgen und eine adäquate Toilette fehlen. Prophylaktisch gehe ich noch in der Dämmerung „hintern Busch“ bzw. an den Hang. Aber man muss hier aufpassen, dass man nicht von der Anhöhe kugelt, denn direkt auf unserem Plateau stehen viele kleinen Schreinen, denen man aus Pietätsgründen nicht zu nah kommen möchte. Hajo hat einen Biwak-Sack dabei, einen regenfesten Überzug für den Schlafsack. Ich selber begnüge mich damit über meinen Schlafsack einen Regenponcho anzuziehen und mein freies Fußende in einen blauen Müllsack zu hüllen. Ich ziehe noch meine zweite Treckinghose und Handschuhe an. Eine Mütze ziehe ich mir noch über die Augen, eine bessere Schlafhilfe gibt es nicht. So müsste es eigentlich gehen. Hajo empfiehlt mir, meine Schuhe umgedreht auf die Sitzbank zu legen, damit ich am Morgen keine Überraschung mit ungebeten Insekten oder Schlagen habe. Obwohl ich nicht glaube, dass so früh schon Schlagen unterwegs sind, fürchte ich eher einem Wildschein zu begegnen.

Nach dem Abendessen besprechen wir noch kurz den Plan für morgen. Es steht ein „henro korogashi“, ein „wo ein Pilger fällt“-Tempel an. So werden die Trails zu den Tempeln Nr. 12, 20, 21, 27, 60, 66, 81 und 82 bezeichnet, die sehr steil und anstrengend zu steigen sind. Es sind alles Bergtempel zu denen man nur gelangt, nachdem man etliche Berge, Bergrücken und Pässe überwunden hat.

Mittwoch der 18. März 2009, Tokushima, Bando, Ryokan Kadoya-Tsubakiso

Der dritte Tag in Japan

Die Nacht ist sehr kalt. Ich kann nicht schlafen, die Hüften tun mir weh und Hajo röchelt immer noch, dabei kann ich schon bei leisesten Atemgeräuschen nicht einschlafen. Mir steckt das Jetlack noch in den Knochen und ich hoffe, es bessert sich, wenn ich mich über Tag beim Wandern ausarbeite. Zum Frühstück gibt es Grünen Tee und Kasutera, eine von den Portugiesen eingeführter Rührkuchen. Heute soll unsere Pilgertour offiziell starten. Wir haben uns mit Pilgerutensilien versorgt, unsere Rucksäcke sind gepackt und ausreichend Kartenmaterial führen wird auch mit. Neben dem englischsprachigen Kartenbuch, habe ich auch das offizielle japanische Routenbuch gekauft, da die Nebentempel (Bangai), die wir auf alle Fälle auch besuchen wollen, nur hier verzeichnet sind. Zur besseren Orientierung habe ich mir eine Liste mit den 88 Haupt- und 20 Nebentempeln angelegt, die zusätzliche Informationen enthalten, ob und wo man kostenfrei unterkommen kann. Vorsichtshalber habe ich ins englische Kartenbuch jeweils die Seitennummern der Japankarte eingetragen, auf denen der Weg zu den Bangai Tempeln beschrieben wird, damit wir nicht zufällig einen übersehen.
Nach einer kurzen Fotosession, bei der wir uns gegenseitig in Baumwollkimono (Yukata) vor der Ziernische (Tokonoma) fotografieren, verabschieden uns von unserer Wirtin und machen uns auf den Weg. Vorbei an Tempel Nr.1, den haben wir ja schon besucht, statten wir Tempel Nr. 2 eine kurzen Besuch ab, da wir gestern die 1000-jährige Zeder nicht ausreichend gewürdigt haben. Keine 3 km weiter liegt Tempel Nr. 3 Konsenji. Wir laufen an der Straße entlang - Hajo als Navigator mit dem Kartenbuch voran und ich als Trecking Anfänger immer hinterher.

Exkurs Tempel Nr. 3 Konsenji (金泉寺)
Der Tempel soll ebenfalls von Gyōgi unter dem Namen „Konkomyoji“ im 8. Jahrhundert gegründet worden sein. Hier wird, wie in Tempel Nr. 1, Shaka Nyorai in der Haupthalle (Hondō) verehrt. Später wurde aber durch Kōbō Daishi der Tempel in Konsenji ,„Tempel der Goldenen Quelle“, umbenannt, nachdem er hier in einer Zeit der Dürre eine Quelle habe entspringen lassen. Es heißt, dass Kōbō Daishi einfach durch Hineinstoßen seines Wanderstocks in die Erde Quellen habe sprudeln lassen können, und das nicht nur auf Shikoku, sondern in ganz Japan. Neben seinen Fähigkeiten in der Dichtkunst, Kalligrafie (Shodō) und Bildhauerei (Schnitzerei), werden Kōbō Daishi immer wieder fast magisch anmutende Fähigkeiten wie Spontanheilungen und eben auch das Finden von Quellen aus dem Nichts zugeschrieben. Hier am Wasserbecken (chōzubachi) des Konkomyoji ist ein Stück Stoff aufgehängt, welches nur einen kleinen Durchgang freilässt. Es ist für die Frauen, die während der Geburt gestorben sind. Der Pilger bespritzt den Stoff mit Wasser zur Reinigung der Seelen dieser Frauen, so dass sie die Erleuchtung erlangen mögen. Weitere „Attraktionen“ sind das Grabmal des Kaisers Chōkei (1343-1394) und ein großer Stein, der von dem legendären Benkei, einem Kampfmönch und Bodyguard, als Zeichen seiner Stärke gestemmt worden ist.

Wir betreten das Tempelareal durch das Tor, verbeugen uns und suchen erst mal ein Plätzchen, wo wir unsere Rucksäcke abstellen können. Ich versuche meinen hölzernen Wanderstock irgendwo sicher hinzustellen und hänge den Hut dazu, damit ich freie Hände für das Sutra Rezitieren habe. Hajo hat so ein zusammenschiebbaren Wanderstock dabei. Er hat bis jetzt nur ein Baseballcap auf, da er sich später einen Hut kaufen möchte. Vielleicht sind die dann billiger, weil jeder Pilger seine Ausrüstung schon an den ersten Tempeln komplettieren möchte. Blaue Bänke mit der Aufschrift „kameyama rōsoku“ laden zum Verweilen ein, sie stehen auf fast jedem Tempelgelände. Hier stelle ich den Rucksack ab und klemme den Stock so rein, dass er möglichst nicht umfällt. Später finde ich im Internet, dass sich hinter „Kameyama Rōsoku“ eine Kerzenfirma verbirgt, die die Bänke gestiftet hat. Coca Cola würde wohl auch schlecht passen, obwohl das Rot mit dem Rot mancher Tempel doch recht gut harmonieren würde. Mal ganz davon abgesehen, dass fast jeder Tempel einen Getränkeautomaten auf dem Gelände stehen hat.
Hier treffen wir einige japanische Pilger, die sogar Englisch sprechen. Ein Herr mit blauem Kopftuch, der gut Englisch spricht, einer mit grünem Rucksack und einen humpelnden Japaner sollen wir noch öfters in den Tempeln treffen. Wir haben es aufgegeben, uns die Namen unserer Mitpilger merken zu wollen, meist fragt man erst gar nicht, weil die Japaner im Gegenzug sich auch unsere Namen nicht merken können. Ich kann die Personen auch am Besten anhand von charakteristischen Merkmalen identifizieren: Herr Blaukopf, Herr Grüner Rucksack und Herr Hinkebein. Mit einem jungen Mann aus Sendai, der zu Fuß mit einem Zelt unterwegs ist, freunden wir uns näher an und wollen die nächsten Tempel miteinander laufen.
Als wir fragen, wo es denn zum Bangai Tempel Nr. 1 geht, werden wir mit viel gekreuzten Armen niedergebrabbelt. Gekreuzte Arme bedeuten so viel wie „nicht erlaubt“ oder „nicht existent“. Das soll uns wohl klarmachen, dass der Trail zu Bangai Nr. 1 zurzeit nicht passierbar ist. Schade, aber vielleicht können wir auf dem Rückweg einen Abstecher machen, es wäre doch zu ärgerlich, wenn er als einiger in unserer Tempelsammlung fehlen würde.

Es geht am Suwa Schrein vorbei, noch sind wir hauptsächlich auf der Straße gelaufen, doch
jetzt geht es querfeldein - nein, nicht ganz, aber auf Trampelpfaden an den Feldern vorbei.
Der nächste Tempel gibt einen Vorgeschmack auf die Bergtempel, die wir zukünftig noch erklimmen werden, da er auf einer Anhöhe liegt. Wir folgen den kleinen roten Schildchen, den roten Aufklebern an Straßenschildern, den Steinsäulen (kyōseki), die mal mehr - mal weniger alt sind. Anfangs ist alles noch so gut beschildert, dass man auch ohne Kartenmaterial laufen könnte und selbst ohne Schilder – es laufen so viel Pilger, dass man, wenn man ihnen folgt, den Weg auch finden kann.

Exkurs Tempel Nr. 4 Dainichiji (大日寺)
Im „Tempel der großen Sonne“ wird Dainichi Nyorai verehrt. Es wurde von Kōbō Daishi gegründet, der auch die Statue des Dainichi Nyorai geschnitzt hat. Im Laufe seiner Geschichte wurde der Tempel immer wieder zerstört und aufgebaut. In einem verglasten Gang zwischen dem Haupttempel (Hondō) und der Kōbō-Daishi-Halle (Daishidō) stehen 33 Statuen der Senju Kannon Bosatsu und zahlreiche andere Figuren von chinesischen und japanischen historischen Persönlichkeiten.

Leider sind die Statuen alle hinter Glas, so dass das Fotografieren doch recht schwierig ist. ich Ich habe mir vorgenommen möglichst ohne Blitz zu fotografieren, um die Pilger nicht zu stören, um die Kunstgegenstände nicht zu schädigen und auch, um nicht allzu große Aufmerksamkeit zu erregen. Sonst heißt es noch, die blöden Deutschen laufen fotografierender Weise durch Tempel, anstatt die eigenen Augen zu benutzen. Klischee von fotografierwütigen Asiaten einmal anders herum! Ich fotografiere auch ungern Menschen in Japan. Wenn man höflich ist und sie fragt, setzen sie gleich einen anderen Gesichtsausdruck auf und formen mit den Fingern ein „Peace“ Zeichen. Deshalb wird es auch nur Beschreibungen von meinen Pilgerbekanntschaften geben und nur selten Fotos. Auch die japanische Geflogenheit, ein Bild von sich selbst vor einem Tempel zu schießen, habe ich nicht übernommen, da solche Bilder meist recht schief sind und zweitens meine Anwesenheit auf einem Bild nicht gerade den künstlerischen Ausdruck fördert. Wer will denn schon eine verschwitze, sonnenverbrannte und ausgemergelte „Langnase“ sehen? Nee Leute, ich zeige Euch gerne wie schön Shikoku ist, aber ich bleibe schön im Hintergrund!

Jetzt geht es also wieder bergab. Nachdem wir unsere Gebete vollzogen haben, das Rezitieren des „Hannya Shingyo“ (Herz Sutra) wird immer besser, verlassen wir gemeinsam mit unserer Reisebekanntschaft den Tempel in Richtung Nr. 5.

Exkurs Tempel Nr. 5 Jizōji (地蔵寺)
Der „Tempel des Jizō Butsatsu“ wurde von Kōbō Daishi auf Geheiß des Kaisers Saga im Jahre 821 gegründet. Ursprünglich war eine 5 cm große Jizō Busatsu Figur Objekt der Verehrung (Honzen). Der Priester Jōkan (13. Jhd.) schnitze, aber eine größere Jizō Figur (50 cm), in der die kleinere seitdem gelagert wird. Im Gegensatz zu der typischerweise sanften Darstellung von Jizō Bosatsu als Retter der Kinder, ist die größere Statue, ein „Enmei- Jizō“, als Krieger dargestellt. Bemerkenswert ist auch die U-förmige Rankan Halle. Rankan (Arhats) sind Jünger oder Gefolgsleute Buddhas, die den nichterleuchteten Wesen auf Erden helfen. Die Halle gliedert sich in einen Miroku-, Amida- und Daishi-Flügel in denen 500 Rankans, mit jeweils unterschiedlichen Emotionen und Körperhaltung abgebildet sind. Sie alle wurden im 18. Jahrhundert von den Buderpriestern Jisubun und Jitsumyō beschnitzt. Zentral steht eine Shaka Nyorai Statue mit dem Buddha der Zukunft, Mikroku Bosatsu, auf der linken und Kōbō Daishi auf der rechten Seite. Auf dem Tempelgrund befindet sich auch ein 800 Jahre alter Ginko-Baum (Tarachine ichō), der für langes Leben steht.

Als wir das Tempelgelände betreten, müssen wir erst mal nach dem Tempel suchen. Laufen vorbei an der Rankan Halle, weil nur der Ein- und Ausgang mit kleinen japanischen Schildern versehen sind. Auf halber Strecke schickt uns ein Pilger, der gerade auf der Treppe sitzt und seine Basen versorgt, wieder zurück. Während Hajo und ich uns also die Rankan Halle angucken, will unsere japanische Begleitung im Tempel das Sutra rezitieren. Wir bezahlen 200 Yen Eintritt und bewundern die Vielzahl von Figuren, die tatsächlich alle unterschiedlich sind. Ähnliche Ansammlungen von Rankans sollen uns noch später als Steinstatuen begegnen.

Gemeinsam verlassen wir dann doch den Tempel, aber auf dem Weg zu Tempel Nr. 6 fällt unser „tent boy“ (Zeltjunge) immer weiter zurück. Liegt es am heißen Wetter oder ist das Gepäck einfach zu schwer? Irgendwann ist er nicht mehr zu sehen, obwohl wir langsam gegangen sind und auf ihn gewartet haben. Wir entschließen uns in einem Truck-Stopp, der fast direkt am Trail liegt, eine Mittagspause zu machen. Wir stärken uns mit Tonkatsu, d.h. paniertem Schweineschnitzel und Reis, Wasser und Tee gibt es kostenlos. Wir beratschlagen, wo wir heute übernachten wollen. Leider laufen wir langsamer als Hajo geplant hat. Wir schleppen einfach zu viel mit. Wir überlegen, ob wir die Tempelunterkunft in Tempel Nr. 7 oder Nr. 8 nutzen wollen, aber es liegen uns unterschiedliche Informationen vor, ob diese Tempel gegen Bezahlung Unterkunft und Verpflegung (shukubō) anbieten.

Bei Tempel Nr. 6, wir hatten noch gehofft unseren Zeltjungen wieder zu treffen, müssen wir die Hoffnung aufgeben. Vielleicht hat er einen schönen Zeltplatz gefunden und die Pilgerwanderung für heute, vielleicht etwas früh, unterbrochen.

Exkurs Tempel Nr. 6 Anrakuji (安楽寺)
Anrakuji, der „Tempel der ewigen Freude“, lag urspünglich 1 km entfernt an einer heißen Quelle und ist von Kōbō Daishi gegründet worden. Manche sagen auch, dass der Heilige die Quelle mithilfe seines Wanderstocks selbst erschaffen hat. Die Statue des Yakushi Nyorai, die die Hauptgottheit verkörpert, wurde ebenfalls von Kōbō Daishi geschnitzt.
Nachdem der Tempel in Kriegswirren abgebrannt und mit dem nahe gelegenen Zuiunji Tempel zusammengelegt worden ist, wurde er 1660 an seiner jetzigen Stelle errichtet. Der Tempel ist berühmt für seine umgekehrte (upside-down) Pinie (sakasa-matsu), die auf eine Begebenheit im Jahre 815 zurück geht: Als Kōbō Daishi hier meditierte, schoss ein Jäger auf ihn, der ihn fälschlicher Weise für einen wilden Eber gehalten hatte. Glücklicher Weise verfehlte der Pfeil den Mönch und traf den Ast einer Pinie. Kōbō Daishi wies dem Jäger an, den Ast verkehrt herum einpflanzen. Überraschender Weise bekam der Ast Wurzeln und wurde zu einem 30 cm im Durchmesser dicken Baum.

Hajo liest mir die Tempelbeschreibung von David Turkingtons Seite aus dem Internet vor. Er hat so einen ganzen Schnellhefter mit Ausdrucken von der Homepage (http://www.shikokuhenrotrail.com/) aus der Rubrik „Tempelinformationen“. Nach dem Lesen „opfert“ er die Zettel in Ermangelung eines Mülleimers immer in den Kasten für die handschriftlichen Sutra-Kopien. Ich selber habe mir Notizen aus den Büchern „The 88 Temples of Shikoku Island“ und „A Journey of the Soul“ gemacht und führe sie in meinem Netbook mit mir. Man muss Gewicht sparen wo man kann und bevor ich die ganzen Bücher mitschleppe, mache ich mir doch lieber die Arbeit und gebe meine Notizen in den Computer. Ursprünglich war das Netbook als Pilgerbuchersatz geplant, in das ich vor Ort gleich meine Erlebnisse reintippen könnte. Aber über Tag passiert so viel, da kann man nicht immer das Netbook rauskramen bzw. zum Ausformulieren hat man auch keine Zeit. Deshalb sitze ich jetzt hier und hole die versäumte Arbeit nach. Wenn man den ganzen Tag läuft, hat man weder ich Kraft noch die Laune, sich den Abend um die Ohren zu schlagen, um seine Erlebnisse aufzuschreiben. Deshalb habe ich ein kleines Notizbuch dabei gehabt, in das ich abends mir einige der Dinge notiert konnte, die mir am Tag so passiert und aufgefallen sind. Zusammen mit den Bildern, die ich natürlich auch auf dem Netbook gespeichert habe, so viele Fotos wie ich gemacht habe, gehen auf keine SD-Karte, kann ich mir meine Tour wieder in Erinnerung rufen und die Haupt- und Nebensächlichkeiten hier ausformulieren.

Exkurs: Tempel Nr. 7 Jūrakuji (十楽寺)
„Der Tempel der 10 Freuden“ wurde im 9. Jahrhundert im Juuraku Tal von Kōbō Daishi gegründet. Er hat ebenfalls die Statue des Amida Nyorai geschnitzt. Mit der Benennung wollte er die 10 Formen des Leidens den 10 Formen der Freude gegenüberstellen. Früher war es ein großer Tempelkomplex, der jedoch in den Wirren und Kriegen des 16. Jahrhundert von den Truppen von Chōsokabe Motochika niedergebrannt wurde. Später wurde er an der jetzigen Stelle mit weniger Gebäuden wiederaufgebaut. Die Haupthalle stammt aus der Meiji Zeit (1868-1912), die Zeit ist nach dem damals herrschenden Kaiser Meiji benannt worden.
Der Tempel zählt eine antike Teetasse des Generals Yukimura Sanada, einem berühmten Samurai des 16. Jahrhunderts, zu seinen Schätzen. Das rot-weiße Tor (Sanmon) beherbert 70 Mizuko Jizō Figuren, dieser spezielle Jizō ist der Beschützer derjenigen Kinder, die vor ihren Eltern sterben (mizuko). Ein weiterer Jizō der „Jingan Jimmoku Kyuusai Jizō“ genannt wird, befindet sich links der Haupthalle. Er soll Augenleiden kurieren und Blinden das Augenlicht wiedergeben. Hierzu dient spezielles Wasser und auch protektiv können im Tempelbüro Amulette (o-mamori) erstanden werden. In der Nähe gibt es eine heiße Thermalquelle, den Gosho Onsen. Onsen ist eine Freiluftanlage, die von einer (natürlichen) heißen Quelle gespeist wird, aber auch gutes Essen und eine Übernachtungsmöglichkeit werden hier geboten. Man sollte dann auch gleich die lokale Nudelsuppenspezialität „Tarai Udon“ kosten.
Als wir den Tempel betreten kaufe ich mir erstmal ein „Clapis Water“ am Automaten, der direkt am Tor steht. "Calpis Water" ist so ein Joghurt-Mix-Getränk, gut gekühlt schmeckt es echt lecker. Hier sitzen schon andere Fußpilger, die wir auch in den vorherigen Tempeln schon mal gesehen haben. Man grinst sich an und, wenn es möglich ist, hält man ein kurzes Schwätzchen. Woher man kommt, was man so beruflich macht, ob und wie lange man die Shikoku Tour laufen will. Nachdem wir unseren Pflichtteil erfüllt haben, gehen wir ins Tempelbüro, um unsere Tempelbücher stempeln und beschriften zu lassen. Da wir wissen, dass der Autor von „88 – Pilgern auf Japanisch“, Gerald Koll, bei seiner Tour den Eintrag in sein Tempelbuch vergessen hatte, kaufen wir ein Blättchen, dass er sich in sein Buch kleben kann. Es enthält die gleichen Stempel und Kalligrafien wie der direkte Eintrag vor Ort. So ein Missgeschick ist der Horror für jeden Pilger. Bloß nicht den Eintrag oder den Wanderstock vergessen, das Zurücklaufen würde Zeit und Nerven kosten. Hajo hat endlich den passenden Hut gefunden, jetzt müssen wir schnell weiter, da hier die Tempelunterkünfte schon alle belegt sind oder gar nicht angeboten werden. Auf alle Fälle müssen wir weiter. Ein Mönch fragt uns noch, ob wir denn kein Handy hätten. Nein, da wir auch keine Reservierungen machen, benötigen wir auch kein Handy. Mal ganz abgesehen davon, dass man uns wohl kaum verstehen würde, weil Englisch hier nicht ungedingt gängig ist und mein Japanisch bzw. Verständnis des lokalen Dialekt geradezu mangelhaft sind. Notgedrungener Maßen wollen wir im „Okuday“ einkehren, einem Minshuku (Familienpension), weil wir gedacht haben, dass man im Gosho Onzen nur baden, aber nicht übernachten könne. Außerdem steht in unserem Reiseführer etwas wie „man würde nicht mehr aus dem Onsen herauskommen“. Wir fragten uns natürlich, ob der Autor es mit einem zwinkernden Auge meint, im Sinne man könne sich von den Annehmlichkeiten nicht mehr losreißen oder das Ding ist so teuer, dass man einen gleich da behält, um die Schulden abzuarbeiten. Aber wie gesagt, am besten erstmal eine einfache Unterkunft finden, da wir über die hiesige Preisspanne der Unterkünfte noch nicht orientiert sind. Leider spricht der Typ im Minshuku (Familienpension) kein Englisch, als Hajo in seinem Übermut auch noch einen Schritt hoch zu Empfangspult macht, er hatte sich nicht die Schuhe ausgezogen, brüllt der Typ doch glatt los. Das sind Kommunikationsprobleme auf höchster Ebene. Ich komme mit meinem Japanisch auch nicht viel weiter, aber er will uns wohl ein Business-Hotel empfehlen, von dem er einen Prospekt hat. Beide Streithähne haben sich wieder eingekriegt und nach einem Telefonat mit dem Hotel, übergibt der Wirt uns mit einem Lächeln die Hotel Broschüre. Er läuft noch ein Stück des Weges mit uns, um sicher zu sein, dass wir die richtige Straße finden. Wir marschieren weiter die Straße runter, vorbei an verlassenen Erdbeer-Verkaufsständen, einem Love-Hotel, einem Stundenhotel für japanische Liebespärchen, bis wir schließlich das „Awa Access“ sehen. Wir checken für 5500 Yen ein. Im Preis sind sogar westliches Frühstück mit Brötchen und Kaffee und Internetbenutzung inklusive. Das Hotel scheint nagelneu zu sein, die Zimmer sind sauber und alles ist ordentlich. Mit das beste Business Hotel auf meiner ganzen Reise. Das Abendessen besorgen wir uns im gegenüberliegenden Sunkus Kombini. 24 Stunden geöffnet, mit einer breiten Palette an Essen und anderen Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs. Die Auswahl ist nicht so groß wie in einem Supermarkt (suupaa), aber aus jeder Sparte mindestens einen Artikel. Deshalb scheue ich mich auch nicht die Verkäuferin nach Sonnenblock zu fragen. Aber da sie kein Englisch spricht und unsere Gesten zum Thema „Sonnenschein abschneiden“ nicht versteht, gebe ich die Idee bald auf. Zum Glück erkennt ein junger Mann unsere Not und erklärt der Dame den Sachverhalt. Komischer Weise haben sie keine Sonnenblocker im Angebot, obwohl ich meine Fläschchen bei früheren Japanaufenthalten sonst immer im „Kombini“ gekauft habe. Der nette Typ führt uns auf die andere Straßenseite, wo ein „Kusuri“, eine Art Drogeriemarkt mit Apothekenbereich, noch auf hat. Kein kleiner Laden, zum Glück hat der junge Mann gleich einen Verkäufer nach den Sonneblockern gefragt, so dass ich nicht lange suchen muss.
Zurück im Awa Access, nachdem wir unser Abendesse verschlungen haben, schreibe ich ein paar Notizen in mein Büchlein, Lade die Akkus meiner Kamera auf und speichere die Bilder von der SD-Karte auf das Netbook. Leider kann ich die Bilder nicht auf „Picasar“ einem Online-Album einstellen, da den Computern hier die Software fehlt. Aber Hajo und ich sind froh, dass wir sie von Japanisch auf Englisch bzw. Deutsch umstellen können. Nach einer kleinen Internet Session treffen wir uns zu einer Lagebesprechung im Speisesaal, da es im Business Hotel nur Einzelzimmer gibt, haben wir auch kein gemeinsames Zimmer.
„Wir müssen unbedingt Gewicht reduzieren, damit wir schneller sind!“ Ist Hajos Resümee für diesen Tag und er fordert mich auf, mit ihm zu überlegen, wo er denn noch reduzieren kann. Ich erkläre, dass ich bei meinem Gepäck nichts mehr reduzieren kann. Mir gehen die Augen über, als Hajo mir erzählt, dass er fast 1 kg an Magnesium-Brause-Tabletten mit sich rumschleppt und dazu noch 60 Diafilme für seine alte „Knipse“, vom Blitzgerät ganz zu schweigen. 17 kg und das als erfahrener Globetrotter, dabei hat er doch schon einen ganzen Rucksack im Deutschen Haus deponiert?

Dienstag, 17. März 2009, Tokushima, Bando, Ryokan Kadoya-Tsubakiso

Der zweite Tag in Japan

Wir kriechen so um 11.00 Uhr aus unseren Futons. Es war eine harte Nacht - im wahrsten Sinne des Wortes. Mir tut die Hüfte vom ständigen Drehen und Wenden weh. Ich bin zwar sehr müde gewesen, konnte aber aufgrund des Jetlags kaum schlafen. Wir haben uns gerade hochgerappelt, die Zähne am Waschbecken im Flur geputzt und sitzen beim gestern gekauften Lawson Frühstück, als das Telefon klingelt. Da ich als einzige ein bisschen Japanisch verstehe, nehme ich den Hörer ab und hauche ein vorsichtiges „moshi, moshi“ ins Telefon, wie es hier in Japan üblich ist. „Hallo, ist da Familie G…?“, kommt es im akzentfreien Deutsch durch den Hörer. „Ich heiße Patrick W…und komme hier aus dem Deutschen Haus in Naruto. Der Ryokanbesitzer hat mich angerufen und mir gesagt, sie hätten Probleme.“ Probleme hatten wir eigentlich nicht, vielleicht einige Verständigungsschwierigkeiten, aber nichts, was eines Dolmetschers bedurft hätte, denke ich bei mir. „Ich stehe gerade vor der Tür“, bei diesem Satz bricht bei mir Panik aus. Mein Gott, so viele Umstände, nur weil man sich nicht aufs Abendessen einigen konnte. Wir sind noch nicht fertig, wir müssen hier noch aufräumen, wir sind gerade aus dem Bett gekrochen, schießt es mir durch den Kopf. Glücklicher Weise wartet Herr W… so lange am Eingang bis wir uns und das Zimmer ausgehfein gemacht haben. Man weiß ja nie, ob die Wirtin zwischenzeitlich das Zimmer säubern und aufräumen will. Herr W... arbeitet hier in Naruto im Deutschen Haus, wäre aber bei der Stadt Naruto angestellt und als Koodinator für internationale Beziehungen nicht nur für ausländische Staatsgäste, sondern auch für ausländische Touristen zuständig. Da er perfekt Japanisch spricht, bestellen wir mit seiner Hilfe erst mal ein Abendessen (1200 Yen) und lassen der Wirtin ausrichten, dass wir uns, trotzt Kommunikationsprobleme, doch sehr wohl in ihrem schönen Ryokan fühlen. Da wir das „Deutsche Haus“ heute ohnehin besuchen wollen, machten wir uns gemeinsam auf den Weg. Dies soll unsere erste Fahrt mit einem japanischen Auto sein. Hier herrscht Linksverkehr, das allein löste bei der Fahrt schon aufgestellte Nackenhaare aus, wenn es dann noch so ein kleiner Flitzer ist, der die Bergstraßen hoch saust, kommt man sich vor wie in einer Achterbahn. Aber so steil ist der Weg zum „German House“ zum Glück nicht. Herr W… erzählt mir, dass er studierter Japanologe ist und aus Hamburg kommt. „Ja kennen Sie denn auch Y…-sensei aus dem Afrika-und-Asien-Institut, bei dem lerne ich seit einem Jahr Japanisch? Frage ich ganz aufgeregt. Natürlich kennt er meinen Japanisch-Lehrer, bei dem hätte er studiert und ich solle ihn grüßen, wenn ich nach meiner Reise wieder nach Deutschland komme. Die Welt ist doch klein!

Exkurs: Das Deutsche Haus in Naruto http://www.city.naruto.tokushima.jp/contents/germanhouse_deutsch/index.html
Als der erste Weltkrieg ausgebrochen ist, beteiligte sich auch Japan und griff im nördlichen China die deutsche Garnison Tsingtao an. 1917 wurden ca. 1000 Gefangene, die vorher an anderen Orten in Japan untergebracht waren, im Lager Bando zusammengelegt. Unter dem damalige Lagerleiter Toyohisa Matsue, einem Humanisten, der die Menschenrechte respektiere, konnten die Gefangenen ein relativ selbstbestimmtes und angenehmes Lagerleben führen. So erbauten und führten sie eine Ladenstraße mit Postamt, betrieben eine Druckerei, Lagerbibliothek, einen Park und Sommerhäuser, ja sogar eine eigene Krankenversicherung gab es im Lager. Kulturell wurde das Lagerleben mit Theater- und Musikaufführungen bereichert, wobei letzteres zur ersten Aufführung von Ludwig van Beethovens „Sinfonie Nr. 9“ auf japanischen Boden führte. Es gab einen starken kulturellen Austausch, der u. a. Viehzucht, Konditorei und Süßwarenherstellung mit einschloss. Anlässlich der Würdigung dieser kulturübergreifenden Zusammenarbeit wurde 1972 das erste, 1993 das jetzige „Deutsche Haus“ eröffnet. Es beherbergt eine Ausstellung zum Thema "Alltag im Kriegsgefangenlager" mit Gegenständen und Dokumenten aus der damaligen Zeit sowie einen kleinen Museums-Shop, in dem deutsche Lebensmittel und Geschenkartikel angeboten werden.
Bei einer Privatführung durch das Museum berichtet Patrick uns, dass gestern der Ministerpräsident von Niedersachsen, Christian Wulf, hier war und einen Kranz an einem Gedenkstein niedergelegt hat. Wir haben ihn wohl gestern, als wir durch den Park gestromert sind, vielleicht um eine Stunde verpasst. Zu wahren Begeisterungsausbrüchen lasse ich mich hinreißen, als ich dem Museumsshop durchstöbere: Neben deutschem Wein und natürlich auch Bier, gibt es hier Leckereien wie Haribo Gummibärchen und Lindt Schokolade. Es ist fast wie eine zweite Ausstellung: Während wir vorher deutsche Produkte bewundert durften, die noch aus der „Guten Alten Zeit“ stammen, wird hier ein Querschnitt aus der deutschen Produktvielfalt von heute gezeigt. Natürlich keine frischen Sachen, aber alles was irgendwie haltbar gemacht werden kann und den langen Weg über das Meer gefunden hat. Ich bin immer wieder fasziniert, mit welchen Attributen Deutsche hier in Japan assoziiert werden. Während wir in England vielleicht aufgrund unseres Sauerkrautkonsums als „Krauts“ bezeichnet werden, könnte man uns in Japan als „beers“ (von Bier), „sausages“ (von Wurst) oder als „Schweinshaxen“ bezeichnen, denn diese Produkte gelten als typisch Deutsch.
Von den Kuckucksuhren, Gartenzwergen und Lederhosen will ich gar nicht erst anfangen, aber wir werden eben nicht nur mit den Sachen in Verbindung gebracht, mit denen wir uns sonst rühmen, sondern mit ganz einfachen und nebensächlichen Geschichten.
Da Hajos Reispläne in Japan weiter reichten als nur die Shikoku Tour, er will auch Kyoto, Nara und Nikko besuchen, fragt er Patrick, ob er einige Sachen im Deutschen Haus zwischenlagern könnte. Da es kein Problem ist, will Hajo später einen kleinen Rucksack bei Patrick deponieren. Jetzt wollten wir aber den nahe liegenden ōasahiko Schrein besuchen, um uns die von deutschen Kriegsgefangenen erbaute „Deutsche Brücke“ anzusehen.

Exkurs ōasahiko Jinja: http://www.ooasahikojinja.jp/d/
Der Jinja oder shintoistische Schrein ist das Gegenstück zu buddhistischen Tempel. Shinto bedeutet „der Weg der Götter“. Götter oder „Kami“, wie sie im Japanischen genannt werden, können Seelen von Verstorbenen sein, aber auch Natur- oder Fruchtbarkeitsgottheiten.
Die Gottheit hier im Schrein ist ōasahiko no Okami, er soll der Mythologie nach der erste Siedler gewesen sein, der hier Flachs und Baumwolle angebaut hat. Er beschützt die Gläubigen vor Verkehrsunfällen und allem Bösen. Hierzu kann man im Schrein Amulette und Glückbringer kaufen, die man dann ins Auto hängt bzw. Aufkleber, welche die gleiche Wirkung haben sollen. Im Maruyama Park in der Nähe des Schreins sind die, wie oben erwähnt, von deutschen Kriegsgefangenen errichteten „Brillen-Brücke“ und „Deutsche Brücke“ zu besichtigen. Die Deutsche Brücke insbesondere steht heute noch als Symbol für die Freundschaft zwischen Japan und Deutschland.

Hier lasse ich mir in mein kleines Pilgerbuch (nokyochō), das mich schon bei meinem letzten Urlaub in Kyoto und Nara begleitet hat und sowohl Tempel- als auch Schreinstempel enthält, einen Eintrag machen. Auch für shintoistische Schreine gibt es Pilgerbücher, Goshoin heißen diese, aber so eng hatte ich das mit der Trennung der beiden Religionen bis jetzt nicht genommen. Beim Verlassen des Schreins laufen mir sogar noch zwei wilde Affen über den Weg, die sich jedoch recht scheu verhalten, obwohl sie hier anscheinend gefüttert werden. Eigentlich wollten wird jetzt zurück zur Straße, kommen aber an einem Schild vorbei, dass den Weg zum Filmset „Symphony of Joy“ ausweist, einem Film, der das Leben der Deutschen im Lager Naruto zu Vorbild hat. Da im Lager wie gesagt auch Beethovens „Ode an die Freude“ gespielt wurde, übernahm man den englischen Titel, da der japanische Originaltitel „Baruto no Gakuen“ also "Paradies der Bärte", wohl kaum einem Ausländer etwas in Verbindung mit dem Gefangenenlager Naruto gesagt hätte. Leider ist das Set geschlossen, wir können nur einige Handwerker beobachten, die wohl die Baracken in Schuss halten sollten. Wir laufen in Richtung Deutsches Haus zurück.
Hier machen wir bei einer ganzen Galerie von Getränkeautomaten ein kleines Päuschen, wo ich mir erst mal ein „Pokari Sweat“, ein isotonisches Erfrischungsgetränk, genehmige. Es fällt uns ein mit deutschen Fahnen geschmücktes Häuschen auf, das wir vorher doch glatt übersehen hatten. Es stellt sich als „Deutscher Imbiss“ mit angeschlossener Verkaufshalle heraus. Während im Imbiss vorwiegend deutsche Würstchen, Getränke, aber auch Marmeladen u. Ä. verkauft werden, ist die angeschlossene Halle den Produkten aus Naruto und Umgebung vorbehalten. Wir bestellen eine Thüringer- und eine Schinkenwurst und bekommen beide mit Senf und einem Klacks Sauerkraut serviert. Nach dieser Stärkung wollen wir zum Tempel Nr. 2 laufen, aber machten vorher noch einen Abstecher in den Park, wo der Ministerpräsident gestern einen Kranz niedergelegt hat.

Exkurs Tempel Nr. 2 Gokurakuji (極楽寺) http://tencoo.fc2web.com/jinja/xgokurakuji.htm
Der Tempel soll von einem Priester namens Gyōgi im 8. Jahrhundert gegründet worden sein, wahrscheinlicher ist aber die Kamakura Periode (13. Jhd.). Die Legende besagt, dass das Licht des Heiligenscheins des Buddha Amida Nyorai so weit strahlte, dass es die Fische in der nahe liegenden Bucht verschreckte. Um das zu verhindern, bauten die Fischer einen Hügel, deshalb ist der Tempel auch unter dem Namen „Sonnlicht Berg“ (Nisshōzan) bekannt. Hier steht eine 1000-jährige Zeder (Chōmeissugi), die von Kōbō Daishi gepflanzt worden sein soll und demjenigen, der sie berührt, ein langes Leben bzw. schwangeren Frauen eine leichte Geburt bescheren soll. Wie so viele Tempel wurde auch dieser im 16. Jahrhundert, in der Zeit der Bürgerkriege, Reichseinigung und anschließenden Abschottung, niedergebrannt. Die derzeitigen Gebäude sind relativ neu, da alle Tempel, die eine leichtere Geburt versprechen, von den Gläubigen häufig besucht werden und dementsprechend über finanzielle Mittel verfügen. In Japan gibt es keine Kirchensteuer, so dass sich alle Tempel, aber auch die Schreine, durch die Spenden der Gläubigen und das Geld für durchgeführte Rituale finanzieren müssen. Bemerkenswert sind ferner die vor den 44 Treppenstufen zu den Tempelhallen befindlichen Fußabdrücke Buddhas (bussokuseki).

Im Tempel Nr. 2 (Gokurakuji) haben wir jetzt Premiere. Zum ersten Mal betreten wir einen Tempel als Pilger und versuchen uns an die Etikette bzw. den Ritus zu halten, der bei uns im englischen Kartenbuch beschrieben worden ist. Es ist keine feste Vorschrift, aber so eine Art Roter Faden, den man je nach Belieben noch ausschmücken kann. Die Reihfolge - Tor, Glocke, Brunnen, Haupthalle und Daishi-Halle halten wir diesmal ein. Wir betreten das Pilgerbüro nachdem wir unsere Herz Sutra jeweils einmal vor der Haupt- und Daishi Halle „rezitiert“ haben, d.h. wir lesen die Silben von einem Blatt ab, welches ich bei der Reisevorbereitung aus dem Internet heruntergeladen hatte: Die Japanischen Schriftzeichen (Kanji), die Lesung der Kanji in lateinischen Lettern (Romaji) und jeweils die Übersetzung Wort für Wort und eine sinngemäße Übersetzung brachten uns dem schwierigen Thema Sutra näher. Zwar waren die Übersetzung in lateinischen Lettern, aber wir haben uns immer wieder verhaspelten oder sollte ich sagen versungen, da eine Silbe jeweils auf einen Takt kommt. Aber bei der Silbe „shiki“ gibt es doppelte Probleme - mal als „shiki“ und mal als „shi“ und ki“. Aber Übung macht den Meister. „Das musst aber noch besser werden.“, sage ich zu Hajo“ wir haben jetzt noch 214-mal (88 Tempel + 20 Bangais = 216) die Gelegenheit, das zu üben.
Da das Tempelbüro gleichzeitig ein kleines Lädchen mit vielen Pilgeraccessoires ist, wie fast alle Tempel der 88 Haupttempel, kaufe ich mir hier eine Pilgerweste (hakui), einen Hut (sugegasa), den Rosenkranz (juzu) und einen Stapel mit Namenszetteln (osame fuda). Die hilfsbereiten Damen zeigen mir, wie ich das Halteband am Hut zu binden habe und dass ich ein „toru“ (kleines Handtuch bzw. tenugui) darunter tragen sollte, um Scheuerstellen zu vermeiden. Beim Bezahlen bekomme ich mein erstes Pilgergeschenk (osettai), ein kleines, oranges Portmonee für Opfermünzen (osaisen). Das schöne bei Pilgergeschenken ist, dass man sie nicht ablehnen darf und ich so auch gar kein schlechtes Gewissen haben musst, da ich es mir auch hätte kaufen können. Jetzt sollte meine Pilgerausrüstung vollständig sein. Natürlich hätte ich auch Glöckchen (jirei), Täschchen (zudabukuro), Pilgerstola (wagesa) Kerzen, Weihrauchstäbchen und als Gegenstück zum Pilgerbuch ein Pilgerrollbild (kake-jiku) usw. erwerben können, doch wer soll das alles schleppen? Wenn ich die Tour beschafft habe, werde ich hier nach Herzenslust shoppen, aber auf der Tour werde ich es mir verkneifen, um überflüssiges Gewicht zu sparen.
Mittlerweile war es doch recht warm geworden. Während ich heute Morgen noch gefroren und die Lufttemperatur trotz Sonne doch als recht kühl empfunden hatte, würde ich sagen, das Thermometer hätte vielleicht 20 °C angezeigt. Hajo drängelt, da wir noch Tempel Nr. 1 besuchen wollten und er vor 17.00 Uhr seine Tasche bei Patrick im Deutschen Haus abgeben will. Kaum hat man begonnen so richtiges „Pilger Feeling“ zu entwickeln, da musste man schon wieder hetzen. Keine Rezitation der Sutra, nur schnell den Pilgerbuch Eintrag abgeholt und Hajo muss mit seiner Tasche zum Deutschen Haus hetzen.

Exkurs: Tempel Nr. 1 Ryōzenji (霊山寺)
Ryōzenj soll auf Geheiß des damaligen Kaisers Shōmu von einem Priester namens Gyōgi (668-749) gegründet worden sein. Obwohl sich mehr als 13 Tempel damit rühmen geistiges Kind dieses Priesters zu sein, der auch Brücken, Dämme und Straßen erbaut haben soll, ist es fraglich ob er überhaupt jemals auf Shikoku gewesen ist. Aber das ist wieder typisch Japanisch: Die Geschichten müssen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen oder gar logisch sein, es gibt in der japanischen Kultur und explizit im Shinto so viele schöne Mythen, Geschichten und lokale Abwandlungen, dass keiner mehr wirklich sicher sein kann, wie oder ob es sich wirklich zugetragen hat. Und wenn man dann noch eine „Reliquie“ präsentiert bekommt, z.B. ein Haarbüschel von der Frau, die Kōbō Daishi zur Nonne ordiniert hat, da sie ihn mit selbstgewebtem Tuch versorgt hat, mag man umso lieber daran glauben.
Vielmehr soll Kōbō Daishi eine Vision vom historischen Buddha „Shakamuni“ (Siddharta) behabt haben, der auf dem „Geierberge“ in Indien das Herz Sutra gebetet haben soll. Der Tempelname „Der Tempel des heiligen Berges“ trägt dieser Vision Rechnung.
Kōbō Daishi soll auch die beiden Statuen von Dainichi und Amida geschnitzt haben, die jeweils andere Aspekten des allumfassenden Buddha verkörpern. Es gibt vor der Daishi-Halle (Daishidō) einen kleinen Teich mit Kois (jap. Zierkarpfen) und unter einem kleinen Dach die Darstellung der 13 Buddhas. Der Shingon Buddhismus, der Buddhismus des „wahren Wortes“, kennt 13 Aspekte Buddhas, jeder wird durch einen andere Figur verkörpert, die durch ihre Darstellung mit Kleidung, Accessoires und Handhaltung (Mudras) zu identifizieren sind. Klingt kompliziert, ist es für den Pilgerneuling auch, aber je mehr man sich reinguckt, desto mehr versteht man auch das Drumherum in einem Tempel. An dieser Stelle soll es für jetzt reichen, ich werde bei gegebenen Anlass immer wieder ein paar Fäden einweben, so dass zum Schluss ein, hoffentlich verständliches, Bild von dieser „Wunder-baren“ Religion entsteht.

Beim Abendessen, was sehr lecker ist, erklärt uns die Wirtin, dass nur die Frühstücksuppe aus Miso (Suppenpaste aus fermentierten Sojabohnen, Reis und Gerste) besteht, während die Suppe zum Abendessen eine Dashi Brühe ist, die aus Fisch und Seetang gekocht wird. Ja, ich verstehe nicht viel Japanisch, aber wenn es ums leibliche Wohl geht, verstehe ich fast alles. Ich gehe nach der Devise vor - man muss nicht alles mögen, man muss aber zumindest alles probieren! Ich frage lieber erst hinterher woraus das, was gerade noch lecker gescheckt hat, denn nun tatsächlich besteht. Man beraubt sich sonst von Anfang an der kulinarischen Genüsse.

Montag, 16. März 2009, Tokushima, Bando

Der erste Tag in Japan

Von der Touristeninformation schleppen Hajo und ich unsere Rucksäcke zur Bushaltestelle vor dem Flughafengebäude. Hier entsteht auch das einzige Foto unserer Reise, das uns zusammen zeigt, da sich ein Herr vom Busunternehmen zur Verfügung gestellt hat. Der sogenannten „Limousine Bus Service“ (http://www.kate.co.jp/pc/index_e.html) besteht aus einem Netzwerk von Bussen, die die Flughäfen und Hauptstädte verbinden bzw. Fluggäste aus den ländlicheren Regionen einsammeln und zu den Flughäfen kutschieren. Mein Vorschlag mit dem Bus nach Tokushima auf Shikoku zu fahren und dort den Tempelbus direkt zu Tempel Nr. 1 zu nehmen, war Hajo zu umständlich. So wollen wir schon an der Haltestelle „Naruto Highway“ aussteigen und mit der Bahn von "JR Naruto" über "Ikenotani" nach "Bando" fahren. Auf der Busfahrt gibt es einen Vorgeschmack auf die Natur und Sehenswürdigkeiten von Shikoku. Die grünen Bambuswälder an den Berghängen wirken wie kleine Farnwedel und von der Akashi-Kaikyo und Naruto Brücke können wir aus dem Bus heraus einen Blick auf die Algenzucht Anlagen und die berühmten Wasserwirbel werfen. Die Entfernung von der Bushaltestelle zum JR (Japan Railways) Bahnhof Naruto hatten wir allerdings unterschätzt, so dass wir erst bei einer weiteren Touristeninformation nachfragen müssen, wo es den zum Bahnhof geht. Mit einem weiteren Bus geht es quer durch Naruto und dann zum „Naruto eki mae“ (vorm Naruto Bahnhof). Mit dem ganzen Umsteigen und Umhergefahre war es dann doch umständlicher als der Umweg über Tokushima, aber letzten Endes landen wir dann doch am Bahnhof Bando und schlurren etwas erschöpft zu unserem Ryokan Kadoya tsubakiso (Ryokan: wörtlich „Reisegasthaus“; traditionell japanisches Hotel). Zum Glück kann ich die ersten Silben auf dem Schild „Kadoya“ lesen, da es in japanischer Silbenschrift (Hiragana) geschrieben ist, während ich der japanischen Schriftzeichen (Kanji) für „tsubakiso“ noch nicht mächtig bin.
Hier werden wir auch gleich typisch japanisch begrüßt: Die nicht mehr ganz so taufrische Japanerin schmeißt sich vor uns auf die Knie, verbeugte sich fast bis zum Boden und begrüßte uns mit einigem Gemurmel. Dass Japaner sich viel stehender Weise verbeugen kannte ich schon, aber dass die ältere Dame nun auf den Holzboden herum rutscht, tat mir dann doch etwas leid. Wir ziehen unsere Schuhe, wie in einem traditionell japanischen Gasthaus üblich, im Vorraum (genkan) aus und schieben sie in das dafür vorgesehene Regal. Am Ende der drei Stufen warten schon Hausschuhe auf uns, die natürlich viel zu klein sind. Aber wir machten bei dem Spiel erstmal mit. Wir bezahlen erst einmal die zwei Übernachtungen, die telefonisch gebucht worden waren. Als die Wirtin uns das Gepäck abnehmen will, lehnen wir dankend ab, das ist nun wirklich zu schwer für so ein kleines, zartes Mütterchen. Wir merken schnell, dass sie weder Englisch spricht noch versteht. Viele Japaner sind Ausländern gegenüber sehr zurückhaltend, nur weil sie kein Englisch sprechen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch kein Englisch verstehen! Da die nette Frau von der Touristeninformation uns angekündigt und das Zimmer ohne Essen bestellt hatte, versuchen wir der Wirtin klarzumachen, dass wir hier doch gerne zu Abend essen wollen. Als das Wort „bangohan „ (Abendessen) fällt und sie uns die Uhrzeit „Acht“ nennt, sind wir sicher, dass die Kommunikation doch nicht so schwierig sein wird.
Sie zeigt uns ein Raum, der mit Reisstrohmatten (tatami) ausgelegt ist und eine Schmucknische (tokonoma) mit Rollbild (kakemono) und Fernseher aufweist. Ich hatte mich vorher mit Hajo geeinigt, dass wir gemeinsam ein Zimmer beziehen wollen, da die Toiletten und Waschräume ohnehin separat sind. Vor dem Betreten des Zimmers ziehen wir, wie in Japan üblich, die Hausschuhe wieder aus. Im Raum befinden sich nur ein flacher Tisch mit Sitzkissen, eine Art Mülleimer, ein Tresor, der nicht gerade zum traditionell japanischen Interieur passt und ein Kasten mit Baumwollkimono (yukata) und Handtüchern. Die inneren papierbespannten Schiebetüren (shoji) werden zurückgeschoben und machen so den Blick durch eine weitere gläserne Schiebetür frei, durch die man in den kleinen Garten sehen kann. Es gibt eine große papierbespannte Deckenleuchte, ein Wandtelefon und eine Notfall-Taschenlampe. Mit einer Handbewegung winkt die Wirtin uns aus dem Zimmer und führt uns über Gänge tiefer ins Haus. Sie zeigt uns die Toiletten (toire oder otearai), das im Gang befindliche „Badezimmer“ (senmenjo) mit Waschbecken (senmen-ki), der daneben stehenden Waschmaschine (sentaku-ki) und Trockner (kanoo-ki). Etwas weiter kommen wir zum Gemeinschaftsbad, dem O-furo, welches aber streng nach Männlein und Weiblein getrennt wird. Hier wird sich in einem Vorraum entkleidet. An einer Art niedrigen Dusche, auf einem kleinen Plastikschemel sitzend, wird sich erstmal gründlich gewaschen, bevor man das eigentliche Bad genießen darf. Das kleine Handtuch, was man im Zimmer vorgefunden hat, wird als Waschlappen benutzt. Und erst wenn man wirklich sauber ist, darf man in das, für europäische Verhältnisse, sehr heiße japanische Bad steigen. Wobei es auch nicht so eine Badewanne ist, in die man sich räkeln kann. Es ist vielmehr eine Art Badezuber, in den man sich reinsetzt und hauptsächlich entspannen soll. Meist ist das Bad mit einer Rollmatte abgedeckt, damit es nicht auskühlt, da alle weiblichen bzw. männlichen Gäste das gleiche Badewasser nutzen.
Kaum haben wir für unsere Rucksäcke im Zimmer den richtigen Platz gefunden und uns am niedrigen Tisch auf den Sitzkissen niedergelassen, kommt die Wirtin abermals. Sie bringt uns heißes Wasser, eine Teekanne mit kleinen Teetassen und in Papier eingeschlagene Kekse. In einer Teedose sind zwei kleine Beutel mit Grünem Tee und weitere Zutaten, die ich leider nicht identifizieren kann. Der Tee schmeckt aber irgendwie kräftiger, als wäre da noch etwas Geröstetes dabei. Hajo als passionierter Teetrinker bereitet den Tee zu, während ich neugierig die mit Schiebetüren versehenen Wandschränke inspiziere. Hier liegen Berge von Matratzen, Überdecken und einfachen Wolldecken. „Futon“ nennt der Japaner sein einfaches Nachtlager, das aus, z. T. mit einer dünnen Schaumstoffmatratze als Unterlage, einer gesteppten Matte als Zwischenlage und einer großen, weichen, aber sehr schweren Zudecke besteht. Komplettiert wird das Gebilde durch ein mit Reis gefülltes Kopfkissen, was aufgrund des harten Inhalts nicht unbedingt mit unserem Feder gefüllten Kopfkissen verglichen werden sollte. Da in Japan Platz Mangelware ist, werden die Futons über Tag wieder in die Wandschränke geräumt. Beruhigt atme ich auf, trotz der noch recht kalten Temperaturen, musste ich nicht fürchten, in der Nacht zu frieren. Es gibt zwar meist eine Klimaanlage, doch ist die hauptsächlich für die wärmere Jahreszeit gedacht. Zentralheizung kennt man in diesem Teil Japans nicht, es werden allenfalls kleine transportable Ölöfen bzw. elektrische Wärmestrahler aufgestellt.
Aber der Tag ist noch jung und ich bin auch noch nicht zu müde. So beschließen wir, die Umgebung ein bisschen zu erkunden und schon mal Tempel Nr.1, der direkt in der Verlängerung unserer Straße liegt, einen kurzen Besuch abzustatten. Wir laufen also die Straße entlang und suchen die beiden anderen Unterkünfte, die in unserem englischsprachigen Plan eingetragen sind und, laut Dame an der Touristeninformation, ausgebucht waren: Minshuku Tsushimaya und Minshuku Awa. Minshukus sind eine Art Familienpension - alles ist etwas einfacher und familiärer, da kann man schon mal mit der Wirtsfamilie an einem Tisch essen.
Jetzt stehen wir vor dem Tor zu Tempel Nr. 1 und grinsen uns an, weil direkt vor dem Tor ein breiter Zebrastreifen mit Ampel entlang läuft. Auch die mit Pilgerkleidung versehene Schaufensterpuppe im Eingang lässt bei uns einen anderen Eindruck aufkommen, als dass hier die älteste Pilgertour der Welt beginnt. Hoffentlich überfällt uns hier nicht der Kitsch, den ich von den Souvenir Shops aus Osaka und Tokyo kenne. Aber weit gefehlt, es gibt hier zwar insgesamt 3 Läden: einen außerhalb des Tempelgeländes mit angeschlossenem Teehaus, einer in der Haupthalle (Hondō) und einen direkt am Busparkplatz, doch wird hier nicht überdurchschnittlich viel Schnickschnack und Kitsch verkauft. Jedenfalls nicht mehr als in anderen Tempeln. Dass hier viele Sachen aus Plastik sind und eventuelle auch „made in china“, daran hat sich der Durchschnittsjapaner längst gewöhnt, weil traditionelle Handarbeit und Holzarbeiten wohl viel zu teuer wären. Wir betreten den Tempel durch das Tor. Noch sind wir Touristen, beim nächsten Mal werden wir uns vor dem Tor verbeugen und dem Ritual der Pilger folgen.

Exkurs: Pilgeretikette
Nach Verbeugung und Durchschreiten des Haupttores (mon) geht man zum Wasserbecken (chōzubachi), wäscht Hände und spült den Mund, geht weiter zum Glockenturm (tahōtō), schlägt die Glocke und verrichtet sein Gebet an der Haupthalle (Hondō). Hier können nach Belieben Räucherstäbchen oder Kerzen entzündet werden. Der Gong (waniguchi) an der Halle kündigt der Gottheit (honzon) an, dass man ihr huldigen möchte. Namenszettel (osame fuda), auf denen Name, Datum und Grund des Besuches vermerkt sind, kommen in die dafür vorgesehene Box, auch für handschriftlich kopierte Sutren steht eine Box zur Verfügung. Nach einer kleinen Münzspende (osaisen) in den Opferkasten, nimmt man den buddhistischen Rosenkranz (juzu) und das Sutrabüchlein zur Hand, wenn man das Sutra noch nicht auswendig kann. Das Rezitieren erfolgt schnell oder langsam, puristisch wie ein Gedicht oder theatralisch fast wie ein Singstück. Mal laut oder auch ganz leise, der eine flüstert, der andere brummt es im vollen Brustton. Experten des Shingon wissen genau, wann welche Sutra (buddh. Gebet), Mantra (Wortformel) oder Goeka (buddh. Lied) zu rezitieren sind, aber für uns „Trecking-Buddhisten“ reicht eigentlich schon das Kōbō Daishi Mantra („Namu Daishi Henjō Kongō“) und die Herz-Sutra (Hannya Shingyo). Gleiches passiert nochmals vor der Daishi Halle (daishidō), die zu Ehren des Sektengründers Kōbō Daishi (Mönchsname Kukai) errichtet worden ist. Danach darf man sich den Besuch im Pilgerbüro (nōkyōsho) dokumentieren lassen.
Wir schauen uns um, machen ein paar Fotos und wundern uns, dass hier die Gebäudeanzahl doch recht übersichtlich ist. Trotz der Wichtigkeit als Startpunkt der Pilgerreise steht hier kein großer Tempelkomplex mit vielen Nebengebäuden. Ein netter, kleiner Tempel eben, mit einem kleinen Teich mit Kois (japanische Zierkarpfen) vor der Kukai-Halle (daishidō), einer Haupthalle (hondō) in der der Amida Nyorai verehrt wird, einer kleinen Pagode, ein paar Standbildern, Steinfiguren und einem Platz, wo sich die Buspilgergruppen fotografieren lassen können.

Es ist schon kurz vor 17 Uhr. Das heißt für den versierten Pilger, dass das Pilgerbüro (nōkyōsho), wo man nach erfolgtem Gebet das Pilgerbuch (nōkyōcho) stempeln und beschriften lassen kann, gleich schließen wird und auch im Lädchen räumt man schon die Waren weg. Wir verlassen den Tempel, machen aber noch einen Abstecher in den Laden vor dem Tempelgelände. Hier erstehen wir beide ein Pilgerbuch (nōkyōcho). Es ist etwas größer als die anderen Bücher und zeigt auf einer Seite eine kleine Zeichnung vom Tor, der Haupthalle oder irgendetwas Charakteristisches vom jeweiligen Tempel. Hier kaufe ich auch meinen Wanderstock (kongozue) mit Brokatstoffgriff und Glöckchen. Wir laufen noch ein wenig in der Gegend herum und finden Teile der Gedenkstätte des Gefangenlagers, in dem im Ersten Weltkrieg deutsche Gefangene untergebracht waren. In der Karte steht auch was von einem „Deutschen Haus“ und einem Filmset für den Film „Symphony of Joy“, aber es wird langsam dunkel und wir wollen zurück zum Ryokan.

Bei der Ankunft im Ryokan nimmt die Wirtin meinen Wanderstock und stelle ihn in die Schmucknisch (tokonoma). Das ist so üblich, da der Stock den Sektengründer verkörpert und man so Kōbō Daishi in Person bei sich beherbergt. Nachdem wir unser Bad auf die traditionell japanische Weise genommen haben, es gab zwar einen Schlüssel für unser Zimmer, dennoch haben wir nicht gleichzeitig gebadet, da einer immer ein Auge auf unsere Sachen haben musste, warten wir auf das Abendessen. Aber es kommt nur ein Anruft von unserer Wirtin, in dem sie uns eine gute Nacht wünscht („o yasumi nasai“). Verdattert gehen wir in die Küche und fragen nach. Aber die Wirtin besteht darauf, dass wir kein Essen bestellt haben. Aber warum hat sie denn was von 8.00 Uhr geschnackt? Etwas verärgert ziehen wir ab, aber da wir in der Straße beim Tempel einen „Lawson“ Kombini, eine Art 24-Stunden Supermarkt, gesehen haben, holen wir uns unser erstes japanisches Abendessen von dort und kaufen auch gleich etwas für das Frühstück ein. Nachdem unser Hunger gestillt ist, kriechen wir in unsere Futons. Wohlweislich habe ich 4 Wolldecken über dem Futon ausgebreitet, um nicht zu frieren. Da mir die Hüften wehtun, ich bin das Schlafen direkt auf dem Boden nicht gewöhnt, falte ich die Unterlage einmal, so dass sie jetzt zwei Lagen dick, aber nur halb so breit ist. Ich kann aber trotzdem nicht schlafen, da Hajo immer dann zu husten beginnt, wenn er kurz vorm Einschlafen ist. Er hatte die Woche vor dem Abflug noch eine heftige Erkältung gehabt und die sein wohl noch nicht auskuriert, erklärt er mir später.