Karte von Shikoku mit den 88 Haupt- und 20 Nebentempeln


Freitag, 21. August 2009

Mittwoch der 18. März 2009, Tokushima, Bando, Ryokan Kadoya-Tsubakiso

Der dritte Tag in Japan

Die Nacht ist sehr kalt. Ich kann nicht schlafen, die Hüften tun mir weh und Hajo röchelt immer noch, dabei kann ich schon bei leisesten Atemgeräuschen nicht einschlafen. Mir steckt das Jetlack noch in den Knochen und ich hoffe, es bessert sich, wenn ich mich über Tag beim Wandern ausarbeite. Zum Frühstück gibt es Grünen Tee und Kasutera, eine von den Portugiesen eingeführter Rührkuchen. Heute soll unsere Pilgertour offiziell starten. Wir haben uns mit Pilgerutensilien versorgt, unsere Rucksäcke sind gepackt und ausreichend Kartenmaterial führen wird auch mit. Neben dem englischsprachigen Kartenbuch, habe ich auch das offizielle japanische Routenbuch gekauft, da die Nebentempel (Bangai), die wir auf alle Fälle auch besuchen wollen, nur hier verzeichnet sind. Zur besseren Orientierung habe ich mir eine Liste mit den 88 Haupt- und 20 Nebentempeln angelegt, die zusätzliche Informationen enthalten, ob und wo man kostenfrei unterkommen kann. Vorsichtshalber habe ich ins englische Kartenbuch jeweils die Seitennummern der Japankarte eingetragen, auf denen der Weg zu den Bangai Tempeln beschrieben wird, damit wir nicht zufällig einen übersehen.
Nach einer kurzen Fotosession, bei der wir uns gegenseitig in Baumwollkimono (Yukata) vor der Ziernische (Tokonoma) fotografieren, verabschieden uns von unserer Wirtin und machen uns auf den Weg. Vorbei an Tempel Nr.1, den haben wir ja schon besucht, statten wir Tempel Nr. 2 eine kurzen Besuch ab, da wir gestern die 1000-jährige Zeder nicht ausreichend gewürdigt haben. Keine 3 km weiter liegt Tempel Nr. 3 Konsenji. Wir laufen an der Straße entlang - Hajo als Navigator mit dem Kartenbuch voran und ich als Trecking Anfänger immer hinterher.

Exkurs Tempel Nr. 3 Konsenji (金泉寺)
Der Tempel soll ebenfalls von Gyōgi unter dem Namen „Konkomyoji“ im 8. Jahrhundert gegründet worden sein. Hier wird, wie in Tempel Nr. 1, Shaka Nyorai in der Haupthalle (Hondō) verehrt. Später wurde aber durch Kōbō Daishi der Tempel in Konsenji ,„Tempel der Goldenen Quelle“, umbenannt, nachdem er hier in einer Zeit der Dürre eine Quelle habe entspringen lassen. Es heißt, dass Kōbō Daishi einfach durch Hineinstoßen seines Wanderstocks in die Erde Quellen habe sprudeln lassen können, und das nicht nur auf Shikoku, sondern in ganz Japan. Neben seinen Fähigkeiten in der Dichtkunst, Kalligrafie (Shodō) und Bildhauerei (Schnitzerei), werden Kōbō Daishi immer wieder fast magisch anmutende Fähigkeiten wie Spontanheilungen und eben auch das Finden von Quellen aus dem Nichts zugeschrieben. Hier am Wasserbecken (chōzubachi) des Konkomyoji ist ein Stück Stoff aufgehängt, welches nur einen kleinen Durchgang freilässt. Es ist für die Frauen, die während der Geburt gestorben sind. Der Pilger bespritzt den Stoff mit Wasser zur Reinigung der Seelen dieser Frauen, so dass sie die Erleuchtung erlangen mögen. Weitere „Attraktionen“ sind das Grabmal des Kaisers Chōkei (1343-1394) und ein großer Stein, der von dem legendären Benkei, einem Kampfmönch und Bodyguard, als Zeichen seiner Stärke gestemmt worden ist.

Wir betreten das Tempelareal durch das Tor, verbeugen uns und suchen erst mal ein Plätzchen, wo wir unsere Rucksäcke abstellen können. Ich versuche meinen hölzernen Wanderstock irgendwo sicher hinzustellen und hänge den Hut dazu, damit ich freie Hände für das Sutra Rezitieren habe. Hajo hat so ein zusammenschiebbaren Wanderstock dabei. Er hat bis jetzt nur ein Baseballcap auf, da er sich später einen Hut kaufen möchte. Vielleicht sind die dann billiger, weil jeder Pilger seine Ausrüstung schon an den ersten Tempeln komplettieren möchte. Blaue Bänke mit der Aufschrift „kameyama rōsoku“ laden zum Verweilen ein, sie stehen auf fast jedem Tempelgelände. Hier stelle ich den Rucksack ab und klemme den Stock so rein, dass er möglichst nicht umfällt. Später finde ich im Internet, dass sich hinter „Kameyama Rōsoku“ eine Kerzenfirma verbirgt, die die Bänke gestiftet hat. Coca Cola würde wohl auch schlecht passen, obwohl das Rot mit dem Rot mancher Tempel doch recht gut harmonieren würde. Mal ganz davon abgesehen, dass fast jeder Tempel einen Getränkeautomaten auf dem Gelände stehen hat.
Hier treffen wir einige japanische Pilger, die sogar Englisch sprechen. Ein Herr mit blauem Kopftuch, der gut Englisch spricht, einer mit grünem Rucksack und einen humpelnden Japaner sollen wir noch öfters in den Tempeln treffen. Wir haben es aufgegeben, uns die Namen unserer Mitpilger merken zu wollen, meist fragt man erst gar nicht, weil die Japaner im Gegenzug sich auch unsere Namen nicht merken können. Ich kann die Personen auch am Besten anhand von charakteristischen Merkmalen identifizieren: Herr Blaukopf, Herr Grüner Rucksack und Herr Hinkebein. Mit einem jungen Mann aus Sendai, der zu Fuß mit einem Zelt unterwegs ist, freunden wir uns näher an und wollen die nächsten Tempel miteinander laufen.
Als wir fragen, wo es denn zum Bangai Tempel Nr. 1 geht, werden wir mit viel gekreuzten Armen niedergebrabbelt. Gekreuzte Arme bedeuten so viel wie „nicht erlaubt“ oder „nicht existent“. Das soll uns wohl klarmachen, dass der Trail zu Bangai Nr. 1 zurzeit nicht passierbar ist. Schade, aber vielleicht können wir auf dem Rückweg einen Abstecher machen, es wäre doch zu ärgerlich, wenn er als einiger in unserer Tempelsammlung fehlen würde.

Es geht am Suwa Schrein vorbei, noch sind wir hauptsächlich auf der Straße gelaufen, doch
jetzt geht es querfeldein - nein, nicht ganz, aber auf Trampelpfaden an den Feldern vorbei.
Der nächste Tempel gibt einen Vorgeschmack auf die Bergtempel, die wir zukünftig noch erklimmen werden, da er auf einer Anhöhe liegt. Wir folgen den kleinen roten Schildchen, den roten Aufklebern an Straßenschildern, den Steinsäulen (kyōseki), die mal mehr - mal weniger alt sind. Anfangs ist alles noch so gut beschildert, dass man auch ohne Kartenmaterial laufen könnte und selbst ohne Schilder – es laufen so viel Pilger, dass man, wenn man ihnen folgt, den Weg auch finden kann.

Exkurs Tempel Nr. 4 Dainichiji (大日寺)
Im „Tempel der großen Sonne“ wird Dainichi Nyorai verehrt. Es wurde von Kōbō Daishi gegründet, der auch die Statue des Dainichi Nyorai geschnitzt hat. Im Laufe seiner Geschichte wurde der Tempel immer wieder zerstört und aufgebaut. In einem verglasten Gang zwischen dem Haupttempel (Hondō) und der Kōbō-Daishi-Halle (Daishidō) stehen 33 Statuen der Senju Kannon Bosatsu und zahlreiche andere Figuren von chinesischen und japanischen historischen Persönlichkeiten.

Leider sind die Statuen alle hinter Glas, so dass das Fotografieren doch recht schwierig ist. ich Ich habe mir vorgenommen möglichst ohne Blitz zu fotografieren, um die Pilger nicht zu stören, um die Kunstgegenstände nicht zu schädigen und auch, um nicht allzu große Aufmerksamkeit zu erregen. Sonst heißt es noch, die blöden Deutschen laufen fotografierender Weise durch Tempel, anstatt die eigenen Augen zu benutzen. Klischee von fotografierwütigen Asiaten einmal anders herum! Ich fotografiere auch ungern Menschen in Japan. Wenn man höflich ist und sie fragt, setzen sie gleich einen anderen Gesichtsausdruck auf und formen mit den Fingern ein „Peace“ Zeichen. Deshalb wird es auch nur Beschreibungen von meinen Pilgerbekanntschaften geben und nur selten Fotos. Auch die japanische Geflogenheit, ein Bild von sich selbst vor einem Tempel zu schießen, habe ich nicht übernommen, da solche Bilder meist recht schief sind und zweitens meine Anwesenheit auf einem Bild nicht gerade den künstlerischen Ausdruck fördert. Wer will denn schon eine verschwitze, sonnenverbrannte und ausgemergelte „Langnase“ sehen? Nee Leute, ich zeige Euch gerne wie schön Shikoku ist, aber ich bleibe schön im Hintergrund!

Jetzt geht es also wieder bergab. Nachdem wir unsere Gebete vollzogen haben, das Rezitieren des „Hannya Shingyo“ (Herz Sutra) wird immer besser, verlassen wir gemeinsam mit unserer Reisebekanntschaft den Tempel in Richtung Nr. 5.

Exkurs Tempel Nr. 5 Jizōji (地蔵寺)
Der „Tempel des Jizō Butsatsu“ wurde von Kōbō Daishi auf Geheiß des Kaisers Saga im Jahre 821 gegründet. Ursprünglich war eine 5 cm große Jizō Busatsu Figur Objekt der Verehrung (Honzen). Der Priester Jōkan (13. Jhd.) schnitze, aber eine größere Jizō Figur (50 cm), in der die kleinere seitdem gelagert wird. Im Gegensatz zu der typischerweise sanften Darstellung von Jizō Bosatsu als Retter der Kinder, ist die größere Statue, ein „Enmei- Jizō“, als Krieger dargestellt. Bemerkenswert ist auch die U-förmige Rankan Halle. Rankan (Arhats) sind Jünger oder Gefolgsleute Buddhas, die den nichterleuchteten Wesen auf Erden helfen. Die Halle gliedert sich in einen Miroku-, Amida- und Daishi-Flügel in denen 500 Rankans, mit jeweils unterschiedlichen Emotionen und Körperhaltung abgebildet sind. Sie alle wurden im 18. Jahrhundert von den Buderpriestern Jisubun und Jitsumyō beschnitzt. Zentral steht eine Shaka Nyorai Statue mit dem Buddha der Zukunft, Mikroku Bosatsu, auf der linken und Kōbō Daishi auf der rechten Seite. Auf dem Tempelgrund befindet sich auch ein 800 Jahre alter Ginko-Baum (Tarachine ichō), der für langes Leben steht.

Als wir das Tempelgelände betreten, müssen wir erst mal nach dem Tempel suchen. Laufen vorbei an der Rankan Halle, weil nur der Ein- und Ausgang mit kleinen japanischen Schildern versehen sind. Auf halber Strecke schickt uns ein Pilger, der gerade auf der Treppe sitzt und seine Basen versorgt, wieder zurück. Während Hajo und ich uns also die Rankan Halle angucken, will unsere japanische Begleitung im Tempel das Sutra rezitieren. Wir bezahlen 200 Yen Eintritt und bewundern die Vielzahl von Figuren, die tatsächlich alle unterschiedlich sind. Ähnliche Ansammlungen von Rankans sollen uns noch später als Steinstatuen begegnen.

Gemeinsam verlassen wir dann doch den Tempel, aber auf dem Weg zu Tempel Nr. 6 fällt unser „tent boy“ (Zeltjunge) immer weiter zurück. Liegt es am heißen Wetter oder ist das Gepäck einfach zu schwer? Irgendwann ist er nicht mehr zu sehen, obwohl wir langsam gegangen sind und auf ihn gewartet haben. Wir entschließen uns in einem Truck-Stopp, der fast direkt am Trail liegt, eine Mittagspause zu machen. Wir stärken uns mit Tonkatsu, d.h. paniertem Schweineschnitzel und Reis, Wasser und Tee gibt es kostenlos. Wir beratschlagen, wo wir heute übernachten wollen. Leider laufen wir langsamer als Hajo geplant hat. Wir schleppen einfach zu viel mit. Wir überlegen, ob wir die Tempelunterkunft in Tempel Nr. 7 oder Nr. 8 nutzen wollen, aber es liegen uns unterschiedliche Informationen vor, ob diese Tempel gegen Bezahlung Unterkunft und Verpflegung (shukubō) anbieten.

Bei Tempel Nr. 6, wir hatten noch gehofft unseren Zeltjungen wieder zu treffen, müssen wir die Hoffnung aufgeben. Vielleicht hat er einen schönen Zeltplatz gefunden und die Pilgerwanderung für heute, vielleicht etwas früh, unterbrochen.

Exkurs Tempel Nr. 6 Anrakuji (安楽寺)
Anrakuji, der „Tempel der ewigen Freude“, lag urspünglich 1 km entfernt an einer heißen Quelle und ist von Kōbō Daishi gegründet worden. Manche sagen auch, dass der Heilige die Quelle mithilfe seines Wanderstocks selbst erschaffen hat. Die Statue des Yakushi Nyorai, die die Hauptgottheit verkörpert, wurde ebenfalls von Kōbō Daishi geschnitzt.
Nachdem der Tempel in Kriegswirren abgebrannt und mit dem nahe gelegenen Zuiunji Tempel zusammengelegt worden ist, wurde er 1660 an seiner jetzigen Stelle errichtet. Der Tempel ist berühmt für seine umgekehrte (upside-down) Pinie (sakasa-matsu), die auf eine Begebenheit im Jahre 815 zurück geht: Als Kōbō Daishi hier meditierte, schoss ein Jäger auf ihn, der ihn fälschlicher Weise für einen wilden Eber gehalten hatte. Glücklicher Weise verfehlte der Pfeil den Mönch und traf den Ast einer Pinie. Kōbō Daishi wies dem Jäger an, den Ast verkehrt herum einpflanzen. Überraschender Weise bekam der Ast Wurzeln und wurde zu einem 30 cm im Durchmesser dicken Baum.

Hajo liest mir die Tempelbeschreibung von David Turkingtons Seite aus dem Internet vor. Er hat so einen ganzen Schnellhefter mit Ausdrucken von der Homepage (http://www.shikokuhenrotrail.com/) aus der Rubrik „Tempelinformationen“. Nach dem Lesen „opfert“ er die Zettel in Ermangelung eines Mülleimers immer in den Kasten für die handschriftlichen Sutra-Kopien. Ich selber habe mir Notizen aus den Büchern „The 88 Temples of Shikoku Island“ und „A Journey of the Soul“ gemacht und führe sie in meinem Netbook mit mir. Man muss Gewicht sparen wo man kann und bevor ich die ganzen Bücher mitschleppe, mache ich mir doch lieber die Arbeit und gebe meine Notizen in den Computer. Ursprünglich war das Netbook als Pilgerbuchersatz geplant, in das ich vor Ort gleich meine Erlebnisse reintippen könnte. Aber über Tag passiert so viel, da kann man nicht immer das Netbook rauskramen bzw. zum Ausformulieren hat man auch keine Zeit. Deshalb sitze ich jetzt hier und hole die versäumte Arbeit nach. Wenn man den ganzen Tag läuft, hat man weder ich Kraft noch die Laune, sich den Abend um die Ohren zu schlagen, um seine Erlebnisse aufzuschreiben. Deshalb habe ich ein kleines Notizbuch dabei gehabt, in das ich abends mir einige der Dinge notiert konnte, die mir am Tag so passiert und aufgefallen sind. Zusammen mit den Bildern, die ich natürlich auch auf dem Netbook gespeichert habe, so viele Fotos wie ich gemacht habe, gehen auf keine SD-Karte, kann ich mir meine Tour wieder in Erinnerung rufen und die Haupt- und Nebensächlichkeiten hier ausformulieren.

Exkurs: Tempel Nr. 7 Jūrakuji (十楽寺)
„Der Tempel der 10 Freuden“ wurde im 9. Jahrhundert im Juuraku Tal von Kōbō Daishi gegründet. Er hat ebenfalls die Statue des Amida Nyorai geschnitzt. Mit der Benennung wollte er die 10 Formen des Leidens den 10 Formen der Freude gegenüberstellen. Früher war es ein großer Tempelkomplex, der jedoch in den Wirren und Kriegen des 16. Jahrhundert von den Truppen von Chōsokabe Motochika niedergebrannt wurde. Später wurde er an der jetzigen Stelle mit weniger Gebäuden wiederaufgebaut. Die Haupthalle stammt aus der Meiji Zeit (1868-1912), die Zeit ist nach dem damals herrschenden Kaiser Meiji benannt worden.
Der Tempel zählt eine antike Teetasse des Generals Yukimura Sanada, einem berühmten Samurai des 16. Jahrhunderts, zu seinen Schätzen. Das rot-weiße Tor (Sanmon) beherbert 70 Mizuko Jizō Figuren, dieser spezielle Jizō ist der Beschützer derjenigen Kinder, die vor ihren Eltern sterben (mizuko). Ein weiterer Jizō der „Jingan Jimmoku Kyuusai Jizō“ genannt wird, befindet sich links der Haupthalle. Er soll Augenleiden kurieren und Blinden das Augenlicht wiedergeben. Hierzu dient spezielles Wasser und auch protektiv können im Tempelbüro Amulette (o-mamori) erstanden werden. In der Nähe gibt es eine heiße Thermalquelle, den Gosho Onsen. Onsen ist eine Freiluftanlage, die von einer (natürlichen) heißen Quelle gespeist wird, aber auch gutes Essen und eine Übernachtungsmöglichkeit werden hier geboten. Man sollte dann auch gleich die lokale Nudelsuppenspezialität „Tarai Udon“ kosten.
Als wir den Tempel betreten kaufe ich mir erstmal ein „Clapis Water“ am Automaten, der direkt am Tor steht. "Calpis Water" ist so ein Joghurt-Mix-Getränk, gut gekühlt schmeckt es echt lecker. Hier sitzen schon andere Fußpilger, die wir auch in den vorherigen Tempeln schon mal gesehen haben. Man grinst sich an und, wenn es möglich ist, hält man ein kurzes Schwätzchen. Woher man kommt, was man so beruflich macht, ob und wie lange man die Shikoku Tour laufen will. Nachdem wir unseren Pflichtteil erfüllt haben, gehen wir ins Tempelbüro, um unsere Tempelbücher stempeln und beschriften zu lassen. Da wir wissen, dass der Autor von „88 – Pilgern auf Japanisch“, Gerald Koll, bei seiner Tour den Eintrag in sein Tempelbuch vergessen hatte, kaufen wir ein Blättchen, dass er sich in sein Buch kleben kann. Es enthält die gleichen Stempel und Kalligrafien wie der direkte Eintrag vor Ort. So ein Missgeschick ist der Horror für jeden Pilger. Bloß nicht den Eintrag oder den Wanderstock vergessen, das Zurücklaufen würde Zeit und Nerven kosten. Hajo hat endlich den passenden Hut gefunden, jetzt müssen wir schnell weiter, da hier die Tempelunterkünfte schon alle belegt sind oder gar nicht angeboten werden. Auf alle Fälle müssen wir weiter. Ein Mönch fragt uns noch, ob wir denn kein Handy hätten. Nein, da wir auch keine Reservierungen machen, benötigen wir auch kein Handy. Mal ganz abgesehen davon, dass man uns wohl kaum verstehen würde, weil Englisch hier nicht ungedingt gängig ist und mein Japanisch bzw. Verständnis des lokalen Dialekt geradezu mangelhaft sind. Notgedrungener Maßen wollen wir im „Okuday“ einkehren, einem Minshuku (Familienpension), weil wir gedacht haben, dass man im Gosho Onzen nur baden, aber nicht übernachten könne. Außerdem steht in unserem Reiseführer etwas wie „man würde nicht mehr aus dem Onsen herauskommen“. Wir fragten uns natürlich, ob der Autor es mit einem zwinkernden Auge meint, im Sinne man könne sich von den Annehmlichkeiten nicht mehr losreißen oder das Ding ist so teuer, dass man einen gleich da behält, um die Schulden abzuarbeiten. Aber wie gesagt, am besten erstmal eine einfache Unterkunft finden, da wir über die hiesige Preisspanne der Unterkünfte noch nicht orientiert sind. Leider spricht der Typ im Minshuku (Familienpension) kein Englisch, als Hajo in seinem Übermut auch noch einen Schritt hoch zu Empfangspult macht, er hatte sich nicht die Schuhe ausgezogen, brüllt der Typ doch glatt los. Das sind Kommunikationsprobleme auf höchster Ebene. Ich komme mit meinem Japanisch auch nicht viel weiter, aber er will uns wohl ein Business-Hotel empfehlen, von dem er einen Prospekt hat. Beide Streithähne haben sich wieder eingekriegt und nach einem Telefonat mit dem Hotel, übergibt der Wirt uns mit einem Lächeln die Hotel Broschüre. Er läuft noch ein Stück des Weges mit uns, um sicher zu sein, dass wir die richtige Straße finden. Wir marschieren weiter die Straße runter, vorbei an verlassenen Erdbeer-Verkaufsständen, einem Love-Hotel, einem Stundenhotel für japanische Liebespärchen, bis wir schließlich das „Awa Access“ sehen. Wir checken für 5500 Yen ein. Im Preis sind sogar westliches Frühstück mit Brötchen und Kaffee und Internetbenutzung inklusive. Das Hotel scheint nagelneu zu sein, die Zimmer sind sauber und alles ist ordentlich. Mit das beste Business Hotel auf meiner ganzen Reise. Das Abendessen besorgen wir uns im gegenüberliegenden Sunkus Kombini. 24 Stunden geöffnet, mit einer breiten Palette an Essen und anderen Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs. Die Auswahl ist nicht so groß wie in einem Supermarkt (suupaa), aber aus jeder Sparte mindestens einen Artikel. Deshalb scheue ich mich auch nicht die Verkäuferin nach Sonnenblock zu fragen. Aber da sie kein Englisch spricht und unsere Gesten zum Thema „Sonnenschein abschneiden“ nicht versteht, gebe ich die Idee bald auf. Zum Glück erkennt ein junger Mann unsere Not und erklärt der Dame den Sachverhalt. Komischer Weise haben sie keine Sonnenblocker im Angebot, obwohl ich meine Fläschchen bei früheren Japanaufenthalten sonst immer im „Kombini“ gekauft habe. Der nette Typ führt uns auf die andere Straßenseite, wo ein „Kusuri“, eine Art Drogeriemarkt mit Apothekenbereich, noch auf hat. Kein kleiner Laden, zum Glück hat der junge Mann gleich einen Verkäufer nach den Sonneblockern gefragt, so dass ich nicht lange suchen muss.
Zurück im Awa Access, nachdem wir unser Abendesse verschlungen haben, schreibe ich ein paar Notizen in mein Büchlein, Lade die Akkus meiner Kamera auf und speichere die Bilder von der SD-Karte auf das Netbook. Leider kann ich die Bilder nicht auf „Picasar“ einem Online-Album einstellen, da den Computern hier die Software fehlt. Aber Hajo und ich sind froh, dass wir sie von Japanisch auf Englisch bzw. Deutsch umstellen können. Nach einer kleinen Internet Session treffen wir uns zu einer Lagebesprechung im Speisesaal, da es im Business Hotel nur Einzelzimmer gibt, haben wir auch kein gemeinsames Zimmer.
„Wir müssen unbedingt Gewicht reduzieren, damit wir schneller sind!“ Ist Hajos Resümee für diesen Tag und er fordert mich auf, mit ihm zu überlegen, wo er denn noch reduzieren kann. Ich erkläre, dass ich bei meinem Gepäck nichts mehr reduzieren kann. Mir gehen die Augen über, als Hajo mir erzählt, dass er fast 1 kg an Magnesium-Brause-Tabletten mit sich rumschleppt und dazu noch 60 Diafilme für seine alte „Knipse“, vom Blitzgerät ganz zu schweigen. 17 kg und das als erfahrener Globetrotter, dabei hat er doch schon einen ganzen Rucksack im Deutschen Haus deponiert?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen