Karte von Shikoku mit den 88 Haupt- und 20 Nebentempeln


Freitag, 19. Juni 2009

Es hilft alles nichts


Es hilft alles nichts - ich fang’ mal an, ein bisschen zu erzählen!
Meine Unterlagen sind immer noch nicht eingetroffen. Ich habe von zwei Berlinerinnen, die ich auf meiner Reise getroffen habe, erfahren, dass es mit der Seepost über zwei Monate dauern kann, bis die Päckchen ankommen. An dieser Stelle noch mal einen Gruß an die beiden, die ich am Tempel 46 (?, Joruriji) getroffen habe. Die Mutter ist mit ihrer Tochter, die Japanologie studiert, durch Shikoku gereist, um Material für die Abschlussarbeit zu sammeln. Hut ab! Meine Mutter hätte ich kaum in einen Flieger nach Japan bekommen, geschweige denn, dass sie mit mir gelaufen wäre. Naja, sie ist kein Zugvogel und erfreut sich an den Blumenfotos, die ich aus Japan mitbringe weitaus mehr, als würde ich sie durch die Lande schleppen.

Aber vor dem Vergnügen haben die Götter die Arbeit gesetzt - oder war es umgekehrt? Auf alle Fälle braucht so eine Wandertour eine gründliche Vorbereitung: Von dem Infomaterial hatte ich ja schon berichtet. Leider konnte ich vor der Tour nicht alles durcharbeiten, das mache ich jetzt und bin im Gedanken schon bei der nächsten Tour, die ich mit meinem neuerworbenen Wissen plane. Ja, Britta hat die Schnauze noch nicht voll und so eine schöne Herbsttour mit Laubfärbung wäre noch mal anzupeilen…

Aber zurück zu meinen Vorbereitungen für meine erste Shikoku Pilgertour: Im November hatte ich mir meine Treckingschuhe gekauft, anfangs noch als Stiefel für den Winter und noch gar nicht im Hinblick auf eine mögliche Pilgertour. Ich habe darauf geachtet, dass sie so eine Hightech Membran haben, damit man keine schwitzigen und kalten Füße bekommt. Da ich ständig, auch im Sommer, unter kalten Füßen und Händen leide, war ich erstaunt, was so eine Membran doch ausmacht. Endlich mal ein Winter mit warmen Füßen und die brauchte ich, da ich auf meiner Heimstrecke, die ca. 6 km durch Wiesen und Felder geht, dieses Jahr mehr Runden als üblich drehen musste, um für meine Langstrecke fit zu werden.

Mitte Januar haben HaJo, mein zukünftiger Reisekollege, den ich über die Homepage von „88 - Pilgern auf Japanisch“ kennen gelernt habe, und ich dann noch den Regisseur in Berlin besucht. Herzlichen Dank Gerald, dass Du Dir so viel Zeit genommen hast! Infos von einer direkten Quelle sind Gold wert - weil Kleinigkeiten, die nicht in Büchern stehen, oftmals große Auswirkungen auf das Gelingen einer Tour haben können. So z.B. Tipps über Bücher, Regenklamotten, Gamaschen, die Versorgung mit Geld und Warnungen vor Schlangen, Regen und schwierige Bergtempelrouten. Aber auch der Hinweis, dass sich der Besuch der Bangai-Tempel (Nebentempel) durchaus lohnt.

Danach brauchte ich noch einige Tage des Grübelns, doch als HaJo mir sagte, er wolle Mitte März starten, konnte ich mich endlich dazu durchringen und fasste den Entschuss, in meinem gefährlichen 37. Lebensjahr, nach japanischer Meinung, die Shikoku Pilgertour zu machen. Wenn HaJo als erfahrener Globetrotter und Treckingspezialist und ich mit meinen Kenntnissen der japanischen Geflogenheiten und den rudimentären Sprachkenntnissen uns zusammen tun, ist das schon die halbe Miete, dann noch ein bisschen Glück mit dem Wetter und einer erfolgreichen Tour steht nichts mehr im Weg!

Ich steigerte also mein Laufpensum: Teilweise bin ich morgens, nachmittags und abends eine Runde gelaufen. Viele Klamotten hatte ich schon, so packte ich 2 Treckinghose, 3 Blusen, 2 T-Shirts, 3 Paar Socken und Unterwäsche zusammen. Natürlich alles Funktionskleidung, die den Schweiß vom Körper weg transportiert und auch schneller trocknet als andere Kleidung. Ich kaufte mir eine 5-in-1 Doppeljacke, da man Mitte März noch mit frostigen Nächten bzw. im Mai schon mit hochsommerlichen Temperaturen rechnen muss. Ein japanisches Ladegerät für Kamera-Akkus besaß ich noch von meinen früheren Touren. Da ich der Meinung war, ich könnte mein Pilgertagebuch am besten auf einem Computer schreiben, weil meine Handschrift nicht die beste ist, kaufte ich mir ein kleines „Netbook“. Aber im Nachhinein hätte es ein einfacher „Fototank“ (externe Festplatte mit Kartenschlitz) auch getan. Die Idee handschriftliche Notizen als digitale Sicherungskopie zu erstellen verwarf ich schnell, da ich kaum Zeit hatte, meine Notizen auszuformulieren, geschweige denn in den Computer zu tippen. Einen Steckdosen-Adapter darf man nicht vergessen, weil in Japan das Stromnetz anders läuft. Eine Kurbeltaschenlampe, die später noch amerikanische bzw. kanadische Reisekollegen in wahres Erstaunen versetzen sollte, hatte ich noch von einer früheren Japanreise. Mit ihr hätte ich, wenn ich mir denn ein Handy gemietet hätte, mithilfe eines Kabels auch Nokia-Handys mit Strom notversorgen können. Ich packte noch Mütze und Handschuhe für kalte Tage bzw. für die Bergtempel ein. Einen leichten Schlafsack, der 700 g wiegt, hatte ich über das Internet bestellt, aber eine selbstaufblasende Isomatte und einen Rucksack hatte ich mir erst zwei Tage vor Abflug gekauft, da ich kurz vorher entdeckt hatte, dass mein nagelneuer Rucksack einen kleinen Riss am Boden aufwies. Der Verkäufer wollte mir zwar weiß machen, das der 400 Euro Rucksack geeigneter wäre für eine 1400 km Tour als der 70 Euro Rucksack, den ich mir dann ausgesucht hatte, aber ich folgte meinem Instinkt.

Was ein Problem darstellte, war die Ersatzschnürsenkel, die ich erst im fünften Laden ausfindig machen konnte. Eine kleine wasserfeste Umhängetasche und ein Mikrofaser-Trecking-Handtuch mussten ebenfalls noch mit. Meine Kulturtasche wurde mit dem Nötigsten bestückt, ich verzichtete auf große Flaschen, einen Föhn, Deo und Kosmetik. Zu meinen Medikamenten wie ein Mittel gegen Erkältung, Schmerztabletten und ein Antibiotikum gesellten sich noch ein großer Packen Blasenpflaster und eine Elastikbinde. Auf Cremes gegen Insekten, Kühlgels oder Wundsalben verzichtete ich, die wird’s wohl auch in Japan geben, ebenso wie Magnesium. Ich war fast komplett - nur gegen den Regen, man hatte mir gesagt von 7 Tagen würde es 3 Tage regnen, hatte ich noch nichts, bis ich auf diesen riesigen Regenponcho stieß - Größe XXL. Der ging mir bis zu den Knöcheln, fast wie ein Zelt. Aber der Verkäufer erklärte mir, dass eine Größe L ausreichen würde, auch wenn ich ein 75 l Rucksack mitführen würde. An Gamaschen konnte ich nichts Richtiges finden und ich hoffte, dass der Regenponcho ausreichen würde.
Ein Geldgürtel komplettierte meine Ausrüstung. Jetzt brauchte ich nur noch eine Reiserücktrittsversicherung, den Flug hatte ich zwischenzeitlich online gebucht, und eine Auslandskrankenversicherung. Am Computer erstellte ich mir zweisprachige Visitenkarten, die ich laminierte, und einen Bogen mit Adressaufklebern.
Das Kartenmaterial hatte ich mir ebenfalls schon frühzeitig bestellt, damit ich mich ein wenig „einlesen“ konnte. Anhand eines im Netz aufgelisteten Reiseplans (http://www.shikokuhenrotrail.com/) von Dave Turkington, der für die Tour 53 Tage gebraucht hatte, versuchte ich seine Route nachzuvollziehen. Ich rechnete mir aus, vielleicht 60 Tage für die Tour zu brauchen, da ich nicht mit leichtem 6 kg im 35 bis 40 l Rucksack, sondern mit stattlichen 12 kg im 75 l Rucksack laufen wollte. Da ich wusste, dass Erkältungen in Japan aufgrund der Klimaanlagen und Temperaturwechsel schneller auftreten und heftiger ausfallen als hier in Deutschland, gewährte ich mir einen Aufschlag von 7 Tagen. Ich würde also knapp 9 Wochen unterwegs sein und pünktlich zum Geburtstag meiner Eltern am 21. und 22. Mai zuhause sein.
Die Idee ein Zelt mitzuführen, um noch flexibler zu sein bzw. Reisekosten zu sparen, verwarf ich, da die leichten Zelte zu teuer bzw. die preiswerten Zelte zu schwer waren. Ein Pop-up Zelt, welches ich mal in einer Sendung über den Jakobsweg gesehen hatte, entpuppte sich als riesiges Gebaumel. Mit dem Teil auf dem Rücken hätte ich wie eine Schildkröte ausgesehen. Eine Schildkröte auf der Shikoku-Tour - nein, ich hätte schon genug Aufmerksamkeit dadurch, dass ich Ausländer bin, noch dazu eine blonde Frau. Wenn ich also keine Unterkunft finden sollte, diese ausgebucht wären oder der japanische Wirt schlicht und ergreifend keine Gaijins (Ausländer) hätte aufnehmen wollen, hätte ich mich immer noch in eine, in den Karten verzeichnete, Hütte verkriechen können. Die Geschichte mit den Gaijins ist keine Bequemlichkeit, sondern soll vor weiteren Problemen schützen, da Ausländer, die kein Japanisch sprechen und mit den japanischen Geflogenheiten nicht vertraut sind, doch ein Problem für sich selbst darstellen. Es ist nämlich auch für einen Gaijin beschämend, wenn ihm die Sachen gezeigt werden, gerade so als wäre er ein kleines Kind. Ich habe es selbst erlebt, es erzeugt Frust bzw. ein „jetzt-hält-er-mich-für-doof“ Gefühl. Was sonst mit ein paar Worten zu erklären wäre, wird immer und immer wieder vorgeführt, bis der Groschen fällt. Man merkt nicht unbedingt am Anfang, dass der Gegenüber einen auf einen Fehler aufmerksam machen will und wundert sich über das kindische Spiel.