tag:blogger.com,1999:blog-54512956906956039992024-03-13T04:48:48.092-07:00四国遍路 - Shikoku HenroIm Rausch der Schritt-Geschwindigkeit - mein PilgertagebuchMidorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.comBlogger64125tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-65742304662185884262012-08-22T13:19:00.000-07:002012-08-24T02:34:08.272-07:00Die zweite Runde beendet und den Segen Kobo Daishis mit ins Tsunami Gebiet genommen<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://4.bp.blogspot.com/-AGnos8pNc70/UDU-f0mFcNI/AAAAAAAACQc/s019xf_jKEE/s1600/IMG_5168.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="http://4.bp.blogspot.com/-AGnos8pNc70/UDU-f0mFcNI/AAAAAAAACQc/s019xf_jKEE/s320/IMG_5168.JPG" width="320" /></a></div>
Vom 08. März bis 30. Mai 2012 bin ich wieder in Japan gewesen. Ich habe meine zweite Pilgerrunde auf der Insel Shikoku gedreht und bin mit meinem Rollbild ins Tsunami Gebiet nach Kesennuma gereist, um dort in den Notunterkünften Shiatsu zu geben. Auf meinem Weg habe ich Zwischenstopp auf dem Koya-san gemacht, um mein Pilgerbuch abzuschließen, in Kyoto habe ich den Kurama-yama besucht, in Tokyo den Autor und Mönch Ryofu Pussel getroffen und auch in Ichinoseki bin ich gewesen, um Schwester Caelina Mauer in ihrem Kinderheim einen Besuch abzustatten. In Kesennuma habe ich Freunde gefunden, die mir halfen in den Notunterkünften Shiatsu zu machen. Allen diesen Menschen einen herzlichen Dank! Meine Abenteuer dort können unter <a href="http://www.shiatsu-zum-leben.de/japan-reise.html">http://www.shiatsu-zum-leben.de/japan-reise.html</a> nachgelesen werden. NAMU DAISHI HENJO KONGO!Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-53968887233510548792012-02-04T12:01:00.000-08:002012-02-04T12:02:30.404-08:00Auf eine neue Runde!Freunde, Nachbarn und Landsleute, ich habe es endlich geschafft, bei Finnair meinen Flug zu buchen (das System hat mich immer wieder rausgeschmissen), aber ich habe noch ein günstiges Flugticket ergattert: Vom 8.März bis 30. Mai 2012 bin ich wieder in meiner Herzheimat unterwegs - zu Beginn auf Shikoku, um die 88 Tempel Tour zu laufen, danach reise ich über Kyoto und Tokyo nach Ichinoseki zum Kinderheim von Schwester Caelina. Dort möchte ich Shiatsu in den Notunterkünften machen, die Menschen emotional unterstützen oder einfach nur beim Aufräumen helfen. Ich hoffe, mein Trauma, was mich letztes Jahr am 11. März ereilte, endlich "abarbeiten" zu können. Die fürchterlichen Bilder, die ich auf N24 sah und die mich seitdem verfolgen, gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Damals dachte ich, ganz Japan würde im Wasser versinken und was das Wasser nicht holt, würde auf Jahrhunderte verstahlt sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder einen Fuß auf japansichen Boden zu setzen, aber jetzt werde ich, bevor ich mich mit Shiatsu selbständig mache, nochmal Japan inhalieren, darin schwimmen und es wieder ausschwitzen. Namu Daishi Henjo Kongo! Britta :-)Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-60059798205048446572011-07-13T04:45:00.000-07:002011-09-06T03:39:33.296-07:00Japan - meine Herzheimat, Shikoku - meine LiebeAnläßlich meines 40. Geburtstags, heute, habe ich eine Homepage unter der Adresse (<a href="http://sites.google.com/site/shikokuhenrode/home">http://sites.google.com/site/shikokuhenrode/home</a>) eröffnet, um meinen Blog (<a href="http://www.shikokuhenro.blogspot.com/">http://www.shikokuhenro.blogspot.com/</a>) über die Shikoku Pilgertour in Japan und die weiterführenden Informationen rund um die Pilgertour noch übersichtlicher zu gestalten. Zusätzlich habe ich eine neue Gruppe bei Facebook gegründet, Doitsu Shikoku Henro, um Veteranen und Frischlingen die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches zu geben. Viele Grüße und Namu Daishi Henjo Kongo! Britta :-)Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-63552691312119000052011-05-08T11:31:00.000-07:002011-05-08T11:57:20.442-07:00Benefitz für JapanEine tolle Sondermeldung. Die Benefizveranstaltung in Lüneburg, bei der ich für den guten Zweck Shiatsu am mobilen Behandlungsstuhl gegeben habe, hat einen Gesamterlös von 14.000 Euro erzielt (siehe <a href="http://www.ochtmissersv.de/">http://www.ochtmissersv.de</a>) und noch toller ist, dass das Geld an das Kinderheim in Ichinoseki geht, für das ich so kräftig mit meinen Origami Kranichen Werbung mache (siehe <a href="http://www.das-japanische-gedaechtnis.de/lebensbilder-a-z/srm-caelina-mauer-m.html">www.das-japanische-gedaechtnis.de/lebensbilder-a-z/srm-caelina-mauer-m.html</a> für Infos über die Leiterin des Kinderheims Schwester Caelinea Mauer oder unter <a href="http://www.fujinosono.or.jp/">www.fujinosono.or.jp/</a>). Auch am darauf folgenden Wochenende konnte ich im Rahmen eines Benefitz Karate-Lehrgangs mit Shiatsu Spenden für Japan, diesmal für die Organisation World Vision, erarbeiten (siehe <a href="http://www.karate-breitensport.de/">http://www.karate-breitensport.de/</a>).Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-49189183920642368102011-04-10T11:50:00.001-07:002011-04-10T12:15:39.074-07:001000 Kraniche für Japan<a href="http://4.bp.blogspot.com/-WTzbOy4bmG0/TaH8q5sRLbI/AAAAAAAAB44/1PefTBvMFkM/s1600/1000%2BKraniche%2Bf%25C3%25BCr%2BJapan.JPG"><img style="MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; FLOAT: left; HEIGHT: 320px; CURSOR: hand" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5594030026142068146" border="0" alt="" src="http://4.bp.blogspot.com/-WTzbOy4bmG0/TaH8q5sRLbI/AAAAAAAAB44/1PefTBvMFkM/s320/1000%2BKraniche%2Bf%25C3%25BCr%2BJapan.JPG" /></a>Geschafft - ich habe einen weiteren "Marathon" beendet. Nachdem ich jetzt also die 88 Tempel Tour gelaufen, über selbige langatmig berichtet habe, war es an der Zeit mir meine Sorge und meinen Frust über die Geschehnisse in Japan "von der Seele zu falten". Nichts ist schlimmer, als tatenlos zusehen zu müssen, wenn in meiner "Herzheimat" Japan die Menschen leiden und vielleicht ganze Landstrich auf Jahrhunderte verstrahlt werden. Einer japanischen Legende nach erfüllt eine Gottheit demjenigen, der 1000 Kraniche faltet einen Wunsch. Diese Hoffnung hegte auch Sadako Sasaki, ein Atombombenopfer, das an Leukämie erkrankt war und begann, diese Kraniche zu falten. Leider verstarb das Mädchen wenige Monate später, aber so wurde das Zenbanzuru (1000 Kraniche) Origami zum Symbol der internationalen Friedensbewegung und des Widerstandes gegen den Atomkrieg. In diesem Sinne steht mein Origami für die Menschen in Japan, die alles verloren haben oder ihre Heimat noch verlieren werden. Ganbatte - gebt bitte nicht auf! Wir unterstützen Euch mit unseren Gedanken und Gebeten! Natürlich würde ich auch gerne mehr spenden, als ich es schon getan habe. Hierzu biete ich mein Zenbanzuru an - wer mir für jeden Kranich 1 Euro spendet, der kann das Origami sein Eigen nennen. Sollte sich kein "Spender" finden, werde ich es für eine Spende von mindestens 1 Euro pro Kranich wieder auseinanderrupfen und häppchenweise unter die Leute bringen :-) PS: Der Wunsch ist leider schon vergeben, den habe ich für Japan eingesetzt.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-26695103035218995732011-03-15T12:07:00.000-07:002011-03-15T12:19:43.175-07:00Erdbeben - Tsunami - AtomkatastropheMeine schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten - man hat gewünscht, gehofft und gebetet, aber nach Erdbeben und Tsunami bedroht jetzt die atomare Verseuchung das so schwer angeschlagene Japan. Häuser kann man wieder aufbauen, das Leid der Menschen ist unsäglich, aber jetzt verlieren sie auch noch ihre Heimat - oder was noch davon übrig geblieben ist.<br />Man kann im Moment einfach nicht mehr tun und beten, dass die Kirschen auch nächstes Jahr noch blühen werden:<br /><br />Deutsch-Japanische Gesellschaft zu Hamburg e.V.<br />"Hamburger Bürger helfen Japan"<br />HypoVereinsbank Hamburg<br />BLZ: 20030000<br />Konto-Nr.: 10191064Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-4297024569127120382011-03-11T13:33:00.000-08:002011-03-11T13:58:02.636-08:0011. März 2011 - Erdbeben und Tsunami in Japan<div align="left">Es fällt mir schwer etwas zu schreiben. </div><div align="left">Seit dem frühen Morgen sitze ich vor dem Fernseher und verfolge die Berichterstattung über das Erdbeben und den Tsunami in Japan. Ich bin tief betrübt und in Sorge, da ich mich mit den Menschen in Japan sehr verbunden fühle und das nicht erst seit meiner Shikoku Pilgertour. Freunde in Japan und hier in Deutschland, die ich über die Shikokutour kennen gelernt habe, habe ich schon angemailt, aber im Herzen glaube ich, dass alles mit ihnen in Ordnung ist. Ich bete, dass wir den Senit dieses schwarzen Tages für Japan erreicht haben, und es nicht noch schlimmer wird. Im festen Glauben daran - <span style="color:#000000;">Namu Daishi Henjo Kongoo</span>! Eine Kerze in der Dunkelheit ist immer noch besser als gar kein Licht! Eine Kerze für die Menschen, die ihr Leben ließen und für die, die ihren Glauben bei der schrecklichen Katastrophe verloren haben.</div><div align="left"> </div><div align="left">Nur so nebenbei - ich bekomme gerade die Meldung rein, dass man auf Shikoku nicht viel von dem Erdbeben/Tsunami mitbekommen hat - Shikoku ist also verschont geblieben.</div>Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-38663703523587644592010-07-01T08:17:00.000-07:002010-07-01T08:26:13.469-07:00Geschafft!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<div align="center">Geschafft, ich kann es kaum glauben: </div><div align="center">Während mich meine Pilgertour in Japan</div><div align="center">gerade mal 45 Tage beschäftigt hat, </div><div align="center">hat dieses Pilgertagebuch über ein</div><div align="center">Jahr für sich beansprucht!</div><div align="center"></div><div align="center">Das Pilgertagebuch war der erste Streich,</div><div align="center">doch die nächsten Projekte sind die </div><div align="center">Ausarbeitung der Tempelbeschreibungen </div><div align="center">sowie die der einzelnen Exkurse.</div><div align="center"></div><div align="center">Eine weitere Pilgertour in Japan schließe</div><div align="center">ich nicht aus - Japan ist immer eine Reise</div><div align="center">wert!</div><div align="center"></div><div align="center">Viele Grüße und "ja mata" - man sieht sich!</div><div align="center">(vielleicht in Japan?)</div><div align="center"></div><div align="center">Britta :-)</div>Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-62627817612492220962010-07-01T08:11:00.001-07:002010-07-01T08:17:13.137-07:00Freitag, 01.05.2009, Osaka, Hagoromo, Jugendherberge<a href="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCyxMUq1-hI/AAAAAAAAB2Y/t1AtSPmWxWM/s1600/IMG_3088.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488956871122745874" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCyxMUq1-hI/AAAAAAAAB2Y/t1AtSPmWxWM/s320/IMG_3088.JPG" border="0" /></a><strong>Der 47. Tag in Japan</strong><br />Auch diese Nacht schlafe ich wie ein Karnickel – ich schlafe nicht richtig tief, da ich befürchte, morgen nicht rechtzeitig aufzuwachen. Da meine beiden Zimmergenossinnen die Gardinen zugezogen haben, funktioniert mein Trick, die Vorhänge offen zu lassen, damit mich das erste Sonnenlicht weckt, nicht. Außerdem schnarcht die dickere der beiden leise vor sich hin. So komme ich nicht umhin, mitten in der Nacht um 3.30 Uhr meinerseits für Krach zu sorgen, als ich zur Toilette schleiche. Die schweren Türen in der Jugendherberge schließen von selbst und so muss man höllisch aufpassen, damit eine solche nicht laut ins Schloss fällt. Ich bin schon früh wach, ich habe ja nicht viel geschlafen und lauere auf das Frühstück, das es um 7.45 Uhr geben soll. Glücklicher Weise gibt es vor dem Frühstücksraum einen Internetterminal, wo man für 100 Yen 10 Minuten surfen kann. Nachdem ich mich beim Frühstück gestärkt habe, es gibt hier super leckere Minichroissants, mache ich mich auf den Weg zum Kansai Airport. Weder von der Fluggesellschaft noch von „Upandgo“ habe ich eine Antwort auf meine E-Mails erhalten. Ganz schön ärgerlich, wenn man so in einem fremden Land fest hängt und keinen Ansprechpartner hat.<br /><br />Ich verlasse also den schönen Park, in der Japans größte Jugendherberge liegt, und schlendere zum Bahnhof Hagoromo. Von hier nehme ich den Llt. Express, der jedoch wieder einmal zwei Stationen vor dem Ziel Kansai Airport endet. Man sollte eben genau darauf achten bis zu welchem Bahnhof der Zug fährt („bound for“) und nicht in blind darauf vertrauen, dass hier alle Züge auf die künstliche Insel in der Buch von Ōsaka fahren. Ich steige also nochmals um und betrete kurz darauf die Flugschalterhalle. Den Flugschalter finde ich sofort, heute ist er auch geöffnet, da in nicht mal zwei Stunden ein Flieger nach Helsinki startet. Ich frage höflich am Schalter nach, ob sich mein Flug umbuchen lässt. Eigentlich glaube ich nicht, dass es möglich ist, da Mutter und Tochter aus Berlin auch nicht umbuchen konnten. Aber ich versuche es und die Stewardess am Schalter fragt telefonisch nach – das nährt meine Hoffung. Aber von der Aussicht heute endlich nach Hause fliegen zu können, meinen Eltern endlich von meinen Abenteuern berichten zu können, falle ich dann auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein Umbuchen ist nicht möglich und für den heutigen Flug müsste ich 2500 Euro bezahlen. Ich verdrücke mir eine Träne - für das Geld könnte ich die Shikoku Tour fast nochmals laufen, aber auch für das Geld einer Neubuchung, es würde so 700 bis 800 Euro kosten, könnte ich noch einige Zeit hier in Japan überleben.<br /><br />Ich beschließe also meine knapp 3 Wochen dazu zu nutzen, mir die Orte in Japan anzusehen, die ich noch nicht kenne. Aber das größte Problem ist, dass ich so aus dem Stehgreif keine Idee habe, was ich besuchen möchte und mich bei dem Überangebot an interessanten Orten auch nicht entscheiden kann. Da fällt mir die Touristeninformation ein, die ich schon am Anfang meiner Shikoku Reise zusammen mit Hajo besucht hatte. Hatte ich dort nicht ein Prospekt („World Heritage Pilgrimages Routes – Way of St. James & Kumano Kodo“) in der Hand, wo der japanische „Kumano-Kodo“ mit dem spanischen Jakobsweg verglichen wurde. Ich suche das Prospekt, leider ist in ihm nicht die exakte Route verzeichnet. Hier vor der Touristeninformation gibt es so eine Art Ruhezone mit Prospekten über viele Sehenswürdigkeiten in Japan – nicht über alles aber über vieles. Bei speziellen Fragestellungen einfach die Damen an der Information fragen, aber zunächst benutze ich hier den Internetterminal, um noch einige Informationen einzuholen. Aber an Kartenmaterial komme ich so schnell nicht. Deshalb frage ich bei den Damen in der Touristeninformation erstens nach Infomaterial über den Ise Schrein, nach Möglichkeiten, hier in Japan als Ausländer am Karatetraining teilzunehmen und ob es nicht Wanderkarten für den Kumono-Kodo gibt. Da ich nicht kreuz und quer durch Japan reisen möchte, mein Budget ist begrenzt, und außerdem möchte ich in der Nähe bleiben. Ich erkläre ihr, dass ich mich auch für die Saikoku, die Pilgerreise zu den 33 Tempeln der Gottheit Kanon im Gebiet Kansai (Westjapan), interessiere. Für letzteres erhalte ich lediglich eine Liste mit den Tempelnamen, was mich nicht wirklich weiter bringt. Beim Ise Schrein und dem Kumano Kodo hat die Damen mehr Glück. Stolz präsentiert sie mir eine Broschüre mit der Aufschrift „Kumano Kodo – Walking Guide Map – Ise-ji Routes“. In diesem Heftchen sind Tagestouren so um die 10 km eingetragen, die meist von einem Bahnhof zum nächsten führen. Ein „Access Guide“ am Ende listet alle Möglichkeiten auf, mit welcher Zug-, Buslinie oder über welche Autobahn man an die Startpunkte gelangt. So etwas habe ich gesucht! Aber soll ich wirklich weiter wandern oder besser meinem Körper eine Pause gönne? Ich fühle mich noch relativ fit, aber meine Laune ist zurzeit nicht die beste, da ich die Hoffnung auf Heimkehr erstmal aufgeben musste. Es ist mittlerweile 14.03 Uhr, ich sitze hier schon fast 2 Stunden und als ein Mann von Sicherheitsdienst mich anspricht, ob es mir gut gehen würde, sehe ich mich endlich genötigt, meinen Arsch wieder in Bewegung zu setzen: Ich werde noch eine tolle Zeit hier in Japan haben, muntere ich mich auf, das ist doch bis jetzt fast alles super gelaufen, da werde ich am Ende mich doch durch so eine kleine Verzögerung nicht runterziehen lassen. Neue Wanderwege wollen von mir erkundet werden, neue Begegnungen und neue Abenteuer warten auf mich!<br /><br />Ich mache mich also auf den Weg, zunächst einmal will ich nach Ōsaka ins Kikue, einem Businesshotel, dass ich schon von einer früheren Japanreise kenne. Ōsaka um die Namba Station ist für mich ein bisschen Heimat, da ich die Gegend recht gut kenne. Aber Vorsicht, der riesige Bahnhof von Namba, der noch dazu in eine supergroße Einkaufspassage (Namba Walk) übergeht und vor Shops nur so wimmelt, ist mit seinen vielen Eingängen ein wahres Labyrinth. Auch diesmal habe ich das Problem, den richtigen Ausgang Richtung „Denden Town“ zu finden. „Denden Towen“ ist so eine Art Akihabara (Stadtteil von Tokyo) von Ōsaka. Es ist ein Elektronik-Viertel, in dem alles, was mit Strom läuft, verkauft wird. Touristen können hier steuerfrei einkaufen, da die Steuer hier in Japan aber nur 5 % beträgt und Japan teuer ist, muss man gründlich recherchieren, um hier noch ein Schnäppchen zu machen. Zu dieser Zeit wäre ein „Nindo DaySi“ aktuell, da es diesen in Deutschland erst in zwei Monaten gibt. Aber ich spare mein Geld lieber, da ich jetzt nicht mehr im „Pilgerland“ bin, sondern die hiesigen Touristenpreise bezahlen muss. Auch wird mir die Unterkunftssuche schwerer fallen, da keine Unterkünfte im Wanderführer eingetragen sind.<br />Aber erstmal frage ich im Kikue, ob sie ein Zimmer für mich frei haben. Ach, da werden Erinnerungen an meine letzte Japanreise wach, als ich die Insel Okinawa besuch habe, den Fuji-san (höchste Erhebung in Japan; Wahrzeichen Japans) im Alleingang bezwang und ausgiebig in Kyoto und Nara „getempelt“ und „geschreint“ habe. Damals noch in voller Sommerhitze des August, habe ich jetzt (Anfang Mai) gemäßigte Temperaturen. Doch auch die hier vorherrschenden 24°C, sind ein Kontrastprogramm zum kühlen Koyasan und auch die letzten Shikoku Tage. Ich habe etwas Kopfschmerzen, als ich mich im Bereich um den Nankai Bahnhof umsehe – das ist wohl die Wetterumstellung. Im Namba Walk fröne ich der Fastfood Kultur: Bei McDoof hier in Japan gibt es leider keine Curry-Sauce zu den Hähnchenstücken, aber die Japan exklusive Senfsoße („Masutado Sozu“). Sogar Hotdogs sind hier in Japan im Sortiment. Mit meiner Tüte eingepacktem Essen ziehe ich mich in den als „Parks“ bezeichneten Bereich des Namba City Kaufhauses zurück. Es ist so eine Art Park, den man über mehrere Stockwerke, ähnlich einer Dachterrasse angelegt hat. So richtig mit Bäumen und Sträuchern. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie der Japaner seine geliebte Natur in der Betonwüste der Großstadt inszeniert. Nicht nur die traditionellen kleinen Gärten, zu denen sich die Zimmer öffnen, sondern auch richtige Parkanlagen auf den Dächern der Hochhäuser sind ein Beweiß dafür, dass der Japaner ohne seine Natur und den damit verbundenen Wechsel der Jahreszeiten nicht leben kann. Da die oberste Etage japanischer Kaufhäuser meist eine Art „Fressmeile“ mit den unterschiedlichsten Restaurants und Cafes bildet, ist auch ein Park zum Rumspazieren keine Seltenheit. Nahrung für den Körper und für die Seele! Aber auch kleinere Tiere fehlen hier nicht, so habe ich bei meinem letzten Japanaufenthalt eine tolle Libelle auf dem Dach des Busterminals von Ōsaka fotografieren können. Nach dem Essen durchstöbere ich im Takashimaya, einer renommierten Kaufhauskette aus dem Jahre 1829, die Abteilungen für Traditionelle Kleidung, sprich Kimono und Kimonozubehör, sowie die Kunst- bzw. Handwerkabteilung, die Lackarbeiten und Holzgeschirr in allen Variationen und natürlich auch Preisklassen für den geneigten (reichen) Kunden bereit hält. Ich sehe mich an den bunten bis prächtigen Kimonostoffen statt, leider gibt es hier nur die japanische Einheitsgröße, die mir nicht passt, da ich zu lange Arme habe. So ein Baumwollkimono (Yukata) würde mir schon gut stehen, aber man verweist mich dann immer in die Souvenirabteilung, in denen es die typischen blau-weißen Yukata in Übergrößen, speziell für Ausländer, zu kaufen gibt. Ich schwärme für die traditionellen Kimono und die geschmackvolle Zusammenstellung von Kimono, Gürtel und Accessoires wie Spangen, Schnüre (himo) und Kragen (eri). Wenn man am guten Geschmack der Japaner zweifelt, weil die Jugend allzu bunt, allzu kurz und allzu schrill auf sich aufmerksam machen will, dann sollte man sich eine Kimonoträgerin ansehen - das ist dann wie Watte und Balsam für die Sinne. Ich wundere mich immer wieder wie harmonisch die traditionelle Kleidung zusammengestellt wird. Farbe und Motiv der Jahreszeit entsprechend, die jüngeren Damen mit kräftigen Farben und langen Ärmeln (Furisode Kimono) und die älteren in gedeckten Farben oder mit der schlichten Eleganz eines schwarzen Kurotomesode, bei dem lediglich der untere Rand einige Motive aufweisen kann. Was für uns der „Schwarze Anzug“ oder das „Kleine Schwarze“ ist, findet in Japan sein Gegenstück in Kimono und Hakama (Hosenrock der Männer). Aber die ganzen Geschäfte und die Geschäftigkeit hier um den Bahnhof können einen ganz schwindelig machen. Ich mag die japanischen Großstädte nicht, alles ist zu viel – zu laut, zu warm, zu bunt, zu wimmelnd – einfach nervtötend.<br /><br />Ich bin froh, als ich nach meiner Shoppingtour wieder im Kikue lande. Hier schmiede ich nun Pläne wie meine verbleibende Zeit in Japan verbringen möchte. Um es kurz zu machen, da ich noch keine Zeit hatte, die restlichen Notizen zu Papier bzw. Computer zur bringen: Als erstes werde ich mit dem Zug zum Ise-Schrein (<a href="http://www.isejingu.or.jp/english/">http://www.isejingu.or.jp/english/</a>) fahren, von dort weiter nach Umegadani, wo der Startpunkt auf meiner Wanderkarte ist. Doch zuvor werde ich noch per Zufall an einem Matsuri, einem traditionellen Schreinfest, in einem kleinen Dörfchen namens Tokida <a href="http://maps.google.com/maps?hl=de&rlz=1R2IRFC_deDE341&q=tokida&lr=&oq=&um=1&ie=UTF-8&sa=N&tab=il;%20http://hisaai-hp.hp.infoseek.co.jp/JRCentral/ka/Sg_s_eg.html">http://maps.google.com/maps?hl=de&rlz=1R2IRFC_deDE341&q=tokida&lr=&oq=&um=1&ie=UTF-8&sa=N&tab=il;%20http://hisaai-hp.hp.infoseek.co.jp/JRCentral/ka/Sg_s_eg.html</a>)<br />teilnehmen. Als einzige Ausländerin werde ich zum gefragten Interviewstar, da ich gleich von drei mutigen Lokalreportern um ein paar Wort gebeten werde. Mein Weg wird mich einige Tage über den Kumano Kodo (<a href="http://www.kumadoco.net/kodo_eng/">http://www.kumadoco.net/kodo_eng/</a><br />führen, es werden auch einige Regentage dabei sein. Doch beim letzten der drei Kumano Schreine werde ich auf den Megangji Tempel treffen. Er ist der erste der 33 Tempel der Saikoku Pilgerreise (<a href="http://www.taleofgenji.org/saigoku_pilgrimage.html">http://www.taleofgenji.org/saigoku_pilgrimage.html</a>), von denen ich auch noch einige besuchen werde. Nicht mehr alles zu Fuß, sondern jeweils vom nächstmöglichen Bahnhof. Meine Reise wird mich einmal um die Wakayama Halbinsel mit den Kii-Bergen herumführen, über Ōsaka, Nara und Kyoto bis zur Schreininsel im Biwa See und einem Abstecher nach Ueno zum Iga Ninja Museum (<a href="http://www.iganinja.jp/en/">http://www.iganinja.jp/en/</a>). Doch um diese Geschichten aufzuschreiben, fehlt mir im Moment die Zeit, denn auch mein Blog (<a href="http://www.shikokuhenro.blogspot.com/">http://www.shikokuhenro.blogspot.com/</a>) verlangt nach stetem Ausbau. Ob es vielleicht einmal einen Blog „kumanokodohenro“ oder saikokuhenro“ gibt, weiß ich nicht.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-79889730031038810282010-07-01T07:44:00.001-07:002010-07-01T07:54:33.815-07:00Donnerstag, 30.04.2009, Koyasan, Jugendherberge<a href="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCyqpDAH2MI/AAAAAAAAB2Q/S9yAjWezH5Y/s1600/IMG_2380.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488949668014971074" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCyqpDAH2MI/AAAAAAAAB2Q/S9yAjWezH5Y/s320/IMG_2380.JPG" border="0" /></a><strong>Der 46. Tag in Japan</strong><br />Heute bin ich zwar um 5.10 Uhr aufgewacht, habe mir die Morgenmeditation im Muryōkō-in dann doch verkniffen, weil ich einfach zu kaputt bin. Hajo geht schon hin und kann mir dann beim Frühstück davon berichten. Wir werden heute den Koyasan verlassen, Hajo, um nach Nara zu fahren und ich will dem Flugschalter im Flughafen Kansai einen Besuch abstatten, da ich vom Internetportal „Upandgo“ noch immer keine Infos über Umbuchungen erhalten habe. Ich bin aber pessimistisch. Mutter und Tochter aus Berlin, die ich auf Shikoku getroffen habe und ebenfalls vor ihrem eigentlichen Abflugtermin die Pilgertour beendet hatten, konnten nicht umbuchen und mussten das Geld für einen neuen Flug abdrücken. Es würde mich freuen, endlich mit meinen vielen Gesichten und Fotos nach Hause zu kommen, und den Daheimgebliebenen von meinen Abenteuern berichten zu können. Aber so wie es aussieht, werden ich mir ein Alternativprogramm überlegen müssen, denn für den Flugpreis könnte ich mich hier in Japan noch einige Zeit, wenn ich bescheiden lebe, durchschlagen. Ich befrage das Internet über eine Karate Trainingsmöglichkeit in Ōsaka. Es soll noch einen schönen Wanderweg zwischen Kyoto und Nara geben. Das Schicksal hat mich wieder mit Hajo zusammengeführt, und sollte ich meinen Flug nicht umbuchen kann, würde ich ihn in der Jugendherberge in Nara treffen, um wieder vereint von Nara nach Kyoto zu wandern. Leider gibt es im Netz keine Einzelheiten, vielleicht ist es ein alter Pilgerweg, vielleicht auch nur ein einfacher Wanderweg. Wenn wir Pech haben, ist es nur ein Gerücht und selbst wenn, dann können wir nicht auf so detailliertes Kartenmaterial wie in Shikoku zurückgreifen. Außerdem ist Shikoku die Insel der Pilger. Hier sind meist nur preiswerte Unterkünfte und Restaurants eingetragen. Doch auf dem „Festland“ gibt es wieder Business-Tarife für die Hotels und Eintritt für jeden Tempel, den man besuchen will. Wir sind dann wieder im „Touristenland“ und werden unser Pilgerland „Shikoku“ vermissen.<br /><br />Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen. Ich schieße noch ein paar Fotos von der Jugendherberge. Es ist ein altes, japanisches Haus, das man zur Jugendherberge umgebaut hat. Ich hatte eine gemütliche, wenn auch durch Schlafmangel geprägte, Zeit hier oben unter dem Dach – juhe! Da die Unterbringung hier oben in den „Kämmerlein“ das gleiche gekostet hat, wie ein Platz im Schlafsaal unten im Haus, habe ich die private Alternative vorgezogen. Ich musste allerdings unter den Toilettengänger des Nachts leiden. Das Zimmer neben meinem ist auch so ein „Kämmerlein“. Ich konnte einen flüchtigen Blick beim Auszug hineinwerfen. Wenn man sich durch die kleine Tür gequetscht hat, war der Raum doch größer als erwartet. Aber ich lobe mir mein Bett, obwohl ich immer Gefahr gelaufen bin, mir am Dachbalken den Kopf zu stoßen - aber wofür hat man eine Taschenlampe. Der Aufenthaltsraum ließ keine Wünsche offen.<br /><br />Ich verlasse zusammen mit Hajo das Haus. Der Bus zum Bahnhof kostet 280 Yen. Da man das kurvige Stück kurz vor der Ortschaft nicht zu Fuß erklimmen darf, es gibt hier keinen Bürgersteig und keine Möglichkeit den Touristenbussen in den Kurven auszuweichen, sind wir gezwungen, unseren letzten Gruß vom Bus aus zu entrichten. „Sayonara Kōbō Daishi“ und „Tschüß“ Kurtsan!“ Wir hatten hier auf dem Koyasan und auf Shikoku eine schöne, wenn auch nicht unproblematische, Zeit. Für den Zug zum Kansai Airport berappe ich nochmals 1980 Yen, aber erstmal geht es mit der Bergbahn zurück zum Bahnhof der JR (Japanese Railways). Als ich mir das Ticket kaufe, erhalte ich als Wechselgeld einen 2000-Yen-Schein. So einen habe ich noch nie hier in Japan gesehen, aber ich werde ihn als Andenken aufgewahren. Wir fahren mit dem Zug wieder in Richtung Ōsaka. Am Bahnhof „Hashimoto“ verlässt mich Hajo, um in einen Zug nach Nara zu wechseln. Wenn ich den Flug nicht umbuchen kann und nicht weiß, was ich tun soll, kann ich Hajo in den nächsten Tagen in Nara finden. Danach wird er nach Kyoto reisen, um hier die berühmtesten Tempel Japans zu besuchen. Ich habe ihm noch einen meiner Reiseführer mitgegeben, damit er einen Eindruck davon gewinnt, was ihn erwartet. Alle Tempel in Kyoto besuchen zu wollen, ist fast unmöglich in der kurzen Zeit. Er muss also eine Vorauswahl treffen. Ich selber war vor einigen Jahren für eine Woche in Kyoto und hatte das Glück beim alljährlichen Abschluss des Allerseelenfestes (O-Bon) in Japan, dem „Gozan no Okuribi“ in Kyoto beizuwohnen. Bei diesem Ritual werden auf mehreren Bergen im Norden der Stadt große Feuer entfacht, die aus der Ferne gesehen die japanische Schriftzeichen für „Buddhas große Lehre“ ergeben. Eindrucksvoll, aber nach dem Entzünden herrscht das reine Verkehrschaos in der Stadt, da alle Zuschauer wieder schnell nach Hause wollen. Also nachdem Hajo den Goldenen Pavillon (Kinkaku-ji), den Silbernen Tempel (Gingaku-ji), den anschließenden Philosophenpfad erkundet hat, wird er wohl den Kiyomizu-dera („Tempel des Gutes Wassers“) mit seinen drei Quellen, die Zwillingstempel Nishi und Higashi Honganji besuchen und im Tōji-Tempel („Ost-Tempel“ oder Kyō Goku-ji, „Das Land beschützender Tempel des Königs der Lehre“) wieder auf Kōbō Daishi treffen, der hier seine erste Wirkungsstätte hatte. Die Pagode des Tōji ist übrigens das Wahrzeichen Kyotos, obwohl der hypermoderne Bahnhof ihr heutzutage den Rang streitig machen könnte. Ja – Kyoto ist keine Kleinstadt mit ein paar Tempeln, sondern eine Großstadt, in der man nur selten noch ruhige Ecken findet. Aber für den ambitionierten Japan Touristen ein Muss, ebenso wie die Tempel- bzw. Schreinanlage von Nikko, die Hajo auch noch besuchen möchte, bevor her über Tokyo und den Flughafen Narita wieder nach Hamburg zurückkehrt. Auch ich soll später wieder den Weg nach Kyoto finden. Nachdem ich von Ise dem Kumano-Kodo zu den drei Großschreinen von Kumano abgewandert habe, soll mich mein Weg über Ōsaka und Nara wieder in die Tempelstadt führen. Während ich den Kiyomizudera Tempel zum zweiten Mal im meinem Leben besuchte, soll mir der erste Besuch des Daigo-ji in bleibender Erinnerung bleiben. Der Name Daigo-ji kam mir von Anfang an so bekannt vor, bis mir einfiel, dass es letztes Jahr (2008; http://www.kah-bonn.de/index.htm?ausstellungen/daigoji/index.htm) eine Ausstellung in der Kunsthalle Bonn gegeben hat. Sie trug den Titel „Tempelschätze des heiligen Berges Daigo-ji – Der Geheime Buddhismus in Japan“. Und eben diesen Tempel wollte ich im Rahmen der Saikoku Pilgertour (33 Tempel der Kanon in Westjapan) besuchen. Als man mir jedoch im Haupttempel mit ratlosen Gesichtern und einem „arimasen“ (gibt es nicht!) verständlich machen wollte, dass es den Tempel nicht gibt, zweifelte ich schon an meinem Verstand. Als dann aber ein Mönch hinter mir her gestürmt kommt, den man telefonisch um Hilfe gebeten hatte, konnte der mir erklären, dass die Haupthalle (hondō) des Daigo-jis in den Bergen vor einem Jahr abgebrannt ist. Diese Nachricht hat mich dann fast sprachlos gemacht. Wie konnte bei all den Vorsichtsmaßnahmen gegen Feuer so ein Unglück passieren? Jahrhunderte alte Kulturgüter waren verbrannt – ein unermesslicher Verlust für Kyoto, für die Mönche, für Japan. Ich habe mir dann das ganze Ausmaß der Katastrophe angesehen und habe mich hierzu bei strömendem Regen den ganzen Berg hoch gequält. Ich musste sogar Eintritt für den Bereich des Kami-Daigos bezahlen, obwohl man mich bei dieser Gelegenheit hätte aufklären können. Doch nichts – außer ein paar steinernen Fundamenten, auf denen die Holzsäulen standen, war von der Halle nichts mehr übrig. Ich wäre fast vorbei gelaufen, wenn mich die Steintreppen nicht darauf aufmerksam gemacht hätten, dass hier früher ein Gebäude gestanden haben muss. Anstatt mir also einen Eintrag in mein Pilgerbuch am Daigo-ji geben zu lassen, war jetzt der Tempel im Tal, der Shimo-Daigo, für diese Aufgabe zuständig. Als ich später im Internet nach Informationen suche, wird das Feuer, das die Kannon-Halle vollständig zerstört hatte, mit keinem Wort erwähnt. Nur die Bemerkung, dass der Zugang zum Kami-Daigo Bereich zwecks Wiederaufbau nach einem Unfall gesperrt ist („Entry to Kami-Daigo Area is prohibited because of disaster restoration construction“ erschien auf der Homepage (<a href="http://www.daigoji.or.jp/index_e.html">http://www.daigoji.or.jp/index_e.html</a>)<br /><br />Ich fahre mit dem Zug noch bis Chaya und steige dann in einen Zug zum Kansai Airport um. Doch ich werde enttäuscht, da heute kein Flug stattfindet, ist der Schalter nicht besetzt. An der Information bekomme ich eine Telefonnummer, unter der sich jedoch keiner meldet. Am Internet Terminal bei der Touristeninformation, wo man für 100 Yen 10 Minuten surfen kann, finde ich auf der Airline Homepage die jeweiligen Flugdaten (Mo, Di, Mi, Do, So jeweils 11.00 und 18.30 Uhr). Wollten heute nicht Mutter und Tochter nach Berlin zurückfliegen? Ich frage nochmals an der Information und mir wird gesagt, dass der nächste Flug für morgen um 11.00 Uhr angesetzt ist. Da ich heute also nichts mehr ausrichten kann, beschließe ich die Jugendherberge in Hagoromo aufzusuchen. Ich würde zwar gerne in Ōsaka im Kikue, einem Business Hotel, das ich schon von einer früheren Japanreise kenne, absteigen, doch die Jugendherberge liegt einfach näher. In der Jugendherberge (<a href="http://www.osaka-yha.com/shin-osaka/shin-osaka-e/g-osaka-kokusai.html">http://www.osaka-yha.com/shin-osaka/shin-osaka-e/g-osaka-kokusai.html</a>), in der schon Hajo seine erste Nacht in Japan verbracht hat, bin ich im Schlafsaal bzw. 8-Bett-Zimmer untergebracht. Ich teile mir das Zimmer heute nach mit zwei Französinnen, die vielleicht etwas älter sind als ich. Aber erstmal nutze ich das Ofuro (Gemeinschaftsbad) zum Entspannen. Das kann dann aber auch peinlich werden, wenn man zwar alle Regeln, die hier sorgfältig auf einem Plakat erklärt werden, beherzigt, aber so eine Schulklasse junger Mädchen, wie eine Gänseschar einfällt. Natürlich wird man als Ausländerin ganz anders beäugt als Einheimische. Wenn sich dann jemand vortraut und mit einem beherzten englischen „Hello“, versucht, einen ins Gespräch zu verwickeln, gackert der Rest der Mädchenschar los, als sei man ein Fuchs und habe es auf sie abgesehen. Natürlich kehrt die Mutige dann ganz schnell wieder in den Schoß der Gänsefamilie zurück und man selber steht allein auf weiter Flur und kann nur freundlich grinsen. Als ich vom Bad wiederkomme, überlege ich ob es “Paxnaturon“ (<a href="http://www.paxnaturon.com/">http://www.paxnaturon.com/</a>) ein Jugendherbergen exklusives Haarpflegeprodukt wohl auch in Deutschland zu kaufen gibt. Es riecht herrlich und durch die Schaumspender, haut man sich nicht so viel davon in die Haare. Doch als ich ins Zimmer komme, hocken die beiden Französinnen vor einem Mini-Altar und murmeln ein Gebet. Still setze ich mich auf mein Bett und frage sie, nachdem sie geendet haben, ob sie gerade ein Sutra rezitiert haben. Sie erzählen mir, dass sie der japanischen Nishiren Schule des Buddhismus angehören und für einen Kongress hier nach Japan gekommen sind. Beim Abendbrot, es gibt eine Art Büffet, traue ich meinen Ohren nicht, als mich ein junger Japaner mit akzentfreien Deutsch anspricht. In einem Gespräch erfahre ich, dass er aus Wuppertal stammt, seine Mutter Japanerin ist und er hier seinen Zivildienst ableistet. Ich gehe heute früh zu Bett, da ich schon letzte Nacht nicht richtig schlagen konnte. Zum Glück haben meine beiden Zimmergenossinnen die gleiche Idee.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-371660324831870112010-07-01T06:28:00.000-07:002010-07-01T06:57:27.996-07:00Mittwoch, 29.04.2009, Koyasan, Jugendherberge<a href="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCybE9eZxrI/AAAAAAAAB2A/C3uSIQR7mek/s1600/view15.jpg"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488932555381655218" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 400px; CURSOR: hand; HEIGHT: 101px" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCybE9eZxrI/AAAAAAAAB2A/C3uSIQR7mek/s400/view15.jpg" border="0" /></a><br /><br /><br /><strong></strong><br /><br /><br /><strong></strong><br /><strong>Der 45. Tag in Japan<br /></strong>Heute ist für 5.00 Uhr Aufstehen angesagt, da Kurtsan uns für 6.00 Uhr zur Morgenmeditation in den Muryōkōin Tempel eingeladen hat. Leider habe ich heute Nacht nicht wirklich viel Schlaf gekommen: Ich bin alle paar Stunden aufgewacht, weil das Licht im Flur brannte, die anderen Gäste die Toilette benutzt haben oder das Gebälk hier oben sonst ein Knarren von sich gegeben hat. Zusammen mit Tamara und Hajo mache ich mich auf den Weg zum Tempel, der hier nur einige hundert Meter entfernt liegt. Es ist sehr kalt und wir scherzen darüber, dass der Frühling hier in Japan schon mal wärmer gewesen ist. Als wir an parkenden Autos vorbeikommen, sind doch tatsächlich die Scheiben befroren. Es ist zwar Ende April, aber in den Bergen so auf 1000 m Höhe ist es dann doch immer etwas kühler. Ich überlege, dass es mich schon reizen würde, einige Wochen so als „Azubine“ in einem Tempel zu leben, aber ich käme mit der Kälte nicht zurecht. In Japan ist eine Zentralheizung nicht gerade verbreitet, vielleicht im nördlichen Hokkaido, dem Schneeland. Aber allgemein scheint der Japaner sein Wärmebedürfnis im Winter mit einem heißen Bad am Abend und tagsüber mit dem Sitzen am Kotatsu (Tisch mit Decke und Heizstrahler) stillen zu können. Wenn man aber wie ich morgens ohnehin nur schlecht hochkommt und dann noch frierend in den Tag startet, dann muss man sich viel bewegen oder etwas heißes Essen. Ach ja – Frühstück haben wir auch noch nicht gegessen und ich hoffe, dass die Zeremonie nicht zu lange dauern wird.<br /><br /><strong>Exkurs Muryōkō-in</strong><br /><a href="http://www.shukubo.jp/eng/index.html">http://www.shukubo.jp/eng/index.html</a><br /><a href="http://www.nzz.ch/2006/12/14/to/articleELDTU.html">http://www.nzz.ch/2006/12/14/to/articleELDTU.html</a><br /><a href="http://www.swissinfo.ch/ger/Ein_Schweizer_Moench_in_Japan.html?cid=4439736">http://www.swissinfo.ch/ger/Ein_Schweizer_Moench_in_Japan.html?cid=4439736</a><br /><a href="http://www.vox.de/voxtours_3295.php?mainid=20060219&area=themen_2&bereich=Voxtours">_2&</a><a href="http://4.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCyb2I8FQpI/AAAAAAAAB2I/VxwDikK0hYo/s1600/IMG_2374.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488933400272519826" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://4.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCyb2I8FQpI/AAAAAAAAB2I/VxwDikK0hYo/s320/IMG_2374.JPG" border="0" /></a><a href="http://www.vox.de/voxtours_3295.php?mainid=20060219&area=themen_2&bereich=Voxtours">bereich=Voxtours</a><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />Der Muryōkō-in („Unermessliches Licht“) Tempel wurde noch unter dem Namen „Take-in“ (Bambu Haus) vom vierten Sohn des Kaisers Kirakawa (1053-1129; 72. Tenno), Kakuho Shinno gegründet. Der Tempel wurde Buddha Murōyōju (auch Amitaba) gewidmet und später in Murōkō-in umbenannt. Von den ca. 117 Tempeln gehört er zu den ungefähr 53 Tempeln, die Shokubō, Tempelunterkunft, anbieten. Hierbei ist der Besucher in speziellen Gasträumen untergebracht und wird mit vegetarischer Kost verpflegt. Manche Tempel bieten auch spezielle Meditationskurse für die Gäste an bzw. man kann dort für einige Tage am Tempelleben teilnehmen. Das schließt die täglichen Zeremonien mit ein, aber auch das Putzen des Tempels und die Bewirtung von anderen Pilgern. Der Muryōkō-in ist berühmt für seinen Garten, aber wie erwähnt, ist auch Kurt Kübli Gensho einen Besuch wert. Er ist nicht der einzige Ausländer hier im Tempel, es gibt mehrere, nicht aus Japan stammende, Mönche und Nonnen.<br /><br />Erstmal heißt es, sich in dem Gewirr aus Gängen hier im Muryōkō-in Tempel zurecht zu finden. Zum Glück begleitet uns ein Mönch, vorbei am berühmten Garten in die Haupthalle. Mein Herz geht auf, denn hier hat jemand Mitleid mit uns Normalsterblichen gehabt und einige Wärmestrahler aufgestellt. Wir setzen uns auf den Boden und warten auf die Dinge die da kommen. Heute sind es vielleicht 10 Gäste, die hier der Morgenzeremonie beiwohnen. Übernachtungsgäste aus dem Tempel und natürlich wir drei von außerhalb. Kurtsan gibt eine kurzer Einführung, wer wir drei denn sind und weshalb wir nicht zu den Shokubō (Tempelunterkunft) Gästen gehören. Er erklärt den Teilnehmern, dass wir die Pilgertour von Shikoku absolviert und jetzt hier am Koyasan, dem Daishi unsere „Aufwartung“ gemacht haben. Ich muss grinsen, denn der gebürtige Schweizer erklärt den japanischen Gästen natürlich auf Japanisch, was es mit unserer Anwesenheit auf sich hat. Und verflucht noch mal - ich kann ihn richtig gut verstehen! Da läuft man wochenlang durch Japan, verständigt sich mit Händen und Füßen, weil man den lokalen Dialekt, vielleicht auch die im Land vorherrschende Ausdrucksweise bzw. Sprechgeschwindigkeit, nicht gewöhnt ist, und dann bemerkt man, dass man vom Unterricht so an die europäische Sprechweise des Japanischen gewöhnt ist, dass man einen japanischen Muttersprachler nicht mehr versteht. Aber jetzt beginnt die Zeremonie.<br /><br /><strong>Exkurs Zeremonien im Shingon Buddhismus (siehe Exkurse)<br /></strong><br />Es ist relativ dunkel hier, nur die kleinen Feuer auf den Gebetsplattformen der Mönche und einige Kerzen flackern vor sich hin. Es ist ein eindrucksvolles Ritual, dass von Gesängen und Opferungen von Flüssigkeiten aus Schälchen, die in dem kleinen Feuer verbrannt werden, begleitet werden. Als das Herz Sutra (hannya shingyo) rezitiert wird, können wir natürlich in den Chor mit ein fallen. Die Mönche scheinen sich bei dem Ritus abzuwechseln, da der Gesang mal von hier und mal von dort kommt. Wenn ich richtig informiert bin, werden am Ende die Verstorbenen mit Namen genannt, für die diese Zeremonie abgehalten wurde bzw. wer zur Erfüllung eines Wunsches eine Zeremonie bestellt hatte. Auch wir werden in den Ritus miteingebunden: Beim Weihrauchopfer verbeugt man sich vor der Schale, in der ein kleiner Funke glimmt, nimmt etwas Weihrauchpulver zwischen Daumen und Zeigefinger, führt sie zur Stirn, verbeugt sich und fügt das Pulver vorsichtig dem Glimmen hinzu. Einfach den Vordermann beobachten und es ihm nachtun. Nachdem die Zeremonie beendet ist, geht Tamara noch auf einen Tasse „Grünen Tee“ mit zu Kurt, doch Hajo und ich haben Frühstück für 7.00 Uhr bestellt und treten dem entsprechend den Rückweg zur Jugendherberge an. Das Frühstück ist lecker und reichhaltig, wir bekommen sogar hartgekochte Eier. Später gesellt sich dann Tamara noch zu uns, die von ihrem Tee-Kränzchen berichtet.<br /><br />Ich bin noch relativ planlos, was ich heute unternehmen will - natürlich den Koyasan erkunden. Da Tamara die nächste Nacht als Shokubō (Tempelunterkunft) in einem Tempel gebucht hat, wird sie nach dem Frühstück dorthin umziehen. Ich bekomme mein englischsprachiges Kartenbuch zurück, das ich ihr gestern Abend geliehen hatte. Da sie noch keine konkreten Vorstellungen über den weiteren Verlauf ihrer Reise hat, haben wir ihr einen Abstecher nach Shikoku empfohlen und auch ich überlege, was ich denn machen könnte, wenn ich den Flug nicht umbuchen kann. „Opandgo“, das Internetportal bei dem ich meinen Flug gebucht habe, hat sich noch nicht gemeldet. Da Hajo hier schon länger weilt und sich somit auskennt, beschließen wir wieder gemeinsam die Tempelstadt unsicher zu machen.<br /><br />Wir wollen als erstes den Kongōbuji, also den eigentlichen Haupttempel des Shingon Buddhismus, besuchen und danach den als „Danjo Garan“ bezeichneten Tempelkomplex. Doch als wir die Hauptstraße in Richtung Kongōbuji laufen, treffen wir vor dem Muryōkō-in, Kurt, der sich mit einem Fahrrad gerade auf den Weg machen will. Wir verabreden uns für 15.00 Uhr im Muryōkō-in und setzen unseren Weg fort. Aber es ist schwierig hier voran zu kommen, da die vielen Tempeltore einen immer wieder staunend fesseln. Wir passieren eine einstöckige Pagode, die hier an der Straße steht und nicht den Anschein erweckt, als würde sie zu einem der angrenzenden Tempel gehören. Die daneben stehende Statue aus polierten, schwarzen Stein, wirkt auf mich eher untypisch, das es eine dicke Buddha Statue (ähnlich Hotei von den 7 Glücksgöttern) ist, aber eine Art Kapuze trägt, die mich eher an einen Kampfmönch erinnert. Wir folgen der Straße, aber ich schaue immer wieder neugierig in die Eingangstore und was sich dahinter verbirgt. Mein Gott, was sind wir neugierig! Wir wollen zwar nur einen Blick auf die dahinterliegenden Gebäude werfen, doch meist kommt gleich ein Mönch auf uns zu gestürmt. Wir laufen die Odawara Straße entlang, hier gibt es viele interessante Geschäfte, in denen man Pilgerutensilien, Omiyage (Reisegeschenke für die Daheimgebliebenen) und die lokalen, kulinarischen Spezialitäten erstehen kann. Jetzt führt mich Hajo aber zum Kongōbuji (Diamant Tempel) Tempel, den ich unbedingt besuchen soll, da er einen der größten Zen Gärten Japans beherbergt. Hajo schwärmt für diese Art von „Japanischen Garten“, da sie relativ schlicht sind, meist nur aus einer Fläche aus hellen Kieselsteinen und den symbolträchtigen Felsen bestehen. Sie sind allenfalls von einigen Bäumen oder Sträuchern sowie Moosflächen eingerahmt, so dass sich die meiste Pflege darauf beschränkt, die Kiesel mit einem großen Rechen in Form zu harken und eventuell vorhandenen Blätter abzusammeln. So ein Garten hätte Hajo auch gerne zuhause in Hamburg.<br /><br />In der Erläuterung zu diesem Garten wird vermerkt, dass er 2340 m2 umfasst und die Kieselsteine aus Kyoto stammen, die Felsen jedoch von Shikoku herbei geschafft worden sind. Wir machen einen Abstecher durch die Küche des Tempels und ich frage mich, ob die Mönche hier heutzutage immer noch verköstigt werden, oder ob es sich um eine Art „Ersatzküche“ handelt, die beim allzu großen Pilgerandrang z.B. an Festtagen wieder in Funktion genommen wird. Der Tempel wurde ursprünglich von Hideyoshi Toyotomie (1537-1589) erbaut. „Affe“, wie man ihn aufgrund seiner Gesichtszüge nannte, ist ein berühmten General aus bäuerlichen Verhältnissen gewesen, der zu seinen Glanzzeiten sogar Herrscher (Kampaku, „kaiserlichen Regenten“) über Japan war und den Weg für den Aufstieg Tokugawa Ieyasus (1545-1616) zum Shogun (Militärmachthaber) ebnete. Ieyasus schließlich konnte sich nach etlichen Schlachten gegen konkurrierende Samurai Clans durchsetzen, das Reich einigen und sich vom Kaiser (Tennō) 1603 zum ersten Shogun Japans ernennen lassen. Berühmt ist der Kongōbuji nicht nur weil er faktisch der Haupttempel über 3500 Zweigtempel in ganz Japan ist, sondern er birgt auch in künstlerischer Hinsicht einige Schätze. So z.B. das Ohiroma Zimmer, das für wichtige Zeremonien genutzt wird und dessen Schiebetüren (fusuma) vom Künstler Tanyuu Kanō (1602-1674) gestaltet worden sind. Vom gleichen Künstler stammen auch die Trauerweiden in einem weiteren Raum, in dem der Neffe bzw. Adoptivsohn Toyotomies (siehe oben) Hidetsugu 1595 rituellen Selbstmord (Seppuku) begangen hat, um einer Bestrafung wegen Hofverrats zu entgehen.<br /><br />Schließlich kommen Hajo und ich in eine große Halle, in der das Bildnis Kōbō Daishis neben zwei seltsam anmutende Mandala (Bildhafte Erläuterung der Verhältnisse der Buddhas und der Welt) hängt. Es ist weder das mir bekannte Diamantreich- (Kongōkai) noch das Mutterschoßmandala (Taizokai). Doch bei näherem Hinsehen, könnte es eine „Abschrift“ der Mandalas sein, in dem die Buddhas nicht als Bilder, sondern inform ihrer Sanskrit-Silben (Keimsilben) aufgeführt sind. Man wird doch immer wieder überrascht! Hier ist es sogar erwünscht, bei einer Tasse „Grünen Tees“ zu verweilen. Die großen Heizöfen, auf den das Teewasser kocht haben es mir besonders angetan, da ich schon wieder durchgefroren bin. Aber jetzt gibt es sowohl Wärme von außen als auch von innen und selbst die Seele kann sich hier bei einer bei einer Runde Meditation für den Shingon Buddhismus erwärmen.<br /><br />Wir streifen noch durch den Tempel, gucken uns die ausgestellten Sänften und Holzscheiben an. Letztere stammen wohl von den alten Bäumen aus der Pinienallee am Okunoin (Mausoleum) und auch vom Vorhof des Kongōbuji schieße ich noch einige Fotos. Besonders von den Brandschutzmaßnahmen hier sind wir amüsiert, da große Holzbottiche nicht nur am Boden, sondern direkt auf dem Schilf gedeckten Dach postiert sind. Das gäbe so eine richtige Dusche, wenn so ein Behältnis von da oben runterpurzeln würde. Jetzt müssen wir aber weiter, doch die Kirschblüte am Tor bremst mich abermals. Wie gesagt es ist hier auf dem Plateau des Koyasan, das sich zwischen 8 Bergspitzen erstreckt, immer etwas kühler, so dass auch die Kirschblüte etwas später stattfindet. Allgemein ähnelt der Koyasan im Aufbau einem Mandala, das sich über ganz Japan erstreckt. Kōbō Daishi hat diesen Platz also nicht ohne Hintergedanken ausgewählt, als er 816 vom damaligen Kaiser Saga (786-842; 52. Tennō) die Erlaubnis bekommen hat, hier sein Hauptquartier zu errichten.<br /><br />Wir passieren die „Rojuji no Kane“, die 6-Uhr-Glocke, und laufen zum Danjo Garan Komplex. Er besteht aus der Kondo Halle (Goldene Halle), der Konpon Daito Pagode und dem Miedo (Halle der ewigen Einkehr), dazwischen liegen noch kleinere Gebäude wie das Aizendo, Daiendo, Junteido, sowie der Myo Schrein. Das dazugehörige Daimon („Große Tor“) liegt etwas abseits dieses Komplexes – wir wollen es später noch besuchen. Die Kondo Halle stammt ursprünglich aus dem Jahre 819 und wurde noch von Kukai persönlich erbaut und Ashuku Nyorai gewidmet. Ashuku gehört zu den 13 Buddhas des Shingon, und ist im Diamantreichmandala (Kongōkai) Begleitbuddha von Dainichi Nyorai, dem höchsten Buddha im Shingon Buddhismus. Ashuku repräsentiert die Erde und in dieser Aufgabe wird er auch als „Lotos König“ bezeichnet, da er einer der 5 Könige der Weisheit ist. Die jetzige Halle stammt aus dem Jahre 1932 und ist die 7. Rekonstruktion, da auch der Koyasan nicht von Feuersbrünsten verschont geblieben ist. Im Miedo soll Kōbō Daishi gelebt haben. Hier wurde ein Bildnis des Daishi aufgehängt, das der Künstler Shinnyo Shinno, ein Schüler Kōbō Daishis, geschaffen hat. Die Rekonstruktion der Halle stammt aus dem Jahre 1848. Die Fudodo Halle soll im Jahr 1198 vom Gyosho Shonin erbaut worden sein, sie ist somit das älteste noch im Originalzustand erhaltene Gebäude auf dem Koyasan. Sie wurde im Kamakura Stil erbaut und zählt heute zu den Nationalschätzen. Die Konpon Daito Pagode ist 48,5 m hoch und Dainichi Nyorai geweiht. Sie ist vollständig mit Lack überzogen und erst 1937 fertig gestellt worden. Betrachtet man den Koyasan als Teil eines Madalas, so ist diese Pagode der Mittelpunkt, dementsprechend finden sich in ihr sowohl der Dainichi Nyorai aus dem Taizokai (Mutterschoß) Mandala als auch vier Buddhas aus dem Kongōkai (Diamantreich).<br /><br />Nach und nach besuchen wir die Hauptgebäude. Dann und wann muss man Eintritt bezahlen, eine freiwillige Spende abdrücken oder man kommt gar nicht ins Gebäude rein, weil sie verschlossen sind oder wir einfach zu doof sind, die richtige Tür der unzähligen Türen zu finden. Zum Glück gibt es hier Informationstafeln in englischer Sprache, so dass man sich dann doch nicht ganz so verloren vorkommt, zwischen all der Kultur und Religiosität. Wir besuchen den Saito aus dem Jahre 1834, eine 27 Meter hohe Schatzpagode (tahōto), die von riesigen Zedern umstanden ist. Das Gegenstück ist die Toto Pagode im Nordosten, die 1843 nieder brannte, aber erst 1984 wiedererbaut wurde. Wir besichtigen noch den Aizendō, die „Sanko-no-Matsu“ genannte Riesenpinie und den Pfauentempel „Kujako“, der vom Ex Kaiser Go-Toba (1180-1239; 82. Tennō) errichtet wurde und dessen Statue des Pfauengottes Mayura Videyara vom Künstler Kaikei um das Jahr 1200 geschaffen wurde. Das derzeitige Gebäude stammt allerdings aus dem Jahre 1984, nachdem ein Brand das gesamte Gebäude mit Ausnahme der Statue vernichtet hatte. Rokakku Kyōzō ist ein Sechseckbau, der aus dem Jahre 1159 stammt. Das Gebäude fiel ebenfalls einem Brand zum Opfer, so dass das jetzige neu errichtet werden musste. Ursprünglich enthielt der Bau eine chinesische Triplika (dreiteiliges Bild) mit goldenen Schriftzeichen auf purpurnem Untergrund, dies wird jetzt jedoch im naheliegenden Reihōkan Museum verwahrt.<br /><br />Es gibt hier sogar einen Schrein, dessen weibliche Gottheiten Nyuu und die männliche Gottheit Koya bzw. Kariba von Kōbō Daishi dazu eingeladen worden waren, als Schutz-Kami (Shinto Gottheiten) für den Tempelbezirk zu dienen. Er soll sie, wenn ich es richtig verstanden habe, vom Amano am Fuße des Koyasan mit hierher gebracht haben.<br />Jetzt raucht mir aber der Kopf von den vielen Gebäuden und Eindrücken. Alles hier hat Geschichte, alles ist wichtig und man will ja auch nichts verpassen, was hier sehenswert ist. Aber schließlich laufen wir in Richtung Daimon („Großes Tor“), welches den eigentlichen Eingang zum Koyasan darstellt. Es gibt im Konpon Daito Komplex zwar noch das Mausoleum von Chisen Daitoku, das Sanmaido, den Bentensha Schrein in einem Teich, aber jetzt wandern wir über die Ruinen des ehemaligen als „Mitteltor“ bezeichneten Areals zurück zur Straße. Auch das auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegende Reihokan Museum schenken wir uns und kommen nach einigen Minuten Fußmarsch an das beeindruckend große, an die 25 Meter hohe Dainmon (Tor). Es ist eine Rekonstruktion von 1705 und die Wächterstatuen stammen vom Künstler Hokyo Uncho, über den ich aber nichts weiter in Erfahrung bringen konnte. Die Hauptstraße läuft hier direkt in einer Kurve vorbei, und um nicht von den doch recht zügig vorbeifahrenden Autos und Motorrädern angefahren zu werden, muss ich beim Fotografieren schon recht vorsichtig sein. Geschützt von kleinen Dächern gibt es die beiden „Otasuke Jizōs“ hier direkt an der Straße. Die Jizōs sollen Wünsche erfüllen können, doch bei der Aussicht von hier, bin ich eigentlich wunschlos glücklich. Das hätte ich vorher wissen müssen, denke ich so bei mir, als ich ein Schild mit den lokalen Wanderwegen entdecke. Ich hatte mir schon im Zug Gedanken darüber gemacht, wie der Pilger, der das Pilgern so richtig Ernst nimmt, hier denn hochkommen könnte. Diese Frage wird mir hier beantwortet:<br /><br />Exkurs: Wander-/Pilgerwege der Kii-Berge<br /><a href="http://whc.unesco.org/pg.cfm?cid=31&id_site=1142">http://whc.unesco.org/pg.cfm?cid=31&id_site=1142</a><br />Über einen alten Wanderpfad „Koyasan cho ishi michi“), der am Fuße des Koyasan am Tempel Jison-in in Kudoyama beginnt, kann der geneigte Pilger, aber auch der einfache Wanderer, den Weg bis zum Okunoin (Mausoleum) zurücklegen. Diese 24 Kilometer werden jeweils alle 109 Meter durch steinerne Säulen markiert, so dass man nach 216 erwanderten Wegmarkierungen vor dem Mausoleum von Kōbō Daishi steht. Da es Frauen bis 1872, die magische Zahl der Meiji-Restauration, verboten war, den Koyasan zu betreten, gibt es bis heute den sogenannten „Frauenweg“, der um das Plateau des Koyasans herumführt. Nach einer ca. 6-stündigen Wanderung konnten sich die Pilgerinnen dann am Ortseingang im „Nyonindo“ genannten Gebäude ausruhen, denn näher durften sie zu damaligen Zeit dem heiligsten Ort im Shingon Buddhismus, dem Mausoleum des Daihi, nicht kommen. Aber der Koyasan ist und war nicht nur Ziel von Pilgerwanderungen, sondern auch Ausgangspunkt für solche. Ise-ji wird zum Beispiel der Pilgerweg zum Ise-Schrein genannt, zu Japans wichtigstem Schrein, der der Sonnengöttin Amaterasu gewidmet ist. 2004 wurde das gesamte Gebiet der Kii-Berges von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Unter dem Titel „Heiligtümer und Pilgerrouten in den Kii-Bergen“ umfasst es den gesamten Koyasan, sowie die Pilgerrouten (Naka-hechi, Ō-hechi, Ko-hechi) zu den Kumano-sanzan, den drei Großschreinen von Kumano (Honguu-Taisha, Hayatama-Taisha und Nachi-Taisha), die Gebirgsregion um Yoshino und Ōmine, sowie die die beiden Tempel Fudarukusan-ji und Seiganto-ji.<br /><br />Letzterer Tempel soll mir später noch begegnen, da er der erste der sogenannten „Saikoku“ Pilgerroute ist, eine aus 33 Tempeln bestehende Pilgerroute, die der Gottheit Kannon gewidmet ist. Ohne vorgreifen zu wollen, aber der Flug lässt sich nicht umbuchen und ich werden den Entschluss fassen, meine verbleibenden 3 Wochen in Japan zu verbringen. Ich werde den shintoistischen Schrein in Ise besuchen und von dort dem Kumano-Kodo oder exakter dem Ise-ji, zu den shintoistischen Großschreinen von Kumano folgen. Da ich dann noch Zeit habe und durch “Zufall“ am Honguu-Taisha Schrein auf den direkt daneben liegenden Saiganto-ji Tempel treffe, werde ich in der mir verbleibenden Zeit auch noch 20 dieser 33 Tempel besuchen.<br /><br />Aber jetzt laufen Hajo und ich wieder die Hautstraße entlang, vorbei am Hasu-ike, dem Teich, in dem auf einer Insel, nur über eine Brücke zu erreichend, der Bentensha Schrein liegt. „Wollen wir noch eine Sutra kopieren“, fragt mich Hajo und grinst breit. Wie sollen wir bei unseren mangelnden bis gar nicht vorhandenen Japanisch Kenntnissen eine Sutra abschreiben? Ich habe das Schreiben von Kanji (Symbolzeichen) zwar schon geübt, das beschränkte sich jedoch auch einfach Zeichen, die kaum mehr als 5 Striche aufwiesen. Aber als wir von einer netten Japanerin in den Raum für das Shakyo (Sutra kopieren/abschreiben) geführt werden, liegt da ein Filzstift mit pinselartiger Schreibspitze und die zu kopierende Sutra, deren Schriftzeichen grau unterlegt sind, so dass wir die Strich nur nachziehen müssen. Aufatmen, wir werden uns also nicht blamieren, zumal eine Anweisung in Englischer Sprache beiliegt.<br /><br />Man soll in dem, was man tut vollständigen aufgehen, heißt es meist, wenn man den Weg der Erleuchtung sucht. Nicht nur etwas schreiben, sondern zum Geschriebenen werden. Volle Konzentration auf die Aufgabe, auch wenn es in japanischen Augen eine einfache Schreibübung ist. Doch wir Ausländer, die nicht so vertraut mit den Kanji sind, denken bei den Zeichen eher an zu Boden gefallene Spaghetti, als an so einleuchtende Kombinationen, wie dass aus Frau und Kind das Kanji für „sich mögen“ entsteht. Die „noch nicht Frau“ die kleine Schwester bezeichnet und die Kombination Frau und Markt, für die ältere Schwester steht, die durchaus schon alleine zum Markt gehen kann. Aber für uns Gaijin (Ausländer) ist der Umgang mit den Kanji ohnehin mit viel Konzentration verbunden, da wir die Strichführung ohnehin nicht kennen und es mehr wie eine Art „Malen nach Zahlen“ abläuft. Erstaunlich schnell haben wir dann unser Blatt gefüllt. Liegt es an der Schreibgeschwindigkeit oder an der Konzentration, die einem Stunden wie Minuten vorkommen lassen. Auf alle Fälle sind wir mit unserem Kunstwerk zufrieden und stellten uns jetzt die Frage, ob wir es als Souvenir mit nach Hause nehmen oder für eine, doch recht hohe, Gebühr zu Ehren des Daishi in einem Sutrenspeicher im Tempel für 1 Jahr verwahren lassen wollen. Wir entscheiden uns für die preiswerte Variante, obwohl ich mir noch ein Schreibset zulege, damit ich Zuhause noch ein bisschen üben kann.<br /><br />Wir verlassen das Gebäude und wandern weiter in Richtung Okunoin. Kehren am Karukayado Doshin ein, um ein paar Postkarten zu kaufen. Im Karukayado Doshin (<a href="http://www.koyasan.net/i/english/sightseeing/seeingspot/karukayadou.html">http://www.koyasan.net/i/english/sightseeing/seeingspot/karukayadou.html</a>) wird die Geschichte von Karykaya Doshin und seinem Sohn Ishido-maru anhand hübscher Bilder erzählt. Sie lebten fast 40 Jahre hier in diesem Gebäude zusammen, ohne zu wissen, dass sie Vater und Sohn sind. Die Mutter verstarb kurz bevor sie ihrem Sohn seinen Vater vorstellen konnte am Fuße des Koyasan. Das Verbot für Frauen den Koyasan zu betreten tat ein Übriges, so dass die Frau ihren Mann nicht direkt seinen Sohn übergeben konnte. Aber die beiden fanden auch so nach dem Tod der Mutter zusammen. Wie die Zusammenhänge nun gelüftet wurden, verschießt sich meiner Kenntnis. Soll es eine Parabel über das Schicksal (Karma) sein, das grausam ist und dem man nicht entrinnen kann oder eine Geschichte über Fügung, dass was zusammen gehört schließlich und endlich auch zusammen findet?<br /><br />Wir wandern weiter die Straße entlang, ein Schild weist den Weg zu einer Universität. Man muss bedenken, dass hier ca. 4000 Menschen leben, vielleicht 1000 davon sind Mönche. Von den vielen Touristen, die jährlich den Koyasan besuchen, will ich gar nicht reden. Aber die Menschen müssen versorgt werden, so gibt es neben Souvenirshops, kleine Supermärkte, Restaurants und Kneipen. Der Koyasan hat natürlich eine Universität (Koyasan Daigaku) zur Ausbildung der Mönche und Priester, aber auch eine Primary School (Grundschule), eine Junior High School (Realschule) und eine High School (Gymnasium), wo die Kinder der Einwohner zur Schule gehen. Über die Sando, die Zedernallee, gelangen wir wieder zum Okunoin, dem Mausoleum des Daishi. Auf meiner Karte sind verschiedene Gedenksteine eingetragen, z.B. für die Familie Toyotomi, Maeda oder Tokugawa. Es macht richtig Spaß, die Gedenksteine zu erkunden, da es ohne diese Hintergrundinformation einfach nur großr Steine mit japanischen Schriftzeichen sind. Bei besonders ungewöhnlichen Steinen hätte ich mir gerne eine Tafel in Englisch gewünscht, so z.B. bei der bereits erwähnten Hundestatue, oder auch bei dem kleinen Samurai, der mit seinen Zügen auf dem glattpolierten, schwarzen Marmor wie eine Manga-Figur (Comic-Figur) wirkt. Eine Firma hat hier sogar eine Tasse Kaffe in Stein arbeiten lassen. Kaum zu glauben, dass in Deutschland ein Kaffeeröster einen Gedenkstein für seine verstorbenen Betriebsmitglieder auf einem Friedhof errichten lassen würde - aber das ist Japan. Es gibt hier nicht nur ungewöhnliche Gedenksteine, sondern ganze Hütten aus Stein, mit einem Steintori (shintoistisches Tor) und Steinzaun, die mehr oder weniger verwittert, zum Teil mit Moos überzogen, den Ort so richtig unheimlich machen können. Heute scheint zum Glück die Sonne, aber gestern, als ich hier im Nieselregen entlang gelaufen bin, planlos, orientierungslos, kam dieser Ort mir so trostlos vor. Aber jetzt kann ich das Rasseln von Waffen der stolzen Samurai und Shogune geradezu hören. Was muss dieser Wandermönch namens Kukai (Kōbō Daishi; posthumer buddhistischer Ehrentitel) doch für eine Wirkung durch die Jahrhunderte, sowohl auf die Ärmsten als auch die Mächtigsten, hier in Japan gehabt haben, dass sie sich entschlossen haben, in der Nähe des Daishis ihre letzte Ruhe zu finden.<br /><br />Jetzt betreten wir wieder den heiligsten Bereich, der durch einen kleinen Fluss, abgeteilt ist. Hajo erklärt mir noch was die einzelnen Gebäude darstellen und wo genau denn der Daishi in ewiger Meditation verweilt. Wir opfern ein Bund Räucherstäbchen, den wir in der Stadt geschenkt bekommen haben und machen uns wieder auf den Rückweg. Wir sind doch mit Kurtsan um 15.00 Uhr verabredet und deshalb wollen wir noch einige Teigteilchen für unser „Tee Kränzchen“ besorgen. Der lokale Kombini (24-h-Shop) heißt hier „Coco“ und schnell sind einige Teilchen gekauft. Ich hoffe nur, dass Kurt als Priester diese Süßigkeiten auch essen darf bzw. überhaupt Süßes in seinen Ernährungsplan passt. Aber schließlich trudeln wir dann etwas verspätet um 15.30 Uhr im Muryōkō-in ein. Leider ist Kurts Frau, die zusammen mit ihm in den Zimmer lebt, nicht da und auch Kurt selber ist keine Naschkatze. Aber trotzdem haben wir bei einer Tasse Tee anregende Gespräche über seinen Lebenslauf, seine Projekte und das Leben allgemein. Er berichtet uns von einem Fernsehteam, das eine Dokumentation über die Shikoku Pilgertour drehen will und ihn als Experten befragen möchte. Auch die DVD „88 – Pilgern auf Japanisch“ befindet sich in seinem Besitz, so dass wir ihm von unserem Kontakt zum Regisseur, den wir zwecks Informationsaustausches in Berlin besucht hatten, berichten können. Wir haben echtes Glück, Kurtsan gerade jetzt anzutreffen, denn er ist, wie bereits erwähnt, erst gestern aus Thailand zurückgekehrt. Die Zeit vergeht wie im Fluge und als wir auf die Uhr gucken, ist es doch schon 19.00 Uhr. Kurz entschlossen laden wir Kurtsan in sein Stammlokal ein, das am Ende der Straße liegt. Es ist klein, aber fein, wie ich gestern mit Tamara feststellen konnte. Die Bestellung überlassen wir Kurt, da er wohl am Besten weiß, was hier schmeckt. Es gibt „Grünen Salat“ mit Tofu, Sashimi und eine Schüssel Reis bestellen wir auch noch. Aber leider haben wir schon alles verputzt, als die Wirtin mit dem Reis kommt. Kurtsan erklärt uns dann noch, was es mit den Hähnchenteilen auf sich hat, die eigentlich ganz gut geschmeckt haben. Es soll sich wohl um „Kropf“ gehandelt haben, also die muskulöse Aussackung des Halses beim Huhn, aber das hat jetzt nicht irgendwie ungewöhnlich geschmeckt. Da hätte er schon mit Natto (fermentierte Sojabohnen), Bienenembryos oder Zappel-Sushimi (roher Fisch) kommen müssen, um uns gestandene Shikoku Veteranen aus der Fassung zu bringen.<br /><br />Wir treffen recht spät in der Jungendherberge ein, da wir auch in der Kneipe unser Gespräch fortgesetzt haben. Aber anstelle eines Bades krieche ich todmüde in mein Bett und sage Hajo, dass er am Morgen nicht mit mir rechnen soll, falls er wieder die Morgenmesse im Muryōkō-in besuchen möchte. Und ich tat wohl, denn während der Nacht werde ich von mindestens 8 Toilettenspülungen aus dem Schlaf gerissen.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-14760062387223262382010-06-30T09:35:00.000-07:002010-06-30T09:51:23.355-07:00Dienstag, 28.04.2009, Tokushima, BR Sakura<a href="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCt1E2i4V9I/AAAAAAAAB14/Hm-8HG7P0ek/s1600/IMG_1994.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488609297102821330" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; CURSOR: hand; HEIGHT: 320px" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCt1E2i4V9I/AAAAAAAAB14/Hm-8HG7P0ek/s320/IMG_1994.JPG" border="0" /></a><strong>Der 44. Tag in Japan</strong><br />Um 6.30 Uhr ist Abmarsch bei mir angesagt, da der Bus um 7.05 Uhr abfährt. Ich werde erstmal mit dem Reisebus zum Kansai Airport fahren, um am Flugschalter Informationen einzuholen. Ich hatte zwar eine E-Mail an die Airline geschickt, jedoch noch keine Antwort erhalten. Wo ich das nächste Mal Gelegenheit finde, einen Internetanschluss zu finden ist fraglich. Natürlich gibt es im Kansai Airport im Keller eine Reihe von Internetterminals, von denen man für 100 Yen ca. 10 Minuten im Internet surfen kann, aber bei meiner Ankunft wird es ist in Japan noch früher Morgen sein (dementsprechend ist es in Europa noch mitten in der Nacht). Hier in Tokushima kaufe ich erstmal ein Ticket für den Bus, bekomme meine Gepäckscheine vom Fahrer ausgehändigt, der meinen Rucksack sofort im Gepäckfach verstaut. Als ich mich jedoch ganz vorne am Eingang platziere, so wie ich es schon bei der Hinfahrt mit Hajo getan hatte, werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich ein Ticket 2. Klasse gekauft habe und die Sitzplätze dafür erst ab der 3. Reihe beginnen. Ich sehe dabei zwar keinen großen Unterschied zur Hinfahrt, ich habe beides mal 4000 Yen bezahlt, füge mich jedoch den Anweisungen. Als der Bus vom Busbahnhof vor dem Tokushima Hauptbahnhof abfährt, verabschiede ich mich innerlich von Shikoku. „Sayonara Shikoku – bis bald!“<br /><br />Jetzt noch zurück über den Naruto Expressway, die Naruto Kaikyo Brücke, die Sikoku mit der Insel Awaji verbindet, und der Akashi Kaikyo Brücke, die die Verbindung zum Festland darstellt, und schon sind wir durch die Stadt Kobe wieder in Osaka. Als ich in Kansai aussteige, prüfe ich zuerst, ob der Airline Schalter besetzt ist. Aber Fehlanzeige – da es zurzeit keinen Flug dieser Airline gibt, ist auch keine Schalter geöffnet bzw. kein Personal, das ich hätte fragen können, anwesend. Ich gehe ins Kellergeschoß, um mir an der Touristeninformation Infos zum Koyasan zu besorgen. Vor allem benötige ich Infos wie ich am leichtesten dort hin komme. Leider ist die nette Japanerin, die mich und Hajo vor 6 Wochen weitergeholfen hatte nicht da, aber auch so bekomme ich viele nützliche Informationen. Ich erhalte eine Karte mit der Aufschrift „Map of Kansai Airport“, eine Karte, die ich jedem empfehle sich zu besorgen, da sie nicht nur eine Karte des Einzugsgebiets von Kansai aufweist, sondern auch das Liniennetz der JR („Japan Railways“) - und Privatbahnen der Gegend. Ich kann von Kansai mit der privaten Nankai Railway Linie nach Kishinosato Tamade fahren, dort umsteigen, um dann mit einer weiteren Nakai Linie direkt zum Koyasan zu fahren. Da ich ein Kombiticket kaufe, welches die Bergbahn vom Bahnhof Koyasan auf den Berg mit ein schließt, sollte ich so relativ sicher an mein Ziel gelangen. Das klingt erstmal gut, da es aber viele unterschiedlich schnelle Züge gibt, die nicht überall halten bzw. die Strecke nicht durchfahren, ist es dann doch komplizierter als gedacht. Es wird hier nicht nur in Express und Local (normal schnell) unterschieden, sondern es gibt hier Limited Express rapid, Ltd. Express Southern, Ltd. Express, Airport Express, Sub Express, Semi Express und natürlich den Bummelzug (local), der an wirklich jeder Haltestelle stoppt. Sitzt man im falschen Zug und wundert sich, dass alle Leute auf einmal den Wagon verlassen, ist das wohl die Endstelle. Man muss immer darauf achten bis wohin („bound for XY“) der Zug fährt, um von dort dann einen Anschlusszug zu nehmen.<br /><br />Ich habe leider Pech, so dass ich von 11.00 bis 14.00 Uhr auf so einem kleinen Bahnhof herumsitzen muss. Die Sonne scheint zwar, aber mir ist kalt. Vielleicht weil wir schon in den Bergen sind. Zum Aufwärmen ziehe ich mir eine Dose Nescafe aus dem Automaten, obwohl ich eigentlich sowohl den fertigen Dosenkaffee als auch Tee verabscheue. Aber wenn einem kalt ist, nutzt man jede Wärmequelle. Der Kaffe wird sogar in drei unterschiedlichen Geschmacksrichtungen angeboten. Die Dosen tragen die Aufschriften „France“, „Italia“ und „Tanzania“ in Romaji (Lateinische Buchstaben) und ich schätze, dass hier mit Milchkaffee, Espresso und Normalkaffe gemeint sein könnten. Ich bin ja schon froh, dass es Nescafe ist und nicht diese übersüßten, mit Milch verunreinigten Koffeinbomben, die sich „Morning Shot“ oder so ähnlich nennt. Doch endlich geht es weiter.<br /><br />Der Zug schleppt sich den Berg hoch, allzu weit kann es nicht mehr sein, denn der Zug hat ganz schön zu tun, hier hochzukommen. Bald werden ich auf die Zugbahn („Cablecar“) umsteigen müssen, da es trotz Tunnel einfach zu steil für einen Normalzug wird. Als ich dann in Gokarukobashi eintreffe, wuchten ich mich und mein Gepäck zur besagten Seilzugbahn, die nur wenige Meter weiter ihren Ausgangspunk hat. Wir sind nur wenige Personen im Wagon, der keinen Gang, sondern eine Treppe im Inneren aufweist, da es hier so steil ist. Mir fällt sofort eine Frau mit lindgrüner Jacke auf, die hier einige Fotos schießt. Ausländer fallen hier schnell auf und auch mich hat sie entdeckt. Als sie sich wieder zu ihrem Manns setzt, fang ich ein Gespräch an. Es sind Franzosen, die im Zuge ihres Japanurlaubs den Koyasan besuchen wollen. In Kyoto, Osaka und Nara sind sie schon gewesen, jetzt wollen sie den berühmten Koyasan besuchen. Ich berichte ihnen von meiner Shikoku Tour und so plaudern wir fast die ganze Fahrt nur über Japan. Es gibt hier zwei Bahnen, die jeweils nach oben und unter fahren. In einem kleinen Bereich ist die Strecke zweigleisig ausgebaut, hier müssen sich die Bahnen treffen, da der Rest nur eingleisig ist. Ich frage mich gerade, wie man hier als Wanderer bzw. Pilger den Berg hoch kommt, da die Strecke zeitweilig parallel zu einem Schotterweg verläuft. Aber schließlich kommen wir an der Bergstation an und ich bin wieder etwas geschockt, wie viel Betrieb hier auf einmal ist.<br /><br />Ich dachte, ich wäre am Ziel, aber hier muss man noch auf Busse umsteigen, die einen in die eigentliche Stadt bzw. zu den Tempel, von denen es hier über 100 gibt, bringen soll. Da man den ersten Teil bis zum Eingang nicht laufen darf, sei es als Vorsichtsmaßnahme damit man hier nicht unter die Räder kommt, oder als Einnahmequelle für die Tempelstadt, kaufe ich mir an der Kasse erstmal ein Tagesticket. Zum Glück bekomme ich hier gleich einen Lageplan und eine Informationsbroschüre in englischer Sprache ausgehändigt. Etwas verwirrt, weil ich mich noch nicht entscheiden konnte, besteige ich den erstbesten Bus, um erstmal in die Stadt zu kommen. Meine Vorstellung von einem kleinen Dorf, das ganz traditionell und schlicht, dafür aber mit etlichen prächtigen Tempeln hier auf dem Koyasan liegt, muss ich begraben. Ich habe das gleiche Gefühl, welches ich damals beim ersten Besuch von Kyoto hatte, das ich mir als beschauliches Städtchen mit hübschen kleinen Tempeln vorgestellt hatte. Es präsentierte sich mir jedoch als Großstadt ähnlich wie Tokyo, welche die Tempel als Sehenswürdigkeiten vermarkten und mit einem gut ausgebauten Transportsystem verbunden hatten. Was soll ich sagen, so etwas nennt man wohl Kulturschock! Ich hätte mich vorher besser informieren sollen, aber jetzt lasse ich mich treiben und guck mal wo ich lande.<br /><br />Ich steige am “Friedhof” bzw. als Okunoin („innerstes Heiligtum“) bezeichneten Bereich aus, da diese die letzte Bushaltestelle („Okunion mae“) ist. Von hier kann ich die Tempelstadt von hinten aufrollen, aber als erstes werde ich mir die Stempel für mein Pilgerbuch (nokyochō) holen. Ich bin ohnehin „durch den Wind“ und fürchte, es sonst zu vergessen. Hier am Pilgerbüro stehen kleine Grüppchen von jungen Leuten. Ein junger Japaner ist gerade damit beschäftigt eigenhändig, die weißen Pilgerwesten zu stempeln, der Priester beschäftig sich derweil mit den anderen Pilgern. Es dauert bis ich an der Reihe bin, aber schließlich und endlich habe ich dann doch mein Schicksal, respektive mein Pilgerbuch, erfüllt. Die Herrschaften hier, vor allem der etwas ältere, ich möchte ihn mal mit „Lackaffen“ umschreiben, unterhält hier die ganze Meute von jungen Männern. Mir sträuben sich die Nackenhaare, so würde ich mir einen Yakusa (jap. Mafia) vorstellen. Der nette und hilfsbereite Onkel von nebenan, der wenn du nicht auf seine Bitten eingehst, eine Spende für die hilfsbedürftige Gaunerschaft deines Stadtteils zu geben, dir die Finger bricht. Allzu gerne würde ich wissen, was er unter seinen Klamotten trägt, da es fast ausnahmslos Yakusa sind, die hier in Japan Tätowierungen tragen. Deshalb sind Tätowierungen in Japan auch heute noch verpönt und dieser „Gesellschaft“ verboten, öffentliche Badehäuser zu betreten. Aber ich will mich nicht noch mehr runterziehen. Da es hier oben nicht nur sehr kalt ist, sondern auch noch angefangen hat zu regnen, will ich mich nicht lange aufhalten. Ich durchwandere den „Friedhof“, es sollen hier mehr als 2000 Grabsteine stehen. Von Kaisern und Daimyō (lokaler Fürst), über Dichter bis zum einfachen Mann, ist hier alles vertreten, sogar Firmenlogos mit Gedenksteinen für die verstorbenen Mitarbeiter kann ich ausmachen. Da der Daishi im Alter von 62 Jahren in die „ewigen Jagdgründe“ eingegangen ist bzw. in ewiger Meditation (Samadhi) seit dem 21. März des Jahres 835 hier seine letzte Ruhe gefunden hat, dachten viele Anhänger, dass die Nähe des Heiligen ihnen ein gutes Karma (Schicksal) für das nächste Leben bescheren könnte. Diese Art der wundersamen Überdauerung, weder richtig tot und erleuchtet, noch lebendig und um die endgültige Auflösung (Nirvana) strebend, ist nicht ungewöhnlich hier in Japan. Denn auch dem Tendai Sektengründer Saicho („Höchste Klarheit“), der mit dem Daishi nach China gereist war, wird nachgesagt, seit 822 in seinem Tempel Enrakuji auf dem Berg Hiei (bei Kyoto) in Meditation zu verweilen. (Vielleicht hat jemandem den Bericht über den „Marathonmönch“ vom Hiei gesehen, eben dieser steht in der Tradition des Tendai Buddismus; siehe auch <a href="http://www.3sat.de/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?query_string=Japan&days_published=365&scsrc=1">http://www.3sat.de/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?query_string=Japan&days_published=365&scsrc=1</a> Eingabe "Marathonmönch"<br /><br />Ich wandere hier also über den Friedhof, aber die Orientierung ist schwierig, da keine Karte wirklich alle Gebäude auflistet. So vergleiche ich meine drei Auswahlmöglichkeiten, um meinen Standpunkt auch nur ansatzweise ermitteln zu können. Als ich an einem schreinartigen Gebäude vorbeikomme, es ist das Eireiden, dachte ich schon, dass es das Okunoin („Innerstes Heiligtum“) mit dem Mausoleum des Daishis wäre, aber es sieht eher nach Schrein aus. Aber ich bin auf dem falschen Weg, der richtige, eine etwa 2 km mit uralten Zedern eingefasste Straße, hätte mich über die Ichinobashi, die Nakanobashi und Gobyōbashi genannten Brücken direkt zum Daishi Mausoleum führen müssen. Die Brücken trennen jeweils die Bereiche in das „Reich der Toten“, das „Reich der Reinigung“ und das „Reich der Erleuchtung“. Ich fühle mich nach Shikoku zurückversetzt, wo ich mit jeder Provinz bzw. Dōjo (Übungsraum) der Erleuchtung (Nirvana) näher kommen sollte.<br /><br />Jetzt laufe ich aber ein bisschen querfeldein und bewundere die vielen Statuen, Grabanlagen und Gedenksteine. Ich sehe eine Statue eines Hundes, ein kleiner Samurai im Manga Stil. (Manga bezeichnet die japanischen Comics, während Anime für die Zeichentrick- oder Animationsfilme verwendet wird.) Am Nissan Denkmal kann ich zwei Arbeiter erkennen und zwischendurch stehen diese riesigen Bäume, von denen die ältesten 900 Jahre alt sein sollen. Aus der Broschüre erfahre ich, dass aus Sicherheitsgründen immer wieder Bäume gefällt werden müssen, da sie abgestorben oder von einem Taifun beschädigt worden sind. Dies geschieht aber nur im Notfall und unter Rezitation von Sutren (Gebetsformeln). Es gibt hier so viele interessante Details, ich kann mich gar nicht satt sehen. Ein Buch lesender Herr mit Schal und einige Reliefs, bei denen ich europäische Kleidung und Gesichter ausmachen kann, sowie die „Berge“ von kleinen Steinen und Jizō Figuren habe es mir angetan. Später erfahre ich, dass diese Jizō „Aufschichtungen“ für Verstorbene errichtet worden sind, die keine Verwandten hatten, so dass sich auch niemand um die Riten nach dem Tod hätte kümmern können.<br /><br />Ich sehe eine bronzene Gruppe von Figuren, „Mizumuke Jizō“ werden sie hier genannt, und es soll gutes Karma (Schicksal) bringen, sie mit Wasser zu bespritzen, was anwesende Pilger auch mit viel Schwung tun. Nach der letzten der drei Brücken ist es leider untersagt, Fotos zu machen oder hier mit Yukata (Baumwollkimono) durchzuschlendern. Ein Schild in englischer Sprache weist mich nachdrücklich darauf hin. Im Tama Fluss ist wohl eine Art spiritueller Reinigungshölzer aufgebaut, dies ist leider mein letztes Foto, da man im Okunoin (innerstes Heiligtum) nicht fotografieren darf. In der darauffolgenden Halle, es ist weder ein Tempel noch das Mausoleum, werden von Mönchen Bestellungen entgegengenommen, die sind auf Riten für die Toten und auf die Wunscherfüllung beziehen. Links vorbei, wieder aus der Halle, kommt man dann zu einer kleinen Hütte, die als „Knochenhaus“ genutzt wird. Hier werden Knochen derjenigen verwahrt, die wohl auf dem Friedhof vor dem Komplex weder Platz noch das nötige Kleingeld besaßen, um hier dauerhaft und endgültig die letzte Ruhe zu finden. Man kann sich hier auf dem Koyasan eine „Portion Glück“ erkaufen, z.B. indem man eine Sutra Abschrift anfertigt und sie dann gegen Bezahlung für einen gewissen Zeitraum hier lagert. Wer sich einbildet, die Sachen würde hier ewig verwahrt, wie es für Sutrenspeicher auf Shikoku in früheren Jahrhunderten üblich war, wird enttäuscht, denn dann würde der Berg aus allen Nähten platzen, so viel Stauraum gäbe es gar nicht. Aber so eine temporäre Zwischenlösung.<br /><br />Jetzt stehe ich endlich vor dem Mausoleum des Daishi, kann aber kaum was sehen, da es hier keine Tempelhalle gibt, sondern nur ein Zaun, vor dem man Weihrauch abbrennt und seine Gebete tätigt. Irgendwo dahinten, hinter einer kleinen Tür, versteckt im Grünen, soll der Daishi in seinem Mausoleum in ewiger Meditation zwischen Dies- und Jenseits schweben. Dabei halten ich ihn doch in der Hand, meinen Daishi bzw. Wanderstock, der mich ohne größere Probleme über die Insel Shikoku geführt hat. „Arigatō gozaimasu“ (Herzlichen Dank), denke ich und will mich auf den Weg in die Stadt machen. Ich habe in einem kleinen Plan gesehen, dass es hier sogar eine Jugendherberge gibt. Vielleicht sollte ich da erstmal einkehren und mich von meinem Kulturschock erholen. Hier gibt es sicherlich noch mehr zu sehen und wenn ich schon mal hier bin, dann sollte es mir nicht entgehen lassen, mich erstmal gründlich zu informieren.<br /><br />Ich laufe diesmal rechts am Gebäude vorbei und stoße auf eine Halle die Totodō („Laternhalle“) genannt wird und in der in ununterbrochener Folge, seit dem Eintreten des Daishis in seinen jetzigen Zustand, die gestifteten Laternen brennen. Die berühmtesten Laternen stammen vom Shirakawa Tennō (1053-1129; 72. Tenno) und einer armen Frau names Oteru (<a href="http://www.koyasan.or.jp/english/visitors/midokoro/torodo.html">http://www.koyasan.or.jp/english/visitors/midokoro/torodo.html</a>).<br />Ich halte mich hier aber nicht lange auf. Es ist kalt, tröpfelt vor sich hin, weshalb ich es vorziehe, mein Glück in der Jugendherberge zu suchen. Die liegt zwar fast am anderen Ende der Tempelstadt, aber da ich die 2 km Pinienallee ohnehin besichtigen wollte, laufe ich diesen Weg entlang. Als ich dann wieder auf die Hauptstraße treffe, auf der ich mit dem Bus gekommen bin, staune ich dann doch nicht schlecht, da sich hier ein Tempel an den nächsten reiht. Natürlich sehe ich nur die Tempeleingänge mit den Toren, aber alles ist hier schön gestaltet mit Pinienzweigen, Wasserbehältern und sogar Japanflaggen. Es gibt einen großen Pilgerutensilien Shop und kleine Stände wo man Opfergaben wie Orangen und erwähnte Pinienzweige kaufen kann. Zum Glück bestätigt sich meine Befürchtung nicht, hier eine Großstadt wie Kyoto vorzufinden. Vielleicht eine Kleinstadt oder um die jetzige Uhrzeit vielleicht ein Dorf, da die Tagestouristen schon wieder auf der Heimreise sind bzw. sich in die angrenzenden Tempel zum Shokubō (Tempelübernachtung) zurückgezogen haben.<br /><br />Als ich in den Vorraum der Jugendherberge (<a href="http://www2.ocn.ne.jp/~koyasan/indexe.html">http://www2.ocn.ne.jp/~koyasan/indexe.html</a>) trete, es ist ein herrliches, altes Japanhaus, und ich bete, dass es heute Nacht noch ein Plätzchen für mich gibt. Die Wirtin spricht etwas Englisch und so kann ich mich sogar für zwei Nächte hier einmieten. Ob Schlafsaal oder Einzelzimmer spielt keine Rolle, da hier alle Übernachtungen das gleich viel kosten. Abendessen gibt es heute leider nicht, dafür morgen aber Frühstück. Als die Herbergsmutter mich zu meinem Zimmer führt, fällt meine Blick in den Aufenthaltsraum, der, dem Haus entsprechend, mit einem Go-Tisch (jap. Spiel mit weißen und schwarzen Steinen) sowie Shogi-Brett (jap. Schach), einer Sitzgruppe mit Rückenstützen und Utensilien für die Teezeremonie bestückt ist. Es gibt zwar auch einen Fernseher, ein schwarzes Klavier und eine Computerecke, aber das gehört mit zum Service. Was mich wundert, ist nur der Ausländer mit den grauen Haaren am Computer. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ihn für Hajo halten. Doch der müsste mittlerweile in Nara oder Kyoto sein Unwesen treiben. Aber diese Schirmmütze und diese Größe, das ist tatsächlich Hajo, der vertieft in seine Computerarbeit, mich wohl nicht gesehen hat! Auch als ich ihn anspreche, höre ich von ihm nur ein abwesenden „gleich, ich muss noch was raussuchen“. Na ja, er wird mir nicht gleich davon laufen und so beziehe ich erstmal mein Zimmer ganz oben unter dem Dach.<br /><br />Herrlich, ein richtiges Bett, zwar liegt ein dicken Dachbalken in gefährlicher Kopfhöhe, doch habe ich das Zimmer ganz für mich. Die Toilette liegt nur kurz um die Ecke, das Badezimmer unten neben der Küche. Ich lade mein Gepäck ab und stoße wieder zu Hajo. Wir begrüßen uns erstmal und trinken eine Runde Tee bzw. ich ziehe einen Kaffee vor. Während wir uns noch unsere Erlebnisse erzählen, vor allem wie wir die Strecken am Bangai Nr. 20 gemeistert haben, stößt eine junge Frau zu uns. Sie ist Schweizerin und auf ihrer Japanreise für eine Stippvisite hier auf dem Koyasan gelandet, da sie einen Verwandten in Japan besucht hat. Sie hat noch keinen festen Plan, wo es als nächstes hin gehen soll. Beseelt von unseren Shikoku Erlebnissen unterbreiten wir ihr den Vorschlag, doch die kleine Runde von Tempel Nr. 1 bis Nr. 17 zu machen. Dann hat man einen schönen Einblick in den Pilgeralltag und ist auch sportlich etwas gefordert. Man muss es ja nicht gleich übertreiben und wie wir die ganze Runde machen. Als wir uns überlegen, wie wir den frühen Abend verbringen wollen, wir müssen noch irgendetwas zum Abendessen organisieren, fällt mir die Telefonnummer vom „Kult-san“ aus dem Muryōkō ein, die mir der junge Mann vom Bangai Nr. 20 gegeben hatte. Kurzerhand drücke ich die Nummer Hajo in die Hand, der bei seiner Rückkehr stolz berichtet, dass wir sogleich im Muryōkōin Tempel vorbeikommen können. Unsere Schweizerin kennt den Priester Kurt Genso aus der Presse, da es vor kurzem Berichte über den gebürtigen Schweizer gab, der hier vor mehreren Jahren herkam, um Shingon Priester zu werden. Er lebt im Muryōkōin, einem Tempel, in dem mehrere ausländische Mönche und Nonnen ordiniert sind.<br /><br />Der Muryōkōin (<a href="http://www.muryokoin.org/">http://www.muryokoin.org/</a>) liegt hier direkt um die Ecke. Schnell haben wir uns aufgerappelt und schnellen Schrittes den Weg bis zum Eingangstor hinter uns gelassen. Hajo fragt einen Mönch, der ihm im Innenhof entgegenkommt, nach Kurt Genso. Wenige Augenblicke später kommt der Schweizer auch schon, um uns durch das Labyrinth von Treppen und Gängen zu seiner kleinen Kammer zu führen, wo er gemeinsam mit seiner japanischen Frau lebt. Er sei gerade aus Thailand zurückgekehrt, wo er ein Projekt durchführt, das den thailändischen Mönchen ein Studium ermöglichen soll. Leider ist es noch immer so, dass es in Thailand den Mönchen verboten ist, sich in der Nähe der holden Weiblichkeit aufzuhalten. Bei einem Studium, bei dem man nun mal gemeinsam die „Schulbank drückt“, kann das leider nicht ausgeschlossen werden, so dass die Mönche entweder das Studium oder den Mönchsstatus aufgeben müssen. Kurt schwebt, nicht nur aufgrund dieses Geschlechterproblems, eine Universität für Mönche vor. Er selber unterstützt einige Jungs, die er im thailändischen Tempel kennengelernt hat mit Geld und als väterlicher Führer. Den Aufbau einer Biologieabteilung in einer Schule hat er gerade abgeschlossen und ein Projekt, um eine Bibliothek aufzubauen, wurde gerade wieder gekippt, da es sinnvoller erschien für das Geld Computer zu kaufen, die einem den Zugriff auf aktuelle Informationen ermöglichen. Dann war da noch das Problem mit der Computerbedienung. Aber glücklicher Weise hat Kurt einen Lehrer gefunden, der den Lernwilligen Computerunterricht erteilen konnte. Es scheint mir, er folgt dem alten Spruch – „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ und so bekommen wir bei seinen Erzählungen einen Eindruck von seinen Projekten. Von ihm selbst erfahren wir nur, dass er aus der Schweiz stammt, Kunst studiert und lange in, ich glaube Venedig, gelebt hat, wo er auch seine japanische Frau kennengelernt hat. Tamara, unsere Begleiterin aus der Schweiz, kennt Kurt aus Zeitungsberichten und Reportagen, die aus seinem Heimatland stammen. Wir sitzen hier bei einer Tasse Tee auf dem Boden seiner Mönchszelle an einem kleinen Tisch, die Wände sind mit Bücherregalen zugestellt. Ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Irgendwie schlicht und spartanisch hatte ich mir so ein Mönchzimmer vorgestellt. Aber für seine vielen Projekte, er dient dem Koyasan als Dolmetscher und ist, obwohl es nicht gerne hört, so eine Art Diplomat des Koyasan, fungiert für ausländische Touristen als Fremdenführer und auch sonst Foto-, Buch-, und Fernsehprojekte am laufen. Ein vielbeschäftigter Mann, der noch dazu eine Ehefrau hat, und als Priester seinen Dienst im Tempel auch nicht vernachlässigen darf. Er erzählt uns, dass demnächst ein Produktionsteam von ZDF ihn besuchen will, da es um den Pilgerweg von Shikoku geht. Den ist er zwar als Shingon Buddhist noch nie gepilgert, dafür können wir ihm umso mehr Geschichten davon erzählen. Es endet damit, dass wir, wie in Japan üblich, Visitenkarten austauschen und eine Einladung zur Morgenmeditation bekommen, die um 6.00 Uhr stattfinden soll.<br /><br />Da wir noch kein Abendessen hatten, erklärt Kurt-san uns noch den Weg zu einer kleinen Kneipe, in die die Tempelmitglieder des Öfteren einkehren, weil es dort gutes, preiswertes Essen gibt. Hajo muss uns jetzt verlassen, da er so pünktlich eingecheckt hat, dass er noch Abendessen in der Jugendherberge ergattern konnte. So mache ich mich dann mit Tamara auf, um die Kneipe zu besuchen, dessen Speisekarte ebenfalls von Kurt-san ins Englische übersetzt worden ist. Ich esse ein Curry Ramen für 600 Yen. Das ist so eine Mischung aus Ramen, dünne, chinesischen Nudeln mit Suppe und einem Curry, das man sonst als Reisgericht serviert bekommt. Die Kneipe ist klein und wir futtern an der Theke. Auf der Toilette suche ich das Handwaschbecken vergeblich, das finde ich dann im Gastraum an der Wand. Als wir unsere großen Schüsseln serviert bekommen, überlege ich noch, ob ich es wagen kann, mir die riesige Schüsse, wie in Japan durchaus üblich, an die Lippen zu setzen, um sie dann geräuschvoll auszuschlürfen. Aber mit einem beherzten „supuno arimasuka“ (Gibt es Löffel?) bekommen wir dann doch noch Löffel gereicht. Als wir heute Abend in die Jugendherberge komme, rauscht mir vor lauter Informationseingabe der Kopf. Was habe ich heute alles Interessantes gesehen und erfahren. Allein das Gespräch mit Kurt-san hat mehrere Stunden gedauert. Ich falle heute tot müde ins Bett. Ich hab es nicht mal mehr geschafft, ein heißes Bad im Ofuro (jap. Bad) zu nehmen. Morgen werde ich mit Hajo den Koyasan erkunden und mir von ihm die Tempel zeigen lassen, in denen ich noch nicht gewesen bin.<br /><br /><br />Pilgerwege <a href="http://www.sekaiisan-wakayama.jp/english/sisan_index.htm">http://www.sekaiisan-wakayama.jp/english/sisan_index.htm</a>Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-9705774072059217262010-06-29T06:35:00.000-07:002010-06-29T06:40:20.074-07:00Montag, 27.04.2009, Awa City, Business Hotel Acess Awa<a href="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCn3oimkXMI/AAAAAAAAB1w/Yumbnl3ssVY/s1600/IMG_1630.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488189896783060162" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCn3oimkXMI/AAAAAAAAB1w/Yumbnl3ssVY/s320/IMG_1630.JPG" border="0" /></a><strong>Der 43. Tag in Japan</strong><br />Ich bin zwar schon um 6.00 Uhr auf, aber da es das Frühstück erst ab 7.00 Uhr gibt, packe ich meinen Rucksack und gehe ins Internet, um noch ein paar E-Mails zu schreiben und mir Infos zum Koyasan herauszusuchen. Endlich wieder einmal ein Frühstück so ganz nach meinem Herzen: Minichroissants, Brioschbrötchen und Kaffee satt! Das hatte ich so richtig vermisst! Ein richtig westliches Frühstück, wenn man mal davon absieht, dass das Messer für die Brötchen so ähnlich gestaltet ist wie der Löffel für den Kaffee, mehr Spatel als Messer und ich die Brötchen eher aufreiße als schneide. Die Frühstückseier sind zwar hart, aber kalt, dafür labe ich mich am Kaffee, der hier frisch aus dem Kaffeeautomaten kommt. Ich laufe, nachdem ich im Awa Access ausgecheckt habe, in Richtung Tempel Nr. 1. Es ist ganz schön schwierig, den Weg zu finden, da jetzt die Schilder alle in der falschen Richtung stehen. Während man sich auf dem Hinweg leicht orientieren konnte, hängen die Schilder einem jetzt meist im Rücken und man muss sich in Gegenrichtung orientieren. Die steinernen Wegweiser (hyoseki) sind leichter zu finden, da sie so aufgestellt sind, dass man sie aus beiden Richtungen leicht erkennen kann. Das ist wohl auch einer der Gründe, weshalb einem eine Pilgertour in Gegenrichtung (gyaku uchi) wie vier Touren in richtiger Richtung (jun uchi) angerechnet werden. So kann man die Tour nur einmal (in Gegenrichtung) gelaufen sein, aber schon bei der nächsten Tour in der richtigen Richtung grünen Namenszetteln (osamefuda) in den Tempeln verteilen. Es gibt auch so eine Hierachie in der Anzahl absolvierter Pilgerreisen. Wie ich im Pilgermuseum lernen konnte, sind auf den Touren Nr. 1 bis Nr. 4 weiße Namenszettel (osamefuda) zu verwenden, ab 5 Runden sind es grüne, ab 8 Runden rote. Danach folgen ab 24 Runden silberne, von 55 bis 88 goldenen und ab 100 Runden auf der Pilgerreise (ob zu Fuß oder motorisiert) darf der Pilgerwütige dann Stoffkarten verwenden, die mit „Brokat“ bezeichnet werden.<br /><br />Aber ich will jetzt erstmal meine erste Runde abschließen bzw. noch den fehlenden Besuch in Bangai Tempel Nr. 1 nachholen. Ich passiere ein Schild mit der Aufschrift „Gosho Kindergarten“. Dazu muss ich noch bemerken, dass das deutsche Wort im englischen Sprachraum mit der deutschen Schreibweise übernommen worden ist. Als mir Pilger entgegenkommen, grüße ich sie mit einem herzlichen „Gambatte Kudasai“ (Geben sie Ihr Bestes – nur Mut!). Ich sehe allerdings auch immer wieder Pilger, die mich aus der Entfernung sehen und dann etwas Japanisches zurufen, als ob ich in die falsche Richtung laufen würde. Mit einem japanischen „Owarimashita“ („Ich habe beendet“) kläre ich sie dann auf und versuche dann unbeirrt, meinen Rückweg zu finden. Auf dem Bürgersteig entdecke ich einen klappbaren Kamm. Wieder einmal versorgt mich mein Meiser, Kōbō Daishi, mit allen Notwendigen. Mein eigener Kamm hatte vor ein paar Tagen so viele Zinken verloren, dass ich ihn weggeworfen habe. Aber wie schon mit den Miniatur-Sandalen als Glücksbringer, kann der Daishi bescheidenen Wünsche erfüllen (;-) grins!).<br /><br />Bei einem Kurzbesuch im Tempel Nr. 7 (Juurakuji), bin ich dann doch erstaunt, was von den Eindrücken aus den 88 Tempeln noch so hängen geblieben ist. Anfangs habe ich das Gefühl, als würde ich ihn das erste Mal in meinem Leben besuchen. Nun muss ich dazu sagen, dass so ein paar grüne Bäume einen Tempel doch schon sehr verändern können. Ich hatte vor knapp 6 Wochen hier nur kahle oder spärlich blühende Pflaumen- und Kirschbäume zu sehen bekommen. Während die zart rosa Kirschblüte einem Tempel noch so eine edle Note verleiht, zieht das grüne Laub ihn wieder in die Gefilde der Normalität. Ja ich möchte sagen in die Art Ländlichkeit, die ich auf Shikoku kennengelernt habe. Derb, aber mit Herz, freundlich, aber mit respektvollem Abstand. Oh, wie werde ich das vermissen! Aber ich wundere mich, dass man dann doch so ein paar Gedächtnisblitze hat. Man erkennt zwar nicht mehr die Einzelheiten der Lokalitäten, kann sich aber an bestimmte Situationen erinnern, wo man Pilger getroffen, nach Unterkunft oder Weg gefragt hatte oder etwas anderes mit verbindet, als es nur angeguckt oder fotografiert zu haben. Hier im Pilgerbüro kaufe ich einige Kleinigkeiten, die ich mir auf der Hintour zwecks Gewichtsbeschränkung verkniffen hatte. Ich kaufe eine weiße Tasche (zudabukuro), eine Glocke (jirei) und eine Wagesa, eine Art Kragen, der an eine Mönchkutte (kesa) erinnern soll. Ich werde meine Pilgerausstattung komplettieren und kann sie dann vom nächstmöglichen Postamt nach Hause schicken.<br /><br />Mein weiterer Plan für heute sieht vor, mein Gepäck, wenn möglich, bei Tempel Nr. 6 (Anrakuji) zu deponieren, um dann den Weg unter dem Tokushima Expressway (Autobahn) zum Bangai Tempel Nr. 1 zu nehmen. Als wir den Tempel Nr. 4 (Dainichiji) vor einiger Zeit besucht haben, wurde uns gesagt, dass die Route von dort zum Bangai nicht passierbar sei. So wähle ich die andere Route, ausgehend von Tempel Nr. 6, und hoffe, dass mir der Übergang von der englischen Karte auf die japanische gelingt. Glücklicher Weise ist der Bangai Tempel nicht ganz so weit entfernt, so dass mir erlaubt wird, mein schweres Gepäck im Tempel zu deponieren. Wenn ich mich recht erinnere, so kann man hier im Glockenturm sogar kostenlos schlafen. Wenn ich also spät dran wäre, hätte ich schon mal ein Nachtlager sicher. Außerdem gibt es hier vor dem Parkplatz des Tempels noch eine recht komfortable Pilgerhütte mit WC.<br /><br />So mache ich mich auf den Weg, aber was in der Karte einfach wirkt, ist in Natura dann doch komplizierter. Zwischen den ganzen Häusern und Feldern ist es nicht leicht den Pilgerpfad zu finden und zur Orientierung gibt es auch nur wenige Anhaltspunkte. Nur nicht die falsche Autobahnunterquerung wählen, sonst bin ich gleich auf dem falschen Weg, den ich dann auch nicht mehr korrigieren kann. Ich merke mir die Nr. 42, die hier auf einem Schild an einer Unterquerung angebracht ist. Ich werde versuchen, den gleichen Rückweg wie Hinweg zu laufen, dann sollte ich wohlbehalten wieder im Tempel Nr. 6 ankommen. Aber es ist schwierig, die spärliche Wegbeschilderung zu interpretieren, da nicht alle Schilder mit rotem Pfeil unbedingt auf den Taisanji (Bangai Tempel Nr.1) hindeuten. Das Gelände ist steil und schwierig und ich bin mir nicht sicher, ob ich den richtigen Pfad gewählt habe. Ich glaube aber, dass es hier eine steilen Autostraße gibt und einen noch steileren Pilgerpfad. Aber je höher ich den Berg hinaufsteige, desto besser wird die Aussicht über die Ebenen von Awa City bzw. Kamiita Town. Auf einem Nebenhügel kann ich ein Häuschen ausmachen, ob es ein Schrein oder ein Tempel ist kann ich leider nicht erkennen. Funkmasten, die wie Pagoden wirken, täuschen mich, aber ich habe während meiner Pilgerreise noch ganz andere „Gebilde“ gesehen, die sich dann doch als modern gestaltete Pagoden herausgestellt haben. Es ist warm und die Sonne brennt. Die Kälte der letzten Tage hatte, wie erwähnt, dann doch ihren Sinn, aber jetzt schmore ich im eigenen Saft. Als ich den Weg zum Tempel schon fast geschafft habe, hält ein Auto neben mir. Die ganze Zeit hatte ich weder einen Pilger noch ein Auto hier oben gesehen, und jetzt besteht der Fahrer darauf, mich das letzte Stück mit nach oben zu nehmen. Aber auch der Motor des Autos hat arge Probleme hier den steilen Berg hochzukommen oder ist es einfach die rasante Fahrweise, die hier Maschine und Bremsen zum Ächzen bringen. Auf dem Gelände entlässt mich mein japanischer Autofahrer, er wirkt aber nicht, als sei er ein Pilger. Na - hoffentlich ist der nicht nur wegen mir den Berg hochgebraust, hat mich irgendwo zwischen den Häusern laufen gesehen und ist dann, damit ich mich nicht verlaufe, nachgefahren.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 1 Taisanji (大山寺)</strong><br />„Der große Berg Tempel“ kann im Japanischen aufgrund der Lesung der Kanji (Symbolzeichen), die für jedes Zeichen eine ursprünglich chinesische (bzw. sino-japanische) und eine japanische Lesung vorsieht, sowohl „Taisanji“ als auch Oyamaji“ gelesen werden. An der Bedeutung der Kanji ändert das jedoch nichts. Der Tempel wurde vor ca. 1470 Jahren, also vor der Zeit Kōbō Daishis gegründet, und war damals ein wichtiger Tempel des Shugendō (Bergasketentum). Als der Daishi hierher kam, war der Tempel verfallen und musste erstmal wiederaufgebaut werden. Der Tempel ist Senju Kannon gewidmet. Einer Legende nach soll Kōbō Daishi sie von seinem chinesischen Lehrer Huikuo geschenkt bekommen haben als er in China den Buddhismus studierte. Nachdem er wieder in Japan war hat er dem Tempel die Statue geschenkt, aber es gibt auch noch eine Fudō Myōō Statue im Hondō (Haupthalle). Eine weitere Namikiri Fudō Statue („Wellen glättende Fudō“) befindet sich im Schrein auf der Bergspitze. Der Tempel ist ebenfalls als „Wunsch Gewährungstempel“ bekannt, weil hier Minamoto Yoshitsune für den Sieg gebetet haben soll, bevor er zum Kampf nach Yashima geritten ist, wo er, wie wir jetzt wissen, den Kampf gegen den Klan der Taira (Heike) gewann. Sein Pferd (jap. uma) soll in der Nähe der Pagode des Taisanji begraben worden sein. Aber der Tempel ist in der ganzen Präfektur bekannt als „Heiratstempel“. Da die Silben „go en“ im Japanischen sowohl „fünf Yen“ als auch „gute Heirat“ bedeuten, wirft man hier 5 Yen-Stücke in die Spendenbox. Man sollte dann eine schöne Hochzeit feiern können bzw., wenn man noch nicht verheiratet ist, den richtigen Partner dafür finden. Es gibt hier noch eine weitere Legende, die sich vor ca. 400 Jahren zugetragen haben soll, als ein lokaler Kriegsherr 21 Tage lang für Kraft betete. Auf seinem Heimweg begegnete ihm eine Monsterkuh, die er mit einem Hieb niederstreckte. Doch als man das Untier inspizieren wollte, fand man nur eine Jizō Statue, die in zwei Hälften gespalten war. Nun glaubte man, dass sich die Gottheit Kannon in das Monster verwandelt hatte, um den Kriegsherrn seine Kraft zu „demon“-strieren. In Erinnerung daran steht im Tempel eine neunstufige Steinpagode, die der Kriegsherr zum Dank von der Spitze des Berges zum Tempel getragen haben soll.<br /><br />Man merkt sofort, dass es hier kein gewöhnlicher Tempel ist, sondern ein, wie soll ich sagen, alternativer Shugendō Tempel. Die vielen Besonderheiten, das europäisch wirkende Giebelhaus, die weiße Statue mit dem Block und die vielen farbenprächtigen Bilder sprechen für sich. Ich erkunde das Tempelgelände, der Verbindungsgang zwischen Daishidō (Dasihi Halle) und Hondō (Haupthalle) mit den vielen Votivtäfelchen (ema) und den überdimensionierten Holzketten hat es mir angetan. Als ich mich für ein kleines Päuschen niedersetzen will, dringt ein Fiepen an mein Ohr. Immer wieder höre ich es und in meiner Vorstellung formt sich aus dem Fiepen schemenhaft ein Kätzchen. Ich bin dann doch ganz schön erstaunt, dass mein Kätzchen dann, Federn hat und der weit aufgerissene Schnabel so gar nicht zu dem kleinen Körper passt. Ein Spätzchen sitzt hier im Sand auf der Erde und ruft vielleicht nach seiner Mutter. Er hat zwar schon Flugfedern, macht aber keine Anstalten. Mit den weichen Puschelfedern um den eingezogenen Hals sieht her mehr wie eine fiepende Fellkugel aus. Na, wollen wir hoffen, dass es hier keine Tempelkatze gibt, die sich über leichte Beute freut.<br /><br />Nachdem ich meinen Pilgerverpflichtungen nachgegangen bin und mein Pilgerbuch habe vervollständigen lassen, trete ich fröhlichen Herzens den Rückmarsch an. Aber ganz so fröhlich bin ich dann doch nicht, weil das Auto immer noch auf den Parkplatz steht. Beim Hinauffahren war mir das verwitterte Eingangstor aufgefallen, welches ich unbedingt noch besuchen möchte. Ich wandere also wieder talwärts. Das Tor ist wirklich sehr alt und verwittert. Als ich es besuche ist es sogar mit einer blauen Plane als Dachersatz ausgestattet, wohl um weitere Schäden zu minimieren. Der Weg bergab ist natürlich umso leichter, da es abwärts geht und man sich nicht allzu viele Sorgen machen muss, den Weg zu verlieren. In einer Kurve, in der ich über die Bäume hinweg sehen kann, genieße ich die Aussicht von hier oben. Es ist zwar etwas diesig, aber trotzdem habe ich eine phänomenale Weitsicht. Ich bin immer wieder verwundert, wie es so flache Örtlichkeiten zwischen so vielen Bergen geben kann. Gleich so, als hätte eine riesige Hand, die Ebenen flachgeklopft. Als ich noch in der Kurve stehe, höre ich von hinten ein Auto angerauscht kommen. Natürlich mein hilfsbereiter Autofahrer, der mich schon das Stück zum Tempel hinauf mitgenommen hat. Mit den Worten „aruki henro desu“, „ich bin ein Laufpilger“, entschuldige ich mich mit einem Lächeln und bedanke mich mit einer Verbeugung für seine Hilfsbereitschaft. Der Rückweg, ich verlaufe mich in einem Orangenhain, ist dann doch schneller gefunden als gedacht. Ich beobachte noch eine Bäuerin und einen Bauer wie sie im Feld arbeiten und sich durch den schlammigen Untergrund vorankämpfen. Das ist hier so eine richtige Kunst, die Reisfelder zu bewässern, überall muss genügend Wasser stehen, aber es darf nicht stagnieren.<br /><br />Mitten hier in der Pampa sehe ich ein Schild, dass auf den „Jingui Fruchtmarkt“ verweist und Waza-no-yakata, eine Art Museum zum Mitmachen, in dem der Besucher traditionelles Handwerk der Präfektur Tokushima ausprobieren kann. Das ist auch wieder so typisch Japanisch, nicht nur in Museen Wissen konsumieren, sondern etwas im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ machen. So werden Papierschöpfen, Färbe- und Webetechniken zum Selbermachen angeboten. Ich bin dann schneller wieder im Tempel Nr. 6 als erwartet, nehme meinen Rucksack wieder in Empfang und mache eine Pause in besagter Pilgerhütte vor dem Parkplatz. Den weiteren Weg laufe ich an der Straße Nr. 12 entlang, wenn ich dem Pilgertrail folgen müsste, ich laufe jetzt in Gegenrichtung, würde ich schnell Probleme bekommen. Hier an der Hauptstraße finde ich eine Vielzahl von Automaten, der eine für Fertignudelsuppen („Cup Noodle“), für Süßigkeiten, Getränke und sogar einen für Eiscreme. Ich genehmige mir ein Erdbeereis, denn leider war meine Lieblingssorte „matcha“ ausverkauft. Macha oder „Grüner Tee“ ist mein Favorit, da der bittere Geschmack des Grünen Tees so herrlich mit der Süße des Vanilleeises harmoniert. Ich hatte zwar auch zwischenzeitlich ein Schokolade überzogenes Vanilleeis als Eiskonfekt probiert, aber Grünteeeis mit Waffel oder pur als kleine Eiskugeln sind für mich unschlagbar.<br /><br />Ich passiere Tempel Nr. 2, der hier direkt in der Kurve liegt und lande schließlich wieder in Tempel Nr. 1, dem Ryōzenji. Ich hatte noch auf Höhe des Abzweigers zum Deutschen Haus überlegt, ob ich Patrik noch einen Besuch abstatten sollte, da es aber schon 16.15 Uhr ist, und die Öffnungszeit nur bis 16.00 Uhr geht, habe ich mich dann doch dazu entschlossen, weiter zu wandern. Jetzt bin ich wieder am Anfang, dort wo ich gestartet bin, voller Anspannung, voller Tatendrang und voller Ungewissheit, was die nächsten Wochen wohl bringen werden. Ich muss mir ein Tränchen verdrücken, als ich meine Herz Sutra rezitiere, aber ich habe es wirklich geschafft! Aus der anfangs vor allem sportlichen Herausforderung ist eine spirituelle geworden. Hier schließt sich der Kreis! Ich erhalte einen weiteren Eintrag in mein Pilgerbuch (nokyochō) und kaufe noch Namenskarten (osamefuda), Baumwolltücher (tenugui), Räucherstäbchen und Kerzen. Zusammen mit den anderen Pilgerutensilien, die ich nicht mehr für den Besuch des Koyasans benötige, schicke ich sie nach Deutschland. Kurz vor Dienstschluss kann ich noch ins Postamt von Bando stürmen und oh Wunder – es gibt kein Problem mit der Adresse! Mit dem „Tempelbus“ fahre ich dann um 17.22 Uhr in Richtung Tokushima und ich schwöre, dass dies bestimmt nicht meine letzte Pilgertour gewesen ist. Von meinem Sitzplatz aus beobachte ich, wie die Sonnen unter geht. Ich hoffe jetzt nur, dass ich das Businesshotel Sakura, in dem ich mit Hajo auf dem Hinweg abgestiegen waren, wiederfinde. Aber es läuft alles wie am Schnürchen. Ich checke im BR Sakura ein und stelle verwundert fest, dass sich im Gästebuch hauptsächlich Ausländer eingetragen haben. Typische Ausländer Absteige, denke ich so bei mir, als ich die Menge und vor allem die Größe der Schuhe im Eingangsbereich bemerke. Japaner hätten sie alle ordentlich in Reih und Glied gestellt, aber bei den Ausländer fliegen sie alle durcheinander. Ich kaufe noch etwas zum Abendessen aus dem Lawson Kombini (24-h-Markt) am Hauptbahnhof Tokushima und frage nach, wann der Bus morgen zum Flughafen Kansai fährt. Auf meinem Zimmer finde ich bei meiner Rückkehr eine Banane, sowie ein Stück Baumkuchen und Tee. Diesen Ritus lob ich mir, da kann man bei Einchecken schon mal ein kleines Teepäuschen einlegen, bevor man sich dann wieder aufrappelt, um noch Besorgungen zu machen oder ein heißes Bad im Ofuro zu nehmen.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-80469584807496892242010-06-29T05:51:00.000-07:002010-06-29T06:00:55.154-07:00Sonntag, 26.04.2009, Hotel S. 106 Onsen<a href="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCnuWm8HoBI/AAAAAAAAB1o/4yYLm0sgoGw/s1600/IMG_1317.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488179693104898066" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; CURSOR: hand; HEIGHT: 320px" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCnuWm8HoBI/AAAAAAAAB1o/4yYLm0sgoGw/s320/IMG_1317.JPG" border="0" /></a><strong>Der 42. Tag in Japan</strong><br />Heute ist Sonntag, das Frühstück hier im Onsen (Thermalquelle) Hotel gibt es zwar erst um 7.00 Uhr, aber ich bin schon früher auf, da ich meine Sachen noch packen muss. Ich hatte sie zum Trocknen aufgehängt, weil ich gestern doch ziemlich durchgeweicht bin. Das Wetter ist trübe, aber es regnet zum Glück nicht. Als ich heute in den Spiegel schau, muss ich grinsen, denn mein Gesicht ist voller Sommersprossen. Das war mir bis jetzt nicht aufgefallen. Ganz am Anfang meiner Pilgertour hatte ich echte Schwierigkeiten mit der starken Sonneneinstrahlung. Meine Hände hatten eine Sonnenallergie entwickelt und waren, neben den sich entwickelnden Sommersprossen, mit kleinen Bläschen überseht. Auch die Sehnenscheidenentzündung der Handgelenke hat sich ohne medikamentöse Unterstützung zurückgebildet. Meinen Füßen geht es gut, wenn ich mal von den etwas tauben Zehenspitzen und meinen verkürzten Achillessehnen absehe. Nichts, was so schlimm gewesen wäre, als dass ich hätte pausieren oder womöglich die Pilgerreise abrechen müssen. In wenigen Tagen werde ich mein Ausgangspunkt wieder erreicht haben und mit Ausnahme kleinerer Blessuren, mir tut der Hintern von gestern noch etwas weh, bin ich doch ganz gesund durchgekommen.<br /><br />Zum Frühstück gibt’s diesmal nicht nur die gewöhnliche Miso Suppe mit Einlage, sondern so einen Nudelsuppentopf auf einem Stövchen. Nach einem reichhaltigen Frühstück checke ich aus. Ich kann mir mittlerweile auch ungefähr denken, wo ich mich jetzt befinde, denn hier in der Gegend gibt es nicht viele Unterbringungsmöglichkeiten. Wenn ich hier am Hotel die Straße entlang laufe und nach einem Fluss auf die Straße Nr. 193 treffe, weiß ich, wo ich heute Nacht geschlafen habe. Zurück zum Tempel Nr. 88 sollte es dann kein Problem mehr sein. Das Wetter ist, wie gesagt, bedeckt, doch kaum stehe ich vor der Tür, fegt mir ein kräftiger Windstoß meinen Pilgerhut vom Kopf. Ich flüchte wieder hinter die automatische Eingangstür des Hotels und krame meinen Regenponcho heraus. Den Pilgerhut binde ich am Rucksack fest. Anstelle meines Seggenhuts ziehe ich meine Mütze über die Ohren, die ich sonst nur bei den Übernachtungen in den Pilgerhütten getragen habe. Zusammen mit den Handschuhen haben sie mich immer schön warm gehalten. Und das brauche ich heute auch, denn der Wind ist eisig, kein Sonnenstrahl hat es seit geraumer Zeit geschafft, hier Wärme zu verbreiten, dabei habe ich zeitweilig schon richtig auf meiner Tour schwitzen müssen. Aber auf einmal ist es, als wäre ich in einem anderen Land, in dem es nur Kälte und Wind gibt. Dabei ist es doch fast Ende April und so hoch in den Bergen liegt diese Ortschaft auch nicht.<br /><br />Laut Karte sollte es bis zum Ōkuboji ca. 14 km sein, natürlich muss ich den Tempel nochmals besuchen, da ich gestern bei dem vielen Regen nicht ein Foto schießen konnte. Auf meinem Weg liegt eine große Steinmetzfabrik, auf deren Betonmauer sind unzählige kleine Steinlaternen aufgestellt. Ich kann eine Steinsäule mit Löwen erkennen, eine Statue von Hotei, dem dicken, lachenden Mönch und eine Gruppe von drei Katzen. Es regnet noch ein paar Tropfen, der Wind weht mir um die Ohren, aber schließlich habe ich die Ortschaft erreicht, an der ich gestern zum Damm abgebogen bin. Hier hat sogar ein kleiner Laden geöffnet und das am Sonntagmorgen! Ich kaufe mir eine Tüte mit Muffins als Proviant und gefüllte Brötchen, die ich sogleich verspeise. Ohne Brot bzw. Stärke komme ich morgens nicht in Tritt! Der Weg zu Tempel Nr. 88 erscheint mir dann auch viel länger, vielleicht weil man die Strecke schon kennt. Aber kurz vor dem Ziel überholt mich so ein japanischer Schnellläufer. Ich hatte zwar versucht, ihn nicht davon wandern zu lassen, es ist immer gut, einen Tempomacher zu folgen, aber schließlich muss ich ihn dann doch ziehen lassen.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 88 Ōkuboji (大窪寺)<br /></strong>„Der Tempel der großen Höhle“ geht auf eine Höhle zurück, die hier einmal existiert hat. Der Tempel wurde 717 von Gyōgi (669-749) auf Geheiß der Kaiserin Genshō (680-748; 44. Tennō) gegründet. Im 9. Jahrhundert, nachdem er aus China zurückgekehrt war, schnitzte Kōbō Daishi den Honzon (Hauptgottheit) Yakushi Nyorai und widmete ihm und seinen Wanderstab mit rasselnden Metallringen (shakujō) eine Halle. Zwischen 1573 und 1592 brannten alle Hallen bis auf eine nieder. Nur die Statue und der Stab des Daishi überdauerten die Zeit der brandschatzenden Chōsokabe Truppen. Zwischen 1673 und 1704 wurde der Tempel unter Masudaira Yorishige, Herrscher von Takamatsu, wiederaufgebaut. Um 1900 brannte der Tempel abermals nieder, wurde aber nach einiger Zeit wiederhergestellt. Der Daishidō (Daishi Halle) stammt aus dem Jahre 1984. Man beachte die Krücken, die Pilger hierließen, nachdem sie auf der Pilgerreise geheilt wurden, die heiligen Buppōsō Vögel und die Kechigan Omamori (Talismane der abgeschlossenen Pilgerreise). Früher war Frauen der Zutritt verboten, heute gilt das glücklicher Weise nicht mehr. Auf einer Steinsäule vor dem Wächtertor (niōmon) kann man lesen, dass das Ende der Pilgerreise naht. „Hachijuchaich Kechigan-sho“, steht da in Kanji (Symbolzeichen) geschrieben, was so viel heißt wie „die heiligen Orte der Shikoku Pilgerreise, wo die Wünsche sich erfüllen“. Hier endet die Pilgerreise für viele Pilgerstöcke, die in der Hōjō Halle verwahrt werden und am Tag der Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühling oder während eines Goma Feuerrituals im August verbrannt werden. Aber der Pilger muss jetzt noch den Kreis mit dem Besuch des Tempels Nr. 1 schließen und den erfolgreichen Abschluss der Pilgerreise im Hauptquartier des Shingon Buddhismus, der gleichzeitig auch das Mausoleum des Daishis birgt, im Pilgerbuch (nokyochō) quittieren lassen.<br /><br />Ich sehe mich auf dem Tempelgelände um, das Wetter ist zwar grau und windig, aber noch regnet es nicht. Gestern musste ich infolge von Dauerregen das Fotografieren aufgeben, aber auch heute mache ich nur wenige Fotos. Da ich meinen Kōbō Daishi Stock liebgewonnen habe, möchte ich ihn hier nicht zurücklassen. Schließlich muss ich noch zu Tempel Nr. 1 wandern. Wenn dann auf einmal der Wanderstock fehlt, den man über 40 Tage mit sich herumgeschleppt hat, ist das ein ganz komisches Gefühl. Man hat auf einmal eine Hand frei und weiß nicht, was man damit machen soll. Aber meinen kurzgelaufenen Stock, ich schätze er hat mindestens 10 cm verloren, wird sich Zuhause als Souvenir zu meinem Wanderstock vom Fuji und einem anderen Pilgerstock aus Kamakura (Nähe Tokyō) gesellen. Auf dem Gelände des Ōkuboji ist heute richtig was los, das liegt auch daran, dass die wenigen Läden und Shops hier direkt vor dem Tempelgelände liegen.<br /><br />Mein Plan für heute sieht vor, nach einer kurzen Fotosession in Tempel Nr. 88 den Rückweg nicht direkt zu Tempel Nr. 1 einzuschlagen, sondern den Umweg über Tempel 10 zu wählen, da ich den am Anfang ausgelassenen Bangai Tempel Nr. 1 noch in meinem Pilgerbuch (nokyochō) verewigen lassen möchte. Den Bangai Tempel Nr. 1 direkt anlaufen zu wollen, zerschlägt sich schnell, da das Kartenmaterial keine solche Querfeldeinwanderung hergibt. Aber ich bin fast drei Wochen vor meinem eigentlichen Plan, wie und was ich danach mache, ob ich umbuchen oder die Restzeit in Japan verbringen kann, steht jetzt noch in den Sternen. Ich habe also Zeit und muss mich nicht beeilen und so wandere über den verzeichneten Trail in Richtung Tempel Nr. 10 (Krihataji), der hier in fast einer Linien mit den anderen Tempel, (Nr. 9 bis Nr. 1) liegt.<br /><br />Ich mache mich jetzt auf den Rückweg, über die mehrspurig ausgebaute Autostraße wandere ich am Higaidani Fluss entlang. Kurz vor einem Tunnel entdecke ich noch eine nichtverzeichnete Übernachtunsmöglichkeit. Es ist wohl so eine Art Rastplatz mit Toilettenhäuschen, das direkt über dem Fluss gebaut worden ist. Wenn es von der gegenüberliegenden Rinderfarm nicht so stinkend herüberwehen würde, wäre dies ein gemütliches Plätzchen. So aber sehe ich zu, dass ich meine Pause so kurz wie möglich halte. Auf einem Schild, auf der die Internetseite (<a href="http://www.road.pref.tokushima.jp/h/i/index.html">http://www.road.pref.tokushima.jp/h/i/index.html</a>) vermerkt ist, gibt es Informationen zu allen Möglichen wie Verkehr, Wetter, Erdbeben, Tsunami und Wasserstandmeldungen, leider alles nur in Japanisch und ohne Bilder. Hier esse ich meine Osettai (Pilgergeschenk) vom Bangai Nr. 20, die Nudelcracker und ein paar Kekse.<br /><br />Die Luft ist irgendwie raus. Die anfängliche Spannung war sorglosem Wandern gewichen. Keine Sorge, wie weit man kommt, keine Sorge, ob man eine Unterkunft findet, aber immer Aufmerksamkeit darauf, Alternativen zu finden, die einem eine Ausweichmöglichkeit eröffnen. Nicht lange über etwas ärgern, nein - andere Möglichkeiten finden, weiter zu kommen oder im Zweifelsfall früher einkehren, als plötzlich im dunklen Wald zu stehen. Kein regelmäßiges Fernsehen, kaum Nachrichten, obwohl die japanischen Berichte über die Schweinegrippe aus Mexiko verfolgt habe und auch versucht habe, regelmäßig den Wetterbericht zu sehen. Die Dinge auf solcher Tour bekommen eine andere Wertigkeit. Man überdenkt Gewohnheiten, fragt sich, ob das wirklich nötig ist und erkennt, dass „Weniger oft Mehr“ ist. Das ist jetzt wieder so eine buddhistische Phrase, aber es ist wirklich so. Auf meiner Tour habe ich gemerkt, was ich wirklich brauche, natürlich bezogen auf die Tour, man muss sich wundern, mit wie wenig Sachen man über die Runden kommt und natürlich wägt man ihm wahrsten Sinne des Wortes jedes Stück ab, was man mit sich herumschleppt. Sollte man das nicht auch im täglichen Leben so machen, denn nichts anderes ist unser Alltag, eine Pilgerreise, die wir umso mehr genießen können, je weniger wir Wert auf Nebensächlichkeiten legen, die uns die Zeit für Dinge rauben, die wirklich wichtig sind. Ich hoffe ich kann diesen Aspekt in meinen deutschen Alltag hinüberretten.<br /><br />Aber genug des Philosophierens – noch bin ich nicht wieder in Deutschland. Zurzeit wandere ich noch durch die Wälder hier in den Bergen, die sich vor mir wie eine grüne Wand auftürmen. Zwischendurch mal eine Brücke, die, im Gegensatz zu vielen Straßen, jede einen eigenen Namen trägt. An einem kleinen Bambushain sehe ich wie ein Japaner Bambussprossen ausgräbt. Später erfahre ich aus dem Internet (Wikipedia sei Dank!), dass Bambus bis zu 1 m pro Tag wachsen kann und zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen überhaupt zählt! Waldbambus kann bis zu 38 m hoch wachsen und gehört dem Namen nach zu den „Süßgräsern“. Ein Grashalm von 38 m Höhe – Japan wartet gerne mit Superlativen auf!<br /><br />Ich passiere so ein blaues „Ensemble“ aus Getränkeautomaten, Sitzbank und Blumenständer. Da hat sich jemand aber besonders Mühe gegeben, um es hier gemütlich zu machen. Man muss immer bedenken, dass es hier in Japan durchaus nicht üblich ist, in der Sonne zu sitzen. Fast jede Etagenwohnung besitzt zwar einen Balkon, der aber wird nicht zum Entspannen genutzt, sondern dient als Rumpelkammer bzw. Waschkeller. Hier hängt die Wäsche zum Trocknen, werden die Futon-Betten zum Lüften aufgehängt und alles gelagert, was man nicht mehr in den kleinen Wohnräumen unterbringen kann. Apropos kleine Räume, da fällt mir ein, dass ich nicht eine Nacht in einer Reismühle übernachten musste, obwohl das ideale Unterkünfte sind. Auch eine Übernachtung in einem Kapsel-Hotel ist mir erspart geblieben, obwohl in Kōchi die Möglichkeit bestanden hätte. Letzteres kenne ich vom Hörensagen aus Tokyo, wo man, wenn man den letzten Zug verpasst hat, die Nacht in so einem kleinen Schlafcontainer (capsule) in einem Saal übernachten kann. Hinter einem kleinen Vorhang findet sich ein mit TV, Radio und Lampe ausgestattetes Bett. In letzter Zeit werden auch immer mehr Internetcafes zum Übernachten genutzt, da sie meist billig sind als ein Hotel. Man muss allerdings erwähnen, dass in Japan diese Art der Cafes aus abgetrennten und abschließbaren Kabinen besteht, also kein großer Raum ist wie bei uns, in dem sich die Computer dicht an dicht drängen. Duschmöglichkeiten und Decken gehören in den Cafes meist mit zu Service – es ist zwar anders gedacht gewesen, aber man muss eben ein bisschen erfinderisch sein.<br /><br />Für heute ist mein Ziel allerdings weder eine Reismühle, noch ein Internetcafe, obwohl ich das Internet in meiner geplanten Unterkunft kostenlos benutzten darf. Wie schon auf dem Hinweg werde ich im Hotel Awa Access, eiem Businesshotel, absteigen. Es liegt hinter dem Hōrinji (Tempel Nr. 9) etwas abseits vom Pilgerpfad. Ich hatte es mir in die Karte eingetragen, weil hier die Unterkunftsmöglichkeit doch recht dünn gesät sind. Als ich durch Awa City laufe, immer an der Straße Nr. 12 entlang, kommt mir die Strecke dann doch länger vor. Als ich an einer Bushaltenstelle vorbeikomme, die mit einem soliden Holzhäuschen versehen ist und an einen „Getränkeautomaten Park“ grenzt, überlege ich noch kurz hier zu übernachten. So könnte ich immerhin 5500 Yen sparen, aber ich freue mich schon auf das „Westliche Frühstück“ mit Eiern und Kaffee satt. Außerdem möchte ich das Internet dazu nutzen, mir Informationen über Umbuchungsmöglichkeiten, Transportmöglichkeiten zum Koya-san und weitere Reisetipps in Japan, zu beschaffen. Ja, ich nehme langsam Abschied von der Pilgertour, der Natur und der Insel, auf der ich so viel Spaß hatte. Morgen noch den letzten Abschnitt bis zum Tempel Nr. 1 gewandert und eine Stippvisite auf dem Koyasan und was danach kommen mag, weis bis jetzt nicht mal Kōbō Daishi.<br /><br />Als ich heute Abend am Computer im Access Awa meine E-Mails checke, erwartet mich eine Überraschung. Sowohl die „Berliner Mädels“ als auch Hajo haben mir eine Warnung zukommen lassen, dass die vielbesagten Schlangen unterwegs sind. Explizit Hajo warnt mich davor den Trail bei Bangai Tempel Nr. 20 zu benutzen, da er erstens schlecht markiert ist und zweitens es viele Schlangen auf dem Berg geben soll. Knapp daneben ist auch vorbei, denke ich so bei mir, bei der Kälte auf dem Berg, hätte ich die allenfalls „Schlange in Eis“ oder „Schlange ganz steif“ begegnen können. So hatte das kalte Wetter also doch sein gutes: Ich habe zwar ziemlich gefroren, dafür hatte ich keinen Schlangenkontakt. Im nahe liegenden Sunkus Kombini (24-h-Shop) besorge ich mir zum Abendessen, im Hotel wird nur Frühstück angeboten, eine japanische Pizza (okonomiaki) und eine Traubenlimonade („Fanta Budo“), sowie für morgen Gebäckteilchen mit Schokostreußeln und Teile, die wie „Berliner“ schmecken.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-59048692400926216252010-06-29T05:16:00.000-07:002010-06-29T05:22:56.032-07:00Samstag, 25.04.2009, Sanuki City, Takeyakiki Ryokan<a href="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCnlhIK6u2I/AAAAAAAAB1Y/mjgs1jEZofs/s1600/IMG_1184.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5488169978219379554" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TCnlhIK6u2I/AAAAAAAAB1Y/mjgs1jEZofs/s320/IMG_1184.JPG" border="0" /></a><strong>Der 41. Tag in Japan<br /></strong>Hätte ich heute am Morgen gewusst, was mir bis zum Abend passiert, wäre es von mir wohl mit „Pleiten, Pech und Pannen“ überschrieben worden. Aber es fing alles schon gestern mit den Kommunikationsproblemen an. Als ich heute in meinem kleinen Zimmer erwache, ich hatte die Soji (Schiebetüren), die als Gardinenersatz dienen, offen gelassen, ist es dunkel und regnet. Ausgerechnet heute, wo ich eine recht weite Strecke wandern muss, noch dazu durch die Berge! Um 6.00 Uhr bereche ich auf. Die Dame an der Rezeption, mit der ich gestern das Missverständnis über die Übernachtungspreise hatte, checkt mich aus und drückt mir noch ein 1000-Yen-Schein in die Hand. Sie sagt mir es sei für „Pan“ (Brot), da ich sie aber nicht wieder brüskieren will, sie hatte mein Schrecken bzw. Ärger wohl durchaus verstanden, bedanke ich mich und mache mich auf den Weg zu Tempel Nr. 88.<br /><br />Eigentlich wollte ich im Ryokan zwei Tage bleiben und mein schweres Gepäck hier deponieren. Aber jetzt bin ich gezwungen, mich mit meiner gesamten Habe zum Ōkuboji (Nr. 88) zu schleppen. Eventuell kann ich dort den Rucksack im Pilgerbüro lassen und den Weg zum Bangai Tempel Nr. 20 dann noch mit leichtem Gepäck antreten. Den Weg zum Ōkuboji Tempel hatte ich mir dann doch kürzer und leichter vorgestellt. Auch meine Freude, endlich den letzten Tempel der Hauptkette zu besuchen, ist getrübt und das nicht nur aufgrund des Regens. Es ist verdammt kalt geworden, der Regen fließt in Strömen. Zum Glück trage ich über meiner Doppeljacke einen Regenponcho, der mich mitsamt meines Rucksacks umhüllt. Er hätte vielleicht etwas länger sein können, denn ich bekomme recht schnell nasse Füße, aber eigentlich das optimale Teil für so eine regnerische Insel wie Shikoku. Ich brauche für die knapp 2,5 km bis zum Tempel eine halbe Stunde und bin so natürlich viel zu früh am Pilgerbüro.<br /><br />Zum Glück kann man sich hier vor dem Tempelbüro unterstellen. Es gibt sogar Bänke zum Ausruhen. Ich schäle mich aus meinem „Zwiebel Look“ und beschließe, den ersten Mönch, der das Pilgerbüro öffnet, zu fragen, ob ich meinen Rucksack hier hinterlegen kann. Aber ich habe Pech, denn der alte Kauz besteht darauf, dass ich den Rucksack mitnehme, da der Bangai (Nebentempel) einfach zu weit weg ist. Es verkürzt die Strecke aber auch nicht, wenn ich mit vollem Gepäck laufe, denke ich so bei mir. Ich ärgere mich, verstehe aber auch sein Ansinnen. Denn was geschieht, sollte ich nicht vor Ablauf der Öffnungszeit wieder im Pilgerbüro erscheinen? Soll er dann meinen Rucksack vor die Tür stellen, wird er eventuell geklaut. Komme ich jedoch nach der Öffnungszeit wieder zum Tempel, finde ich niemanden, der mir mein „Gutes Stück“ wieder rausgeben kann. Niedergeschlagen trabe ich von Dannen. Bei dem Regen kann ich kein Foto vom Tempel machen, nehme mir aber bei nächster Gelegenheit vor, das nachzuholen. Ich werde versuchen, heute den Bangai Tempel zu erreichen. Je nachdem wie schnell oder langsam ich bin, werde ich den Rückweg zu Tempel Nr. 1 über Tempel Nr. 88 machen. Vielleicht gibt es kürzere Strecken, aber da mein Kartenmaterial begrenzt ist, wähle ich lieber die ausgewiesenen Pilgerstrecken, als mich querfeldein zu schlagen.<br /><br />Regen, Regen und nochmals Regen, ausgerechnet heute wo ich ihn nicht gebrauchen kann. Ich laufe wieder den Weg zurück zum Takeyakiki Ryokan, von hier muss ich wieder nach japanischer Karte laufen, die für die Strecke zum Bangai Tempel so ca. 20 km nennt. Unter einer Straßenunterführung mache ich kurz Pause. Warum es hier wohl eine Unterführung gibt, eine einfache Kreuzung wäre hier doch auch keine Problem gewesen, so wenige Autos wie hier fahren? Während auf der Karte eine längere Tour vermerkt ist, die erst um den Ōtaki Berg herumführt und hauptsächlich Autostraße beinhaltet, wähle ich den, in meinen Augen kürzeren Weg. Er beginnt an einer Art Staudamm mit WC und führt dann als Wandertrail, die Serpentinen der Autostraße abkürzend, direkt den Berg hinauf. Aber wie erwähnt, der Tag ist mit „Pleiten, Pech und Pannen“ überschrieben und so habe ich das Pech, dass ich den Einstieg zum Trail nicht finde. Stattdessen gibt mir ein Hinweisschild hier an der Straße Auskunft darüber, dass der Autoweg ca. 16 km lang ist. Diese Strecke ist für mich noch annehmbar, obwohl der Trail es auf 6 km verkürzt hätte. Aber ich habe jetzt Zeit, da ich die offizielle Pilgertour so gut wie abgeschlossen habe, will ich mich nicht durch so ein paar Widrigkeiten ärgern lassen.<br /><br />Ich stapfe also die Autostraße hoch, die jedoch nicht mehr vollständigen in meiner Karte verzeichnet ist. Während ich mich noch frage, wo ich mich den eigentlich auf der Karte befinde, werden Minuten zu Stunden. Ich wandere im Regen, der Nebel verdeckt die Bergspitzen. Nur von Zeit zu Zeit denke ich, dass ich diese und jene Häusergruppe bzw. Blick auf irgendwelche Plantagen schon mal gesehen habe. Da ich mich hier am Berg aber stete nach oben bewege und jede Windung der Straße durchwandern muss, habe ich jedes Mal einen anderen Blickwinkel. Zwei große Reisebusse fahren an mir vorbei. Wie gerne wäre ich mit ihnen mitgefahren, denn mittlerweile bin ich dann doch ganz schön nass geregnet, obwohl der Regen nachgelassen hat. Da bin ich dann wenigstens auf dem richtigen Weg, denke ich so bei mir, als kurz vor mir ein Mauzen ertönt. Es ist ein klägliches Mauzen, einer noch kläglicher wirkenden Katze. Es ist so ein ganz heller Tiger, aber derart abgemagert, dass man trotz langhaarigem Fell die Knochen sehen kann. Tja, Kätzchen, denke ich so bei mir, da hast du dich hier verlaufen wie ich mich verlaufen habe. Und wieder ertönt ihr schwächliches Miau. Ich habe leider nichts mehr außer meinen Pilgerkeksen und ich bezweifle, dass du die frisst. Wenn so eine Hauskatze sich hier in der Wildnis verläuft und den Weg nach Hause nicht wieder findet, muss sie entweder verhungern oder sich auf ihre Urinstinkte besinnen und selber jagen. Aber diese arme Katze ist wohl so ein entlaufener Stubenhocker, der noch nie eine lebende Maus oder einen Vogel gejagt hat. Wie gerne würde ich ihr helfen, dabei kann ich mir ja nicht mal selber helfen. Wenn sie schlau ist, versucht sie das Fleisch der Krabben zu futtern, die hier alle paar Meter von Autos platt gefahren worden sind. Aber da ich selber nicht weiß, wie weit es bis zum Tempel ist, muss ich sie schweren Herzens am Straßenrand sitzen lassen.<br /><br />Ich wandere weiter, immer die nebelverhüllten Gipfel im Auge, irgendwo da oben liegt der Ōtakiji Tempel. Der Gedanke motiviert mich, was habe ich heute schon geschafft, ganz vom Tal bin ich bis in diese Höhe gekommen. Doch ein Auto, das kurz vor mir bremst, reißt mich aus den Gedanken. Ein japanisches Ehepaar winkt mir energisch zu, während ich zwei Pilgerbusse und drei andere Autos ihrer Wege ziehen ließ, denke ich, dass ich für heute meinen guten Willen bewiesen habe. Und da ich nicht wie das Kätzchen im Regen enden möchte, nehme ich diese „Pilgererleichterung“ dankend an. Jetzt beginn hier aber wieder eine Achterbahnfahrt durch die Kurven, doch schneller als erwartet, hat diese Fahrt ein Ende. Es war, um in der Begrifflichkeit zu bleiben, nur noch ein Katzensprung bis zum Tempel.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 20 Ōtakiji (大滝寺)</strong><br />„Der Tempel des großen Wasserfalls“ wurde von Gōgi (668-749) gegründet und man sagt, er habe gleich 3 Statuen von Amida Nyorai als Honzon geschnitzt. Kōbō Daishi hat den Berg ebenfalls besucht, um auf seinem Gipfel die Morgensternmeditation (Gomonjihō) durchzuführen. Der Tempel ist berühmt für seine „Yakunagashi“, was so viel wie „das Unglück wegwaschen“ bedeutet, aber was sich dahinter verbirgt, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber wer ist jetzt wieder Saisho Daigongen, der hier als Honzon (Hauptgottheit) angegeben ist? Nishiteru Daigongen oder auch Amano Oshihi sind Bezeichnung für die gleiche Gottheit. Vermutlich eine Shinto Gottheit (kami), da sie den Titel „Daigongen“ trägt. Angeblich soll dieser Tempel der am höchstgelegenste der gesamten Shikoku Tour sein, sogar höher als das Hauptquartier des Shingon Buddhismus auf dem Koyasan.<br /><br />Als ich mit meinem japanischen Ehepaar den Tempel betrete, ist da schon eine Pilgergruppe am Sutren rezitieren. Als ich im Tempelbüro einen Pilgerbucheintrag machen lassen, erzählt mich die Frau an. Sie soll mir von meinem großen Wanderkollegen, der vor vier Tagen (also am 21.04.) diesen Tempel besucht hat, liebe Grüße bestellen. Etwas irritiert frage ich nach, ob sie Hajo oder die beiden Berlinerinnen meint, die ich bei Tempel Nr. 46 getroffen habe. Aber ich habe schon richtig gehört, dass es Hajo war, der wohl mit der ausgezeichnet Englisch sprechenden Japanerin hier ein Pläuschchen geführt hat. Jetzt haben auch meine Auto fahrenden Japaner mich hier am Pilgerschalter entdeckt und fragen mich, ob sie mich wieder mit runter nehmen sollen. Ich verneine mit der Begründung, dass ich ein „Arukihenro“, ein Wanderpilger bin. Außerdem sollte der Rückweg, der jetzt nur noch bergab verläuft nicht mehr so schwierig sein. Bei letzterem habe ich mich ganz schön getäuscht und sortiere es unter Pleiten ein, denn mein Abstieg soll meine größte Pleite auf der ganzen Pilgertour werden.<br /><br />Aber zurück zu meinen motorisierten Wohltätern, die mir als Osettai (Pilgergeschenk) noch eine Flasche Tee und frittierte Nudeln, sie schmecken so ähnlich wie ungesalzene Salzstangen, zukommen lassen. Ich bedanke mich und wir verabschieden uns voneinander. Da der ganze Berg im Nebel hängt, ist es ganz schön schwierig, den Trail zu finden. Doch als ich die Straße am Tempel in Gegenrichtung laufe, zu der ich gekommen bin, sehe ich ein Schild. Hier ist der Trail mit neonfarbenen Bändern markiert, die man bei dem Nebel noch relativ gut sehen kann. Ich folge also den Bändern, merke jedoch schnell, dass der Trail hier nicht ganz „ohne“ ist. Laub hat sich auf dem Weg angesammelt und durch den Regen ist es ziemlich rutschig, zumal es hier steil rauf und runter geht. Innerlich verfluche ich meine Entscheidung den Rückweg zu laufen schon wieder, aber eigentlich sollte die Wegführung des Trail mir nicht allzu große Probleme bereiten. Laut Karte muss ich immer nur, abgesehen von einigen Kurven, geradeaus den Berg herunterwandern, bis ich auf die Straße treffe, die ich hochgekommen bin und ob ich das letzte Stück bis zum Staudamm dann auf dem Trail oder der Straße laufe, „macht den Kohl auch nicht mehr fett“.<br /><br />Aber wie die Überschrift „Pleiten, Pech und Pannen“ schließen lässt, läuft heute nichts glatt, so verwechsle ich den eigentlichen Trail mit der Feuerschneise. Auf Feuerschneisen, die natürlich durch Bänder markiert sind, werden alljährlich die Bäume und Sträucher zurückgeschnitten, damit das Feuer keine Nahrung finden, um sich weiter auf dem Berg auszubreiten. Nun ja und durch die Kennzeichnung mit den Bändern habe ich wohl den Trail und die Feuerschneise verwechselt. Da ich der Meinung war, dass der Tempel schon am höchsten Punkt lag, ich dementsprechend nur noch talwärts wandern musste, bin ich anstatt den Berg noch weiter hoch zu kraxeln auf der absteigenden Feuerschneise gelandet. Dies bedeutete für mich auf den „absteigenden Ast“ zu sein, da die Schneise um einiges steiler und schwieriger zu überwinden war. Zumal hatte ich meinen, um die 14 kg wiegenden, Rucksack auf dem Buckel, der einen mächtig den Hang herunterziehen kann. Mit einem Stoßgebet an Kōbō Daishi und dem Versprechen es endlich kapiert zu haben, rutsche ich auf dem Hosenboden die Feuerschneise hinab. Wenn ich jetzt an einem betonierten Steilhang rauskomme, bekomme ich echte Probleme, wie soll ich da runter kommen? Ich bin zwar schon an solchen Konstruktionen herausgekommen, doch diese waren immer abgesichert gewesen, da der Trail an ihnen vorbei führte. Wenn ich jetzt auf einen Fluss treffe, hätte ich noch mal Glück gehabt, den an seinen Ufern kann man entlang laufen und ich hätte wieder einen Orientierungspunkt, von dem ich abschätzen könnte, wo ich denn gelandet bin. Nachdem ich so einen kleinen Bach, der hier vom Berg plätschert überwunden habe, komme ich an einem Platz mit Baumaschinen raus. Natürlich kein Mensch in der Nähe, den man hätte fragen können, denn heute ist Samstag, da arbeiten nur die Wenigsten. Hauptsache ich bin wieder im Tal gelandet, dann folge ich einfach der Straße bis in die nächste Ortschaft, doch die Ortschaft lässt auf sich warten. Ich laufe also den ganzen Weg, den ich mich vor Stunden hoch gequält hatte erneut oder warum kamen mir manche Kurven so bekannt vor? Laufe ich nun in Richtung Damm oder wieder in Richtung Tempel, gibt es denn hier nicht mal Straßenschilder, die mir Auskunft darüber geben können, auf welcher Straße ich eigentlich laufe? „Namu daishi henjo kongō“, denke ich bei mir, nur nicht fluchen oder die Ruhe verlieren.<br /><br />Ich quäle mich erneut die Straßen hoch, doch endlich sehe ich ein Haus. Doch leider sind alle ausgeflogen. Als ich klopfe rührt sich nichts im Inneren. Ich wandere weiter, doch ich merke, dass das Wandern ohne das Ziel zu kennen bzw. ohne zu wissen, dass man auf den richtigen Weg ist, ganz schön anstrengend ist. Wenn ich mich früher damit motiviert habe, dass ich das, was ich jetzt am Berg an Höhenmeter erarbeite beim Abstieg genießen kann, weiß ich jetzt nicht einmal weiß, ob ich in die richtige Richtung laufe. Auch dass der Berg meilenweit von der nächsten Stadt entfernt liegt, baut mich nicht gerade auf. Ich fühle mich jetzt wie die nasse Katze von vorhin. Nass, hungrig und allein.<br /><br />Plötzlich überholt mich ein Auto, aber ich war so im Gedanken versunken, dass ich nicht gleich reagieren kann. Das nächste Auto stoppst du, denke ich so bei mir, und wenn das Bergmonster persönlich am Steuer sitzt. Das schaffst du vor Sonnenuntergang nicht mehr, du bis zu kaputt. Und oh Wunder, mein Bitte wird erhört, obwohl sich meine Bergmonster dann als greiser Japaner herausstellte, der kein Wörtchen Englisch versteht und dessen Japanisch auch mir unverständlich ist und auch das Auto eigentlich zu klein ist, als dass ich mich hätte hineinquetschen können. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Und als der alte Herr, ich hatte ihm berichtet, mich auf dem Rückweg zum Tempel verlaufen zu haben, mich an mein Ziel bring, schießen mir dann doch die Tränen in die Augen. Anstelle mich in der nächsten Ortschaft rauszuschmeißen, hat er mich doch wieder zum Tempel Nr. 20 gefahren!<br /><br />Aber mal ehrlich - bei den ganzen Kurven, bin ich mir nicht mal sicher, dass wir an der richtigen Seite des Berges entlang gefahren sind. Aber so bedanke ich mich recht herzlich und stehe wieder wie der sprichwörtlich begossene Pudel – Pardon - Kätzchen vor dem Pilgerschalter. Ich klingle und mir wird aufgetan, ich erzähle der netten Frau des Tempeloberhaupts von meiner Odyssee und frage nach Abschluss meiner Erzählung, ob es im Tempel eine Übernachtungsmöglichkeit gibt. Leider nicht, da zurzeit alles renoviert wird. Wenn es dicke kommt, dann extrem! Völlig aufgelöst reicht man mir eine Tasse „Milch- Tee“ und der Tempelvorsteher holt einen Fön, damit ich meine Schuhe trocknen kann. Die Frau ist mit dem Tempelpriester verheiratet. Priestern ist es in Japan nämlich erlaubt zu heiraten, wenn sie nicht gerade das Zölibat geschworen haben. So ein Priester ist ein Ausbildungsberuf wie jeder andere, nach mehrjähriger Ausbildung erhält derjenige, der sich bis zum Ende durchschlägt, sogar eine offizielle Lizenz, die bestätigt, dass er einen Tempel führen darf und mit allen Ritualen vertraut ist.<br /><br />Auf alle Fälle erklärt mir diese Frau, ich schätze sie so um die 50 (obwohl das bei Japanerin immer recht schwierig ist), dass sie sich in ihrer Jugend auch verlaufen hatte. Sie ist auch auf der Pilgerreise der 88 Tempel gewesen, als sie sich vor Tempel Nr. 13, ich erinnere einen Bergtempel mit steilen Treppen, stundenlang im Wald verlaufen hatte. Sie ist dann auf nette Leute getroffen, die ihr geholfen haben und jetzt möchte sie dies mir angedeihen lassen. Sie fragt mich, ob ich mit ihr und ihrem Sohn einen Onsen (Thermalbad) besuchen möchte. Ein heißes Bad kann nicht schaden, denke ich so bei mir, und wo ein Bad ist, muss doch auch eine Ortschaft sein, wo mit größtem Glück auch ein Hotel zu finden ist. Aber alles der Reihe nach. Wir fahren also mit dem Auto ihres Sohnes zum Onsen. Meine Güte fegt er um die Ecken, das ist wie besagte Achterbahnfahrt. Aber auch der Weg, vom Gefühl fährt er den Weg zurück, den ich mit den anderen Pilgern per Auto absolviert hatte, verläuft hier total verschlungen.<br /><br />Die Frau erklärt mir, als wir im Onsen eintreffen, dass ich zuerst ein Zimmer beziehen soll, danach werden wir gemeinsam zu Abend essen und uns dann dem heißen Wasser der Thermalquelle hingeben. Mir ist zurzeit alles egal, selbst als sie mir sagt, dass das ein Pilgergeschenk an mich ist, kann ich nicht lange Widerstand leisten und bedanke mich herzlich. Beim Essen plaudere ich mit ihr und ihrem Sohn, er ist der zweitälteste und soll den Tempel mal übernehmen, über die Shikoku Pilgerreise, dass ihr ältester Sohn in den USA als Molekularbiologe arbeitet und wie ich nun mit Hajo zusammenhänge. Nach dem Essen, will ich noch ein Handtuch und frische Wäsche aus meinem Zimmer holen. Der junge Mann gibt mir noch die Telefonnummer von einem „Kult-san“, der viele Sprachen u.a. auch Deutsch sprechen soll und auf dem Koya-san lebt. Da ich weiß, dass die japanischen Bäder je nach Geschlecht getrennt werden, verabschiede ich mich von dem jungen Mann, ihn werde ich heute wohl nicht mehr sehen. Aber mit der Mutter würde ich jetzt gerne zusammen ein Bad nehmen. Ungläubig erklärt sie mir, dass da unten laute nackte Japanerinnen sein werden, die wirklich „splitterfasernackt“ sind. Das ist mir klar, erkläre ich ihr, denn das ist nicht mein erstes Mal in einem japanischen Bad. Als ich dann noch die Begriffe „Ofuro“ (japanisches Bad) und „Sentaku“ (jap. Wäsche wie Waschmaschine) durcheinander bringe, bekommen ihre Augen doch wieder so einen fragenden Blick. Apropos Fragen – ich würde gerne noch wissen, wo ich mich denn hier eigentlich befinde. Aber als ich ihr die japanische Karte hinhalte, findet sie es nicht. Na ja, zur Not kann ich an der Rezeption morgen fragen. Auf ins heiße Ofuro, das habe ich mir heute redlich verdient! Leider trage ich im Bad keine Brille, so dass ich nach den erfolgten Badegängen einer falschen Frau in die Umkleide folge. Ich bin schon fertig, als meine nette Priestergattin schließlich den Umkleideraum betritt und erst da bemerke ich meinen Fehler. Ich bedanke mich nochmals herzlich bei ihr, dabei habe ich schon eine Revanche im Hinterkopf, so ein „Care-Paket“ aus Deutschland zur Weihnachtszeit. Ich verabschiede mich und gehe wieder auf mein Zimmer. In dieser Nacht kann ich wie ein Murmeltier schlafen, da ich mich heute mental wie physisch total verausgabt habe.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-43416709061667403292010-06-14T09:27:00.000-07:002010-06-14T09:35:30.421-07:00Freitag, 24.04.2009, Takamatsu City, Okadaya Ryokan<a href="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBZaOjCgONI/AAAAAAAAB0w/mgNBKOOeZeQ/s1600/IMG_0822.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5482668802340567250" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBZaOjCgONI/AAAAAAAAB0w/mgNBKOOeZeQ/s320/IMG_0822.JPG" border="0" /></a><strong>Der 40. Tag in Japan</strong><br />Die Nacht ist kalt hier oben in den Bergen, aber zum Glück hatte ich mich entschlossen, im Okadaya Ryokan zu übernachten. So habe ich mich in meinen dicken Futon gekuschelt und die Nacht doch recht gut überstanden. Als Frühstück muss mein restlicher Proviant herhalten, aber um 6.00 Uhr bin ich schon wieder abmarschbereit. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Ryokan so gemütlich ist, sogar Sitzklos haben sie hier oben installiert. Was von außen wirkt wie ein kleines Lagerhäuschen, hat sie doch als gemütliche Unterkunft entpuppt. Als ich das Haus verlasse, bekomme ich von meinem Wirt noch eine Dose Tee als Osettai (Pilgergeschenk) überreicht. Ich laufe wieder zu dem Platz mit der Steinlaterne, den ich gestern fotografiert hatte, aber das Licht ist anders und die Atmosphäre ist dahin. Nach einem kurzen Blick ins Kartenbuch muss ich feststellen, dass ich auf diesem Weg wieder zurück zur Bergbahnstation im Tal komme, ich laufe also in Gegenrichtung zur Bergstation. Mir ist kalt und da es hier an der Station Automaten mit Fertigsuppen gibt, labe ich mich erstmal an einer warmen Möhrchensuppe. Hinter der Station Yakuri-sanjo verläuft die Straße 115 wieder ins Tal. Ich folge der Autostraße, die ich ganz für mich habe, da so früh kein Auto den Berg hochfährt. Von hier kann ich sogar einige Gebäude bei Tempel Nr. 84 sehen, ich glaube es ist die Hotel Ruine, an der ich am Vortag vorbeigekommen bin. Man kann jetzt auch sehr gut Erkennen, das der Komplex auf einem Plateau liegt, anders als auf dem Gokensan Berg, wo der Tempel kurz unter der Bergspitze liegt. Ich wandere so vor mich hin, da schreckt mich ein Fasan auf. Jetzt bin ich ganz ohne Koffein hellwach, was so ein bisschen Adrenalin am Morgen doch ausmacht. Bis ich das Tal wieder erreicht habe, oder sollte ich es besser Hafen oder Küstenlinie nennen, läuft mir noch ein Golden Retriever vor die Füße, merkwürdig – als Gebrauchshund wäre er wohl angekettet gewesen, aber als Schoßhund würde man auf ihn mehr achtgeben. Da hat sich der Schlingel wohl von zuhause davongestohlen.<br /><br />Ich passieren einen kleinen See mit WC-Häuschen, hier gibt es auch einen hübschen Blauregen unter dem Bänke stehen, die zum Verweilen einladen, aber für eine Pause ist es noch zu früh. Ich sehe Steinfiguren inform von Eulen und einem Buddha mit Türmchen, passiere einen neu aussehenden Schrein und bin schließlich wieder am Meer. Hier gibt es auch wieder die Schutzanlagen, die verhindern sollen, dass bei ungünstigen Wetterverhältnissen das Meerwasser in die kleinen Flüsse gedrückt wird und so Überschwemmungen ausgelöst werden. Ich trage noch eine Pilgerhütte in mein Kartenmaterial ein, an der ich hier vorbeikomme. Ich jetzt wandere zwischen Meer und Bahnlinie, mein Weg sollte mich direkt in den Shidoji Tempel (Nr. 86) führen. Ein Kombini (24-h-Laden) der „Daily Yamazaki“ Kette, in dem ich meinen Proviant aufstocken wollte, gibt es nicht mehr. Verwundert wandere ich an einem alten Gebäude vorbei, dass wie eine alte Schule aussieht. Aber warum es mit Stacheldraht gesichert ist und so vor sich hin gammelt, anstatt entweder abgerissen oder renoviert zu werden, weiß ich nicht. Genauso eigenartig ist ein Gebäude mit der deutschen Aufschrift „Autobahn“. Es könnte ein pleitegegangenes Autohaus oder ein Ersatzteilverkauf gewesen sein. Das hohe Gebäude steht auf alle Fälle leer. Endlich sehe ich ein blaues Verkehrsschild mit der Aufschrift „Shidoji Temple“ und kurz darauf stehe ich vor zwei Steinstelen, hinter denen sich der Tempelbezirk erstreckt.<br /><strong><br />Exkurs Tempel Nr. 86 Shidoji (志度寺)<br /></strong>“Der Tempel des Wunscherfüllung” bezieht sich auf eine Legende die „Ama no Tamatori“ („Taucherin beschafft die Juwelen wieder“) heißt, die sich wie folgt zugetragen haben soll: Als die Tochter von Fujiwara Kamatari (614–669; Gründer der Fujiwara Klans), einem einflussreichen Politiker und Freund des Kaisers Tenji (626-672; 38. Tennō), nach China reiste, um die Konkubine des Tang Kaisers Taitsung zu werden, gab ihr der Vater drei Kleinodien mit. Als der Vater jedoch starb, schickte sie die Juwelen mit einem Schiff zurück, da ihr Bruder Fubito sie für den Bau des Kōfukuji Tempels (669; als Yamashina-dera) in Nara brauchte. Der Legende nach soll das Schiff jedoch in der Shido Bucht auf Grund gelaufen und die Kleinodien vom Drachen König, der über das Meer herrscht, gestohlen worden sein. Nun machte sich Fubito persönlich daran, sie wiederzubeschaffen. Er heiratete eine einheimische Taucherin (jap. Berufsbezeichnung „ama“), die ihm einen Sohn gebar. Nachdem Fubito ihr das Versprechen gegeben hatte, ihren Sohn als Erben einzusetzen, beschaffte sie die Juwelen vom Grunde des Meeres. Dadurch zog sie den Zorn des Drachen Königs auf sich und mit einer List, die sie ihr Leben kostete, brachte sie die Kleinodien wieder an die Oberfläche. Sie schmücken heute die Stirn der Shakuson Statue im Kōfukuji (zentrale Halle Chūkondō) in Nara. So wurde ihr Sohn Fusasaki Stammvater des nördlichen Zweigs der Fujiwara Familie.<br /><br />Eine andere Legende besagt, dass der Tempel 626 von einer Nonne namens Han Sonoko gegründet wurde, die die Yakushi Halle erbaute und aus einem Stück Holz, welches sie in der Shido Bucht gefunden hat, die Statue der elfgesichtigen Kannon geschnitzt hat. Eigentlich datieren die Ursprünge des Tempels viel früher, denn der Honzon (Haupthalle) stammt aus dem 6. Jahrhundert, zur Zeit der Kaiserin Suiko (554-628; 33. Tennō). 681 soll oben erwähnter Fujiwara Fuhito seiner verstorbenen Frau ein Grabmal errichtet haben, man nannte diese Örtlichkeit von nun an „heilige Stätte von Shido“. 693 habe sein Sohn, Fusasaki, Gebäude für den Gottesdienst für seine Mutter errichtet lassen und den Tempel „Shidoji“ genannt haben. Ob der Mönch Gyōgi (668-749) dabei involviert war oder nicht bleibt offen. Zwischen 810 und 824 kam Kōbō Daishi hierher, von ihm soll auch der Honzon (Hauptgottheit), die Juuichimen (elfgesichtige) Kannon stammen. Zusammen mit den Figuren von Fudō und Bishamonten zählen sie heute zum „Nationalen Schatz“. 1670 wird der jetzige Tempel mit Geld von Matsudaira Yorishige, Herrscher von Takamatsu, erbaut. Sehenswert ist der Landschaftsgarten aus der Muromachi-Periode (1333 –1568), der von Hosokawa Katsumoto (1430-1473), einem hohen Staatsbeamten und Erbauer des berühmtesten Zen-Gartens in Japan (Ryōan-ji in Kyoto), gestaltet wurde. Das Wächtertor (niōmon), die Haupthalle (hondō) und die fünfstöckige Pagode, die aus dem Jahre 1973 stammt, sind ebenfalls sehenswert..<br /><br />Auf mich wirkt das Gelände etwas verwahrlost, vor allem die vielen kleinen Nebengebäude. Auch der so hoch gepriesene Landschaftsgarten macht auf mich den Eindruck, als sei es nur ein eingetrockneter und überwucherter Teich. Aber ich habe vielleicht auch nicht den Blick für solche japanischen Kunstfertigkeiten geschärft. Immer dann, wenn etwas sehr einfach, schlicht und wie dahingeworfen aussieht, kann das hohe Kunst sein. Denn um etwas einfach aussehen zu lassen, bedarf es jahrelangen Studiums und viel Erfahrung. Ich denke dabei z.B. an einen Kreis, den man als Übung auf einem Stück Papier zieht. Oberflächlich betrachtet ist es nur ein einfacher Kreis, bei dem sich noch dazu einzelne Pinselhaare selbständig gemacht haben. Aber schon mal versucht, so einen perfekt runden Kreis mit einem großen japanischen Pinsel zu ziehen? Sieht einfach aus, ist in der Durchführung aber mit viel Übung und Erfahrung verbunden – eben Kunst.<br /><br />Die Dachreiter hier, sie gehen wahrscheinlich auf die Legende der Taucherin zurück, finde ich besonders interessant, da sie je nach Auslegung sowohl kleine Meerjungfrauen, als auch japanische Engel (Absaras) darstellen könnten. Ich verlasse den Tempel und halte nach einer Möglichkeit Ausschau, ein kräftiges Frühstück einzulegen. Als ich ein Schild für ein McDoof sehen, ziehe ich Geschmacksfäden – für so einen schönen Cheeseburger ist es ja eigentlich noch zu früh, aber hier in Japan sollte man alles rund um die Uhr kaufen können. Aber ich werde enttäuscht, da es gerade mal 10.00 Uhr ist, wird hier im „Drive-in“ nur Frühstück serviert – also keine Burger. Zum Glück gibt es nebenan einen Sunkus Kombini (24-h-Shop), in dem ich mir eine japanische Pizza (okonomiaki) und eine Portion Nudeln reinziehen kann. Meinen Proviant stocke ich ebenfalls auf.<br /><br />Nach einer Flachlandetappe geht es wieder in die Berge, vielleicht erreiche ich mein Ziel, Tempel Nr. 88, heute noch. Ein Verkehrsschild verkündet mir, dass es bis Tempel Nr. 87 (Nahaoji) noch 4 km, bis zum Kikaku Park 6 km und bis zum Zieltempel Ōkuboji (Nr. 88) noch 20 km zu absolvieren sind. Während ich den Kikaku Park links liegen lassen werde, hier könnte ich noch den Usa Hachiman Schrein besuchen, werde ich auf alle Fälle im „Maeyama Ohenro Kouryu Salon“, eine Art Pilgermuseum, einkehren. Zurzeit laufen zwei Pilger vor mir mit roten Rucksäcken und zwei andere folgen mir. Das sind die ersten Wanderpilger, die ich seit langer Zeit wieder sehe. Dass man wie früher als Wanderpilgerkollegen von Zeit zu Zeit in den Tempeln wieder trifft, ist wohl fast ausgeschlossen, da mich die Nebentempel (Bangai) so viel Zeit gekostet haben, so dass ich meine Bekannten nicht mehr einholen konnte. Aber manchmal will man gar nicht auf bestimmte Dinge treffen. So z.B. auf das Tofu-Auto, dass mich seit geraumer Zeit verfolgt und mit seiner Lautsprecheranlage mit der Ansage „Tofu Watanabe wa oshii desu – ikaga desu“ geradezu in den Wahnsinn treibt. Es bedeutet so viel wie „Watanabe Tofu ist so lecker – wie wäre es? Da der Verkaufswagen hier im Schritttempo durch das Wohngebiet fährt, wird der Abstand zwischen mir und der Nervensäge nicht größter. Man merkt zunehmens, dass man dem Ziel der Pilgerreise näher kommt. Überall sind Schilder aufgestellt, auf denen Pilger abgebildet sind. Aber schließlich stehe ich dann doch vor dem Nagaoji Tempel und werde prompt von einer Japanerin auf Englisch angesprochen. Sie fragt mich nach meiner Pilgerreise, die ich jetzt schon fast geschafft habe. Sie selber ist ein Urlaubspilger, d.h. sie läuft die Pilgerreise etappenweise während ihres Urlaubs. Dieses Jahr wird sie die Pilgertour der 88 Tempel vollenden - nach fünf Jahren. Im Nagaoji ist sie nicht nur zum Beten, sondern will zusammen mit ihren Begleiterinnen zu Mittag essen. Das war mich allerdings neu, dass man nicht nur Shokubō, also Übernachtung mit Frühstück und Abendessen, in einem Tempel angeboten wird, sondern auch zusätzlich Mittagessen.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 87 Nagaoji (長尾寺)</strong><br />„Der Tempel des langen Schwanzes“ wurde 738 von Gyōgi (668-749) auf Anordnung des Kaisers Shōmu (701-756; 45. Tenno) gegründet, er hat auch die Statue der Shō Kannon aus Weidenholz als Honzon (Hauptgottheit) geschnitzt. Bevor Kōbō Daishi nach China reiste, legte er hier ein Versprechen ab, bei dem er an den ersten sieben Tagen des Januars das Goma Feuerritual durchführte und dabei Talismane an die beteiligte Bevölkerung verteilte. Dies war der Ursprung für das „Daikaiyōfuka Ubai“ („Ritus, um das Glück zu jagen“), eine Art Rennen, das alljährlich stattfindet und bei dem große Mochis (Reiskuchen aus gestampftem Reis) eine Rolle spielen. Um das Jahr 825 wurden die meisten Gebäude erneuert. Im 16. Jahrhundert brannte der Tempel wie so viele andere auch nieder, wurde aber mit Hilfe von Ikoma Kazumasa (1555-1610), 2. Daimyo (Landesherr) von Takamatsu wiederaufgebaut. Auch 1681 war es der Landesherr von Takamatsu, diesmal Matsudaira Yorishige, der Geld und Land für den Tempel stiftete. Während dieser Zeit konvertierte der Tempel auch vom Shingon zum Tendai Buddhismus. Bemerkenswert ist das Grab von Shizuka Gozen, Geliebte von Minamoto Yoshitsune, die sich nach dem Tod des Geliebten (1189) hier im Tempel als Nonne ordinieren ließ. Noch heute geht der Name Shizuka Yakushi, eine Einsiedelei wo sie damals gelebt hat, und der Name Tsuzumi-ga-Fuchi Teich, auf ihre Anwesenheit zurück. Es gibt ein Niōmon (Wächtertor) und ein „Onari“ genanntes Tor.<br /><br />Mit „langem Schwanz“ könnte ein langer Ast einer Pinie gemeint sein, der hier quer über den Weg zur Haupthalle wächst. Das Grab der edlen Dame habe ich leider nicht gesehen, aber so hübsch war der Tempel dann doch nicht. Ich finde es immer etwas pietätlos, wenn Autos hinter dem Eingangstor auf dem Tempelgelände parken, aber vielleicht ist das die Anpassung des Tempels, der hier auch Mittagessen anbietet. Während der Eingang zum „Tempelrestaurant“ doch hübsch gestaltet ist, mit einem kleinen Garten mit Brunnen, man hat sogar einen roten Schirm aufgestellt, wirkt das Uhrenhäuschen neben der Steinstatue irgendwie deplaziert. Das Kanji (Symbolzeichen) für „Zeit“ besteht zwar aus den Zeichen für „Sonne“ und „Tempel“, doch sollte man bei einem Tempelbesuch, wo man Ruhe und Einkehr sucht, nicht unbedingt an die galoppierende Zeit erinnert werden.<br /><br />Ich verlasse den Tempel wieder, um mich auf den Weg zum Pilgermuseum zu machen. Ich passiere Autos, auf die die Besitzer ihre Futons (japanische Betten) ausgebreitet haben. Was ich früher für eine Schutzmaßnahme von autobesessenen Japanern gehalten habe, stelle sich dann als Desinfektionsmöglichkeit für die Futonbetten heraus. Japaner sind nämlich der Meinung, dass man Futons nicht nur regelmäßig lüften und bewegen sollte, nein, die direkte Sonneneinstrahlung, vor allem das UV Licht, soll auch im Futon befindliche Krankheitserreger unschädlich machen! Deshalb sieht man überall an den Häusern Futons hängen. Dabei muss ich noch erwähnen, dass so ein Balkon in Japan eine ganz andere Aufgabe hat als bei uns. Während wir den Balkon als Gartenersatz zum Entspannen und allenfalls zum Rauchen nutzen. Stellt er in Japan eine Art Abstellraum und Wäschekammer dar. Hier wird Überflüssiges, was man nicht in die ohnehin viel zu kleinen Wohnungen unterbringen kann gelagert. Zusätzlich sind hier Halterungen angebracht, an denen die großen Trockenstangen hängen, auf die dann Wäsche oder besagte Futons befestigt sind. Der Gebrauch dieser ausziehbaren an die 3 Meter messenden Trockenstanden geht auf die Verwendung von Kimonos zurück. Früher hat man diese Stangen einfach von Ärmel zu Ärmel gezogen, um die verhältnismäßig großen Stoffmengen besser trockenen zu können.<br /><br />Aber zurück zum Trail, der hier am Kabe Fluss entlang bis zum Maeyama Damm führt. Hier am Staudamm liegt auch das Pilgermuseum, dem ich einen Besuch abstatte. Im Museum werde ich auch gleich herzlich begrüßt. Ein älterer Herr, der etwas Englisch spricht, quetscht mich bei einem Schluck Tee aus, da er mir eine Pilgerurkunde ausstellen möchte. Wir tauschen sogar noch Visitenkarten aus, das sollte ihm erleichtern, meinen Namen zu schreiben. Ich bekomme auch noch einen Pin, so einen kleine Anstecknadel mit Henro Logo, geschenkt. Als Osettai (Pilgergeschenk) überreicht er mir eine Packung Kekse und ich muss schmunzeln, da ich diese Art von Butterkeksen aus Deutschland kenne. Aber als er mir ein weißes Band mit getrocknetem Obst übergibt, bin ich mir dann doch nicht sicher, um was es sich handelt. Aber ich bedanke mich herzlich und starte meinen Rundgang durchs Museum. Hier ist alles Mögliche zusammengetragen worden, was die Pilgerreise betrifft: Alte Pilgerkleidung, Pilgerbücher, Zeitungsartikel und sonstige Berichte. Auf einer Wand sind die 88 Tempel mit Bild und Karte aufgelistet, hier kann man sogar seine Namenszettel (osamefuda), sollte man es bei einem Tempel vergessen haben, nachträglich abgeben. Als ich das Museum verlassen will, spricht mich der alte Herr abermals an und zeigt mir auf einer Karte, die er mir mitgibt, dass der Weg zu Tempel Nr. 88 über den Kurusu Schrein zurzeit nicht passierbar ist. Da ich ohnehin die „Alte Pilgerroute“ einschlagen wollte, die mich um die Berge Nyotai und Yahazu herumführt, muss ich meine Pläne also nicht umstoßen. Ich will nämlich noch den Bangai Tempel Nr. 20 besuchen und der liegt leider in Gegenrichtung zum Ōkubōji (Nr. 88). Ich plane deshalb in einem Ryokan mit Namen Takeyashiki Unterkunft zu suchen, um mein Gepäck dort zu deponieren, da der Nebentempel (Bangai) Besuch mich mindestens einen Tag kosten wird.<br /><br />Es hat mittlerweile angefangen zu regnen und so gebe ich den Plan auf, den Tempel Nr. 88 schon heute zu besuchen. Ich versuche also im Takegashiki Ryokan einzuchecken, finde jedoch nicht gleich den Eingang und lande in einem Shop. Leider spricht die Verkäuferin nur wenig Englisch, so dass meine Frage nach dem Preis für zwei Übernachtungen, obwohl ich sie nochmals in Japanisch und nach vielfachem Nachfragen, falsch beantwortet wird. Das ist so der Horror eines jeden Japanreisenden. Man kehrt in einen schlicht wirkenden Ryokan ein, denkt sich nichts Böses dabei und muss dann so richtig teuer bezahlen. Als Ausländer kann man leider nur schlecht zwischen echter Schlichtheit und künstlicher oder kunstvoller Schlichtheit unterscheiden. Zwar gibt mir die gute Frau ein kleines Zimmer, ich soll jetzt doch 10.500 Yen bezahlen, doch leider war hier wohl der Wunsch Vater des Gedankens, denn je mehr ich mich hier umsehe, desto unglaubwürdiger finde ich es, das ich für meine kleine Besenkammer nur so wenig bezahlen soll. Oder war das jetzt eine Sonderpausschale für den unkundigen Ausländer?. Als ich bezahlen will, wiegelt die Dame ab, erst beim Auschecken. Aber als ich das Abendessen zu mir nehme, kullern mir vor lauter Wut die Tränen ins Essen. Das Essen ist so fein und aufwendig hergerichtet, dass kann nur bedeuten, dass es 10.500Yen immerhin fast 80 Euro, für eine Übernachten sind. Ich weiß zwar, dass Ryokans vornehmlich ihr Essen verkaufen und dass die Übernachtungsmöglichkeit eigentlich zweitrangig ist, wohingegen ein Businesshotel vor allem die Übernachtung und weniger das Essen verkauft, aber die Einschätzung von Preisen fällt einem dann doch recht schwer. Zumal man als Ausländer in nicht so nobeln Ryokans meist die besten Zimmer bekommt, die dann aber wiederum schon die teuersten sind. Ich will ja nicht als geizig gelten und natürlich kann man sich auch zum Abschluss dieser Tortour was Gutes gönnen, aber ich will dann das doch selber entscheiden und mich nicht fühlen, als hätte man mich, wenn auch unwissentlich, aufs Kreuz gelegt. Nachdem ich mich wieder gefasst habe, bestehe ich darauf heute zu zahlen, damit ich morgen sehr früh starten kann. Mein Plan für morgen sieht wie folgt aus: Zum Tempel Nr. 88 wandern, um den Pilgerbucheintrag zu holen und Gepäck zu deponieren, sich dann auf den Weg zum Bangai Tempel Nr. 20 machen und von dort wieder zurück. Aber es soll alles anders kommen, weil ich bis jetzt einfach zu gut durchgekommen bin!Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-17038955152437036432010-06-14T05:36:00.000-07:002010-06-14T05:44:48.466-07:00Donnerstag, 23.04.2009, Takamatsu City, Momoya Ryokan<a href="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBYkK4N7D5I/AAAAAAAAB0o/vKKf2rhRFl8/s1600/IMG_0572.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5482609365678231442" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBYkK4N7D5I/AAAAAAAAB0o/vKKf2rhRFl8/s320/IMG_0572.JPG" border="0" /></a><strong>Der 39. Tag in Japan</strong><br />Gerädert erwache ich hier direkt am Bahnhof – vor ständigem Schrankengebimmel, Lichterflackern und Gewackel habe ich kaum ein Auge zugekriegt. Es gibt hier keine Vorhänge und jedes Mal, wenn ich mich umgedreht habe, hat der hölzerne Untergrund gequietscht. Mein Frühstück besteht heute aus den restlichen Bananen und einem kleinen Kuchen vom Vortag. Als ich mich gegen 6.00 Uhr zum Abmarsch in Richtung Tempel Nr. 83 aufmache, ziehe ich mir noch eine „Frühstückscola“ am Automaten vor dem Ryokan. Der Trail führt im Zickzack durch ein Wohngebiet. Das ist ganz schön kompliziert, den Trail nicht zu verpassen, da man genau an der richtigen Kreuzung abbiegen muss.<br /><br />Ich sehe hier viele kleinere Felder, passiere eine Bonsai Baumschule und versuche, an einem grauen (ISDN) Telefon nach Deutschland zu telefonieren. Hier im Land der Handys und UMTS, wo jeder ohne „Cell phone“ als Einsiedler gilt, ist es ein Glücksfall, noch ein öffentliches Telefon zu finden. Es gibt sie in mehreren Farbvarianten, von denen die orangen nur für lokale Gespräche und die grünen auch bei überregionalen und Auslandsgesprächen funktionieren. Ein Sonderfall sind die grauen Telefone, die über eine ISDN Leitung verfügen und Anschlussstellen für Computer aufweisen. Das Telefonieren mit so einer „International & Domestic Card“, ich hatte mir die „KDDI Super World Card“ gekauft, ist dann noch einmal eine Wissenschaft für sich.Während ich anfangs die Telefone für defekt hielt, da es kein Freizeichen gab und auch kein Display etwas anzeigte, wenn man den Hörer abnahm, kam mir später die Idee, dass nun nicht alle Telefone defekt sein könnten. Und - oh Wunder - nachdem man eine Münze eingeworfen hatte, begann der Apparat seine Arbeit aufzunehmen. Will man nun mit so einer Telefonkarte, die keine Karte im herkömmlichen Sinne ist, telefonieren, muss man erstmal den ganzen Schwanz an Nummern eingeben, der auf der Karte bzw. Zettel vermerkt ist. Aber man darf auch nicht zu schnell tippen, da man die Computerstimme am anderen Ende abwarten muss. Wenn man dann noch die richtige Ländervorwahl (49) hat und diese ohne „0“ und auch die deutsche Vorwahlnummer wählt, kann man guter Hoffnung sein, dass nach Eintippen der Telefonnummer sich am anderen Ende jemand meldet. Es sei denn, man hat sich verrechnet und ruft mitten in der Nacht zu Hause an. Bei ca. 8 Stunden Zeitverschiebung erleichtert das richtige Timing die Verbindung zur gewünschten Zielperson. Ich hätte zwar auch ein Handy bzw. eine SIM-Karte für ein Handy mieten können, der Verkauf an Ausländer im Zuge des Anti-Terrorismusgesetztes verboten wurde, aber man konnte mir nicht garantieren, dass die Geräte auch in den Bergen und auf der ländlichen Insel Shikoku funktionieren würden. So hatte ich darauf verzichtet, obwohl man im Flughafengebäude von Kansai durchaus Shops für solche Zwecke gibt.<br /><br />Aber wieder zurück auf den Trail, der mich meinem ersten Ziel für heute, Tempel Nr. 83, näherbringen soll. Drei Pilger mit diesen kleinen 35 l Rucksäcken überholen mich, wir grüßen und ziehen ansonsten aber unserer Wege. Während sie dem Zickzack Trail unter dem Takamatsu Expressway (Autobahn) folgen, laufe ich hier am Koto Fluss auf einem als Fahrradweg ausgezeichneten Pfad entlang. Das Flussbett ist hier weitläufig. Da der Fluss nicht so viel Wasser führt, sind die Uferbereiche saftig grün. Fischreiher und anderes Getier tummeln sich hier. Von Zeit zu Zeit kommt auch mal ein Radfahrer vorbei. Da die japanischen Fahrräder immer extrem kurze Sättel haben, so dass der Abstand zu den Pedalen sehr klein bleibt, erinnern mich die Fahrer immer an den Spruch „Affe auf Schleifstein“. Die Knie werden bei Treten immer sehr hoch vor den Körper gezogen, es sieht unbequem mehr wie BMX-Fahren aus als wie eine entspannte Fahrradtour. Aber auf alle Fälle kommen diese „Schleifstein Affen“ schneller voran als ich. Jetzt muss ich aber aufpassen, dass ich die richtige Brücke erwische, damit ich den Weg zum Tempel finde. Wenn ich hier die Brücke überquere, müsste ich demnächst auf einen „Koban“ genannte Polizeibox treffen. Das sind kleine Häuschen bzw. Container, in der ein ortskundiger Polizist Dienst tut. Sollte man den Weg verlieren oder eine Adresse nicht finden, hier in Japan werden die Straßen nicht alle benannt, kann man hier nachfragen. Aber große, blaue Verkehrsschilder zeigen mir den Weg zum Ichinomiyaji Tempel (Nr. 83) und geben mir weiter Auskunft, dass Tempel Nr. 84 (Yashimiaji) in 18 km Entfernung liegt. In der Nähe werde ich dann wohl auch meine Unterkunft suchen müssen.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 83 Ichinomiyaji (一宮寺)</strong><br />„Der erste Schrein Tempel“ wurde 704 von dem Mönchsgelehrter und Vertreter der buddhistischen Hossō-shū Schule Gien (644-728) noch unter dem Namen „Dahō-in“ gegründet. Erst 716 bekam er den heutigen Namen, der sich auf den Tamura Schrein in seinem Innenhof bezieht. Zu jener Zeit bekam auf kaiserlichen Befehl jede Provinz ein Provinzschrein („Ichinomyia“). Aber laut Tempelführer war es Gyōgi (668-749), der den Tempel damals umbenannt hat. Zwischen 806 und 810 wurde der Tempel-Schrein von Kōbō Daishi wiederaufgebaut, er schnitze als Honzon (Hauptgottheit) eine stehende Sho Kannon Figur und brachte sie im heutigen Daishidō (Daishi Halle) unter. Wie so viele andere Tempel auf Shikoku brannte auch der Ichinomiyaji im 16. Jahrhundert nieder. 1679 wurden Tempel und Schrein auf Anordnung des Herrschers von Takamatsu, Yorishige Matsudaira, offiziell voneinander getrennt und 1701 als Sanuki Ichinomiya („Schrein Tempel von Sanuki) wiederaufgebaut. Bemerkenswert sind die vielen kleinen Shinto-Tōri (rote Tore), durch die der Pilger auf Knien kriechen muss, damit er sich vom schlechten Karma und von bösen Mächten befreien kann. „Ichinomiya Goryō“ werden die drei Steintürme genannt, die aus dem 13. Jahrhundert (vermutlich 1247) stammen und den drei Göttern des Tamura Schreins, der legendäre Kaiser Kōrei (342 – 215 v. Chr.; 7. Tennō), Momosohime und Isosaseri-no-Mikoto, gewidmet sind. Während ich ersteren noch finden kann, ist über die beiden anderen nichts im Internet aufzutreiben. Ich schätze, dass es sich vielleicht um eine Prinzessin handelt, da das Wort „hime“ darauf hindeutet. Aber da es viele Homophone (gleich klingende Worte) im Japanischen gibt, bin ich mir nicht sicher. Auch „Mikoto“ ist lediglich eine Ehrenbezeichnung („Erlauchtheit“) für Shintogötter (kami), so wie das „Nyorai“ der buddhistische Ehrentitel („Erleuchteter“) für Buddhas ist. Aber ich möchte noch „Jigoku no kama“, den „Kessel der Hölle“ erwähnen, der, wenn man als sündiger Pilger seinen Kopf in dieses niedrigen „Steinschrank“ steckt, sich seine Tore schließen und einen den Kopf eingeklemmt wird, wenn nicht Schlimmeres.<br /><br />Der Tempeleingang des Ichinomiyaji ist mit einem einfachen Sanmon bestückt, obwohl der Begriff „Bergtor“ hier nicht ganz passt, da der Tempelbezirk eben nicht an oder auf einem Berg liegt. Ich suche erstmal das hübsche Toilettenhäuschen auf, anstelle eines Waschbeckens steht hier ein Steinbecken mit Schöpfkelle. Nachdem ich meine Sutren rezitiert habe durchstreife ich das Gelände. Während ich die niedrigen „Krabbel-Tōri“ nicht finden kann, werfe ich einen Blick auf den „Höllenkessel“. Aber auch die anderen Details, wie die Statuen, eine geschlossene Lotosblüte, die lustigen Dachreiter in Form eines Ochsen und seines Bauer, sowie den Altarraum mit seinen prächtigen Laternen habe es mir angetan. Ich entdecke eine hübsche Ecke mit Laterne und Moos überwachsenen Stein, wenn da nicht die hässliche Wasserrinne vom Dach verlaufen würde, wäre es richtig effektvoll. Jetzt muss ich aber weiter und als ich dem Trail weiter folge, stelle ich fest, dass ich mal wieder den Tempel durch den Hintereingang betreten habe, denn hier steht das prächtige Eingangstor, das sowohl Niō (Wächterfiguren) als auch riesige Strohsandalen (waraji) aufweist. Ich folge der Straße Nr. 172. Auf dem Weg zu Tempel Nr. 84 kehre ich noch bei einem Lawson Kombini (24-h-Shop) ein. Ich kaufe mir ein Reiseset zum Zähneputzen, da mir eine Zahncreme langsam ausgeht und ich keine große Tube mitschleppen will. Auch erstehe ich noch etwas zu Essen, da ich im Ritsurin Park, einem berühmten Landschaftsgarten, eine Pause machen möchte. Da ich der Meinung bin, gut in der Zeit zu liegen, gönne ich mir heute einen Abstecher. Vor dem Park hole ich nochmals Geld von der Post. Wenn ich bedenke, wie viel Probleme wir anfangs mit der Geldbeschaffung hatten, bin ich heilfroh, dass es hier so viele Postämter gibt. Vor dem Park warten Taxis, sie sind meist pechschwarz und oft sieht man die Fahrer mit Staubwedeln die Oberfläche säubern. Japanische Taxifahrer sind da sehr gewissenhaft. Ich selber könnte nicht sagen, ob da noch ein Körnchen Staub drauf gelegen hat oder nicht, aber das ist hier so Prinzip: Alles muss perfekt sein!<br /><br />Als ich den Ritsurin Park erreiche, weiß ich erstmal nicht, wo es reingeht bzw. das weiß ich schon, nur wo kann ich eine Eintrittskarte kaufen. Fälschlicher Weise betrete ich das Verwaltungsgebäude, in dem ich mit fragenden Blicken begrüßt und dann auf ein Tickethäuschen verwiesen werde. Man hat hier die Wahl, sein Ticket bei einer Person zu kaufen oder sie aus dem Automaten zu ziehen. Service wird in Japan noch „groß geschrieben“ und falls eine Warteschlange am Schalter zu lang sein sollte, kann man sich auch am Automaten selbst bedienen. Auf in den Ritsurin Park, der hier vor mehr als 300 Jahren angelegt worden und in ganz Japan berühmt ist! Einem Schild ist zu entnehmen, dass zurzeit besonders die Kirschen, Wisterien (Blauregen) und Azaleen, sowie ein Strauch der hier „Dogwood“ (Hundestrauch) genannt wird, blühen. Letztere gehört in die Familie der Hartriegelgewächse und wird in Deutschland auch „Kornelkirsche“ genannt. Es ist ein Strauch dessen Blüten aus vier weißen Blütenblättern besteht, in dessen Mitte ein grüner „Knubbel“ sich später zur essbaren Frucht entwickelt. Aber ich werde beim Durchwandern des Parks, leider kann ich nur einen kleinen Teil besuchen, von einer Horde Katzen überrascht. Hier mache ich dann noch eine Pause mit cremegefüllten Brötchen, bei der ich die jungen Katzen beobachten kann, die hier mit den Koi Karpfen spielen oder bilden die sich etwa ein, sie könnten die Fische erbeuten? Der Park ist herrlich!<br /><br /><strong>Exkurs Riturin Park (von einem Schild im Park)<br /></strong>„Es wird vermutet, das dieser Park auf den Garten zurück geht, der nahe Shōfuda in der Genki und Tansho Ära (1572-1593) vom lokalen Herrscher Sato erbaut worden ist. Um das Jahr 1625 wurde vom Herrscher von Sanuki, Ikoma Takatoshi, der Bau eines Gartens am Südteich mit dem picturesken Berg Shiu im Hintergrund, initiiert. Dies wurde auf Matsudaira Yorishige, älterer Bruder von Mito Mitsukuni, Herrscher über Takamatsu im Jahre 1642 übertragen. Nach 100 Jahren der Erweitung und Verbesserung durch die folgenden Herrscher, wurde der Park unter der Regentschaft des 5. Herrschers Yoritaka im Jahr 1745 vollendet. Bis zur Meiji Restauration, 11 Generationen lang, wurde der Ritsurin Park als zweiter Wohnsitz der Matsudaira Familie genutzt. Der Park besteht aus zwei Teilen – dem Südgarten und dem Nordgarten, mit insgesamt 6 Teichen und 13 Felsen. Der Nordgarten, den man früher für die Entenjagd nutzte, wurde im frühen 20. Jahrhundert in den modernen Garten umgewandelt, den man heute hier besichtigen kann.“<br /><br />Ein weiters Schild gibt über eine Gruppe von Pinien (Kiefern) Auskunft, die anlässlich eines Besuches von Mitgliedern der japanischen und britischen Königsfamilie eigenhändige gepflanzt worden sind. Man zählt für das Jahr 1914 Prinz Chichibu, Prinz Takamatsu und den damaligen Kronprinzen und späteren Kaiser von Japan Hirohito (1926–1989) auf, wobei die Pinie des letzteren 2005 einem Blitzeinschlag zum Opfer fiel. 1922 war es der Onkel von Queen Elisabeth II., Prinz von Wales Edward Albert, auch bekannt als Edward VIII, welcher der Liebe wegen auf den Thron verzichtete. Und im Jahre 1923 Prinzessin Nagako, spätere Kaiserin Kojun und Ehefrau Hirohitos, sowie im Jahre 1925 Prinzessin Kitashirakawa.<br /><br />Der Park mit seinen vielen Brücken, Teichen mit Schildkröten und sogar einem Teehaus ist wundervoll. Alles ist so hübsch grün und großzügig, so dass man den Beton Dschungel der Großstadt vergisst. Nur die Seerosen blühen leider noch nicht in ihrer vollen Pracht.<br /><br />Jetzt mache ich mich aber wieder auf den Weg. Doch als ich hier zwischen den Hochhäusern der Stadt Takamatsu, was so viel wie „hohe Pinie“ bedeutet, entlang laufe, überholt mich ein Auto und bremst plötzlich kurz hinter mir. Ich warte, dass was passiert, dass jemand aussteigt - aber Fehlanzeige. Schließlich springt dann doch noch eine Frau aus dem Auto und übergibt mir eine Dose Tee und einen schildkrötenförmigen Schlüsselanhänger mit viel Verbeugen und „Ohenro-san“ („Ehrenwerte Frau Pilgerin“). Ich will mich noch bedanken, aber da ist sie schon wieder ins Auto gesprungen. Mein Gott - sind die Japanerinnen schüchtern!<br /><br />Ich laufe eine ganze Zeit an der Straße Nr. 11 entlang, der Abzweiger zum Yashima Plateau, auf dem der Tempel Nr. 84 liegt, darf ich nicht verpassen. Aber ich habe was ganz anderes im Sinn, da ich im naheliegenden Fluss wilde Schildkröten beobachte. Nach einem kurzen Blick in die Karte stehen meine Pläne fest: Ich will hier in der Nähe des Bahnhofs Kotoden-yashima in die Jugendherberge einchecken, mein Gepäck dort lassen und für den Rest des Tages den Tempel Nr. 84 besuchen. Aber ich habe mal wieder nicht mit den japanischen Geflogenheiten gerechnet, denn als ich mich endlich die steile Straße hoch gequält und den Zugang zur Jugendherberge gefunden habe, ist die verrammelt. Das Gebäude sieht verlassen aus, obwohl ein Schild mir Hoffnung gemacht hatte, das es die gesuchte Jugendherberge ist. In der Nachbarschaft suche ich Leute, die mir Auskunft geben könnten. Zum Glück finde ich einige freiwillige Helfer, die hier wohl den nicht vorhandenen Verkehr regeln. Ein an mir vorbeischlendernder Pilger schenkt mir einen Schoko-Bonbon, aber da Smalltalk schwierige ist, er spricht mal wieder kein Wort Englisch, weiß ich nicht warum er diese Straße hoch wandert, da dort nur die gebührenpflichtige Autostraße hoch läuft bzw. der der Trail zum Tempel auf der anderen Seite entlang geht. Gefrustet mache ich mich wieder auf den Trail und versuche die eingetragenen Unterkunftsmöglichkeiten zu erkunden. Aber Fehlanzeige, hier stehen so viele Häuser bzw. die Nachfrage bei den freiwilligen Helfern hat keine klare Antwort ergeben, wo und ob die anderen Unterkünfte hier zu finden sind. So mache ich mich dann also auf den Weg, den Yashimaji Tempel zu besuchen und das mit vollem Gepäck! Ich schleppe mich hier den mit Steinplatten ausgelegten Weg hoch, muss mich aber an einer roten Cola Bank verpusten. Hier ist es so steil, dass Schilder darauf hinweisen, damit man sich nicht hinfällt. Aber irgendwann stehe ich dann vor dem ersten der Eingangstore, das mit herkömmlichen Niō (Wächterstatuen) bestückt ist. Das zweite Tor hat keine hölzernen Wächter, sondern aus Metall gegossene, die noch dazu in einem schön gestalteten, mich an ein chinesisches Fenster erinnernde, Holzkonstruktion stehen.<br /><strong><br />Exkurs Tempel Nr. 84 Yashimaji (屋島寺)<br /></strong>„Der Tempel der Dach Insel“ würde die Bedeutung der Kanji wiedergeben, aber vielleicht auch „Tempel auf dem Plateau“, da es hier das Yashima Plateu gibt, auf dem der Tempel gestanden haben könnte, bevor er von Kōbō Daishi Richtung Süden versetzt worden ist. Davor hieß der Tempel Nanmen-zan („Berg, der nach Süden blickt“) und soll 754 von einem chinesischen Mönch namens Chinen-Chen (jap. Ganjin) unter dem Namen Fugendō auf seinem Weg nach Osaka gegründet worden sein. Später hat Keiun Ritsushi hier eine Halle errichtet und wurde erster Oberpriester. 815 bestieg dann Kobō Daishi auf Anordnung des Kaisers Saga (786-842; 52 Tennō), den Berg und versetzte den Tempel nicht nur gen Süden, sondern konvertierte ihn von der Ritsu Schule zu einem Shingon Tempel. Der Legende nach wurde der Daishi von einem alten Mann mit Regenmantel auf dem nebligen Berg herumgeführt. Dieser soll einst ein Tanuki (Maderhund) gewesen sein, der von der Gottheit Kannon in den Menschen Yashima Tasaburō verwandelt worden ist und ihr fortan als Bote gedient haben soll. Daraufhin habe der Daishi die Haupthalle (Hondō) in einer Nacht errichtet und für sie die Statue der elfgesichtigen (juuichimen) und 1000-armige (senju) Kannon geschnitzt haben. Ende des 12. Jahrhundert fand hier in der Nähe eine der letzten Schlachten der „Gempei Kriege“ („Minamoto-Taira-Kriege“), einer Auseinandersetzung der konkurrierenden Minamoto (bzw. Genji) und Taira (bzw. Heike) Klans, statt. Der Konflikt begann im Jahr 1156. Der abgedankte Kaiser Sutoku, uns bereits bekannt, und der regierende Tennō Go-Shirakawa, sein Halbbruder, hatten erhebliche Differenzen, die zu einer militärischen Auseinandersetzung führten. In diesem Konflikt unterstützten die Taira unter Taira Kioyomori den amtierenden Kaiser und gewannen. Die Minamoto standen diesmal noch auf der Verliererseite, ihr Oberhaupt wurde hingerichtet. Nach fünf Jahren Krieg und vielen Schlachten, fand 1185 die entscheidende Seeschlacht bei Danoura statt, aus der die Minamoto erfolgreich hervorgingen. Von Minamoto Yoritomo hatte ich im Zusammenhang mit der Hōgen Rebellion (1156) schon berichtet. Dieser nutzte den Besatzungszustand Japans aus, um seine Kamakura-Regierung und die damit verbundene Zeltregierung (bafuku), eigentlich Beamtenregierung, zu installieren. Das Museum auf dem Tempelgelände ist dieser vorletzten Schlacht gewidmet. Es gibt Relikte, Rüstungen und Bilderrollen, die die Geschichte der beiden rivalisierenden Klans zeigen. Eine Glocke von 1223 erinnert noch heute an den Niedergang der Taira.<br /><br />Das ist hier schon ein beeindruckender Tempelkomplex: das Museum mit seinem postmodernen Design, die steinernen Tanuki Figuren (Marderhunde) mit dem Schrein und die vielen großen und kleinen Gebäude. Die unzählige Statue und vor allem der große Vorplatz machen so richtig Eindruck auf mich. Aber ich will mich hier nicht lange aufhalten, da ich meine Pläne umstellen muss. Nachdem ich meine Pilgerverpflichtungen erfüllt habe, mache ich mich wieder auf den Weg, diesmal aber an der anderen Seite des Berges entlang zum Gokenzan, auf dem der nächste Tempel auf mich wartet. Hierzu muss ich allerdings wieder ganz nach unten in die Stadt laufen, um dann durch das Hafengebiet wieder zum nächsten Tempelberg hinaufzukraxeln. Ich muss mich von der herrlichen Aussicht, die ich von hier oben habe wieder losreißen, aber auf meinem Weg nach unten treffe ich immer wieder auf interessante Örtlichkeiten. Schilder geben Auskunft welche Helden hier den Tod gefunden haben. Während ich am Anfang auf den Blättern, die auf dem Trail liegen, fast ausrutschte, ich hätte wohl doch nicht diesen steilen Trail wählen dürfen, verläuft der weitere Weg einige Zeit über die vorher erwähnte Autostraße, um dann durch ein Wohngebiet zu führen. Hier treffe ich auf zwei alte Damen, die ihre Einkäufe mit einer Schubkarre den steilen Hang hochschieben. Mit einem von Herzen kommenden „ganbatte“ (Geben sie Ihr Bestes; nur Mut!) versuche ich, den beiden älteren Damen Mut zuzusprechen. Aber so halten sich die beiden Damen auch fit, die werden bestimmt nicht an Bewegungsmangel sterben. Es ist jetzt knapp 16.00 Uhr, ich liege gut in der Zeit, um noch den nächsten Tempel in mein Pilgerbuch aufzunehmen. Aber die Henrozeichen sind hier nicht eindeutig – zum Glück kann ich aus der Ferne eine Seilbahnstation erkennen. Ich vertüddel mich zwar kurz vorher in einem Wohngebiet, kann aber dann doch noch die Seilbahn zum Tempel besteigen. Es ist keine Seilbahn im strengen Sinne, sondern eine Schienenbahn, die an einem Seil den Berg hochgezogen wird. Zusammen mit einigen älteren Damen und Herren stürze ich dann kurz vor 17.00 Uhr aus der Bahn zum Pilgerbüro.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 85 Yakuriji (八栗寺)<br /></strong>„Der Tempel der acht Kastanien“ liegt auf dem Gokensan, „Fünf Schwerter Berg“, und beide Namen gehen auf Legenden zurück, die Kōbō Daishi betreffen. Bevor Kōbō Daishi 804 nach China reiste, vergrub er hier 8 geröstete (!) Kastanien, die, nachdem er von seiner Reise zurückgekehrt war, zu 8 stattlichen Bäumen ausgewachsen waren.<br /><br />Als der Daishi 827 hier die Morgensternmeditation vollzog (Gumonjihō), erschienen ihm fünf Schwerter und die Shinto Gottheit Zaō Gongen, die ihn auf die Heiligkeit des Berges hinwies. Die Schwerter vergrub er in einer Höhle und gründete den Tempel. Da der Berg ebenfalls fünf große Felsen auf der Spitze aufwies, war der Name nicht unbegründet. Als Honzon (Hauptgottheit) schnitze er eine Shō Kannon Figur. Der Tempel erblühte, fiel jedoch im 16. Jahrhundert Chōsokabe Truppen zum Opfer und wurde niedergebrannt. Zwischen 1592 und 1596 erneuerte ein Priester namens Muhen den Tempel, 1642 der Herrscher von Takamatsu. 1709 wurde der Tempel von Matsudaira Yoritoyo (1680-1735) an seine heutige Stelle versetzt. In der Shōten Halle von 1676 (auch Kangiten Halle) wird der elefantenköpfigen Hindugottheit Ganesha gehuldigt, dessen Statue von Kōbō Daishi stammen soll. Auf alle Fälle wird die Statue nur alle 50 Jahre der Öffentlichkeit präsentiert, sie steht für Erfolg im Job, harmonische Beziehungen und allgemeines Glück – ein Leben lang.<br /><br />Nach dem Eintrag in mein Pilgerbuch (nokyocho) kann ich getrost meinen Pilgerverpflichtungen nachkommen und mich in Ruhe auf dem Gelände umsehen. Hier Tempel und Schrein auseinander zu halten ist schwierige, schon das Tempeltor erwartet den Pilger mit eigenartig grün bemalten Wächterfiguren. Es gibt hier Statuen in Hülle und Fülle, aus Stein, Metall und Holz. Kannon als Honzon (Hauptgottheit), eine sitzende Statue eines Priesters, vielleicht Muhen? Nach einer kurzen Treppe eine Minipilgertour der 88 Tempel, und die 13 Buddhas des Shingon Buddhismus. In den Fels sind Nischen gearbeitet in denen Buddhas stehen, Gorintos (5-stufige Steintürme) sind ebenfalls in den Fels geritzt. An einer verborgenen Stelle zwischen den Gebäuden entdecke ich eine Sammlung von Getas (hölzerne Sandalen) und Strohsanalen in allen Größen – was es damit wohl auf sich hat? Ich überlege, da die Sonne langsam untergeht, wo ich hier eine Unterkunft finden könnte. Im Tempel geht es nicht, da hier kein Shokubō (Tempelunterkunft) angeboten wird. Ich könnte in der Hütte neben der Bergbahnstation schlafen, aber ich weiß nicht wie kalt es hier auf dem Berg werden kann. Ich passiere noch eine Ladenzeile und stehe vor einer Steinlaterne, als mir die fantastische Aussicht über Takamatsu auffällt. So im Sonnenuntergang wirkt das alles sehr idyllisch. Laut Kartenmaterial gibt es hier zwei Ryokans. Ich nehme also mein Herz in die Hand und schiebe einfach die Tür zum ersten Gebäude auf der linken Hand auf und rufe laut „sumimasen“. Und - oh Wunder - es kommt sogar jemand, den ich nach einem Zimmer fragen kann. Der Wirt lässt mich bei einem Glas Eistee warten, da mein Zimmer noch gesaugt und hergerichtet werden muss. Sie hatten wohl so spät nicht mehr mit Gästen gerechnet. Ich bezahle 3350 Yen für die Übernachtung, ohne Essen, aber glücklicher Weise hatte ich genug Proviant gebunkert, um sowohl Abendessen als auch Frühstück davon zu bestreiten.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-91277751359523507652010-06-14T04:43:00.000-07:002010-06-14T04:53:23.168-07:00Mittwoch, 22.04.2009, Utazu Town, Ryokan Sanuki<a href="http://4.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBYYF73sTAI/AAAAAAAAB0g/ijlmi7O6tMQ/s1600/IMG_0020.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5482596086619851778" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://4.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBYYF73sTAI/AAAAAAAAB0g/ijlmi7O6tMQ/s320/IMG_0020.JPG" border="0" /></a><strong>Der 38. Tag in Japan</strong><br />Da es heute das Frühstück erst um 6.30 Uhr gibt, habe ich meine Sachen schon vorher gepackt und bin nach dem Essen abmarschbereit. Meine Pläne sehen vor, heute Tempel Nr.79 und Nr. 80 zu besuchen, das wäre so um die 12 km. Die beiden folgenden Tempel Nr. 81 und 82 liegen jeweils auch um die 6 km voneinander entfern, allerdings in den Bergen, was mein Planung erschwert. Ich könnte auch vor Nr. 80 eine kürzere Bergroute wählen, um erst Nr. 81 zu besuchen, dann müsse ich aber nur für Nr.80 ins Tal steigen und den gleichen Weg erneut bezwingen. Aber ich muss jetzt erst mal den Weg zum Tennōji (Nr.79), dem Kaisertempel, finden.<br /><br />Der Trail verläuft hier in der Stadt Sakaide direkt durch eine Einkaufspassage. Wieder begegne ich Schulkindern, die gemäß der Information meiner Wirtin aus dem Zentsuuji, ihrem Geschlecht entsprechend farbliche Schultaschen tragen. Aber wo geht es jetzt zum Tempel? In diesem Gebiet scheint es mehrere Tempel zu geben. Zum Glück ist im englischen Kartenmaterial immer neben dem Namen des Tempels in lateinischen Lettern (Romaji) auch der Name in japanischer Symbolschrift (Kanji) vermerkt. So kann ich zur Not die Kanji miteinander vergleichen. Im Tempelführer wird davor gewarnt, den Schrein mit dem Tempel zu verwechseln. Als ich bei einer Hütte vorbeikomme und die beiden anwesenden Damen nach dem „Tennoji“ frage, werde ich auch prompt weiter geschickt. Leider wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, dass diese Hütte, in der man auch Tee und andere Leckereien kaufen kann, direkt neben der Yasoba genannten Quelle liegt, in der der Leichnam des Kaisers Sutoku „frisch gehalten“ worden ist (siehe 36. Tag – Kotohira Schrein). Etwas weiter treffe ich auch auf ein Schild, dem zu entnehmen ist, dass es hier in der Nähe auch einen Miniaturpilgerpfad gibt. Da die Zahl 33 erwähnt wird, könnte es einer der Kannon gewidmeten Pilgerpfade sein, zu denen die Saikoku (33 Tempel in Westjapan, Gebiet Kansai – Großraum Ōsaka und Kyoto), die Bandō (Gebiet Kanto – Kamakura und Großgraum Tokyo) und die Chichibu (34 Tempel; Saitama) gehören. (Siehe auch: <a href="http://www.onmarkproductions.com/html/kannon-pilgrim.shtml">http://www.onmarkproductions.com/html/kannon-pilgrim.shtml</a>)<br />Auch in diesen Gebieten gibt es Shingon Tempel, denn das Wirken von Kōbō Daishi ist zwar auf Shikoku konzentriert, aber nicht beschränkt. Sowohl auf meiner späteren Kumano-Kodo Pilgertour zu den Großschreinen von Kumano, als auch auf der dort anschließenden Saikoku Tour, wird mir Kōbō Daishi in Tempeln und Legenden immer wieder begegnen.<br /><br />(Infos über Kagawa siehe auch: <a href="http://waoe.org/steve/kagawa/">http://waoe.org/steve/kagawa/</a>)<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 79 Tennōji (天皇寺)</strong><br />Die Tempelführer berichten nicht schlüssig, wer nun den „ Kaisertempel“ oder auch „Kaiser Sutokus Tempel“ gegründet haben soll. Ursprünglich wurde der Tempel jedoch Kōshō-in genannt. Der Legende nach war es Yamato Takeru (82-113), der auf Geheiß seines Vaters, Kaiser Keiko (60-130; 12. Tennō), einen Monster Fisch in der Seto-See besiegt haben soll. Das Ungetüm hatte schon 88 seiner Männer gefressen, als er ihm mit Feuer den Garaus machte. Das Monster war besiegt, aber seine Männer mehr tot als lebend, als plötzlich ein Jungen mit Wasser erschien. Das gute Wasser rettete allen Männer das Leben und die Quelle, Yasoba („Ort an dem 88 wiederbelegt wurden“), ist eben die Quelle des Tempels Nr. 79. Die gute Qualität dieses Wassers war wohl auch Ursache dafür, dass der Leichnam des Ex-Kaisers Sutoku hier 21 Tage lang aufgebart werden konnte bis er am Shiromine Berg (Tempel Nr. 81) eingeäschert wurde. Der eine Tempelführer berichtet, dass Nr. 79 von Gōgi (668-749) zu seinen Lebzeiten gegründet wurde, eine anderer grenzt es auf die Zeit zwischen 810 und 824 ein, wo Kōbō Daishi die Quelle besucht haben soll. Hier bekam er auch eine Inspiration die elfgesichtige Kannon Bosatu (juuichimen kannon) als Honzon und Amida Nyorai und Aizen Myōo als Begleiter zu schnitzen. Aizen Myō, ein ursprünglich aus dem Hinduismus (indische Religion) stammende Gottheit, brachte Kōbō Daishi persönlich aus China mit nach Japan. Er gehört zwar zusammen mit Fudō Myōō in die Kategorie der „5 Großen Weisheitskönig“, er kann Begierde in Erleuchtung umwandeln, wird aber nicht zu den 13 Buddhas des Shingon gezählt. Auch eine Steinstatue des Yakushi soll Kōbō Daishi geschaffen und sie der Quelle, die heute ca.100 m hinter der Haupthalle liegt, gewidmet haben. Im 12. Jahrhundert wurde, wie berichtet, Ex-Kaiser Sutoku nach der Hōgen Rebellion (1156) nach Sanuki ins Exil geschickt. Er wohnte in Konomaru Goten in Tsutsumigaoka, welches in der Nähe des Tempels liegt. Als er an einem Liederabend bzw. Literatentreffen teilnehmen wollte, wurde er ermordet. Kurze Zeit später wurde auf Anordnung des Kaisers Jijō (1143-1165; 78. Tennō, Sohn von Go-Shirakawa), der die Rache Sutokus fürchtete, ein Schrein („Niojo“) errichtet.<br />Zwischen 1573 und 1592 brannten alle Tempelgebäude nieder, erst 1682 wurde sie wiederaufgebaut. Während der Meiji-Zeit (1848-1912) verfiel der Tempel zunehmend bis der Haupttempel Kōshoin die Kontrolle über den Tennōji übernahm. Im Tempelführer wird berichtet, dass jährlich etwa 100.000 Pilger den Tempel besuchen, von denen ist aber nur ein einziger Ausländer, und der stammt meist aus Indien.<br /><br />Als ich das Gelände betrete, ist es menschenleer. Mir ist fast etwas unheimlich, wenn es nicht Tag wäre und die Sonne so schön scheinen würde, müsste ich fürchten, dem Geist von Sutoku hier zu begegnen. Mir reicht aber schon eine kurze Stippvisite am Schrein, als ich etwas abseits endlich den Tempel finde. Auf mein Klingeln wird die Scheibe des Pilgerbüros mit einem Poltern aufgerissen, da bekomme ich dann doch einen Schreck. Diesmal wäre es mir wirklich lieber gewesen, der Tempel hätte vor Buspilgern nur so gewimmelt. Aber nach einem kleinen Päuschen verlasse ich diesen eigenartigen Ort. Ich frage mich noch, warum der Schrein hier so aufwendig gestaltet worden ist und habe die Geschichte von Sutoku im Hinterkopf. Während das rote Schrein Tōri (shintoistische Tor) mit seinen Seitentoren das auffälligste ist, das ich je gesehen habe, weist der Tempel gar kein Tor auf. Nur ein großer Fels und Steinstelen mit Schriftzeichen verkünden hier, dass es sich um den Kaisertempel handelt. Es folgt noch ein weiteres Beton Tōri, aber dann lasse ich den Tempel-Schrein-Komplex hinter mir. Ich passieren ein Schild, das neben der Aufschrift „koko wa abunai“ (Hier Gefahr!) einen verschreckten Fisch und einen Kappa (Gurken liebende Sagengestallt) zeigt, die wohl warnen sollen, damit hier niemand ertrinkt. Und schon wieder ein Love Hotel mit der Aufschrift C III – Tropical Asian.<br /><br />Ich sollte laut Plan an einer Pilgerhütte vorbeikommen – doch wo ist die Pilgerhütte? Weil ich nicht ganz so neugierig wirken will, spaziere ich flotten Schrittes an einem Privathaus vorbei. Aber anscheinend gewähren sie hier den Pilgern Unterkunft, da ich Pilgerzeichen und einen am Eingang aufgehängten Pilgerhut entdecken kann. Außerdem steht hier so eine blaue Bank mit roter Schrift, wie ich sie sonst nur aus Tempelanlagen kenne. Eine Spende des Kerzenherstellers, der so Werbung für seine Produkte macht.<br /><br />Da ich demnächst eine Bergetappe erwarte, stocke ich in einem kleinen Laden meinen Proviant auf und komplettiere mein Futterpaket mit einigen Kleinigkeiten aus dem nahe liegenden Lawson Kombini (24-h-Shop). Der Wind, der mich schon seit Marume begleitet, weht auch hier um die Ecken. Mir stockt fast das Herz, als ein Windstoß meint Kartenbuch erfasst und die wichtigen Seiten der noch zu besuchenden Tempel davon weht. Da kann aber einer mit vollem Gepäck schnell rennen! Mit einem Tritt auf die vor mir flatternden Seiten habe ich die Ausreißer dann doch wieder gestellt. Nicht auszudenken, wenn ich ausgerechnet jetzt, so kurz vor dem Ziel, die so wichtigen letzten Seiten verlieren würde. Da bei meinen Regenwanderungen das Kartenbuch immer ein paar Tropfen abgekommen hat und ich auch sonst etwas rabiat mit dem guten Stück umgegangen bin, hatten sich die Seiten gelöst, so dass ich mit einer Blattsammlung vorlieb nehmen musste. Das hatte aber auch seine Vorteile, da man so ein Blatt schnell wegstecken kann und es nicht so aufwendig ist, als würde man jedes Mal das ganze Buch rauskramen. Hier müsste ich eigentlich noch eine zweispurige Autobrücke überwinden, aber ich bin mir unschlüssig, wo es lang geht. Ich entscheide mich dann doch die Abfahrt entlang zu laufen und nicht erst auf die Brücke zu spazieren und liege richtig. Da der Tempel Nr. 80 hier nicht weit von der Straße liegt, muss ich nicht viel klettern, um zu ihm zu erreichen.<br /><strong><br />Exkurs Tempel Nr. 80 Kokubunji (国分寺)</strong><br />„Der offizielle Staatstempel“ der Provinz Sanuki bzw. Kagawa wurde 741 von Gyōgi (668-749) auf Anordnung des Kaisers Shōmu (701-756; 45. Tennō) gegründet, um für die Sicherheit der Nation, eine gute Ernte und das Wohlergehen der Bevölkerung in diesen Provinzen zu beten. Der Tempel ist gemäß der ca. 5 m großen Kannon Statue (hibutsu), die sowohl elfgesichtig („juuichimen“) als auch tausendarmig („senju“) ist, der Göttin der Barmherzigkeit gewidmet. Ob Gyōgi auch noch eine kleinere, 5 cm messende Kannon für den Hondō (Haupthalle) geschnitzt hat, bleibt unklar. Auf alle Fälle soll Kōbō Daishi die große Statue nach einem Brand ausgebessert haben. Die Haupthalle (hondō) stammt aus dem 10. Jahrhundert, sie und der Glockenturm überstanden als einzige das 16. Jahrhundert als Chōsokabes Truppen brennend durch das Land zogen. 1901 wurde die große Kannon Statue zum „Wichtigen Nationalen Kulturgut“ gezählt, 1903 die Haupthalle (hondō). 1941 wurde die Kupferglocke, die zwischen 710 und 794 gegossen worden sein soll, zum „Nationalen Schatz“ erklärt. Letzte ist Hauptgegenstand vieler Legenden, von denen eine beschreibt, wie 1609 der Herrscher von Takamatsu, Ikomoa Kazumasa (1555-1610) die Glocke nach Schloss Takamatsu bringen ließ. Der Glocke aber war kein Laut zu entlocken und auch der Herrscher litt plötzlich an einer unbekannten Krankheit. Kazumasa übereignet die Glocke daraufhin wieder dem Kokubunji Tempel und - oh Wunder, er erholt sich von seiner Krankheit und die Glocke leutet mit lieblichem Klang! Auf dem Gelände des Kokubunji befinden sich heute noch 33 Grundsteine des Original-Hondōs (Haupthalle) und 15 Grundsteine der ehemals siebenstöckigen Pagode.<br /><br />Dass dies der größer Kannon Hondō (Haupthalle) der Pilgerreise sein soll, fällt mir nicht unbedingt ins Auge, denn die schönen Pinien, die schon vor dem Haupttor wachsen, haben es mir angetan. Wie die Japaner mit Holzlatten und Draht es immer wieder schaffen die Bäume so wachsen zu lassen, wie sie wollen, ist beeindruckend. Da kann so ein Ast schon mal mehrere Meter lang werden und schützend über dem Tor entlang wachsen. Die eigentliche Attraktion, die riesige Hibutsu Kannon Statue, finde ich leider nicht. Leider vergesse ich dann auch danach zu fragen, da der Tempelbezirk vor lauter interessanten Statuen nur so wimmelt. Ich sehe natürlich eine steinerne Kōbō Daishi Statue, aber auch eine zum eigenhändigen Vergolden, ebenso ein Kaiserpaar, das wohl zum angrenzenden Schrein gehört. Die 7 Glücksgötter sind hier ebenso vertreten, wie Fudō Myōō und Buddhas Fußabdrücke (bosussoseki). Es gibt hier wieder eine Jizō Sammlung, die sich im Keller des angrenzenden Gebäudes fortsetzt. Die Göttin Benten, Schutzpatronen der schönen Künste, auch mal ohne ihre 6 Kollegen und weitere unzählige Details, von denen ich mich nicht losreißen mag, da ich weiß, dass der anstrengenste Teil des Tages oben in den Bergen auf mich wartet. Ein bewunderndes „sugoi“ (großartig, Wahnsinn) des Schreibers im Pilgerbüro beim Durchblättern meines Pilgerbuchs baut mich dann wieder auf. Nur noch 8 Tempel, dann habe ich mein Ziel erreicht, wenn ich von den drei letzten Bangai Tempeln (Nr. 19, Nr. 20 und Nr. 1) absehe. Ich mache mich also wieder auf, um in die Berge zu wandern. Anfangs führt die Straße noch an Häusern vorbei, ich passiere mal wieder ein Love Hotel und eine Bonsai Baumschule folgt. Die kleinen Bäumchen, die durch die kleine Blumenschale und regelmäßigen Schnitt so klein gehalten werden, sollen ein Abbild der Natur sein. Hierzu werden sie aber mit viel Draht erstmal in Form gebracht. Wie kleine Soldaten stehen sie hier in Reih und Glied, je Reihe eine andere Baumart. Kleine Schilder am Wegesrand, wohl von den Bewohnern aufgestellt, sprechen dem erschöpften Pilger Mut zu. Ganbaru – nihin ikimasu – („Geben sie Ihr Bestes – Zwei wandern“) heißt es auf so einem Schildchen und eine kleine Eule zeigt dem Pilger, wo hier der Weg lang geht. Mitten in der Wildnis finde ich hier ein gemauertes Toilettenhäuschen und wenig später, nachdem ich einen erodierten Abhang mit weißem Gestein passiert habe, eine nicht im Kartenmaterial aufgeführte Pilgerhütte. Von hier habe ich einen fantastischen Blick über Takamatsu City und auch Tempel Nr. 80 kann ich von hier aus erkennen. Ich hatte mir schon gedacht, dass es hier eine Hütte geben müsse, da ich vom Tempel Nr. 80 das braune Dach habe sehen können. Aber je höher ich steige desto mulmiger wird mir, da hier überall Schilder stehen, die sogar mit dem englischen Schriftzug „Keep out“ („Betreten Verboten“) versehen sind. Oh je, denke ich, militärisches Sperrgebiet! In der Stadt hatte ich schon Lastwagen mit Tarnfarbe gesehen, aber dass das Übungsgelände hier oben auf dem Goshikidai (fünf Farben) Plateau liegt, war mir nicht bekannt. Mein Weg führt mich jedoch weiter, vorbei an Militärbaracken. Es geht jetzt wieder bergab. Das muss ich nachher wieder alles hoch kraxeln, um zu Tempel Nr. 82 zu kommen. Aber der Tag ist noch jung und ich habe Zeit. In der Ferne höre ich ein Knallen, ob das Militär ausgerechnet heute Schießübungen abhält? Aber schließlich stehe ich dann doch noch vor dem Sanmon, dem ersten Tempeltor des Shiromineji, das zwar keine Tempelwächter hat, aber zu den Seiten noch jeweils zwei kleinere Dächer aufweist.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 81 Shiromineji (白峯寺)</strong><br />„Der Tempel der weißen Bergspitze“ wurde 815 von Kōbō Daishi gegründet, nachdem er einen Kristall (nyoi hōju) im Erdboden vergraben und eine Quelle (akai; „Weiß“) gegraben hatte. Der Honzon (Hauptgottheit) des Tempels ist Senju Kannon (tausendarmige Kannon) gewidmet, wer aber nun die Statue geschnitzt hat, der Daishi selber oder sein Neffe Chisho-Daishi (auch Enchin; 814-891), der hier 860 weilte, bleibt offen. Auf alle Fälle soll das Holz für das Kunstwerk ein sehr helles gewesen sein, ja – es soll geleuchtet haben. Beim Holzfund soll ein alter Mann, vielleicht der Gott des Shiromine Berges, folgendes gesagt haben: „Dies ist ein heiliger Ort, an dem sich das Rad des Dharma dreht und ins Samadhi eingeht.“ (Mit Samadhi ist hier ein Geisteszustand gemeint, in dem man mit den Dingen, über die man meditiert, eins wird. Man unterscheidet dann nicht mehr zwischen sich und der „Außenwelt“, man kann aber aus diesem Zustand auch wieder „herausfallen“. Doch das Samadhi kann tiefer werden, so dass man auch außerhalb der Meditation diesen Zustand aufrecht erhalten kann.)<br />Der Hondō (Haupthalle) des Tempels brannte vielfach nieder und der heutige Hondō stammt vermutlich noch aus dem Jahre 1599 und wurde Ikoma Chikanori, Herrscher von Takamatsu, errichtet. 1811 wurde der Daishidō (Daishi Halle) von Matsudaira Yoriyoshi Lehnsherr von Saijō (Provinz Iyo) und seinem Vasallen Satō Kamon erneuert. Das Mausoleum (Shirame goryo; 1414 erbaut) von Ex-Kaiser Sutoku liegt, wie bereits erwähnt, in Tempelnähe. Die Tansho-ji genannte Halle, sie ist größer als die Haupthalle (hondō), wurde ebenfalls Sutoku gewidmet. Eine Statue des Poeten Saiyo soll an eine Begebenheit erinnern, die sich 1168 zugetragen haben soll. Als der Poet, der auch Mönch war, hier auf den zornigen Geist des Ex-Kaisers traf, kam es zwischen dem Konfuzionisten (Chinesische Philosophie des Konfuzius) Suktoku und dem buddhistischen Mönch zu einer Diskussion, die damit endete, das der Mönch die Sutra der Weisheit für seinen verstorbenen Freund rezitierte. Es war also gar nicht so abwegig gewesen, den Geist des Sutoku Schreine wie den Kotohira zu weihen, damit der nicht seine ehemaligen Widersacher heimsucht.<br /><br />Kōbō Daishi benannte die Berge der Umgebung (goshikidai) nach dem Buddha Mahavairocana (auch Vairocana), der als Zentralbuddha im Taizōkai Mandala des Shingon („Mandala des Mutterschoßes“) auftaucht und durch fünf Farben symbolisiert wird. Der Shiromineji Tempel liegt auf dem „Weißen Berg“, wobei die Bergkette noch aus dem Gelben, Schwarzen, Roten und Blauen Berg besteht.<br /><br />Natürlich ist das Sanmon (einfaches Tempeltor; „Bergtor“) nicht das einzige, das nächste Tor ist mit riesigen Strohsandalen (waraji) bestückt. Wie man die wohl herstellt? Erstmal muss man ja ziemlich dicke Seile haben und wie werden die dann verflochten? Hilft da die ganze Gemeinde mit oder fällt so etwas an eine Sondertruppe „Sandalenflechten“? Jedenfalls fände ich es um einiges interessanter, etwas über die Herstellung der Sandalen zu erfahren, als die Sandalen selbst zu besichtigen. Groß ist einfach nur groß, aber wie verfährt man mit der Herstellung, da sich einer nicht einfach hinstellen und so ein „Mamutstrohseil“ knoten kann. Aber es gibt so vieles Interessantes zu entdecken. So viele Hallen und Gebäude, wie soll man da den Überblick behalten. Wo ist noch gleich das Mausoleum von Sutoku? Wenn es so ein etwas erhöhter, mit einem Steinzaun umgebener, Hügel ist, habe ich ihn wohl gesehen. Ich finde hier Steinfiguren aus dem chinesisch-japanischen Horoskop, jedes steht vor einem eigenen Gebäude. Und erst mal das bunte Steintürmchen, es sieht wie eine fünfstöckige Pagode aus, auf das die Pilger Münzen gelegt haben. Eine ganze Schar Winkekatzen (maneki neko) haben sich an einer Laterne kurz hinter dem Eingang versammelt, und auch eine Tengu Statue (Bergkobold) fäll mir ins Auge. Ich mache mich jetzt wieder, nachdem ich noch einen Abstecher über den Tempelfriedhof gemacht habe, auf den Rückweg bzw. den Weg zu Tempel Nr. 82, der zwar auch auf dem Goshikidai Plateau liegt, das aber dann doch nicht ganz so flach ist, wie das Wort „Plateau“ erwarten ließ. Der Wanderweg zwischen den beiden Tempeln ist als Naturkundepfad ausgebaut, es stehen hier überall Schilder, die die einheimischen Vögel, Reptilien oder Insekten zeigen. Hier stibitze ich mir auch so einen süßen „Henrowimpel“ als Andenken. Er zeigt einen kleinen betenden Mönch. Um es japanisch auszudrücken, der Wimpel ist „kawai“ (süß, entzückend, niedlich), ein Modewort, das der Japaner für alles niedliche benutzt. Besonders die holde Weiblichkeit in Japan ist auf dem Kawai-Tripp: Da werden süße Hundbabies oder Katzenkinder auf alles Mögliche gedruckt, allein das Miniaturisieren von Alltagsgegenständen wie in einer Puppenstube, oder die Kindchenschema triefenden Maskottchen der Werbung – alles ist kawai! Da der Wimpel mir direkt vor der Nase hängt und der Weg ansonsten gut ausgeschildert ist, wandern wir jetzt zu dritt – mein Kōbo Daishi Stock, das Mönchlein und ich!<br />Als ich wieder auf eine geteerte Straße treffe, bin ich beruhig, denn ich kann mich wieder orientieren. Jetzt noch am Ashio Daimyo-in Schrein vorbei, den Abzweiger zur Goshikidai Skyline lasse ich im wahrsten Sinne es Wortes links liegen, passiere ich noch ein WC-Häuschen und eine Pilgerhütte. Ich werfe einen kurzen Blick ins Michikusa Restaurant, aber der Tempel ruft und so habe ich die 1000 m bis zum Tempel schnell überwunden.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 82 Negoroji (根香寺)</strong><br />„Der Tempel des wohlriechenden Holzes“ wurde 804 von Kōbō Daishi, d.h. vor seiner Studienreise nach China, noch unter dem Namen Kedō-in („Haus des Blumenregens“?) gegründet. Der Name der Präfektur hier, Kagawa, „Fluss des Wohldufts“, geht auf den Fluss zurück, dessen Ursprung an den Wurzel eines großen Baumes im Tempel liegen soll. Aber es könnte auch der Neffe des Daishi, Chiso-Daishi (auch Enchin; 814-891), gewesen sein, der hier 832 auf Wunsch der örtlichen Gottheit, Ichinose Myojin, den Tempel gegründet und den Honzon (Hauptgottheit) Senju Kannon (tausendarmige Kannon) aus wohlriechendem Holz geschnitzt hat. Er war der Gottheit, die von einem Affen als Schüler begleitet wurde, auf dem Berg begegnet und sie wies ihn auf die Heiligkeit des Ortes hin, den er fortan Senju-in („Haus der tausend Arme“) nannte. Unter dem Schutz des Kaisers Go-Shirakawa (127-1192; 77. Tennō) erblühte der Tempel und besaß zu einen besten Zeiten an die 100 Zweigtempel. Allerdings wurden viele dieser Subtempel im 16. Jahrhundert durch Chōsokabe Truppen niedergebrannt. Erst 1664 wurde der im Krieg zerstörte Tempel durch Yorishige Matsudaira, Oberhaut des Takamatsu Klans, unter dem Name „Negoroji“ wiederaufgebaut. Bemerkenswert sind die unzähligen, laut Tempelführer 10.000, Kannon Statuen, der 100 Jahre alte Zelkova Baum (Keyaki) und die riesige Statue des Ushi-oni (Ochsen Dämon). Einer Legende nach soll der Ochsen Dämon, mit Ochsenkopf und Fuchskörper sowie Flügeln und 4 Fingern, im 16. Jahrhundert die Einwohner terrorisiert haben. Ein mutiger Samurai namens Kurando Yamada streckte das Vieh mit Pfeil und Bogen nieder, schnitt ihm den Kopf ab und bracht ihn zum Tempel. Die Leute sagen, der Kopf hätte die Kraft das Böse zu läutern. Später wurde noch eine Statue des Ushi-oni an einer Quelle des Tempels errichtet. Heute hängt ein Shimenawa, ein shintoistisches Strohseil, das die Welt der Shinto Götter von der anderen Welt trennt, an der Statue.<br /><br />Von einem Schild am Eingangstor erfahre ich, dass die Kannon Statue nur alle 33 Jahre gezeigt wird, aber wo ist der kupferfarbene Ushi Oni (Ochsen Dämon), den mir der Tempelführer großmundig angekündigt hat? So ein Ding am Eingang müsste doch auffallen. Ich habe sogar ein Bild davon im Tempelführer gesehen. Aber ich habe Pech, wie sooft finde ich manche Sehenswürdigkeiten nicht, aber vielleicht beim nächsten Mal, wenn es denn ein nächstes Mal gibt. Es ist schon kurz nach 16.00 Uhr, wenn ich mich beeile, der Weg zu Bangai Nr. 19 geht von hier nur noch bergab, kann ich noch den Bangai besuchen und dann im Momoya, einem Ryokan am Bahnhof Kinashi übernachten. Dann müsste ich aber noch einige Kilometer schaffen – aber was habe ich zu verlieren – nichts!<br /><br />Ich fliege geradezu den Berg in Richtung Küste hinunter. Aber hier windet sich der Weg derartig, noch dazu muss ich wieder nach japanischer Karte wandern. Ich versuche mich an den Wasserreservoirs zu orientieren. Gehetzt sehe ich immer wieder auf die Uhr. Das schaffe ich nicht mehr! Als ich an einem Teich vorbeikomme, an dem eine Hütte steht, denke ich so bei mir, das es eine schöne Unterkunft für die Nacht wäre, wenn ich nicht mehr weiter könnte. Aber ich habe mich verirrt, ich muss irgendwie total ab vom Trail sein, da ich meinen jetzigen Standort einfach nicht in der Karte wiederfinde. Hier auf dem kleinen, grünen Hügel am Teich ist ein Shinto Schrein, dabei suche ich doch einen Tempel! Verzweifelt spreche ich einen Japaner an, um nach dem Weg zu fragen. Kein Problem antwortet mir der Mann in Joggingklamotten, folgen sie mir bitte. Er stürmt davon und ich hinterher. Er erklärt mir noch, dass er Gemeindemitglied des gesuchten Tempels ist, aber er läuft und läuft und läuft. Jetzt ist es schon halb sechs und meine Hoffnung schwindet, einen Eintrag von Nr. 19 in mein Pilgerbuch zu bekommen, da die Stempelstellen meist um 17.00 Uhr dicht machen. Auf alle Fälle weis ich nachher, wo der Tempel ist, dann muss ich eben die Nacht am Teich verbringen und dann morgens wieder zum Tempel zurücklaufen. Aber wir sind schon so weit weg vom meinem potentiellen Schlafplatz, dass ich bezweifle, dass ich den Weg wiederfinden werden. Ich habe schon vor etlichen Abzweigern gedacht, dass der Tempel jetzt in Sichtweite kommen müsste, aber anstatt eines Tempels rennen wir fast einen anderen Pilger um, der hier in der Straße auf etwas zu warten scheint. Nach einem kurzen Gespräch übergibt mein Jogger mich an den Pilger, einen junger Mann mit großem Rucksack. Jetzt kann die Konversation in Englisch weitergehen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinem Fremdenführer und schon ist er wieder verschwunden. Als ich mit dem jungen Mann den Tempel betrete, schwinden meine Hoffnungen auf einen Pilgerbucheintrag, da ich das Pilgerbüro leer vorfinde. Ohne zu zögern drückt mein Begleiter auf eine Klingel und mir rutscht das Herz in die Hose. Ich will hier doch keinen aus dem wohlverdienten Feierabend holen! Als aber eine junge Frau so um die 20 erscheint, bin ich doch etwas erleichtert, dass ich jetzt keine Standpauke von so einem großen Brummbären von Tempelvorsteher über mich ergehen lassen muss.<br /><div><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 19 Kōzaiji (番西寺)</strong><br />„Der Tempel der Westwache“ ist eine etwas freie Übersetzung von mir, da ich keine Informationen im Netz finden kann, die in Englisch sind. Er soll von Gyōgi (668-749) gegründet worden und Enmei Jizō Bosatsu, einem speziellen Jizō, der langes Leben verheißt, gewidmet worden sein. Der Kōzaiji und Tempel Nr. 18 haben der Ausbildung sowohl von Shingon Priestern als auch der Allgemeinheit gedient. Kōbō Daishi ist der erste gewesen, der auch Nicht-Adligen, eine schulische Ausbildung ermöglicht hat und so Ahnvater des öffentlichen Schulwesens gilt.<br /><br />Die Frau erklärt mir, dass sie die Tochter des Tempelvorstehers ist. Sie macht einen Eintrag in mein Pilgerbuch und erklärt mir noch anhand mehrerer zusammengeklebter Kopien wie ich zum nächsten Tempel, dem Ichinomiyaji (Tempel Nr. 83), gelange. Sie schenkt mir die Kopien und ich habe einige Schwierigkeiten die Blätter ordentlich zu verstauen. Sie verabschiedet sich und geht ins Haus zurück. Ich halte noch ein kurzes Gespräch mit dem Japaner, er hat ein Stativ aufgebaut, um ein Bild von uns beiden zu machen. Leider drehe ich geistig derart am Rad, dass ich vergesse, meinerseits ein Bild von uns zu schießen. Als es mir einfällt, ist er jedoch schon verschwunden. Schade, aber ich mache noch ein paar Bilder vom Tempel, um mich danach auf den Weg zum Ryokan zu machen. An einem Lawson-Kombini (24-h-Shop) kaufe ich einen Okonomiaki (jap. Pizza), da es schon spät ist und ich nicht glaube, dass ich um die Uhrzeit noch was zu Essen in meine Unterkunft bekomme. Erst mal gucken, ob ich überhaupt unterkomme! Ich will noch eine Telefonkarte kaufen, werde vom Verkäufer aber auf den nächstgelegenen Family Mart (ebenfalls 24-h-Shop) verwiesen. Dort läuft alles sehr kompliziert. Da ich am Automaten keine Karte, sondern nur einen Zettel erhalte, den ich dann an der Kasse bezahlen muss. Da ich den Automaten nicht selber bedienen kann, er läuft komplett auf Japanisch, muss mir der Kassierer ohnehin assistieren. Bis zum Momoya ist es noch ein ganzes Stück, doch als ich dort ankomme, der Eingang zum eigentlichen Ryokan ist verschlossen, frage ich im angrenzenden Restaurant nach und bekomme dann doch noch ein Zimmer. Restaurant und Ryokan gehören nämlich zusammen. Ich bezahle 3500 Yen für die Übernachtung, die aber nicht erholsam ist, da in regelmäßigen Abständen ein teuflisches Erdbeben mein Zimmer heimsucht. Das rührt von den Zügen, die kurz vor dem Gebäude in den Bahnhof Kinashi einfahren. Von dem Gebimmel der drei angrenzenden Bahnübergänge mal ganz zu schweigen.</div>Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-91057131007412566532010-06-13T05:48:00.000-07:002010-06-13T05:55:19.930-07:00Dienstag, 21.04.2009, Zentsūji-City, Yamanote Ryokan<a href="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBTU9PXAn1I/AAAAAAAAB0Y/dyj_fvDcSms/s1600/IMG_9516.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5482240794976886610" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; CURSOR: hand; HEIGHT: 320px" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBTU9PXAn1I/AAAAAAAAB0Y/dyj_fvDcSms/s320/IMG_9516.JPG" border="0" /></a> <strong>Der 37. Tag in Japan</strong><br />Auch heute gibt’s das Frühstück um 6.00 Uhr. Die Wirtin hat sich vorgenommen, mich zu mästet, damit ich wenigstens während meines Aufenthalts hier kein weiteres Gewicht verliere. Mir wird schon zu Frühstück ein Salat mit Extra Wursteinlage serviert. Ich glaube, dass Japaner meinen, wir Ausländer würden Würste lieben. Aber da die japanischen „Wurstimitate“ kaum mit guten deutschen Bockwürsten oder Wienern zu vergleichen sind, es fehlt ihnen meist der Rauchgeschmack, kann ich mich mit solchen Geschmacksproben nicht anfreunden. Da genieße ich lieber die traditionelle japanische Küche. Leider muss ich mich jetzt loseisen, ich wäre noch gerne geblieben, aber die Tempel rufen. Auch das Wetter verspricht besser zu werden als gestern angekündigt – von wegen Regen! Bei der Wirtin berappe ich nochmals 7850 Yen, bekomme aber zwei Kaffee Bonbons und ein Päckchen Taschentücher. Sie erklärt mir, dass jetzt die Kirschblüte ein Ende hat und von der Azaleenblüte abgelöst wird. Auf meine Frage nach den Schulkindern mit Uniformen erläutert sie mir, dass Mädchen meist rosa oder rote Schultaschen tragen, während Jungen die Farbe Schwarz bevorzugen. So etwas Ähnliches war mich schon damals bei den Identifikationskarten meiner japanischen Firma aufgefallen. Während alle japanischen Frauen rote Bänder gewählt hatten, um die Karten um den Hals zu tragen, bin ich die einzige gewesen, die wie die Männer ein blaues Band bevorzugt hat. Blau und Grün sind meine Lieblingsfarben, als Kind habe ich wohl zuviel Rot, Rosa und Pink getragen, so dass ich diese Farben heute nicht mehr ausstehen kann.<br /><br />Aber zurück zum Ryokan, wo ich noch ein Foto von dem kleinen Zimmerbrunnen mache, der hier direkt am Eingang steht. Ob das der chinesischen Lehre von „Wind und Wasser“, auch Fengshui, entspricht, welche die positiven Energien im Haus halten soll oder nur zur Zierde dient. Auf alle Fälle wäscht die Wirtin hier die Wanderstöcke der Pilger. Da der Stock den Fuß von Kōbō Daishi symbolisiert, kann man so gutes Karma ansammeln und verhindert nebenbei, dass die Pilger Dreck ins Haus bzw. in die Ziernische (tokonoma) schleppen, wo der weitgereiste Stock üblicher Weise deponiert wird. Ich habe mich darauf beschränkt den Stock mit dem Hut immer an der Tür meines Zimmers zu deponieren, damit ich ihn auch ja nicht vergessen, nachdem ich meinen großen Rucksack geschultert habe. Ich muss jetzt weiter und verabschiede mich von meiner „Ryokan Mutter“, die sich so rührend um mich gekümmert hat. Die paar Kilometer (ca. 4 km) bis zum Konzōji Tempel sind schnell gelaufen.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 76 Konzōji (金倉寺)</strong><br />„Der Tempel des goldenen Speichers“ wurde 774 ursprünglich unter dem Namen Dō-zen-ji (Weg + Güte + Tempel; „Tempel des Weges der Güte“) von einem Mann namens Waki Dōzen gegründet. Es ist der Geburtsort von Kōbō Daishis Neffen Enchin (auch Ehrentitel Chishō Daishi; 814-891), der später 6. Patriarch der Tendai-Schule des Buddhismus werden sollte. Dementsprechend ist der Tempel auch heute noch unter Führung der Tendai. Im frühen 9. Jahrhundert, nachdem Kōbō Daishi in China studiert hatte, kam er hierher, um für seine Ahnen zu beten. Er schnitze die Statue des Yakushi Nyorai und weihte ihm den Tempel. Auch Enchin zog es nach China, wo er sich allerdings dem Tendai widmete. Dementsprechend gestaltete er diesen Tempel nach dem Vorbild des Grünen Drachen Tempels (Ching-Lung-ji) in Chang-an. 928 wurde der Tempel auf Geheiß des Kaisers Daigo (885-930; 60. Tennō) in Konzōji umbenannt, er hatte mittlerweile eine Größe von 132 Gebäuden und 32 km2 erreicht. Nachdem der Tempelkomplex im 16. Jahrhundert niederbrannte, wurde er in kleinerem Umfang von Matsudaira Yorishige (1622-1695), Herrscher über die Provinz Sanuki, wiederaufgebaut. Nur die Yakushi Nyorai Statue sowie ein berühmtes Selbstbildnis Enchins überstand dieses Feuer, bei dem 1983 der Oberpriester getötete worden ist. Berühmt ist der Konzōji aber auch für die „Tsuma ga eshi no matsu“, „die Pinie, welche die Ehefrau zurückhielt“. Gemeint ist damit Shizuko, die Ehefrau des Generals Nogi Marsuke, der im Konzōji drei Jahre untergebracht war. Er hatte im „Japanischen Bürgerkrieg“ (1877) für den Kaiser gekämpft und war berühmt für seine Einnahme von Port Arthur im Russisch-Japanischen Krieg (1904-1905). Warum er hier die lange Zeit untergebracht war verschließt sich meiner Kenntnis, da das Ehepaar aus Tokyo stammt. Die Ehefrau kam aber unangemeldet angereist, um ihren Mann zu besuchen. Er aber wollte sie nach Hause schickten, doch als sie unentschlossen an der Pinie vorbei kam, setzte sie sich in ihren Schatten. Nach einiger Zeit des Überlegens, entschloss sie sich, die Nacht in einem Hotel in Tadotsu zu verbringen. Es sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass beide am 13.09.1912 Suizid durch rituellen Selbstmord (Seppuku) gegangen haben, um dem verstorbenen Kaiser Mutsushito („Meiji“, 122. Tennō ) in den Tod zu folgen. Andere Länder – andere Sitten!<br /><br />Das Gelände des Konzōjis ist weitläufig und überall kann man Details finden, die man sonst in keinem anderen Tempel findet. Es gibt hübsche Dachreiter, ich sehe eine Statue eines Yambushi (Bergasketen) und eine Daikoku (einer der 7 Glücksgötter) Figur, die man passend zum Tempelnamen eigenhändig vergolden kann. Aber auch ein kleiner silberfarbener Jizō und die Statue eines älteren Herr, es ist wohl nicht der Neffe des Daishi Enchin, haben es mir angetan. Letztere Statue ist mit Haori (jap. kurze Jacke) und Hakama (jap. Hosenrock) bekleidet. Übertragen auf Europa, würde man sagen, er trägt einen Ausgehanzug, eben die traditionelle Kleidung eines Japaners. Da er keine Glatze trägt und auch sonst nicht an einen Mönch erinnert, könnte dies General Nogi sein. Da ich aber nicht so ganz den Blick für japanische Gesichter geschärft habe, bin ich mir nicht sicher. Denn auch im Netz gibt es die Information, dass es in der letzten Stadt Zentsūji den Kagawa-Ken-Gokoku-Schrein gibt, der zu Ehren von General Nogi errichtet worden ist. In der Karte kann ich nur den Kasuga Schrein finden, der in der Nähe von Tempel Nr. 74, dem Kōyamaji, liegt. Aber zumindest bin ich mir sicher, dass ich die besagte Pinie gesehen habe, da sie von einem Steinzaun eingefasst und mit Infotafeln bestückt ist. Erwähnen möchte ich noch den Perlen-Gong, der hier vor einer Halle anstelle des normalen Gongs (waniguchi) hängt. Wenn man an der Strippe zieht, werden große Holzperlen bewegt, die dann mit einem lauten Knall aufeinanderschlagen. Ein Geräusch, dass ich schon von Weitem gehört habe, es aber nicht einzuordnen wusste bis ein Pilger das Teil vor meinen Augen betätigt. Von den vielen hübschen Ema Täfelchen schieße ich Fotos. Ich habe noch nie einen Tempel oder Schrein besucht, in dem so viele verschiedene Motive gab. Normaler Weise zeigt so ein Votivtäfelchen, auf das man einen Wunsch schreiben kann, eines der 12 Horoskop Tiere des jeweiligen Jahres (2010 – Tiger!) oder eine Szene aus einer Legende, die irgendwie mit der Örtlichkeit zu tun hat. Aber hier hängen viele verschiedene. Auch das Wildschwein, das laut Kalender eigentlich im Jahr 2006 dran war, hängt hier noch, obwohl am Jahresende die Täfelchen ihre Schuldigkeit getan haben und ebenso verbrannt werden, wie die Talismane, die man im letzten Jahr gekauft hatte. Das sich so ein Glücksbringer mit der Zeit „entläd“ bzw. die enge Verbindung mit seinem Träger ist weitverbreiteter Glaube in Japan und beschert den Tempeln und Schreinen einen alljährlichen Kaufrausch in den ersten Tagen des neuen Jahres. Wer will schon ungeschützt das neue Jahr beginnen?<br /><br />Jetzt führt mich mein Weg wieder zurück zu der Stelle, an der ich vor drei Tagen vorbeigekommen bin, da ich jetzt Bangai Nr. 18 besuchen möchte. Auf dem Weg dorthin, kurz hinter dem Tempel Nr. 76, fällt mir eine alternative Pagode auf: Es handelt sich um ein Betontürmchen, welches mit vier balkonartigen Geländern umgeben ist. Da ist mir die traditionelle Pagode aus Holz, die zwar abbrennen kann, dann doch lieber. Aber wer modernes Design mag, sollte sie nicht verpassen. Ich wandere am Takamatsu Expressway (Autobahn) entlang, biege an einem Sunkus Kombini (24-h-Shop) ab und muss dann wieder auf meine japanische Karte ausweichen. Ich finde nicht ein Henrozeichen auf der ganzen Strecke. Nicht einmal eine Pilgerhütte, die einen sehr neuen Eindruck auf mich macht, ist hier verzeichnet. Von Ferne kann ich eine Pagode erkennen, aber ich werde enttäuscht, da diese zu einem Tempel gehört, der nur einige hundert Meter entfern vom Kaiganji (Bangai Nr. 18) liegt. Ich laufe noch an einer Schutzanlage vorbei, die man wohl bei zu heftigem Seegang absenken kann, damit der Fluss nicht über die Ufer tritt und schon stehe ich vor dem Tempeltor. Dieses Tor ist eine große Besonderheit auf der Shikoku Pilgerreise, denn hier dienten lebende Sumoringer als Vorbild für die Wächterstatuen (niō oder deva) des Tors (niōmon). Was für eine Ehre so für die späteren Generationen in Erinnerung zu bleiben. Sumo Ringen ist zwar der Nationalsport in Japan schlechthin, aber wie so viele Traditionen verlieren die jungen Japaner das Interesse, ihre alte Kultur zu pflegen. Nicht nur die Zuschauerzahlen sinken, auch das Berufsbild des Ringers, das geprägt ist von täglichen Training und der strengen Hierachie in den Sumoställen, passt wohl nicht mehr ins Bild eines jungen Japaners, der lieber als Saleryman (jap. Geschäftsmann) sein Geld verdienen möchte. Mal ganz abgesehen von körperlichen Voraussetzungen, die mit spezieller Kost erlangt werden und dazu führen, dass die aktive Kampfphase eines Sumotori (Sumoringer) nur wenige Jahre dauert. Was früher mal als Opfergabe an die Götter (kami) galt und tief im shintoistischen Glauben verwurzelt ist, wird heute sechsmal im Jahr als sogenanntes Basho (Turnier) ausgetragen.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 18 Kaiganji (海岸寺)</strong><br />„Der Tempel der Meeresküste“ bzw. „Strandtempel“ könnte man diesen Tempel auch nennen, der von Kōbō Daishi gegründet worden und Shō Kannon geweiht worden ist. Leider gibt es über die Bangai-Tempel (Nebentempel) nur wenige Infos im Netz. Aber hinterher ist man meistens schlauer und so halte ich den Komplex mit der Pagode für einen anderen Tempel. Mir war zwar aufgefallen, dass der Kaiganji doch recht klein ist, hier direkt am Strand, hatte das aber darauf zurückgeführt, dass nebenan gleich eine Jugendherberge liegt. Auch so kann man das Tempelbudget aufbessern, wenn man nicht nur Pilgerunterkunft (shukobō), sondern für die „Saure-Gurken-Zeit“ im Sommer bzw. Winter auch jungen Japaner Unterkunft anbietet. Ich erfahre aus einer Zusammenstellung der 20 Banagai Tempeln, die ich vom Sohn des Tempeloberhaupts von Bangai Nr. 20 erhalten habe (Story folgt bei Bangai Nr. 20!), dass auch der Komplex mit Pagode zum Kaiganji gehört. Er gilt wohl als „Inneres Heiligtum“ (okunoin) vom Kaiganji und ist somit der „Berganteil“ des Tempels. Er soll 733 erbaut worden sein und gilt als Geburtsort von Kōbō Daishi, wenn dies nicht schon der Zentsuji für sich beanspruchen würde. Auf alle Fälle soll der Daishi hier, nach seiner Rückkehr aus China, das erste Mal eine Technik des Shingon Buddhismus angewandt haben, um eine grassierende Krankheit zu heilen. Der Daishi soll hier auch am Berg hinter dem Tempelkomplex Sutren vergraben haben, um das Land zu reinigen. Aber wie gesagt - ich hab es nicht gewusst und stattdessen eine Erkundungstour zum Strand gemacht. Im Tempel hier am Strand ist die Halle wie ein kleiner Supermarkt für Pilgerutensilien gestaltet. Die Buddha Figuren oder sind es Absaras (buddhistische Engel), die hier an der Wand hängen, wirken auf mich wie Galionsfiguren, da ihre Körper schräg nach vorne verlaufen. Ich habe zwar noch nie ein japanisches Schiff mit Galionsfigur gesehen(, mit Ausnahme der Nippon Maru, ehemaliges Segelschulschiff, das nach europäischen Vorbild gebaut, heute in Yokohama als Museumsschiff dient,) aber vielleicht war das bei größeren Schiffen oder in alten Zeiten gebräuchlich? Im Tempelgarten kann ich die 13 Buddhas des Shingon Buddhismus bewundern, die 7 Glücksgötter sind hier auch versammelt, aber am beeindruckensten finde ich hier die Gartenlaube. Das klingt jetzt so profan - klein und hölzern, aber hier in Japan werden Lauben aus Gestängen gebaut, die mit Blauregen oder ähnlichen Rankengewächsen „begrünt“ werden. So ein lebendes Dach mit Ästen, Blättern und Blüten und allem Getier, was da so kreucht und fleucht. Die Laube ist aber 20 m lang, hat noch ein schützendes Dach an der Seite, da die Pflanzen noch nicht allzu dicht gewachsen sind.<br /><br />Jetzt muss ich mich aber wieder auf den Weg machen, da ich heute noch bis mindestens Tempel Nr. 77 kommen will. Die Straße führt mich hier direkt an der Küste entlang, ich folge der Straße Nr. 21 durch einen Hafen, an einem Schrein vorbei. Als ich auf ein europäisch wirkendes Haus treffe, vor dem noch dazu ein Elch im vollem Galopp mit einem Kind zwischen den Schaufeln als Statue verewigt ist, bin ich etwas ratlos. Vor einem Geschäft steht ein Papagei und das nächste merkwürdige Gebäude scheint das lokale Heimatmuseum zu sein, da ich unter einem Unterstand eine zerlegte Feuerspritze ausmachen kann. Ich sehe ein Postamt und versuche mein „Übergewicht“ in Form eines Päckchens nach Deutschland loszuwerden. Das ist Post, die erste Episode, aber gefehlt - der Typ am Schalter will einfach nicht kapieren, dass ich auf Ferien hier in Japan bin. Er will unbedingt eine japanische Adresse haben! Als ich den Ryokan in Zentsūji eintrage, genügt ihm das nicht, weil ich dort nur zwei Tage übernachtet habe. Gewissenhaft wie ich bin, zeige ich ihm, dass ich weder etwas Wertvolles noch was Gefährliches verschicken will. Insgesamt präsentiere ich ihm den Inhalt meines potentiellen Pakets dreimal. Aber der Typ telefoniert nur minutenlang herum und kommt zu keinem Schluss. Jetzt habe ich echt einen Hals, mit Engelszungen habe ich jetzt eine Halbe Stunde auf ihn eingeredet und mein Gepäck habe ich ganz umsonst auseinandergerissen! Verärgert packe ich meine Sachen und mit einem „domo arigatō gozaimashita“ (herzlichen Dank) und einer Verbeugung verlasse ich diesen Vorposten der Bürokratie. Himmel, warum spreche ich nur so wenig Japanisch, aber ich glaube das hätte mir auch nicht weitergeholfen. Japaner halten sich immer streng an die Vorschriften, rufen bisweilen den Vorgesetzten, würde aber nie etwas selbst entscheiden, wenn mal was Unverhofftes eintritt. Ich laufe weiter und bin dann ganz schön verblüfft: Wenn man der Meinung ist, dass man auf der Straße Nr. 21 läuft und dann entsetzt feststellen muss, dass es eine zweite Nr. 21 gibt, die noch dazu fast parallel zur ersten verläuft. Was es jetzt meine Verärgerung über den missglücken Versuch, meine Wandergewicht zu minimieren, oder allgemeine geistige Erschöpfung? Wie soll man sich denn da orientieren? Aber zum Glück verkündet mir ein blaues Straßenschild, dass es jetzt noch 200 m bis zum Dōryūji Tempel sind. Schwein gehabt!<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 77 Dōryūji (道隆寺)</strong><br />„Der Tempel des sich ergebenden Weges“ wurde ursprünglich von Wake Michitaka 749 gegründet. Er wollte dafür Buße dafür tun, dass er aus Versehen seine Amme mit Pfeil und Bogen getötet hat, weil er eines Nachts auf ein seltsames Licht geschossen hatte. Er war es auch, der eine kleine Figur von Yakushi Nyorai aus Maulbeerbaum als Honzon (Hauptgottheit) für den Tempel geschnitzt hat. Im 9. Jahrhundert weilte Kōbō Daishi hier, schnitzte eine 75 cm große Statue von Yakushi Nyorai, in die er die kleinere von Michitake verwahrte. Waki Chōyu, zweiter Oberpriester des Tempels vergrößerte den Tempelkomplex, dem Wunsch seines Vaters Michitake entsprechend, um 23 Gebäude und nannte den Tempel fortan „Dō ryūji“. Hierfür verkaufte er die Maulbeerbaumfarm seiner Familie, die zur Gewinnung von Seide aus Seidenraupen genutzt wurde, und all sein Hab und Gut. 976 wurden die Tempelgebäude durch ein Erdbeben zerstört, im 16. Jahrhundert durch Feuer. In der Meiji-Zeit (1868-1912) wurden Reparatur- und Restaurationsarbeiten durchgeführt und 1985 die zweistöckige Pagode gebaut. Man kann neben der Haupthalle (hondō) eine Statue von Kōbō Daishi und Emon Saburo, der die Pilgerreise begründet hat, finden. Es gibt hier aber auch 270 Bronzestatuen von Kannon und der „Fünf Wächter“, die Enchin (814-891), dem Neffe des Daishi, zugeschrieben werden. Der Daishi selber soll ein Bild der „Fünf Heiligen“ gemalt haben und auch ein Bild des „Stern Mandala“ gelten heute als „Wichtiges Nationales Kulturgut. Streng genommen gehört der Tempel heute als Dai-Honzan („Großes Hauptquartier“) zum Daigo-ha Zweig des Shingon, also dem shintoorientierten Shugendō (Bergasketentum). Doch seit Chishō (Neffe des Daishi, Tendai Oberpriester) hier jährlich das Lesen der „Lotus Sutra“ abgehalten hat, wurden immer wieder, sowohl Tendai als auch Shingon, Priester auf kaiserlichen Befehl hierher geschickt, um gemeinsam den Buddhismus zu studieren. Bemerkenswert sind hier die riesigen Strohsandalen (waraji) am Eingangstor. Im Tempelführer wird ebenfalls erwähnt, dass in der Nähe, Tadotsu Town, der Kaiganji Tempel (Bangai Nr. 18) liegt, der Ort an dem Kōbō Daishi zur Welt gekommen sein soll, wenn dies nicht schon der Haupttempel Nr. 75 (Zentsūji) beanspruchen würde. Des Weiteren wird das Shōrinji Dōjō erwähnt, welches besonders für Kampfsportinteressierte von Bedeutung sein könnte, da es das Hauptquartier dieser „Shōrinji Kempo“ genannten Stilrichtung des Karate bzw. Kempos (mehr China-lastige Ausprägung des Karate) ist. Sie wurde 1947 von einem Mann namens Doshin So in der Stadt Tadotsu begründet, der die Kampfkunstwurzelt an ihren Ursprüngen in China studierte. Sie vereinigt die verschiedenen chinesischen und japanischen Kampfkunsttechniken und die Lehre des Buddhismus bzw. Bodhidharmas, dem legendäre Kampfmönch, der die Kampfkunst von Indien nach China (Shaolin Kloster!) gebracht haben soll, zu einem ganzheitlichen System.<br /><br />Der Tempel liegt direkt an der Hauptstraße, weder Wald noch ein Weg in die Berge trennen den Tempel vom städtischen Leben. Es gibt hier zwar große Bäume, aber der Komplex ist von fast von allen Seiten zugänglich. Es gibt eine kleine Pagode auf deren Vorplatz, auf dem sich eine Horde Tauben niedergelassen hat. Ich sehe eine große, zentrale Kannon Statue und auch den vor dem Daishi knienden Emon Saburo. Aber dass es hier irgendeinen Zusammenhang mit Kampfsport geben soll, bleibt mir verborgen. Aber hier ist auch vieles hinter Glas, man kann meist nicht viel erkennen. So auch der Binzuru, der ehemalige Jünger Buddhas, der bei Berührung die Schmerzen aus entsprechenden Körperteilen verschwinden lassen soll. Hat man hier in Japan noch nichts von Entspiegelung gehört? Beeindruckend sind hier die vielen, kleinen Kannon Statuen, die jeweils ausgestattet mit Jizō -Lätzchen, gelber Halskette und weiteren Ketten um Arm und Hand, eine richtige „göttliche Armee“ formieren, wenn es nicht gerade 88 sind und den Tempeln des Pilgerwegs entsprechen würden. Unter einem großen Baum steht noch ein kleiner Schrein. Ich mache eine kleine Pause. Der Himmel sieht sehr nach Regen aus, aber solange es nur bewölkt ist, soll es mir recht sein, dann ist es wenigstens nicht so warm. Auf der Toilette begegne ich noch einem kleinen Teufel aus Ton – „Oni“ werden diese gehörnten und spitzzähnigen Kameraden genannt. Eine süße Verniedlichung der in anderen Darstellung doch sehr wild und Schrecken erregenden Sagengestalten der japanischen Mythologie, die alljährlich zum Setsubunfest, Anfang März, mit einer Hand voll Sojabohnen des Hauses verwiesen werden. Ich verlasse den Tempel und mein Weg führt mich weiter die Straße Nr. 21 entlang. Ich komme in die Stadt der runden Schildröte, wie Marugame in der Übersetzung heißen könnte. Stadt der tobenden Winde fände ich passender, da ich hier das erste Mal meinen Hut abnehmen muss, damit ihn der Wind, der sich hier in den Hochhausschluchten sammelt, nicht von Kopf reißen kann. Dabei ist die Stadt doch berühmt für ihre Burg, Papierfächer und ein Museum mit Gegenwartskunst. Aber das lasse ich alles links liegen, weil ich rechts ein Postamt sehe. Mit dem Stoßgebet der Pilger „namu daishi henjo kongō“ betrete ich das Postamt und werde angenehm überrascht. Postamt, die zweite Episode: Der Bürovorsteher lässt seine Mädels auf mich los und die Kommunikation läuft fantastisch. Am Ende schicke ich nicht nur mein Übergewicht per preiswerterer Seepost nach Deutschland, sondern lasse mir von den netten Damen sogar noch ein Briefmarkenbuch mit den 88 Tempeln von Shikoku andrehen. Ich bezahle 2500 Yen für mein Päckchen und werde noch von den Damen erinnert, dass ich den Preis der Briefmarken noch zum Gesamtwert auf der Zollerklärung ändern muss. Der Tag ist gerettet – ich bin glücklich, die Damen und der Vorsteher sind glücklich, alles könnte so einfach sein, wenn ich von den Mitgliedern der Japanischen Post nicht noch ein Pilgergeschenk erhalten würde: ein Baumwolltuch (tenugui) mit dem Logo der Japanischen Post. Haha!<br /><br />Ich eile, um noch vor 17.00 Uhr zum Tempel Nr. 78, dem Gōshōji, zu kommen. Kurz hinter dem Tempel liegen zwei Unterkünfte, von denen ich zur Not auch morgen noch zurücklaufen könnte, aber ich habe Glück.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 78 Gōshōji (郷照寺)</strong><br />„Der Tempel der leuchtenden Heimat“ soll ursprünglich unter dem Namen „Dōjōji“ 725 von Gyōgi (668-749) gegründet worden sein, der auch die Figur des Amida Nyorai für den Hondō (Halle der Hauptgottheit) geschnitzt haben soll. Im 8. Jahrhundert weilte Kōbō Daishi hier, um den Tempel wiederaufzubauen. Zwischen 877 und 885 brannte der Tempel nieder, um 1288 von Ippen (1239-1289) wiederhergestellt zu werden. Der Wanderpriester Gyōgi begann hier vom „Reinen Land“ Amidas zu predigen und als die Einwohner seine Lehre annahmen, nannte er den Tempel in „Gōshōji“ um und machte ihn zu einem Tempel des Nembutsu. Nembutsu beschreibt die Anrufung des Buddha Amida, des Buddhas des „Reinen Landes“, mit den Worten „Namu Amida Butsu“. Der Gläubige soll nur durch Glaube und rezitieren dieser Wortformel (Mantra) im Paradies von Amida wiedergeboren werden, aus dem er, befreit von den alltäglichen Sorgen, den Übergang ins Nirvana (Auflösen; Ausbruch aus dem Rad der Wiedergeburten) vollziehen kann. Zwischen 1333 und 1573 erblühte der Tempel auf sieben Hallen unter dem Schutz des lokalen Hosokawa Klans, brannte jedoch dann nieder. Erst 1664 wurde er vom 1. Herrscher von Takamatsu, Matsudaira Yorishige, wiederaufgebaut. Bemerkenswert ist, wie erwähnt, dass dieser Tempel der einzige auf der Pilgerreise ist, der dem „Reinen Land“ (Jishū) Buddhismus zugerechnet wird. Das soll aus einem Streit der Shingon Buddhisten am Koyasan (Hauptquartier in den Kii-Bergen) mit umherwandernden Laienpriestern zu tun haben, der so heftig wurde, dass er vor dem Shogun (militärischer Machthaber Japans) geschlichtet werden musste. Die Laienbrüder wurden nach Shikoku geschickt, um eben bei diesem Tempel ihre Riten auszuüben. Im Daishidō (Daishi-Halle) gibt es eine Daishi Statue, Yakuyoke Utaszu Daishi genannt, und wie man am ersten Wort erkennt, kann man hier sein Unglück abwenden (yakuyoke). Neben der Daishihalle liegt der Eingang zur Mantai Kannon Halle, in der 40.000 silberne Statuen von Kannon stehen, die aus ganz Japan stammen. Neben der Haupthalle (hondō) in der Kōshin Halle kann man die Shomen Kongo Gottheit sehen, deren Anbetung vor Krankheit schützen soll bzw. eine schnelle Genesung verspricht. Diese blaugesichtige und 6-armige Statue wird von 3 Affenstatuen begleitet. Sie verkörpern die berühmten Affen, die man auch im Toshogū Schrein in Nikko bewundern kann, die weder Böses sehen, hören noch aussprechen. Nach buddhistischer Auffassung wohnen nämlich jedem Menschen Würmer inne, die nach dem Tod über die Sünden desjenigen berichten und diese „Petzen“ sollten dem Vorbild dieser „Drei Weisen Affen“ folgen. Und dann gibt es noch eine schöne Legende, warum die Glocke des Tempels einen so weitreichenden Klang hat. Als sie gegossen wurde, soll ein eigenartiger Fremder ein Pulver ins flüssige Metall geworfen haben, so dass die Glocke jetzt alle Glocken neben ihr übertönen kann.<br /><br />Der Gōshōji liegt hier am Hang des Aono Berges, ich muss mich hier den Berg hinauf durch eine Wohnsiedlung quälen und aufpassen, dass ich nicht versehendlich im Akiba Schrein lande. Nachdem ich ein einfaches Tor (sanmon) durchschritten habe, finde ich mich auf dem eigentlichen Tempelgelände wieder. Von hier habe ich erstmal einen fantastischen Blick auf die Inlandssee (Setosee), vorbei am Häusermeer kann ich vorgelagerte Inseln und eine große Brücke sehen. Außer den Dachreitern kann ich leider keine weiteren Affen ausmachen. Aber der Gang vor der Tempelhalle, von der links nach unten in die Kannon Halle geht, weist diese hübschen Deckentäfelchen auf. Doch die ausnahmslos floralen Motive sind nicht nur gemalt, nein, es handelt sich um Schnitzereien, die nachträglich koloriert wurden. Beeindruckend ist auch die Mantai Kannon Halle, eigentlich hätten es auch Amida Figuren sein können, aber in der Dunkelheit dieses mäßig beleuchteten Kellers kann man nur die goldglitzernen Ministatuen erkennen, die hier in mehreren Stufen, dichtgedrängt auf den Borden angesammelt haben. Aber auch das weitläufige Gelände ist einen Besuch wert, da es hier einen Koi (jap. Karpfen) Teich gibt, an den sich ein Azaleen Gärtchen anschließt. Auch die sorgfältig geharkten, grauen Steine runden die gepflegte Anlage ab. Eigentlich Peile ich das Business Hotel Utara an, nachdem ich jedoch eine Brücke überqueren muss und den richtigen Weg nicht gleich finde, lande ich dann doch im Ryokan Sanuki. Als ich das Haus betrete, fällt mir sofort das Essen, das schon im Speisesaal auf dem Tisch steht auf. Eigentlich etwas früh, um das Abendessen schon, so ohne Kühlung, herum stehen zu haben. Aber ich beziehe erstmal mein Zimmer am Ende des Ganges. Kein richtigen Schlüssel und die Fenster kann ich auch nicht richtig schließen. Der Wind bläst zwischen den Ritzen durch und lässt mich erst in Ruhe, als ich die Zwischentür schließe. Glücklicher Weise habe ich ein eigenes Badezimmer, doch zuvor genieße ich Eistee und Kastella Kuchen (portugiesischer Topfkuchen), der hier schon für mich bereitgestellt worden ist. Ich werde für Übernachtung Frühstück und Abendessen 6000 Yen berappen und finde mich zum Abendessen als einzige Frau unter lauter japanischen Handwerkern wieder. Kein „Schickimicki Ryokan Abendessen“, sondern solide japanischen Hausmannskost mit viel frittierter Panade und noch mehr Reis.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-39253381613906827472010-06-13T05:05:00.000-07:002010-06-13T05:25:59.285-07:00Montag, 20.04.2009, Kagawa, Zentsūji City, Yamanoto Ryokan<a href="http://4.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBTLFis3rRI/AAAAAAAAB0I/6m8yxabXFeU/s1600/IMG_9042.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5482229942491524370" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; CURSOR: hand; HEIGHT: 320px" alt="" src="http://4.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBTLFis3rRI/AAAAAAAAB0I/6m8yxabXFeU/s320/IMG_9042.JPG" border="0" /></a><strong>Der 36. Tag in Japan</strong><br />Das Frühstück gibt es heute schon um 6.00 Uhr, denn die Wirtin weiß, dass Pilger immer früh raus müssen. Es fällt wie immer etwas mager aus, aber dafür ist das Abendessen umso reichhaltiger gewesen. Da ich nun weitere Pläne beschmiedet habe und anfangs nur nach einer Übernachtung gefragt hatte, kläre ich mit der Wirtin, ob ich noch eine weitere Nacht bleiben kann. Ich will heuten den Bangai Tempel Nr. 17 besuchen, der mit Hin- und Rückweg mich um die 24 km kosten wird. So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klatsche, da ich dann auch mein Gepäck hierlassen kann. Ich bezahle also erstmal die 7725 Yen für die gestrige Nacht und bekomme sogar noch ein Päckchen Taschentücher und zwei Bonbons geschenkt.<br />Als ich an diesem Morgen durch das fast menschenleere Zentsūji laufe, begegnen mir nur einige „Gassigeher“ mit ihren Hunden. Es ist ganz schön schwer den Weg zu finden, da mich mein Weg an den Bahnschienen entlang führt, hierzu muss ich aber erst mal blicken, wie ich auf die andere Seite der Schienen komme, da es hier keinen einfachen Bahnübergang, sondern so eine Brücke mit mehreren Ebenen gibt. Nachdem ich einen Tunnel, der über Treppen nach unten geht, durchwandert habe, finde ich mich auf der richtigen Seite wieder. Meine erste Rast mache ich dann bei einem Circul-K (24-h-Shop), der etwas außerhalb der Stadt liegt. Hier werde ich auch gleich von einem Japaner angesprochen, der mir auf seinem Handy seine Familienfotos, die Kirschblüte und die Tempel zeigt, die er von den 88 bisher besucht hat. Er kramt noch eine Fahrkarte von der Seilbahn bei Tempel Nr. 66 hervor und ich grinse ihn an, denn die habe ich auch benutzt.<br /><br />Ich laufe jetzt nach japanischer Karte, da das englischsprachige Kartenmaterial mal wieder kurz hinter der Stadtgrenze endet. Aber der Weg verläuft gerade an den Bahnschienen entlang bis Kotohira. Verkehrsschilder weisen mich immer wieder auf den berühmten Schrein hin. In der japanischen Karte ist sogar ein Lageplan von den Schreingebäuden zu finden, während er in der englischen Karte keine Erwähnung findet. Aber zum Glück führt mich mein Weg direkt durch die Stadt, mir fallen die großen Bettenburgen auf, in denen die Schreinbesucher untergebracht sind, und laufe dann auch fast direkt am Eingang des Schreins vorbei. Den werde ich besuchen, wenn ich heute Nachmittag wieder zurückkomme, denke ich so bei mir, bei den vielen Treppen, muss ich meine Kräfte etwas sparen und erstmal meine Pilgerverpflichtungen erfüllen. Leider gibt es hier in der Stadt nur ganze zwei Henrozeichen, aber ich weiß so ungefähr die Richtung, und die Brücken, die ich überquere, merke ich mir besonders. Ich hasse Rückwege, da man schon alles auf dem Hinweg gesehen hat, verdaddelt man sich häufig, wenn man nicht aufpasst. Aber das Wetter ist gut, d.h. so richtiges Wanderwetter – es ist etwas dunstig, so dass es warm ist, ohne dass einem die Sonne auf den Pelz brennt. In der Stadt fallen mir an Mauern kleine Aufkleber auf – anscheinend gibt es hier eine Hundemarken, sondern Aufkleber für jedes Jahr. Vorbei an Steinfiguren, die wie die Steinköpfe von den Osterinseln wirken, wandere ich weiter. Ich sehe noch eine Feuerwehrwache und in der nächsten kleinen Ortschaft mache ich an einer Kreuzung vor einem Schrein eine weitere Pause. Das ist heute so eine richtige Flachlandetappe, aber kurz vor meinem Ziel muss ich noch einen Hügel überwinden, da es zum Manoike Reservoir hoch geht.<br /><strong><br />Exkurs Bangai Tempel Nr. 17 Kannoji (神野寺)</strong><br />Der Bangai Tempel hie<a href="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBTMXfnRe5I/AAAAAAAAB0Q/2hmfl1uc4Gg/s1600/IMG_9153.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5482231350412016530" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; CURSOR: hand; HEIGHT: 320px" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBTMXfnRe5I/AAAAAAAAB0Q/2hmfl1uc4Gg/s320/IMG_9153.JPG" border="0" /></a>r lässt sich mit den Symbolzeichen (Kanji) für „Gott“, „Feld“ und „Tempel“ übersetzen. Aber da ich keine exakte Übersetzung finden konnte, muss ich mit dem Namen „Gottesfeld Tempel“ zufrieden geben, obwohl er, direkt am Mannoike Wasserreservoir gelegen, alles andere als an Feldern liegt. Das Wasserreservoir ist mir schon früher begegnet, bei Tempel Nr.74 (Kōyamaji) dessen Bau der Daishi aus dem Verdienst für die Umgestaltung des Mannoike finanzieren konnte. Unser Kōbō Daishi ist nicht nur in spiritueller Hinsicht ein Menschenretter, neben seinen viele Talenten in den bildenden Künsten, konnte er nach dem Umbau des flutgefährdeten Reservoirs auch noch Ingenieur, heute würde man es ihn als Projektmanager bezeichnen, zu seinem Lebenslauf hinzufügen. Natürlich kamen mehr Spenden und Arbeiter zusammen, wenn man mit Kōbō Daishis Hilfe und seinen Ritualen auch noch Buddhas Beistand auf seiner Seite hatte.<br /><br />Der Bangai Tempel ist dann doch etwas enttäuschen. Während andere Bangais durchaus große Anlagen und Gebäude aufweisen, besteht dieser Tempel nur aus einem einzigen, kleinen Gebäude, in dem Tempel und Büro untergebracht sind. Sehenswert ist dafür die große Kōbō Daishi Statue, die hier über das Wasserreservoir blickt. Es gibt hier kein Tempeltor, dafür aber einen Getränkeautomaten. Tolle Begrüßung denke ich so bei mir, doch im Pilgerbüro habe ich einen aufmerksamen Bewunderer meines Pilgerbuchs (nokyocho), der mich gleich fragt, ob ich Tempel Nr. 16 vergessen hätte. Nein antworte ich, der Eintrag von Nr. 16 ist ganz am Anfang der Bangai Tempel, die Stelle, die ich eigentlich für Bangai Tempel Nr. 1 vorgesehen hatte. Ich mache noch eine Runde durch den Tempelgarten. Wenn es die richtige Zeit gewesen wäre, hätte ich hier Pfingstrosen und Rhododendren in voller Blüte genießen können, so sind aber nur vereinzelt Blüten zu sehen. Es gibt hier auch eine Gruppe von Buddha Figuren, die wohl dem japanischen Horoskop zugeordnet sind. Das japanische bzw. chinesische Horoskop weist den Menschen nicht nach dem Monat, in dem sie geboren sind, symbolisch ein Tier und dessen Stärken bzw. Schwächen zu, sondern nach dem Jahr. So dass jeweils alle Personen, die im gleichen Jahr geboren worden sind, zum gleichen Tier gehören. Zu diesen zählen: die Ratte, der Büffel, der Tiger, der Hase, der Drache, die Schlange, das Pferd, das Schaf, der Affe, der Hahn, der Hund und das Schwein. Die Auswahl dieser Tiere geht auf eine Legende zurück, nach der Buddha diese Tiere zum Neujahrsfest eingeladen hatte. Ihnen wurde nach der Reihenfolge des Eintreffens die Ehre zuteil, das Symboltier eines ganzen Jahres zu werden. Die Ratte kam als erstes dran, das sie bis zu ihrem Ziel auf dem Büffel geritten war und erst kurz vom Ziel über dessen Kopf zu Buddha sprang. Sie hatte jedoch der Katze zuvor erzählt, dass das Treffen erst einen Tag später abgehalten würde, daraus resultierte, dass die Katze zu spät kam und seit dem eine tiefe Feindschaft zwischen Katzen und Ratten bzw. Mäusen besteht. Da ich 1971 geboren bin, also zu den Schweinen oder besser Wildschweinen zähle, bin ich nach dem chinesischen Horoskop schüchtern und gutmütig, nett und liebenswürdig, aber auch impulsiv und ehrlich. Das kann man jetzt halten wie man will, denn fast mehr als das Horoskop vertraut der Japaner auf seine Blutgruppenzugehörigkeit. Dieses System mit den wissenschaftlichen „Touch“ hat eine ebenso große Bedeutung wie bei uns das Sternhoroskop. Andere Länder – andere Sitten.<br /><br />Für eine Pause am See will ich mir eine Dose „CC Lemon“, eine Zitronenbrause mit Vitamin C Zusatz, aus dem Automaten ziehen. Doch ich stutze, da ich für meine 150 Yen sowohl 0,25 als auch 0,5 l bekommen könnte. Wer kauft denn schon eine kleinere Dose, wenn er für sein Geld mehr bekommen kann? Da ich durstig bin ziehe ich mir die 0,5 l Dose und mache es mir zusammen mit einer Packung Brotstangen auf einer Bank am See gemütlich.<br /><br />Während ich auf dem Hinweg die Straße entlang gelaufen bin, mache ich auf dem Rückweg einen Abstecher durch den angrenzenden Park. Hier ist eine Art Flusslandschaft angelegt und in einem Rosengarten kann man Pfingstrosen bewundern. In China symbolisiert die Pfingstrose oder Päonie Reichtum, Liebespfand, ein in Liebe erfülltes Frauenleben und die Sanftmut Buddhas. Ein japanisches Sprichwort sagt:<br />立てば芍薬、座れば牡丹、歩く姿は百合の花<br />tateba shakuyaku, suwareba botan, aruku sugata wa yuru no hana<br />Im Stehen wie eine „Chinesische Pfingstrose“, im Sitzen wie ein Strauch-Pfingstrose, und die Art wie sie läuft wie die Blüte einer Lilie.<br />Das Sprichwort beschreibt die drei unterschiedlichen Schönheitsideale, denen eine Frau entsprechen soll: Wenn sie steht, soll sie einer chinesischen Pfingstrose gleichen, mit ihrem kräftigen Stängel und der vollen Blüte. Wenn sie sitzt, soll sie dagegen zerbrechlich wirken wie die Strauch-Pfingstrose. Und wenn sie geht, soll sie anmutig sein wie eine Lilie.<br /><br />Schnell wandere ich den Weg zurück nach Kotohira, da der Tag noch jung ist, gönne ich mir einen Abstecher zum Kotohira Schrein. Da ich mein Tagewerk erfüllt habe und die Kilometer zum Bangai Tempel Nr. 17 als Flachlandetappe gewertet werden können, habe ich noch genug Kraft und Ausdauer, um hier die vielen Treppen zum Schrein hochzusteigen.<br /><br /><strong>Exkurs Kotohira Schrein (Kotohira-gū; früher auch Konpira-dai-gongen)<br /></strong>Der Kotohira Schrein ist ein Shinto Schrein in der Stadt Kotohira in der Präfektur Kagawa auf Shikoku. Er soll im 1. Jahrhundert gegründet worden sein und liegt auf dem Berg Zōzu.<br />Während der Weg zum Hauptschrein 785 Steinstufen misst (521 m Höhe), sind es stolze 1358 bis zum innersten Heiligtum. Hauptgottheit des Schreins (kami) war lange Zeit Ōmononushi (-no-mikoto), eine für alle Belange der Seefahrt zuständige Gottheit, die auch als buddhistische Gottheit „Kompira“ verehrt wird. Es ist also nicht so eindeutig, ob es nun shintoistisches oder buddhistisches Heiligtum war. Doch im Jahr 1165 durch die Gottheit durch Sutoku (75. Tennō; 1119-1164) ersetzt. In der Hōgen Rebellion von 1156 stritt er sich mit seinem Bruder (Go-shirakawa), wer nun nach dem Tod des Vaters Toba und Sutokus Abdankung als Tenno, zukünftig das Amt bekleiden sollte und welche Macht, der im Kloster lebenden, Ex-Tenno haben durfte. Das sogenannte „Insei-System“ sah nämlich auch für abgedankte Monarchen gewisse Macht und Einflussmöglichkeiten vor. Sutoku verlor die Rebellion und wurde ins Exil geschickt. Als Ergebnisse dominierten jetzt die Klans der Samurai über das Kaiserhaus und es kam erstmalige zur Errichtung einer, von Samurai geführten, Regierung. Aber Sutoku soll uns auf unserem weiteren Pilgerweg noch begegnen – in Tempel Nr. 79, dem Tennōji („Kaisertempel“), der das Wort für Kaiser (tennō) im Namen führt, ist Sutokus Leichnam nach seiner Ermordung in Tsutsumigaoka (1164) aufbewahrt worden, bis die Kunde auch die damalige Kaiserstadt Kyoto erreicht hatte. Nach 21 Tagen in der Kühlung einer Quelle im Tempel Nr. 79 wurde der Leichnam dann zum Berg Shiromine überstellt, wo er in der Nähe des Tempels Nr. 81 eingeäschert wurde und heute sein Mausoleum (gebaut 1414) steht. Da man befürchtete, dass der zu Lebzeiten ungerecht behandelte Ex-Tennō, der noch dazu eines gewaltsamen Todes gestorben ist, Unglück über das Kaiserhaus bringen bzw. als Geist (oni), Dämon (yōkai) oder Tengu-Gestalt (Bergkobold) seine Peiniger heimsuchen könne, wurde ihm der Schrein geweiht. Dies sollte seine ruhelose Seele besänftigen.<br /><br />Aber zurück zum heutigen Kotohira Schrein, von dem jedes größere Schifffahrtsunternehmen in Japan ein Amulett an Bord hat. Für Seefahrer ist es eine Tradition, kleine Fässer mit Opfergaben in die See zu werfen. Von dem, der diese findet, wird erwartet, sie zum Schrein zu bringen. Es ist in Japan auch durchaus üblich den Sake (Reiswein), der bei den Zeremonien im Schrein Gebrauch findet, gleich fassweise zu spenden. Die Fässer werden dann in kleinen Pyramiden vor den Gebäuden aufgestapelt. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass sich ganz am Anfang des Weges zum Schrein ein kleines Sake-Museum befindet und viele Steine, auf denen der Spender und die Spendensumme eingeritzt sind, den Weg säumen.<br /><br />Der Tempelführer des Bischhof Taisen Miyata erwähnt an dieser Stelle den Tod der Pilgerin Shizue Sawada aus Seattle (Washington) am 7. Mai 1982 – möge ihre Seele in Frieden ruhen oder „Namu Daishi Henjo Kongō“ wie sich der Pilger in mir äußern würde.<br /><br />Es führen wirklich viele Stufen bis zum Schreingebäude, aber die meisten Pilger geben sich mit dieser ersten Begegnung zufrieden. Hier werden Schiffe in allen Größen und Formen ausgestellt. Von irgendwelchen selbstgebauten Solarschiffen bis hin zu Japans Astronauten ist hier alles vertreten, was im weitesten Sinne etwas mit Schifffahrt, Raumfahrt oder sonstiger hilfsmittelgesteuerten Fahrt zu tun hat. Es gibt Schreinhallen und eine kleine Bühne, auf der wahrscheinlich zu den Schreinfesten traditionelles japanisches Theater („No Theater“) mit Masken abgehalten wird. Von einer Art Terrasse kann man einen Blick auf den Fluss Kanakura und die ganze dahinterliegende Ebene werfen. Mir fällt ein Berg auf, der so eine schöne Kegelform wie der ruhende Vulkan Fuji aufweist. Aber ich bin noch lange nicht am eigentlichen Heiligtum, denn die Treppen führen weiter bis kurz unter den Gipfel des Berges Zōzu. Ich überhole mit Leichtigkeit die wenigen mit Wanderstöcken bewaffneten Schreinpilger, die es bis zum Innersten Heiligtum hoch treibt. Immer, wenn die Stufen hier die Richtung ändern, steht am Wendepunkt eine kleine Hütte zum Ausruhen. Aber ich bin fit wie ein Turnschuh, weder zieht es mir in der Oberschenkelmuskulatur noch machen mir meine Knien Probleme. Ich fliege geradezu den Berg hoch und muss mich dann am Ende geschlagen geben. Wieder einmal Bauarbeiten am Allerheiligsten! Es ruhen sich nur wenige Pilger hier oben auf den Bänken sitzen aus, aber ein Herr in Uniform und mit weißem Schutzhelm sorgt dafür, dass keiner die Absperrung leichtfertig überschreitet. Man kann hier zwar Glücksbringer kaufen und einen Blick durch einen Münzfeldstecher werfen, aber das Gebäude, was ich eigentlich besichtigen wollte, ist mit Pylonen (Verkehrshüttchen) und Netzen abgeschirmt. Ich trete also wieder den Rückweg an – bergab ist man viel schneller. Mir entgegen kommende Pilger trällere ich ein aufmunterndes „gambatte“ („Tun Sie Ihr Bestes“) entgegen, es ist ein Brauch, den ich schon von meiner Fuji Besteigung her kenne, aber auch immer wieder anwende, wenn ich so ein altes Muttchen sehe, wie es sich den steilen Weg zu einem Tempel raufschleppt. Ich hoffe dann, dass ich die Geplagten an mir ein Beispiel nehmen und sich darauf freuen, dass der Rückweg noch nicht einmal halb so anstrengend sein wird, wie der Hinweg. Auf dem Rückweg fallen mir noch unzählige Figuren, Statuen und Gebäude ins Auge. Hier steht sogar eine Statue eines Elefanten und eine Statue des ehemaligen Tennōs Hirohito kann ich ausmachen. Hier vor dem Eingang steht auch ein kleine, abgegriffenen Hundestatue. Ob das so eine Statue ist, wie ich sie aus Tokyo kenne? Dort ist dem Hund Hachiko, der sein Herrchen viele Jahre (um 1924) lang am Bahnhof von Shibuja von der Arbeit abholte, ein Denkmal gesetzt worden. Da er auch nach dem Tod seines, als Professor an der Uni arbeitenden, Herrchens noch 9 Jahre lang am gleichen Punkt auf ihn wartete, wurde der Hund zum Inbegriff der Treue. Schon zu Lebzeiten bekam dieser Hund ein Denkmal und der Bahnhofsausgang („Hachiko Exit“) wurde nach ihm benannt, als er 1935 an Filariose bzw. einigen sagen, er sei auch an den Holzspießchen von den Leckereien eingegangen, mit denen er von Passanten gefüttert worden war.<br /><br />Aber zurück zum Kotohira Hündchen, dessen Statue ein Dankeschön von Schreinpilgern ist, die den langen Weg zum Innersten Heiligtum nicht mehr antreten konnten. Sein Vorbild ist nämlich ein Hund gewesen, der als Bindeglied zwischen Pilgern und oberstem Schrein fungiert hat und mit Pilgergaben den Berg hinauf zum Schreinpriester gelaufen ist. Und auch über die Süßigkeitenverkäuferinnen kurz hinter dem Schreintor konnte ich in Erfahrung bringen, dass diese Plätze vererbt werden und die meisten aufgrund der Tradition hier sitzen, nicht weil sie ein „Gutes Geschäft“ machen. Jetzt aber zurück zum Zentsūji Tempel, dem ich noch eine Stippvisite vor dem Abendessen abstatte. Vor allem die 500 Rakans oder Arhats, wie die Jünger Buddhas in Sankrit genannt werden, haben es mir angetan. 500 deswegen, weil sich nach dem Tod des historischen Buddhas Shakyamuni (536-483 v. Chr. ?), er ist komischer Weise an einem verdorbenen Gericht gestorben, 500 seiner besten Schüler zusammengefunden hatten, um seine Lehrreden (Sutras) zusammenzutragen. Jede Statue ist anders gestaltet, es gibt Dicke und Dünne, Bärtige und Glatte, Grimmige und Fröhliche, Sitzende und Stehende, Muskulöse und Schlanke, Sanftmütige und Kämpferische, Chinesische und Japanische, ja sogar einen mit Hut wie ein christlicher Missionar und zwischen diesen stehen dann noch 88 Buddha-Statuen für die 88 Tempel. Es soll sogar eine Frau unter den Rakans geben, im Tempel 66, der ebenfalls eine 500 Rakan Gruppe aufweist. Eine nach mir gewanderte Pilgerin (Kathrin) aus Deutschland hat sie sogar gefunden und fotografiert. Aber im Zentsūji kann man sich nicht satt sehen: So viele Hallen, Gebäude, Bäume, Steinfiguren und andere Sehenswürdigkeiten!<br /><br />Als ich heute in meinen Ryokan zurückkehre, ich hatte meine Sachen vorsichtshalber aufgeräumt, finde ich meinen Futon im Schrank. Es muss ihn also jemand weggeräumt haben – das ist doch mal rundum Service. Ich habe hier mein eigenes Badezimmer, hätte aber auch keine Probleme mit einem Gemeinschaftsbad gehabt. Beim Abendessen gibt es fast das Gleiche wie gestern: Feuertopf mit Udon-Nudlen, Muscheln, Krebsschere und Garnelen, ein Stück Fisch, eingelegtes Gemüse mit Obergine und Gurke, Rettichsalat, gedämpfter Kürbis, Sashimi, Garnele und Muschelfleisch, natürlich Reis und Tofu in allen Variationen. Meine Wirtin will mich wohl mästen, da sie gestern wahrscheinlich gehört hat, dass ich keine Foto machen lassen wollte, weil ich im Gesicht so schmal aussehe. Deshalb bekomme ich heute noch eine Extraportion Garnelen serviert, obwohl ich schon ohne Extras zu tun habe, alles aufzuessen. Das Gespräch der Pilger im Esssaal fällt auf das Thema Wetter (tenki), es soll morgen mit 70 %-iger Wahrscheinlichkeit regnen (ame). Ich verstehe nicht viel Japanisch, aber wenn ich den Leuten so zuhöre und sie nicht allzu schnell und speziell reden, wundert es mich, wie viel ich dann doch verstehe. Die Wirtin erklärt den Mitpilgern auf Japanisch, dass sie schon mal Amerikaner und Australier beherbergt hätte, aber ich wäre die erste deutsche Frau. Natürlich denkt meine Wirtin, dass ich es nicht verstehe, weil wir bis jetzt mit Englisch ganz gut über die Runden gekommen sind und dafür bin ich dankbar. Aber so ein bisschen Japanisch in petto zu haben, kann nicht schaden, man muss es ja nicht an die große Glocke hängen und sich blamieren, wenn die Japaner dann mal wieder auf einen Einreden. Aber mit dem Wetter habe ich Pech, denn schon heute, wo ich die beleuchtete Pagode des Zentsūji fotografieren wollte, beginnt es zu regnen.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-23366129293174706472010-06-13T04:09:00.000-07:002010-06-13T04:19:01.201-07:00Sonntag, 19.04.2009, Kagawa, Kan-Onji City, Kotohiki Park, Pavillon<a href="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBS-ddjHbDI/AAAAAAAAB0A/Tktr6NBp9dE/s1600/IMG_8732.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5482216059774135346" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBS-ddjHbDI/AAAAAAAAB0A/Tktr6NBp9dE/s320/IMG_8732.JPG" border="0" /></a><strong>Der 35. Tag in Japan</strong><br />Als ich heute mit dem Sonnenaufgang erwache, habe ich kaum geschlafen. Pfauen haben in der Nacht geschrien, ich hörte Musik, die Spülung des angrenzenden Toilettenhäuschens, Mücken summten um mich rum und nicht zu vergessen die „Wasserharfe“ haben mich die halbe Nacht wach gehalten. Zum Frühstück gibt es die Reste der Mochi (Reisküchlein) und Pilgerkekse vom Abendbrot. Meine Sehnenscheidenentzündung in den Handgelenken meldet sich zurück und auch die Knie schmerzen. Ich schieße schnell noch ein paar Bilder von der Münze am Strand und wandere dann über den Kotohiki Hachimangu Schrein in Richtung Tempel Nr. 70. Schnell bin ich „warmgelaufen“ und kann meine Fleecejacke ausziehen. Ich laufe im „Zwiebel Look“, d.h. mehrerer Kleidungsschichten übereinander, um immer passend zur Temperatur angezogen zu sein. Leider muss ich, wenn ich ein Kleidungsstück ausziehen will, erstmal Hut, kleine Tasche und großen Rucksack abnehmen, das dauert dann bis man sich umgeplünnt hat.<br /><br />Die Sonne brennt vom Himmel, es sind bestimmt 25°C. Ich mache kurz Stopp an einem Family Mart (24-h-Shop), in dem ich mir zum Frühstück noch ein „Nikuman“, ein mit Hackfleisch gefüllte Teigtasche, und eine Erdbeermilch gönne. Auf dem Weg zu Tempel Nr. 70 gibt es keinen Schatten, ich laufe am Saitagawa Fluss entlang, fotografiere noch eine Kolonie Schildkröten und einen Fischreiher, die sich im Grünzeug verstecken. Endlich habe ich nach ca. 4,5 Kilometer mein erstes Ziel für heute erreicht. Am Eingangstor kommt mir eine Katze mit grünen Halsbang entgegen gesprungen. Natürlich kraule ich den grauen Tiger erst mal eine Runde, bevor ich den Tempel betrete – so viel Zeit muss sein!<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 70 Motoyamaji (本山寺)</strong><br />„Der Hauptsitz Tempel“ wurde 807 von Kōbō Daishi auf Geheiß des Kaisers Heizei (806-809; 51. Tennō) zum Schutz der Nation gegründet. Der Tempel ist zu seinen besten Zeiten, mit 24 Subtempeln, der größte der Insel Shikoku gewesen und auch Chōsokabe Motochika wollte ihn einst zum Hauptquartier machen, um über die Provinz Sanuki zu herrschen. Der Legende nach soll Kōbō Daishi die Haupthalle (hondō) in einer einzigen Nacht vollendet haben. Andere meinen, er habe den ganzen Tempel in einer Nacht erbaut. Auf alle Fälle wurde der Tempel der pferdeköpfigen Bato Kannon geweiht, die als Assistenten vom Daishi die Statuen von Amida Nyorai und Yakushi Nyorai zur Seite bekam. Die Statue des Amida Nyorai (auch Amitaabha Tathaagata) ist berühmt und wird auch „Fachi-uke-no Mida“ (verwundete Amida Buddha) genannt. Der Name geht auf eine Legende zurück, weshalb der Tempel durch die Chōsokabe Truppen nie niedergebrannt wurde. Der damalige Oberpriester wurde bei dem Versuch getötet, das Eindringen der Soldaten in den Tempel zu verhindern. Als die Soldaten darauf den Hondō (Haupthalle) stürmten, fiel ihnen eine am Arm blutende Amida Statue auf. Die Verletzung erinnerte stark an die des ermordeten Priesters, mal ganz davon abgesehen, dass Holzstatuen im Allgemeinen nicht bluten. So wurden die Chōsōkabe Truppen vertrieben, obwohl manche behaupten, es sein ein angriffslustiger Bienenschwarm gewesen, der die Angreifer in die Flucht geschlagen hat. Wie es auch sei – sehenswert sind die fünfstöckige Pagode, dessen 1. Stufe noch original von Kōbō Daishi stammen soll, das Wächtertor (niōmon), welches aus dem Jahre 1147 stammt, und die Haupthalle von 1300. Sie zählen heute zum „Wichtigen Kulturgut“. 1910 wurde die Pagode vom Oberpriester Yoritomi Miki renoviert, 1955 der Hondō (Haupthalle). Letzterer zählt als einziger in der Präfektur Kagawa zum „Nationalen Schatz“.<br /><br />Als ich durch das Tempeltor komme, fällt mir sofort eine japanische Frau mit sehr kurzen Haaren auf, die hier den Platz fegt. Als sie mich sieht, kommt sie auf mich zu und übergibt mir ein Osettai (Pilgergeschenk) bestehend aus einem Päckchen Kekse und Lakritzbonbon. Bei letzterem bin ich mir nicht sicher, aber sie hatten einen sehr kräftigen Geschmack, obwohl Lakritz genau wie Marzipan in Asien weniger bekannt sind. Sie sieht nicht unbedingt wie eine Pilgerin aus, obwohl sie einen Rucksack trägt, aber vielleicht ist sie ein Gemeindemitglied, das auf Pilger lauert und nebenbei ein bisschen fegt. Hier bewundere ich die schöne fünfstöckige Pagode. Unter Bäumen auf einem Felsen, der mit Azaleen gepflanzt ist, steht eine verwitterte Statue. Ich glaube nicht, dass es sich um Kōbō Daishi handelt, vielleicht der Mönch, der bei dem Versuch gestorben ist, den Tempel vor Chōsōkabe Truppen zu schützen. Die Dachreiter sind nett, springende Löwenfiguren und sogar ein Pferd kann ich erkennen. Seitlich der Hallen stehen auch noch zwei Pferdestatuen, aber nicht solche, wie man sie in Schreinen findet, wo sie zu Ehren von edlen Kriegsrössern ausgestellt worden sind. Die beiden hier wirken eher natürlich, als würde sie gerade auf der Weide grasen.<br />Das Pilgerbüro wäre für mich schwierig zu finden, wenn ich das Schild „納経所“ mit den Schriftzeichen (Kanji) nicht hätte lesen können. Es befindet sich in einem separaten Gebäude, auf dessen Vorplatz einige Palmen wachsen. Im Allgemeinen sind auf dem Tempelgelände Schilder in Form eines kleinen, blauhaarigen Jungen angebracht, die den Weg zum Hondō (本堂; Haupthalle), Daishidō( 大師堂; Daishi-Halle) und zum Nokyoshō (納経所; Pilgerbüro) zeigen. Meist ist auf den Tempelhallen selber vermerkt, ob es der Hondō oder Daishidō ist. Aber zwischen den vielen anderen Schriftzüge, die hier auf Holzbalken und Schildern angebracht sind, gerade den gesuchten zu finden, ist eine Aufgabe für sich. Ich mache mich wieder auf den Weg, da der nächste Tempel ca. 11 km entfernt liegt. Ich muss nur stur die Straße Nr. 11 entlang laufen und den Abzweiger zur Straße Nr. 221 nicht verpassen. Aber die Tour heute ist recht anstrengend, den die Sonne brennt und bei solch einer Asphaltstrecke laufen sich mir dann auch schnell die Füße heiß.<br /><br />Ich sehe wieder einen Fahrradpilger, aber ich habe Ärger mit meinem Rucksack, der durch meine dahin geschmolzenen Hüftpolster schlecht sitzt. Ich bewundere die hübschen Karpfenfahnen (koinobori) und an einem japanischen Spielzeuggeschäft raste ich kurz vor dem Schaufenster. Das ist ein besonders Geschäft, da hier kein Plastikspielzeug „Made in China“ verkauft wird, sondern die hochwertigen, meist handgearbeiteten, traditionell japanischen Spielzeuge, die hier in Vitrinen ausgestellt sind. Unter ihnen befinden sich kleine Samurairüstungen, Miniaturwaffen oder Puppen. Vielleicht sind das die Gegenstücke zu den Puppentreppen für Mädchen. Während am Mädchentag also teure Puppen ausgestellt werden, erhalten die Jungen miniaturisiertes Samurai Zubehör. Das ist dann ebenfalls eine der jahreszeitenspezifischen Dekorationen, die ein traditionell japanisches Haus zu Festtagen schmücken.<br /><br />Als ich aus einem Circul-K Kombini (24-h-Shop) komme, treffe ich auf drei junge Engländer. Durch ihr legeres Aussehen, ist mir gleich aufgefallen, dass es wohl keine Pilger oder Touristen sind. Bei einem kleinen Pläuschchen stellt sich dann auch heraus, dass sie hier als Sprachlehrer angeheuert haben. Was sollten englische Muttersprachler in Japan auch sonst tun? Sie hatten sich schon richtig auf ein bisschen Smalltalk mit mir gefreut, beichtet der eine mir, da sie mich schon vorhin, als ich noch an der Straße entlang lief, gesehen haben. Eigentlich hatten die wohl auf eine Landsfrau gehofft, aber dennoch haben wir ein nettes Gespräch. Vorbeikommende Japanern fallen die Augen fast aus dem Kopf, als sie mich und die drei beisammenstehen sehen. So ein Auflauf an Ausländer kommt hier in der japanischen „Pampa“ selten vor. Aber ich muss mich losreißen, da ich heute noch mindestens drei Tempel, Nr. 71, 72 und 73, schaffen will. Ich laufe durch Mitoyo City, obwohl es hier eher ländlich wirkt. Vor mir kann ich Pilger laufen sehen, ich folge ihnen, dann brauche nicht so aufpassen, den richtigen Weg zu finden. Bei der Hitze ist man geistig ohnehin nicht gut zu Fuß. Ich nutze jeden Schatten, aber anstelle gemütlich vor mich hinzulaufen, merke ich wie ich schneller werde. Will ich die anderen einholen, ich mich nicht einholen lassen oder will ich endlich nur in den Schatten – ich weiß es nicht. Auf alle Fälle fliege ich geradezu den Berg zum Tempel hoch, achte dabei leider nicht so sehr auf den Weg, komme an einem Michi-no-eki genannten Raststätte vorbei, die hier „Fureai Park Mino“ heißt, und muss dann vor so einem kläffenden Hund eine „Vollbremsung“ machen. Anscheinend bin ich über einen Nebenweg gekommen, so dass ich jetzt an einer seitlich gelegenen Ladenzeile stehe. Ich beobachte das Tier an seiner Leine und gehe dann ganz langsam außerhalb seiner Reichweite zum Eingang des Tempels. Aber geschafft habe ich das Ganze noch nicht, denn eine sehr lange, sehr steile Treppe führt nach oben. Als ich endlich oben ankomme, ich blöde Kuh hätte doch meinen schweren Rucksack auch unten stehenlassen können, muss ich mich erst mal ausruhen. Aber anscheinend sehe ich noch nicht so fertig aus, da ein Fotograf mich fragt, ob er einige Bilder von mir am Wasserbecken machen darf. Gern posiere ich und als er fertig ist, suche ich erst mal die Toilette auf, die hier nur über eine Stahltreppe zu erreichen ist. Wenn man nicht schwindelfrei ist, muss man es sich den Besuch des „Stillen Ortchens“ glatt verkneifen, denke ich so bei mir.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 71 Iyadaniji (弥谷寺)<br /></strong>„Der Tempel der 8 Täler“ wurde von Gōgi (668-749) auf Geheiß des Kaiser Shōmu (724-749; 45. Tennō;) gegründet. Ursprünglich wurde der Tempel Yakuni-dera, „Tempel der 8 Länder“ genannt, da man damals von hier einen Rundumblick über 8 Provinzen (u. a. Aki, Bingo, Bittchū, Bizen) hatte. Der Tempel ist Senju Kannon (tausendarmige Kannon) als Hauptgottheit (honzon) gewidmet, aber ob die Statue von Gyōgi oder Kōbō Daishi geschaffen wurde, bleibt offen. Als Junge kam Kōbo Daishi hierher, um in einer als Löwenhöhle (shishi no gankutsu) bezeichneten Höhle zu meditieren. Er soll hier auch geschworen haben, den Buddhismus zu verbreiten. Als er aus China heimkehrte sollen beim Studium des Gumonji-hō (Morgensternmeditation) fünf Schwerte vom Himmel gefallen sein, deshalb wird der Tempel auch als 5-Schwerter-Tempel bezeichnet. An der Felswand hinter dem Tempel gibt es über 1500 Bilder von Amida Buddha, die in die Felswand geritzt wurden, sowie Bilder von Stupas (Reliquientürmchen) und die Worte „Namu Amida Butsu“ (Mantra - Wortformel Amida Buddhas). Ob sie von Ippen Shōnin (13. Jhd) oder von Kōbō Daishi stammen ist ungeklärt, es wird vermutet, dass sie zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert entstanden sind. Der Tempel ist berühmt für seine wundersamen Heilungen - Krücken, Prothesen und andere medizinische Ausrüstung hinter der Haupthalle geben Zeugnis davon ab. Bevor dieser Tempel in den Kreis der 88 Tempel aufgenommen wurde, war er Teil einer kleinen Pilgerreise, welche die Tempel von 71 bis 78 umfasste. Da der Tempel den Tod erleichtern (haka-shō) und sich dementsprechend die Seelen Verstorbener hier versammeln sollen, brachten viele Menschen die Überreste ihrer Toten hierher. Doch diese Pilgerkette ging ebenso in der Pilgerreise der 88 Tempel auf wie die Kette der ersten 10 (Tempel Nr. 1 bis Nr.10). Sehenswert ist die 6 m hohe Kupferstatue von Kongōkyo Bosatsu, der vom Oberpriester Kakurin in der Genroku-Periode (1688-1703) geschaffen wurde. Kongōkyo Bosatsu bezieht sich wohl auf die Erleuchteten (bosatsu) des Diamant Mandalas (Kongo-kai) bzw. dessen Zentralbuddha Dainichi Nyorai, da ein Kongōkyo Bosatsu eigentlich nicht zu den klassischen 13 Buddhas des Shingon gehört. Im 16. Jahrhundert brannten alle Gebäude nieder und wurden um 1720 vom Lord Ikoma von Sanuki wiedererrichtet. Der Schatzturm (tahōto), der ursprünglich zusammen mit Reisfeldern von Kaiser Shōmu (701-756; 45. Tennō) gestiftet worden war, wurde 1877 wiedererrichtet. Das berühmteste Bild im Fels wird „Magai Bustu“ genannt, es zeigt Amida Nyorai mit Kannon und Shōshi Bosatsu an seiner Seite. Shōshi Bosatsu ist ebenfalls kein Buddha des Shingon, vermutlich handelt es sich um die ehemalige Ehefrau Shōshi (988-1074) des Kaisers Go-Reizei (1046–1068; 70. Tennō). Während man die 262 Steinstufen vom Niōmon (Wächtertor) zum Tempel hinaufsteigt, kann man unzählige Buddha Statuen bewundern.<br /><br />Als ich die Tempelhalle aufsuche, muss ich hier die Schuhe ausziehen, um ins Gebäude und zum Tempelbüro zu gelangen. Ich bin zwar auch faul, meine Schnürsenkel „aufzutüddeln“, aber vor allem denke ich an meine armen Mitpilger. Meine „Knobelbecher“ verströmen mittlerweile so eine Mischung aus Käsefuß und „nasser Hund Aroma“. Kein Wunder, bin ich doch zwischenzeitlich 35 Tage in ihnen unterwegs! Ich bin zwar schon dazu übergegangen, ein Bund Räucherstäbchen hineinzustecken, wenn ich sie im Genkan (Flur) eines Ryokans abstellen muss, aber das hilft nur temporär. Hier im Iyadaniji Tempel gibt es einen, wenn auch verschachtelten, Innenraum, der sowohl den Hondō (Haupthalle) als auch den Dasihidō (Daishi-Halle) umfasst. Die Pilger sitzen hier auf Tatami-Matten (Reisstrohmatten) und beten. Als ich dieses Gebäude verlasse, ziehe ich meine Schuhe wieder fester, denn ich möchte noch höher steigen, da es dort die Tigerhöhle und das aus drei Buddhas bestehende „Magai Butus“ zu sehen gibt. Die Neugier treibt mich nach oben, von hier kann ich fast den ganzen Weg sehen, den ich seit heute morgen gelaufen bin. Eine herrliche Aussicht! Als ich mich auf den Rückweg mache, fallen mir an der Treppe die Schilder an den Bäumen auf: Nummerierungen und Namen, z.B. 48 Yamamono („Bergpfirsich“?) in Katakana (jap. Silbenschrift für Fachwörter) und in Hiragana (jap. Silbenschrift für alles andere). Ob das gleichzeitig ein Naturkundepfad ist?<br /><br />Zum nächsten Tempel geht der Pilgerweg endlich wieder über einen Trampelpfad durch den Wald. Anfangs begleiten den Weg noch kleine Steinfiguren, dann bin ich mal wieder allein. Ich passiere eine Teichlandschaft und unterquere den Takamatsu Expressway. Was ich anfänglich für eine Fischzucht gehalten habe, da sich Kormorane auf schwimmenden Netzabgrenzungen niedergelassen haben, stellt sich dann doch als Golfanlage heraus: Von einem überdachten Uferabschnitt aus können die Golfer hier ihre Zielsicherheit trainieren, indem sie in das eine oder andere Netz schlagen. Nachdem ich den Abzweiger zum Tempel an der Straße Nr. 11 gefunden habe, geht es wieder bergauf. Ich habe mich entschlossen, erstmal den höher gelegenen Tempel zu besuchen, da ich bei der Hitze mit meinen Kräften haushalten muss.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 73 Shusshakaji (出釈迦寺)</strong><br />„Der Tempel der Sakkamuni Erscheinung“ erhielt seinen Namen, nachdem der siebenjährige Kōbō Daishi hier vom der Klippe (shashigatake – „Springerklippe“) des Berges Gahaishi sprang. Er hatte geschworen alles Lebende zu retten und mit dem Sprung in die Tiefe, wollte er Auskunft über seine Erfolgschancen erlagen. Er wollte wissen, ob sein Trachten von Erfolg gekrönt sein würde, ansonsten sollte ihn Buddha sterben lassen. Aber – oh Wunder – Buddha Sakkamuni (historische Buddha) erschien mit seinen himmlischen Herscharen und errettete den Jungen. Später kam der Daishi abermals hierher, um das Gumonji-hō (Morgensternmeditation) zu studieren und zu praktizieren. Er hat ebenfalls die Statue des Kokūzō Bosatsu geschnitzt und es dem inneren Heiligtum (okunoin) gewidmet. Die Hauptgottheit im Tempel ist jedoch Shaka Nyorai, der Buddha, der ihn vor dem Tod bewahrt hatte. Vor ca. 300 Jahren wurde der Tempel von der Bergspitze in der Nähe der Klippe an den Fuß des Berges verlegt. Lediglich das Okunoin („innerstes Heiligtum“; shashin ga dake zenjō) liegt heute noch hoch oben am Berg. Man kann die Stätte gut vom Tempel aus sehen und sie ist einen Besuch wert. Bemerkenswert sind ferner die Pinie/Kiefer (kodakara no sanku no matsu), deren dreiteilige Nadeln am Körper getragen Kindersegen versprechen. An der Spitze des Berges Gahaishi soll ein uralter Stein liegen, der vor allem von alten Asketen (Yamabushi?) verehrt wird. Auf dem Weg dorthin (und zum Okunoin) soll eine Hütte des Künstlers Saigyō liegen, den ich noch bei Tempel 72 erwähnen werde.<br /><br />Als ich den Tempel betrete, spricht mich ein Japaner an, der mich wohl schon im Tempel Nr. 71 gesehen hat. Bei einem kleinen Klönschnack bemerkt er, wie schnell ich doch zu Fuß bin und das sogar mit dem schweren Rucksack. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert habe, dass ich in Tempel Nr. 73 stehe, ich wolle den höher gelegenen Tempel doch zuerst erklimmen, verstehe ich nicht, dass ich per pedes schneller sein soll als der Autopilger. Der Mann hat nämlich der Reihenfolge entsprechend, Tempel Nr. 72 zuerst besucht, und ist dann hierher gekommen. Ich muss noch bei Nr. 72 einkehren und habe deshalb nur augenscheinlich einen Vorsprung. Ich bewundere die Statuen im Tempel und als ich mir eine Statue auf einer hohen Säule anschaue, kann ich sogar das Dach des Okunoin (Inneres Heiligtum) sehen. Aber den Weg am Berg bei der Hitze noch zu erkraxeln, das schaffe ich beim besten Willen nicht. Ich werde zusehen, noch den unteren Mandaraji zu besuchen und mir dann in Zentsūji City eine Unterkunft suchen. Wenn es zeitlich geht, wären da noch der Kōyamaji (Nr.74) und Zentsūji (Nr. 75) zu besuchen. Als ich den Tempel wieder verlasse, spült da doch so eine weiße Woge von Pilgern den Berg hoch. Hilfe, denke ich, und suche Schutz in einem Nebenweg, der zu einer Kōbō Daishi Figur führt. Mit viel „konnichi wa“ („Guten Tag“) und „gambatte“ (Geben sie ihr Bestes, nur Mut!“) grüße ich noch die Nachzügler des Tsunami, der jetzt den Tempel erreicht hat. Schnell laufe ich bergab in Richtung Mandaraji, es sind nur ca. 600 m.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 72 Mandaraji (曼荼羅寺)</strong><br />„Der Mandala Tempel“ hieß ursprünglich Yosakaji und wurde 596 als Ahnentempel des Saeki Clans, zu dem auch Kōbo Daishi gehörte, gegründet. Als der Daishi 807 aus China zurückkehrte, gestaltete er den Tempel nach dem chinesischen Vorbild des Chōryūji (chin. Shing-Lung-Si) um. Er schnitze als Hauptgottheit eine Statue des Dainichi Nyorai und stiftete die beiden Mandalas „Taizōkai“ (Mandala des Mutterschoßes) und „Kongokai“ (Mandala des Diamantreiches), die er aus China mitgebracht hatte, dem Tempel, den er jetzt Mandaraji nannte. Von Interesse sind die 377 Täfelchen an der Decke der Haupthalle (hondō). Die regenschirmförmige Pinie/Kiefer (kasamatsu), auch „alterslose Pinie“ (forōno matsu) genannt, die Kōbō Daishi persönlich gepflanzt haben soll, ist leider 2002 aufgrund von Pinienkäferbefall zugrunde gegangen. Aber man ließ aus einem Zweig eine Kōbō Daishi Figur schnitzen, die als Kasamatsu Daishi (Regenschirm-Pinien Daishi) an den Baum erinnern soll. Auf dem Gelände befindet sich noch unter einem Kirschbaum (kasa kake sakura) ein als „Hirune Ishi“ („Mittagsschläfchen Stein“) bezeichneter Stein, auf dem sich der berühmte Poet Saygyō Hōshi (1118-1190) ausgeruht haben soll. Auch eine kleine Hütte (mizukuku an), in der sich der Dichter wohnte, ist auf dem Tempelgelände zu finden.<br /><br />Das Tempeltor des Mandarajis weist sowohl Wächterstatuen als auch Strohsandalen auf. Zum Glück ist hier nicht so viel Betrieb. Aber wenn die Herrschaften von Tempel Nr. 73 sich wieder auf den Parkplatz ergießen, kann es schon hektisch werden. Besonders angetan bin ich vom Räuchergefäß vor der Daishi-Halle (daishidō), da es aufwendig verziert ist. Ich durchsuche das ganze Tempelgelände nach der winkellosen Schirmpinie, erst später erfahre ich aus einem anderen Tempelführer, dass der Baum schon 2002 eingegangen war. Als ich mir dann so die seltsame Schnitzform der Kōbō Daishi Figur ansehen und schließlich noch das Bild der eingegangenen Pinie finde, kann ich mir die Geschichten dann auch alleine zusammenreimen. Jetzt noch schnell zu Nr. 74, der nur ca. 2 km entfernt liegt. Ich laufe an einem kleine Flüsschen entlang und traue meinen Augen nicht. Soll der Tempel etwa hier im Industriegebiet liegen, vielleicht sogar neben der Sandkuhle oder was das auch sein mag? Und tatsächlich, als ich näher komme liegt da doch der Tempel, als hätte man in irgendwo in den Bergen geklaut und hier kurz abgestellt. Am Anfang sehe ich auch kein Tor, nur zwei Stelen, die vor einem Bereich stehen, dessen Gebäude aus neuem, hellen Holz bestehen. Als ich jedoch das Tempelgelände erkunde, treffe ich dann doch noch auf ältere Gebäude und einen Shinto Schrein.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 74 Kōyamaji (甲山寺)</strong><br />„Der Tempel des Helm Berges“ klingt in der Übersetzung etwas holprig, aber es ist der Kopfschutz (engl. amor/hemet) von Bishamonten, einem der 7 Glücksgötter, gemeint, vom dem der Berg seinen Namen hat. Nachdem Kōbō Daishi 821 das in der Nähe liegenden Manno Wasserreservoir auf Geheiß des Kaisers Saga (786-842; 52. Tennō) hat umbauen lassen, da es immer wieder brach und zu Überflutungen kam, gründete er diesen Tempel zum Dank für die erfolgreiche Fertigstellung. Der Legende nach kam ein weiser, alter Mann aus einer Höhle und versprach dem Daishi positive Kraft und Schutz für den Tempel. Sogleich brach Kōbō Daishi einen Stück aus dem Felsen und schuf das Bildnis des Bishamonten, das in der Höhle verwart wird. Den Tempel soll er mithilfe des Geldes errichtet haben, welches er für die Rekonstruktion des Wasserreservoirs (manno ike) erhalten hatte. Vor dem Umbau des Reservoirs, welches heute noch das größte in Japan ist, hielt er ein Goma Ritual (Feuerritual) ab und schnitzte die Figur des Yakushi Nyorai. Zum Dank und als Unterbringungsmöglichkeit für die Statue gründete er den Koyamaji Tempel und machte Yakushi zur Hauptgottheit (honzon). Bemerkenswert sind hier ferner die Koyasu Kannon Figur, die für Kindersegen steht, die Höhle über der Haupthalle (hondō) und die Haupthalle selbst mit ihren bemalten Deckentäfelchen. Es gibt hier einen großen Wassertrog aus Stein. Das Manno-ike Wasserreservoir liegt nur einige Kilometer vom Tempel entfernt, wo eine Kōbō Daishi Figur heute an seinen Konstrukteur erinnert.<br /><br />Die erwähnten Deckentäfelchen im Hondō (Haupthalle) sehe ich mir zwar nicht mehr an, es hat sich gerade eine Traube von Pilgern davor versammelt, um das Herz Sutra zu rezitieren. Aber den Wassertrog und auch die Höhle, die außen sowie innen hübsch ausgebaut wurde, nehme ich in Augenschein. Die knapp 1,5 km bis zum Zentsūji schaffe ich dann auch noch und treffe kurz vor 17.00 Uhr im Tempel ein.<br /><strong><br />Exkurs Tempel Nr. 75 Zentsūji (善通寺)</strong><br />„Der Tempel des rechten Weges“ ist der Geburtsort von Kōbō Daishi und der erste Shingon Tempel Japans. Der Name stammt von Vater des Daishi, den man sowohl „Yoshimichi“ als auch „Zentsū“ lesen kann. Als Oberhaupt des Saeki Klans hat er sowohl Ländereien als auch Bäume für den Tempelkomplex gestiftet. Der Legende nach wurde der Tempel auf dem Sand der 8 heiligen Stätten Indiens gebaut, den Kōbō Daishi von seinem chinesischen Lehrer Hui Kuo erhalten hatte. Die Bauzeit betrug 6 Jahre, wobei Kōbō Daishi die Statue des Yakushi Nyorai, höchster Buddha im Shingon Buddhismus, geschnitzt und ihm den Tempel geweiht hat. Der Oberpriester wird traditioneller Weise vom Kaiser persönlich bestimmt. Der Zentsūji gehört neben dem Kongōbuji, Hauptquartier des Shingon Schule und Mausoleum des Daishi auf dem Koyasan, sowie dem Tōji Tempel in Kyoto, erste Wirkungs- und Ordinationsstätte des Daishis, zu den drei wichtigsten Tempel des Shingon in Japan. Der Tempel wird in einen Ost- und einen Westteil gegliedert, wobei der Ostteil den goldenen Hondō (Haupthalle; auch kondō, „Goldene Halle“), die Pagode, die Jōgyō Halle und drei Tore aufweist. Die erste Pagode stammt aus dem Jahre 813, die jetzige, vierte, Rekonstruktion stammt aus dem Jahre 1884. Der größere Westteil enthält das Niōmon (Wächtertor), Chokushi Tor, Hiei Halle, Jizō Halle, Goma Halle, Shōrei Halle, Schatzhalle mit dem Patriarchenstab des Shingon, eine neue Meditationshalle, eine Stupa (Reliquienturm) und das „Iroha“ Gebäude. In einem Gebäude namens Tanjō-in gibt es den Kaidan Meguri („Geister Pilgerreise“), eine Art unbeleuchteter Tunnel in dem man an 88 Buddha Statuen entlang laufen muss. Man sagt, dass böse Menschen in diesem Tunnel steckenbleiben. Eine rechteckige Platte im Tunnel markiert den Geburtsort von Mao („wahrer Fisch“), wie der Jungenname des Daishis lautet. Allerdings gibt es darüber einige Kontroversen, da menstruierenden bzw. gebärenden Frauen der Zugang zu Tempeln zu damaliger Zeit versagt wurde. Da sie als rituell unreich galten, würde wohl keiner einen Tempel an einem solchen Ort errichten. Es ist also fraglich ob diese Stelle hier, die man Byōbugara nennt, nun hier oder in der Nähe an einem Stand, wo jetzt ein Bangai Tempel steht, zu finden ist. Man geht davon aus, dass Yoshimichi Saeki mit seiner Frau Tamayori-gozen den kleinen Mao dort am Meer aufgezogen haben könnten. Ein ehemaliges Haus, das jetzt ein Tempel ist und Miedo genannt wird, war mal das Haus von Kōbō Daishis Mutter. Aber im Zentsūji Tempel kann man noch den Ort finden, wo der kleine Mao seinen Hund begrub oder seine erste Statue geschnitzt hat.<br /><br />Jetzt bin ich aber platt! Die Straße, die hier vom Zentsūji Tempel abgeht hat fünf Ryokans, in denen Pilger willkommen sind. Ich versuche mein Glück im ersten, dem Yamamoto Ryokan, und bekomme prompt ein Zimmer. Die Wirtin vermietet mir ein Tatamizimmer mit eigenem Bad. Es ist zwar alles etwas alt und siffig, aber ich habe ein Dach über dem Kopf und da ich mir heute ein ordentliches Abendessen gönne, muss ich mir auch darüber keinen Kopf machen. Ich lauere noch auf den Regentag, den der Wetterbericht vor zwei Tagen angekündigt hat, aber vielleicht hat sich der Regen schon verzogen. Ich nehme ein heißes Bad, das muss heute sein, auch wenn ich hier kein O-furo (jap. Gemeinschaftsbad) habe. Es gibt ein grandioses Abendessen mit Feuertopf (Udon) und Jakobsmuscheln. Als ich gerade das Abendessen mit der Kamera dokumentiere, fragt mich ein Japaner im Speiseraum, ob er von mir ein Bild machen soll. Nein danke, antworte ich, ich sehe zurzeit dermaßen abgehetzt und ausgezehrt aus, dass das kein schönes Bild werden würde. Dafür zeigt mir die Wirtin, die sehr gut Englisch spricht, ein neues Motiv. Hierzu winkt sie mich auf die Straße und präsentiert mir die beleuchtete Pagode des angrenzenden Zenzūji Tempels. Das ist die drittgrößte Pagode in ganz Japan, fügt sie hinzu. Als ich nach dem Abendessen auf mein Zimmer komme, ist sogar mein Futon gemacht. Peinlich, denke ich, da ich nicht mit diesem „Service“ gerechnet habe, hatte ich meine paar Sachen auch nicht sonderlich aufgeräumt.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-68056439003080969602010-06-11T06:53:00.000-07:002010-06-11T07:12:05.896-07:00Samstag, 18.04.2009, Kagawa, BH nahe Bangai Tempel 15<a href="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBJD4kPMCBI/AAAAAAAABz4/tAsjF6CK6SM/s1600/IMG_8260.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5481518335542429714" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBJD4kPMCBI/AAAAAAAABz4/tAsjF6CK6SM/s320/IMG_8260.JPG" border="0" /></a> <strong>Der 34. Tag in Japan</strong><br />Ich stehe noch vor 6.00 Uhr auf, obwohl hier in mein dunkles Loch unter der Brücke nur wenig Licht fällt. Zwar weist der Himmel kein Wölkchen auf, aber dennoch ist des hier so dunkel? Natürlich, da ich mich nahe am Fluss befinde, halten die umgebenden Berge die Sonne ab. Schnell habe ich mein Kombini (24-h-Shop) Frühstück verdrückt und mich auf den Weg zurück zum Abzweiger zu Tempel Nr. 66 (Unpenji) gemacht. Das große Digitalthermometer zeigt keine 10°C, obwohl die Sonne scheint und es Mitte April ist. Ich passiere ein Restaurant mit der Aufschrift „Cafe Autobahn“ und frage mich, was hier als „deutsches Essen“ angeboten wird. Aber ich werde enttäuscht, nur der Name klingt nach Deutschland, denn die Plastikmodelle zeigen ausschließlich japanische Menüs. Vielleicht ist der Inhaber mal im Urlaub in Deutschland gewesen, und war dann derart begeistert vom „Land des unbeschränkten Tempolimits“, dass er sein Restaurant danach benannt hat. Aber ich wandere erst mal an der anderen Flussseite entlang. Ich überquere den Fluss dann bei einer großen Brücke und ehe ich mich versehe, weisen mir Schilder dann auch schon den Weg zu Tempel Nr. 66. 9 km heißt es auf dem blauen Schild, doch dies gilt für die Autostrecke und ich hoffe, dass der Fußgänger Trail doch etwas kürzer ist. Ich passiere ein kleines Teefeld und auf den angrenzenden Äckern pflügt ein Bauer mit so einem kleinen Traktor sein Feld. Die kleinen Landmaschinen und Autos hier in Japan sind einfach süß. Kaum größer als ein Aufsitzmäher schiebt sich der kleine „Trecker“ durchs Feld. Im Nachbarfeld stehen die Reissetzlinge ordentlich in Reih und Glied. Die Feldbewässerung ist eine Kunst, da das Wasser meist nicht steht, sondern von den obersten über die mittleren bis zu den unteren Feldern fließt. Man hat mir mal erklärt, dass die Felder deshalb so klein sind, weil nach dem Krieg niemand mehr als ein Hektar Land haben durfte.<br /><br />Jetzt geht es wieder in die Berge und ich habe an meinem Rucksack richtig zu schleppen. Leider hat sich mein „Hüftgold“ mit der Zeit verflüchtigt, so dass der Rucksack nicht mehr richtig sitzt. Ich habe zwar die Riemen bis zum Anschlag zugezogen, merke aber nach einigen Minuten wie ich ein Kribbeln in der Leiste bekomme. Da drücken die Riemen wohl die Blutversorgung ab und ich hüpfe dann einige Male, um die Riemen wieder auf Taillenhöhe zu bringen. Die Verkehrsschilder muntern mich auf, jetzt bin ich schon 3 km gelaufen. So hangle ich mich von einem Schild zum nächsten, denn der Trail verläuft hier zwar auf Asphalt, ist aber autounfreundlich steil. Kurz hinter dem Schild hat jemand Bänke aufgestellt und ich nutze sie für ein kleines Päuschen. Von hier aus kann ich sogar schon den Unpenji sehen, wenn ich durch die Baumwipfel lukend, den größten Zoom meiner Kamera benutze. Ich kann ein helles Gebäude und eine große Statue auf einem Berg ausmachen. Ich laufe weiter und die Straße wandelt sich. Sie scheint nagelneu geteert worden zu sein, da hier noch Pylonen (Verkehrshütchen) stehen und auch die Fahrbahnmarkierung ist noch strahlend weiß. Aber warum hat man die Straße bloß so steil gebaut, wenn ich als Fußgänger hier schon kaum hoch komme, was sollen denn erst die Autofahrer machen, die die Straße zum Tempel hochfahren wollen? Nur nicht stehenbleiben, sonst rollt man wieder den Berg hinunter und auf keinen Fall Gegenverkehr, wer soll denn bei diesem Gefälle am Hang anfahren können? Eine große Tafel mit der Aufschrift Shikoku Michi („Shikoku Weg“) informiert mich über die Lage des Tempels und die Entfernungen der, in der Nähe liegenden, Sehenswürdigkeiten. Ich werde wohl noch einmal mit einer Seilbahn fahren müssen, damit ich den Weg vom Unpenji zum Bangai Nr. 16 nicht verfehle. Aber endlich passiere ich ein Paar Stelen und kurz darauf das Tor zum Unpenji, welches sowohl rote Wächterfiguren (niō) als auch riesige Strohsandalen (waraji) enthält. Die Sonne scheint hier durch die Bäume und die Aussicht von hier oben ist atemberaubend. Ich wundere mich immer wieder, wie man zu Fuß, dabei mit fast 15 kg Gepäck bestückt, dann doch so einen Berg erklimmen kann. Man braucht zwar länger als die motorisierten Pilger, aber erreicht sein Ziel dann doch. Es ist immer ein erhebenden Gefühl, nicht nur den Tempel erreicht, sondern auch den Berg gemeistert zu haben. Man hat sich dann eine gewisse Höhe erarbeitet, die einem den Abstieg auf der anderen Seite des Berges erleichtert. Das Gefühl muss man sich bewahren und beim nächsten Aufstieg immer daran denken, wenn man sich jetzt quält, den Berg hochzukommen, der Abstieg dann umso leichter ist.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 66 Unpenji (雲辺寺)</strong><br />„Der Tempel der schwebenden Wolke“ wurde 790 von Kōbō Daishi an der Stelle gegründet, wo er einige Jahre zuvor eine buddhistische Reliquie aus Stein zurücklassen musste. Aber es könnte auch 807 passiert sein, wo er auf Anweisung des Kaisers Saga (786-842; 52. Tennō) zwecks Tempelgründung hierher kam und eine Krankheit, die die Bewohner gefallen hatte, mithilfe seines Wanderstabes unter die Erde verbannte. Die Pilgerführer sind in diesem Punkt etwas widersprüchlich. Auch wenn es darum geht, ob Chōsokabe Motochika, der hier im 16. Jahrhundert die Idee bekam, die drei angrenzenden Provinzen Awa, Iyo und Sanuki zu unterwerfen. Hat er den Tempel nach seinem Gespräch mit dem Oberpriester Shunsō nun niederbrennen lassen oder hat das mutige Auftreten des Geistlichen den Kriegsherrn dazu veranlasst, den am höchstgelegenen Tempel Shikokus (911 m) zu verschonen? Auf alle Fälle umfasste der Tempel zu seinen besten Zeiten 7 Schreine, 12 angegliederte Hallen und 8 Zweigstellen und wurde „Shikoku Kōya“ genannt. In Anlehnung an den großen Tempelbezirk des Shingon Buddhismus auf dem Koya-san im Kii-Gebirge. Die Hauptgottheit (honzon) ist die tausendarmige Kannon (Senju Kannon). Eine andere Kannon Statue und ein Fudō zählen heute zu den Nationalschätzen. Der Tempel wurde Kaiser Kameyama (1249-1305; 90. Tennō) gewidmet, der hier einen Ginko Baum gepflanzt hat. Der Stamm des Baumes trägt eine Inschrift in Sanskrit (alte indische Sprache) und als Reliquie hinterließ der Kaiser seinen Haarschopf. Nach seiner Entmachtung wurde der 90. Kaiser (Tennō) von Japan Mönch, gründete den Zen-Tempel Nazen-ji in Kyōto und verbrachte den Rest seines Lebens dort. Bemerkenswert ist ferner, dass der erste Tempel in der Aufzählung der Präfektur Kagawa strenggenommen in der Präfektur Tokushima steht. Seit 1987 erleichtert eine Seilbahn dem Pilger den Besuch in diesem „Sekisho“ (Grenztempel), der den Pilger eigentlich spirituell prüfen sollte, ob er die Pilgerreise fortsetzen darf oder nicht.<br /><br />Es gibt hier zwar eine Seilbahn, die aber aus meiner Sicht an der falschen Seite des Unpenji-yamas gebaut worden ist, da der Trail von der gegenüberliegenden Seite kommt. Während der Fußpilger die Strecke also über asphaltierte Straßen läuft, die wie erwähnt, gerade erneuert wurde, kann der motorisierte Pilger mit Auto oder Bus auch bis Sanroku fahren, um sich dann von dort mit der Seilbahn auf den Berg zum Tempel bringen zu lassen. Laut Kartenbuch ist sie 2,7 km lang und benötigt 7 Minuten, um den Pilger auf ca. 1000 m Höhe zu bringen. Das Tempelgelände ist ein weitläufiges Terrain, das neben den eigentlichen Hallen viele Details zu bieten hat. Zum Beispiel die Tanuki Figuren (Marderhunde), einen eigenartig verschmolzenen Stein (kankan ishi) und eine Obergine aus Metall gearbeitet, die hier auf einem Granitblock liegt. Die riesige Figur auf dem Gipfel des Berges, die einen Dreizack in Händen hält, ist wohl eine Kannon Statue. Besonders interessant finde ich die Sammlung von 500 Rankan Figuren, ehemals Jünger Buddhas. Sie stehen hier, jeder individuell gestaltet. Es soll sogar eine weibliche Figur direkt an einem Willkommensschild stehen, da ich zu diesem Zeitpunkt von ihr nichts wusste, habe ich leider auch nicht auf sie geachtet. Mittendrin befindet sich eine Anlage mit dem liegenden Buddha oder ist es eine Sterbeszene? Ich sehe Hotei, der mit Kindern spielt, eine als Schildkröte gestaltetes Weihrauchgefäß, Bodhidarma, legendärer Kampfmönch (Shaolin in China!) und Begründer des Zen-Buddhismus in Japan. Ich könnte mich hier stundenlang aufhalten und Fotos knipsen, man kann sich hier einfach nicht satt sehen. Aber als eine Familie ihren gebrechlichen Vater mit dem Rollstuhl durch das Tempelareal karrt, holt mich das in die Wirklichkeit zurück. Dass man die alten Herrschaften noch derartige Tourtouren zumuten muss, bleibt mir unverständlich! Zumal die beiden Frauen (Oma und Schwiegertochter) und der Mann echt zu tun haben, Opi mit seinem Rollstuhl den steilen Weg hochzuschieben. Aber Opi wird nicht nur bis zur großen Kannon Statue geschoben, sondern muss auch noch einige Schritte mit dem Pilgerstock gehen, bevor er seine Pilgerverpflichtungen erfüllt hat.<br /><br />Leider sind einige Gebäude aufgrund von Bauarbeiten verhüllt, aber es gibt hier genügend andere interessante Dinge zu sehen. Wie die verschiedenen Arten von Talismane, die hier verkauft werden, die mit Moos bewachsenen Steine, die aussehen als hätte man sie aus einer chinesischen Landschaft geklaut, und die Gebetsmühlen, mithilfe derer man seine Gebetsgänge zwischen den Tempelhallen zählen kann oder dreht man sie, wie in der tibetischen Gebetstradition, einfach nur? Ich gehe am Omukae Daishi, dem „Willkommensdaishi“, zum Abschied vorbei, da ich den Berg über die Seilbahnstation verlassen möchte. Ich habe mich nun doch entschieden, sie zu benutzen, damit ich nicht auf den falschen Weg komme, da ich vor Tempel Nr. 67 noch unbedingt Bangai Nr. 16 besuchen möchte. Wenn es nicht so dunstig wäre, hätte man eine noch bessere Aussicht, vielleicht würde man den Bangai Tempel schon von hier oben sehen können. So verschwimmt aber der Rand der Ebene, die sich vor mir erstreckt. Mir fällt ein Skilift auf, der parallel zur Seilbahn verläuft und ich muss, bei der Vorstellung unter den Augen der Kannon Statue Ski zu fahren, grinsen. Als ich in der Talstation eintreffe, liegt die noch nicht wirklich im Tal, sondern auf halber Höhe. Hier gibt es einen riesigen Parkplatz, um den sich viele Geschäfte angesiedelt haben. Vor einem Geschäft werden Dangos, Reisbälle, die in Soße getaucht werden, am offenen Feuer geröstet. Leider ist der Pilgerweg hier nur schlecht beschildert, so dass ich mich erstmal in Richtung Iseki bzw. Ōya See auf den Weg mache. An letzterem soll Bangai Nr. 16 liegen. Ich wandere durch Wildnis, die von Feldern und niedrigen Büschen charakterisiert wird. Die Sonne brennt und es gibt keinen Schatten, aber endlich habe ich Bangai Nr. 16 erreicht.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel 16 Hagiwaraji (萩原寺)</strong><br />„Der Tempel des Buschkleefeldes“ wurde von Kōbō Daishi vor 1200 Jahren gegründet und „Karadasan Hibuse Jizō Bosatsu“ gewidmet. Ob dies eine Sonderform des Jizōs ist oder eine eigenständige Gottheit, konnte ich leider nicht herausfinden.<br /><br />Obwohl es in der Beschreibung heißt, dass dieser Tempel vor 1200 Jahren von Kōbō Daishi gegründet wurde und ein spezieller Ausbildungstempel für Shingon Priester gewesen sein soll, sowie über 280 Zweigstellen in ganz Japan verfügt habe, ist der heutige Tempel ein ungepflegter und heruntergekommener Einkaufsladen. Das Pilgerbüro kommt einen vor wie ein 100-Yen Shop, in dem man von Kinderspielzeug über Pilgerutensilien und andere Reisegeschenke (omiage) alles Mögliche kaufen kann. Normaler Weise bin ich ein Fan dieser 100-Yen-Shops, da man alles Nützliche und Unnutze, was man für 100 Yen kaufen kann, auf kleinstem Raum findet. Aber für ein Pilgerbüro ist es dann doch etwas unpassend. Auch als die Frau mein Pilgerbuch abzeichnen will, ist sie so hektisch, dass die den Stempel an die falsche Stelle setzt. Anstelle den Eintrag nach Bangai Tempel Nr. 15 zu machen, drückt sie ihren Stempel doch einfach auf die freigelassene Seite, die ich für Bangai Tempel Nr. 1 vorgesehen hatte. Ich notiere mir also in mein Pilgerreise Notizbuch, dass der erste Bangai-Tempel nicht Nr. 1, sonder leider Nr. 16 ist! Während meines Aufenthalts im Tempel wird das Tor von Bienen in Beschlag genommen. Der Rückweg durchs Tor ist mir versperrt, da der ganze Bereich plötzlich nur so von Bienen wimmelt. Ich wusste gar nicht, dass ein Bienenscharm so groß sein kann. Ich hatte zwar beim Durchschreiten des Tores durchaus gesehen, das einige Bienen an der linken Seite durch ein Loch krabbelten, doch jetzt ist die Luft vor dem Tor verfüllt mit lauter Bienenleibern, die komischer Weise derart in der Luft stehen, als wollten sie den Durchgang versperren. Nach einem kurzen Abstecher in ein Nebengebäude machte ich mich auf den Weg zu Tempel Nr. 67.<br /><br />Die Sonne brennt, ich habe zwar schon Sonneblocker nachgelegt, aber hier in der Ebene gibt es nur Felder, kein Wäldchen, das mir Schatten spenden könnte. Auf den langgestreckten Asphaltstraßen, ich schätze es geht hier 5 km geradeaus, komme ich mir vor wie in der Wüste. Bei einem kleinen Schrein, der auf einem bewaldeten Hügel liegt, lege ich eine kurze Rast ein. Zum Glück ist es verboten, Bäume auf Schreingeländen zu fällen, da es meist heilige Bäume sind, in denen Götter wohnen. In Großstätten erkennt man Schreingelände schon von Weitem, da sie meist die einzigen bzw. größten Bäume der Gegend aufweisen. Auf meinem Weg zum Tempel Nr. 67 komme ich an einem Lotoswurzelteich vorbei. Lotoswurzeln werden in Japan eingelegt als Gemüse gegessen. Es sind meist etwas dickere Scheiben, in denen viele Löcher sind, sie werden als „Renkon“ bezeichnet. Leider sind auf dem Trail die Pilgerschilder Mangelware, obwohl ich auf dem beschriebenen Trail wandere, finde ich erst kurz vor dem Daikōji Tempel einige Schilder.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 67 Daikōji (大興寺)</strong><br />„Der Tempel des großartigen Wachstums“ wurde 822 von Kōbō Daishi auf Geheiß des Kaisers Saga (786-842; 52. Tennō) gegründet. Der Tempel wird auch „Komatsuji“ genannt, was so viel wie „Schwanz einer kleinen Pinie“ bedeutet und sich wohl auf den Bergnamen bezieht. Kōbō Daishi hat hier die Gongen (budd. Bezeichnung für shintoistische Götter) der drei Großschreine von Kumano verehrt und die Statue des Yakushi Nyorai als Hauptgottheit (honzon) geschnitzt. Aber nicht nur der Shintoismus war und ist immer mit dem Daikōji vergesellschaftet gewesen, sondern auch die buddhistische Tendai-Sekte hat einige Zeit lang zusammen mit der Shingon Sekte Kōbō Daishis diesen Tempel geführt. Zu seiner besten Zeit gab es hier 24 Shingon und 12 Tendai Gebäude, die aber im 16. Jahrhundert von Chōsokabe Truppen niedergebrannt worden sind. Die Zeit zwischen 1573 und 1592 überstand nur die Haupthalle (hondō), die anderen Gebäude wurden im 17. Jahrhundert wiederaufgebaut. Bemerkenswert sind hier ein Kampfer- und ein Muskatnussbaum, die der Daishi persönlich gepflanzt haben soll. Es gibt zwei Daishi-Hallen (daishidō) an denen jeweils die Gläubigen des Shingon Buddhismus bzw. die der Tendai Schule beten können. Die über 3 m messenden Niō Statuen (Wächterstatuen) stammen von dem berühmten Künster Unkei (1223) und sind die größten auf der Shikoku Pilgerreise. Es gibt eine Statue des chinesischen Tedai Sektengründers „Tentai Daishi“. Es ist nicht Saichō, ein anderer japanische Mönch, der zusammen mit Kōbō Daishi nach China reiste, um vor Ort den Buddhismus und seine verschiedenen Schulen zu studieren. Der Tempel hält aber auch noch eine Legende parat, die von einem Liebespärchen in der Edo-Zeit (1603-1868) handelt. Eine Gemüseverkäuferin names Oshichi und der Tempelbediensteter Yoshisaburō, verliebten sich und wollten heiraten. Aber die Frau starb sehr unerwartet bei einem Brand in Tokyo. Als jetzt Yoshisaburō während der Pilgerreise für die Seele seiner Geliebten hier am Tempel ankam, bemerkte er, dass der Hals der Wächterstatue kaputt war. Nachdem er den Tempelvorsteher um Erlaubnis gefragt hatte, nahm er den Kopf der Wächterstatue auf die Schulter und trug sie, um Spenden für die Reparatur bittend, durch Shikoku.<br /><br />Das Tor mit den größten Wächterstatuen der Pilgerreise schaue ich mir natürlich genauer an und da beide ihren Kopf fest auf den hölzernen Schultern tragen, ist Yoshisaburō mit seiner Spendensammlung wohl erfolgreich gewesen. Es ist ein ordentlicher Tempel, nicht so ein zusammen gewürfeltes Sammelsurium wie Bangai Nr. 16. Zu meinem Erstaunen entdecke ich eine Eule in einem Käfig, die daneben sitzenden Männer lächeln mich an. Ob die Eule ein Glücksbringer ist? Links und rechts von der Haupthalle (hondō) stehen die beiden Daishi-Hallen (daishidō), aber welcher nun zum Shingon und welcher zum Tendai Buddhismus gehört, entzieht sich meiner Kenntnis. Hier hängt aber auch ein Bildnis Kōbō Daishis, das, wenn man es näher betrachtet, aus lauter japanisches Schriftzeichen (Kanji) besteht. Das ist doch eine tolle Idee, vielleicht sind das sogar die Schriftzeichen des Herz-Sutra. Da ich nicht weis, wo im Bild ich anfangen soll, bleibt diese Frage ungelöst. Hier hängt außerdem noch ein Poster, das Fremdwerbung macht. Nicht für die 88 Tempel von Shikoku wird geworben, sondern für die 33 Tempel, die der Gottheit Kannon Bosatsu gewidmet sind und in Kyoto liegen. Es gibt in Japan sogar die Möglichkeit „100 Tempel der Kannon“ zu besuchen, die sich in „Saikoku“ im Gebiet Kansai (33 Tempel in und um Kyoto, Ōsaka, Wakayama etc.), „Bandou“ im Gebiet Kanto (34 Tempel in und um Tokyo) und „Chichibu“ im Gebiet um Saitama, gliedern.<br /><br />Vor den Hallen liegen Dachpfannen aus, die man beschriften und dem Tempel spenden kann. So kann man natürlich auch ein Dach renovieren! Als ich den Tempel verlasse, komme ich auf dem Rückweg wieder am Ōhira Ryokan vorbei. Hier war ich auf dem Hinweg zum Tempel etwas vom Weg abgekommen, als ich ein Kätzchen hier schreien hörte. Da ich es nicht finden konnte, bin ich dann weiter am Haus vorbei gelaufen, anstelle den direkt Weg daran vorbei zum Tempel zu nehmen. Eigentlich hätte ich im Ryokan nach einer Unterkunft fragen können, aber ich spekuliere darauf, das ich in der verbleibenden Zeit noch den Weg zu Tempel Nr. 68 und 69 schaffe, die gemeinsam auf einem Areal, in der Nähe des Kotobiki Parks liegen sollen. Laut Wetterbericht muss ich morgen wieder mit erhöhter Regenwahrscheinlichkeit rechnen, obwohl ich gerne im Park direkt am Strand schlafen würde. Als ich schließlich am Eingangstor eintreffe, ich musste mich mal wieder durch ein Stadtlabyrinth von Straßen und Gässchen quälen, ist es schon 16.45 Uhr. Ich stürme über das Gelände und finde das Pilgerbüro, wo man mir, zu meinem größten Erstaunen, gleich zwei Pilgerbucheinträge macht. Ich atme auf, das hatte ich doch im Tempelführer gelesen!<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 68 Jinnein (神恵院)</strong><br />„Der Tempel der Gnade Gottes“ wurde aufgrund einer Vision des Mönches Nisshō am 21. März 703 gegründet. Der Mönch gehörte zum Yogacara (Hossō-shū Schule) Buddhismus, einer philosophische Bewegung, die die Wirklichkeit als Projektion des eigenen Geistes auffasst. Ihm erschienen am Berg Kotohiki („Zitterspielen“) sieben farbige Wolken. Danach sah er ein Schiff mit dem Koto (jap. Zitter) spielenden Gott Hachiman (shintoistischer Kriegsgott), der ihm erklärte, dass er diesen wunderschönen Ort nicht mehr verlassen werde, sondern hier bleiben möchte, um Buddhas Dharma (Lehre) und die Gesetzte zu schützen. Nisshō barg das Schiff mithilfe von Einheimischen, baute Hallen in denen das Schiff, die Zitter und andere Schätze verwart werden konnten und nannte diesen Ort Kotobiki-Hachiman-Guu. Aber er weihte dem Tempel bzw. Schrein auch einer Statue von Amida Nyorai, der als buddhistische Verkörperung Hachimans gesehen wird und eine Figur der Prizessin Jinguu (169-269). Letztere war nach Ableben ihres Mannes von 209 bis 269, als ihr Sohn die Regentschaft wieder übernahm, Kaiserin von Japan (Tennō) und soll sich bei einem legendären Feldzug in Korea einen Namen gemacht haben. 722 Besuchte Gyōgi diesen Ort und von 806 bis 810 soll Kōbō Dasihi hier gelebt haben. Er hat auch das Bild von Amida Nyorai bzw. dem zitterspielenden Hachiman (kotobiki hachiman) gemalt, der hier als Hauptgottheit (honzon) verehrt wird und den Tempel „Jinnein“ genannt haben. Während der Meiji-Restauration wurde der Kobobiki-Hachiman- Guu Schrein und der Jinnei Tempel getrennt, wobei die Amida Nyorai Statue in die Yakushi Halle des Kannonji (Tempel Nr. 69; siehe unten) überstellt wurde. Die Haupthalle (hondō) des Jinnein wurde im Jahre 2003 aus Beton erstellt. Bemerkenswert sind nicht nur die früheren Verbindungen zwischen Tempel Nr. 68 und 69, noch heute pflegen sie ein gemeinsames Pilgerbüro (nokyoshō), in dem der Pilger die Stempel und Signaturen für beide Tempel erhält. Auch das Eingangstor (niōmon) teilen sich die beiden Tempel. Neben der Haupthalle (hondō) gibt es einen Garten, der Gigien genannt wird und vom 45. Oberpriester des Jinneis gestaltet worden ist. Sehenswert ist ferner die Darstellung einer riesigen Münze (zenigata sunae; „münzenförmiges Sandbild“) am Strand, die aus Sand aufgeschüttet ist und das erste Mal 1633 nach dem Modell einer Münze aus der Kanei Periode (1624–1643) erstellt wurde. Spezielle Aussichtspunkte liegen auf halber Höhe zwischen Tempel und Strand.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 69 Kanonji (観音寺)</strong><br />„Der Tempel der Kannon“ wurde wie schon der vorherige Tempel vom Mönch Nisshō gegründet (701-703), allerdings unter dem Namen „Jinguuji“. Dementsprechend war er ursprünglich wohl auch der Kaiserin Jinguu gewidmet. Um das Jahr 793 wird ein Mann namens Rigen Oberpriester des Tempels und benennt ihn in „Jinnein“ um. 807 kommt Kōbō Daishi hierher und baut neben dem Tempel am Fuße des Kobobiki Berg, 7 Hallen, 47 Stupas (Reliquientürme). Er weiht den Tempel, in Erinnerung an Jinguu, Shō Kannon, deren/dessen Statue er auch geschnitzt hat. Der Tempel wird jetzt „Kanonji“ genannt, genau wie die Stadt hier. Zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert erblüht der Tempel, er wird zum Ort wo man für die Gesundheit der Kaiser Kammu (737-806), Heizei (774-824) und Kameyama (1249-1305) betet. Der Hondō (Haupthalle) wird 1472, 1525 und zuletzt 1959 restauriert und zählt heute zum „Wichtigen Kulturgut“. Interessanter Weise hat dieser Tempel keine Daishihalle, dafür wird berichtet, dass der Daishi nach einer Vision vom Hachiman hier sieben Schätze vergraben haben soll, weshalb der Tempel auch „Shichihozan (sieben Schatz) Kannonji“ genannt wird. Aber zu seinen eigentlichen Schätzen, sie werden als „Nationale Schätze“ gelistet, zählen eine Ikone des Buddhas wie er ins Nirvana eingeht (Shaka nehan –zō), eine Fudō Myōō Statue und die Schriftrollen, in welche die Legende <a href="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBJBzO-5nfI/AAAAAAAABzw/X0GR4XbVxMU/s1600/IMG_8553.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5481516044914367986" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBJBzO-5nfI/AAAAAAAABzw/X0GR4XbVxMU/s320/IMG_8553.JPG" border="0" /></a>um den Kotobiki Hachiman erzählen wird.<br /><br />Nach dieser Hektik in der Abendstunde sehe ich mich in Ruhe im Tempel um. Erkunde jeden Winkel, sehe mir den Gigien-Garten an und mache mich schließlich auf den Weg zum Strand. Hier im Kotohiki Park soll es eine aus Sand aufgeschüttete Figur einer Münze geben. „Zenigata sunae“ oder auch „Kan-ei-tsuho“ wird diese Sehenswürdigkeit genannt, die schon im 17. Jahrhundert den Strand geschmückt haben soll. Aber erstmal suche ich den Strand, finde zwar die Münze, aber so direkt davor kann man außer ein paar tiefen Gräben kaum was erkennen - es ist alles weißer Strandsand. Mich beschleicht die Befürchtung, dass ich jetzt den Weg, den ich bekommen bin, wieder hoch kraxeln muss, da ich den Aussichtpunkt hoch über dem Strand von hieraus sehen kann. Ich mache mich also auf den Weg, die vielen Stufen zu erklimmen, jedoch nicht ohne die Augen nach einer Schlafstätte offen zu halten. Als ich dann in der Aussichthütte ankomme, haben sich dort schon andere Pilger gemütlich eingerichtet. Dann muss ich wohl doch unten im Park im Pavillon schlafen. Da bin ich dann auch alleine und muss mit keinem um die Wette schnarchen. Ich fotografiere noch den Sonnenuntergang, wie so viele Touristen, die den Weg hier herauf gefunden haben. Auf dem Rückweg zum Pavillon versorge ich mich noch mit Getränken aus dem Automaten, als plötzlich ein Pfauenschrei meine beschauliche Abendstille zerreißt. Auch das noch, denke ich so bei mir, hoffentlich hält der heute Nacht den Schnabel! Aber nicht der Vogel, sondern eine Konstruktion namens „Wasserharfe“ soll mir mit ihren tropfendem „Klingeling“ die Nachtruhe rauben. Als ich den Pavillon betrete, die WCs sind im angrenzenden Gebäude untergebracht, reinige ich erst mal die Bank von Sand, auf der ich die Nacht verbringen will. Schnell habe ich mein Abendessen bestehend aus Pilgerkeksen und Mochi (Reisküchlein) mit Weintraubenlimonade verzehrt und mich zur Ruhe gebettet, als laute Musik mich abermals stört. Ob die jungen Leute im Park Party machen oder es hier sogar einen Laden mit Live-Musik gibt, weis ich nicht, auf alle Fälle ist Samstag und es geht bis spät in die Nacht. Als der Rabatz zur Ruhe kommt, übernimmt das Plätschern der Wasserharfe meine Unterhaltung. Und irgendwann schlafe ich dann trotzdem ein.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-34303669384506866232010-06-11T05:20:00.000-07:002010-06-11T05:53:48.730-07:00Freitag, 17.04.2009, Ehime, Shikoku Chuuō City, Handa Rest Hut<a href="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBIxwcqYoxI/AAAAAAAABzg/xrczlYtYSJk/s1600/IMG_7901.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5481498404860764946" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; CURSOR: hand; HEIGHT: 320px" alt="" src="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBIxwcqYoxI/AAAAAAAABzg/xrczlYtYSJk/s320/IMG_7901.JPG" border="0" /></a> <strong>Der 33. Tag in Japan<br /></strong>Der Tag beginnt kühl und feucht. Es regnen schon wieder, da kann mich mein Frühstück aus Pilgerkekse, Mochi (Reisbällchen mit Bohnenmus Füllung) und Cola auch nicht mehr aufmuntern. Gestern war ein nervlich und sportlich fordernder Tag gewesen und schönes Wetter hätte mir das Aufstehen erleichtert. Doch so komme ich erst spät weg - bis ich mich aus meinem Schlafsack geschält, gefrühstückt und gepackt habe, dauert es dann doch. Aber ich habe ein trockenes Plätzchen für meine Morgentoilette, da hinter der Hütte so ein kleiner Kabuff (kleine Abstellkammer) mit Waschbecken, Toilette und sogar elektrischem Licht (denki) steht. Der Bangai Nr. 14 liegt direkt auf meinem Weg, ich kann ihn gar nicht verfehlen, aber der Regen wird stärker.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 14 Tsubakidō/Jōfukuji ( 椿堂/常福寺)</strong><br />„Die Halle der Karmelie“ bzw. „Der Tempel des endlosen Glücks“ wurde von Kōbō Daishi gegründet und Enmei Jizō Bosatsu sowie Fudō Myōō gewidmet. Im Jahre 816 kam der Daishi auf seiner Wanderschaft hier vorbei und nutzte seinen Wanderstock aus Kamelienholz, um einen Ritus abzuhalten, der die Bevölkerung von einem geheimnisvollen Fieber errettete. Als das Fieber verschwunden war, wuchs der Stock des Daihi zu einer wunderschönen Kamelie aus, die von den Leuten nur „Kōbō Daishi Tsubaki“ (Kōbō Daishi Kamelie) genannt wurde. Der Tempel brannte nieder, wurde aber an der jetzigen Stelle wiederaufgebaut.<br /><br />Als ich im Tempel ankommem werde ich im Pilgerbüro herzlich vom Mönch begrüßt. Wir halten einen kleinen Klönschnack auf Englisch und ich bekomme als erstes Osettai (Pilgergeschenk) des Tages eine „Krönchenorange“ geschenkt. Kronenorangen haben so eine kleine, abgeflachte Beule, die wie ein kleines Krönchen auf der runden Orange wirkt. Aber auch den Eintrag im Pilgerbuch (nokyochō), sowie einen Reisklops mit Bohnenmus Füllung (mochi) erhalte ich noch dazu, weil der Mönch so von mir und meinen Erzählungen begeistert ist. Aber ich will mich auch nicht lumpen lassen und kaufe im Tempel ein Album, in das ich die Götterbildchen (fude) sowie ,die nur in Bangai-Tempeln erhältlichen, bunten Tempelkarten sammeln kann. Das Fotografieren im Tempel ist mühsam, da es regnet. So springe ich von Unterstand zu Unterstand und mache ein paar Bilder, um meinen Besuch zu dokumentieren. Einen Kamelienbaum mit wenigen Blüten finde ich am Wasserbecken. Zu diesem Zeitpunkt ist mir aber das Schild, welches das Trinken des Wassers verbietet eher im Blick, als die paar Blüten, die der Regen noch dazu ziemlich zerzaust hat. Die Steinstatuen im Tempel scheinen alle relativ neu zu sein, als wären sie gerade aufgestellt worden. Ich kann Hotei, einen der 7 Glücksgötter ausmachen. Das ist der dicke Mönch, der immer lacht und einen Sack mit Almosen mitführt. Seine Tugend ist die Selbstgenügsamkeit - „Erwarte nichts und Dir wird gegeben“. Doch aus seinem Bettelsack gibt er gerne etwas ab, so dass er meist wie der Nikolaus mit Kindern dargestellt wird oder einem als Statue in Restaurant Eingängen entgegen lächelt. Besonders hübsch finde ich hier die Palmen, man sieht sie hier eher selten, da wir uns nicht im tropischen Okinawa (südlichste aller Inseln) befinden. Wenn einem aber immer wieder dicke Regentropfen auf dem Objektiv zum Putzen zwingen, macht das Fotografieren nicht wirklich Spaß.<br /><br />Mein nächstes Ziel ist nicht der Tempel Nr. 66, sondern der Bangai Tempel Nr. 15, der hier doch recht weit entfernt vom Hauptpilgerweg liegt. Ich laufe die Straße Nr. 192 entlang, biege aber nicht nach Norden ab, den Weg werde ich auf der Rücktour einschlagen. Nach ca. 13 km komme ich am Maruzen Shokudō vorbei, einem kleinen Restaurant, das so klein ist, das die Toilette in einem separaten Häuschen untergebracht ist. Vorher passiere ich auch noch den Sakaime Tunnel, vor dem ein ausrangierter Bus steht. Ist das vielleicht der Bus, den der Regisseur des Films „88 – Pilgern auf Japanisch“ als Schlafstatt genutzt hat? Ich erinnere mich vage, dass ich eine solche Szene gesehen habe, wo er mit einem anderen Japaner in einem ausgebauten Bus gegessen und geschlafen hat. Aber die Schilder an diesem Verkehrswrack besagen, dass es nicht kostenlos ist. 2000 Yen soll der Pilger berappen, dafür werden die Annehmlichkeiten aufgezählt und eine Telefonnummer ist auch noch vermerkt. Aber noch will ich keine Unterkunft suchen und labe mich in dem kleinen Restaurant erst mal an meiner Udon Suppe, welche die Wärme wieder in mein Inneres bringt. Ich setze meinen Weg fort und das Wetter wird immer besser. Zwar kann ich auf einer elektronischen Anzeigetafel „12 °C“ lesen, aber wenn man einen zügigen Schritt an den Tag legt und genügend warme Udon Nudelsuppe intus hat, dann ist die durchbrechende Sonne wie die Sahne auf einem Stück Kuchen. An einem Daily Yamasaki Kombini (24-h-Shop) stocke ich meinen Proviant auf und bekomme als Pilgergeschenk sogar noch einen riesigen Apfel. Obst ist in Japan immer teuer, da vieles importiert werden muss und wenn es dann noch so eine Granate von Apfel ist. Die Verkäuferin hat ihn extra aus einem Nebenzimmer geholt und nicht aus der Auslage genommen, dann schmeckt so ein Ding doch doppelt lecker!<br /><br />Mittlerweile scheint die Sonne und meine Stimmung hebt sich, nicht nur, weil ich gut gegessen habe. Ich peile ein Business-Hotel an, wo ich mein Gepäck abgeben werde, um dann dem Bangai Tempel Nr. 15 einen Besuch abzustatten. „Namu Daishi Henjo Kongō“ bete ich als ich in ca. 10 m Höhe den Fluss über eine Hängebrücke überquere. Nur nicht zu rhythmisch gehen, damit ich Brücke nicht so schwingt. Das ist schon ein eindrucksvoller Fluss mit großen Brücken, nicht so ein ausgetrocknetes Rinnsal. Den Grund hierfür werde ich später erfahren, es gibt nämlich ein Sperrwerk, das den Fluss anstaut. Als ich jedoch die Treppe, die voller Laub liegt, zum Hotel hochsteige, bin ich mir nicht mehr sicher, ob es die richtige Wahl gewesen ist. Es scheinen nicht viele Wanderer diesen Weg zu nehmen. Im Hotel herrscht um diese Zeit noch „tote Hose“ und ich spreche zwei junge Kellnerinnen aus dem angrenzenden Restaurant an. Mit der Übernachtung sollte es in Ordnung gehen, ich lasse also mein Gepäck in der Lobby und mache mich auf den Weg zum Bangai Tempel Nr. 15. Ich habe die Strecke ganz schön unterschätzt: Da laufe ich doch einige Stunden am Fluss entlang. Während ich noch darüber sinniere, dass ich mich lange nicht mehr verlaufen habe, ist es auch schon wieder um mich geschehen. Eine große Baustelle hat mich vom Weg abgebracht, aber man müsste den Tempel bzw. die zu ihm führende Seilbahn doch eigentlich schon von Weitem erkennen. Ich laufe weiter und finde dann doch noch die Seilbahn, obwohl ich anfangs erstmal nach einem Bahnhof Ausschau gehalten habe, an dem ich mich orientieren wollte. Ich löse eine Karte für Hin- und Rücktour. Mal sehen wie gut der Trail oben ausgeschildert ist -vielleicht mache ich die Rücktour wieder zu Fuß.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 15 Hashikuraji (箸蔵寺)</strong><br />„Der Tempel des Essstäbchen Lagers“ wurde 828 von KōbōDaishi, angelockt durch die seltsam heilige Atmosphäre des Berges, gegründet und Konpira Daigongen, eigentlich eine shintositischen Gottheit (kami), gewidmet. Die Gottheit soll dem Daishi erschienen sein und ihm erklärt haben, sie würde alle diejenigen retten, die Essstäbchen benutzen. So schnitzte der Mönch eine Statue der Gottheit Konpira, die der indischen Götterwelt entstammt und als „Krokodil-Gott“ Fischer und Seeleute beschützt. Da der Buddhismus shintoistische Gottheiten als Manifestationen von Bosattsus (Erleuchtete) auffasst, die noch nicht ins Nirvana (Auflösung) eingegangen sind, werden sie gerne als Helfer auf dem Weg der eigenen Erleuchtung um Hilfe gebeten. Und auch im bereits erwähnten Shugendō (Bergasketentum) werden sie verehrt. Man findet hier, neben den Tempelgebäuden sowie einem Miniaturpilgerpfad der 88 Tempel, somit auch shintoistische Gebäude und Statuen. 1868 wurden die hier dicht miteinander vergesellschafteten Religionen unter dem „Gesetzt zur Trennung von Buddhismus und Shintoismus“ auseinandergerissen. Man sagt, ein Bergkobold (Tengu) soll die ersten heiligen Essstäbchen hierher gebracht haben. Ähnlich wie bei Pinseln oder Nadeln gibt es ein alljährliches Festival, bei dem die Gerätschaften in Ruhestand geschickt bzw. ihnen für ihre Arbeit gedankt wird. Am 4. August werden so die Essstäbchen verbrannt und es finden Feuerläufe über glühende Kohlen statt. Die Kirschblüte wird am 12. April, am 12. November die Herbstlaubfärbung gefeiert. Hierzu gibt es spezielle Reisküchlein (omochi), die einer Lotterie ähnlich, ins Volk geworfen werden. In den Kuchen sind Zettelchen versteckt, die später in kleine Geschenke umgetauscht werden können. In Japan glaubt man, dass der Stern, unter dem man geboren ist, bestimmt, ob man Glück oder Unglück im Leben hat. Anlässlich der vier Sternfeste, die am 31. Dezember, 6. und 14. Januar sowie 4. Februar mit Zeremonien und Gebeten abgehalten werden, kann der Gläubige sein Schicksal wenden, indem er zu seinem Stern betet.<br /><br />Als ich an der Bergstation aussteige, ich hatte während der Fahrt ein altes Tor gesehen, steht mein Entschluss fest, die Rücktour wieder zu Fuß zu laufen. Ein kleines Wildschwein begrüßt mich hier oben, es mag ein paar Wochen alt sein, denn ein ausgewachsenes hätte man wohl kaum mit einer Leine hier anbinden können. Das Tempelareal ist hier weitläufig und die Gebäude eindrucksvoll. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Nebentempel sich solche Gebäude und weitläufige Anlage leisten kann.<br /><br />Nachdem ich meine Sutra rezitiert habe, laufe ich fotografierend in Richtung Tempelbüro. Als ich dort ankomme, „blufft“ mit da doch ein Mönch in Englisch an. Ob ich Bilder gemacht hätte, fragt er mich in strengem Tonfall, und macht eine Geste, als wolle er mir die Kamera wegnehmen. Ich bin kurz vom Heulen - ob der Schroffheit im Tonfall oder die Aussicht, hier nicht fotografieren zu dürfen. Wenn man beim Bildermachen nicht gerade mit Blitzlicht fotografiert, was durchaus schädlich für die empfindlichen Oberflächen sein kann bzw. die Gläubigen stören könnte, oder die Kamera direkt auf die Statuen in den Tempelhallen richtet, ist das Fotografieren eigentlich erlaubt. Wenn es nicht erwünscht ist, geben eigentlich große Schilder darüber Auskunft, die dann auch in englischer Sprache verfasst sind. Es geht so mehrfach hin und her, ob ich nun was fotografiert hätte oder nicht. Aber plötzlich wechselt er das Thema und fragt mich, was ich hier tue und nach meinem Alter. Die Atmosphäre kippt, während er vor einigen Sekunden noch den strengen Aufpasser gespielt hat, lächelt er ganz breit, als hätte er sein Ziel, mich zu verunsichern, erreicht. Sein Kollege holt Kekse und wir beginnen ein Pläuschen über meine Shikoku Tour. Als die beiden den Eintrag in mein Pilgerbuch machen wollen, gehen ihnen die Augen über, wo ich schon überall in Japan gewesen bin. Da ich für die Bangai Tempel kein neues Tempelbuch gekauft hatte, sondern mein altes vom Schrein am Fuji-san stammende Pilgerbuch, benutze, können sie an den Einträgen erkennen, dass ich sowohl den Fuji, als auch Kyoto, Nara, Osaka und natürlich auch Shikoku bereist habe. Sie sind doch sehr verwundert, dass ich als alleinstehende Frau nicht nur die Tour der 88 Tempel mache, sondern auch die Nebentempel (Bangai) besuche.<br />Als das Gespräch auf mein Alter fällt, muss ich grinsen, denn die Japaner haben das gleiche Problem mit der Einschätzung des Alters von Europäern, wie die ausländischen Touristen die Japaner nur schlecht altersmäßig einordnen können. Ich bekomme noch ein „pamfueto“ (Broschüre) über den Tempel und reiße mich dann von meinem Smalltalk los, da ich noch nicht alles auf dem Gelände, das wie gesagt sehr weitläufig ist, erkundet habe.<br /><br />Bei einer Mini-88-Tempeltour, wo jeweils eine kleine Steinstatue einen anderen Tempel repräsentiert, spricht mich ein Japaner an. Er kann ein paar Brocken Deutsch und erzählt mir von seinem Freund, der eine Deutsche geheiratet hat. Jetzt muss ich mich aber sputen, wenn ich noch das Tor „auf halber Höhe“, das ich aus der Gondel heraus gesehen hatte, besuchen will. Ich steige also die unzähligen Steinstufen hinunter. Ein breiter Weg führt hier zum Tor, vorbei an Shugendō Figuren mit überlangen Nasen (Tengu) und vogelschnäbligen Mischwesen. Das Tor hier ist sehr alt und ich frage mich, was die Torwächter noch zusammenhält, so morsch wirken sie. Ich passiere noch einen Turm, der hier am Trail liegt, doch als ich zur Seilbahnstation zurückkehren will, um eine Rückfahrkarte umzutauschen, wähle ich den falschen Weg und gebe mein Vorhaben auf. Als ich mich abermals verlaufe, stehe ich plötzlich dann doch vor der kleinen Talstation. Für das Geld der Rücktour, kann ich mir Abendessen und Frühstück im Kombini (24-h-Shop) kaufen, was ich dann auch tue, nachdem ich im Hotel eingecheckt habe. 5750 Yen ohne Frühstück muss ich berappen. Das ist ganz schön heftig, wenn ich meine schlechte Aussicht, ich gucke unter eine Brücke und meine anfänglichen Probleme mit der Stromversorgung, sie hatten die Sicherung vergessen, bedenke.<br /><br /><strong>Exkurs Feiertage in Japan</strong><br /><br />Der 4. Februar ist ein besonderer Tag, er wird „Setsubun“ genannt und ist eine Art Frühlingsfest. An ihm werden die bösen Dämonen gebannt, indem man geröstete Soja-Bohnen mit dem Ruf „fuku wa uchi, oni wa soto“ (Glück herein! Böse Geister heraus!) zur Tür hinaus wirft. Zum Teil werden auch Personen mit Teufelsmasken von Kindern mit diesen speziellen Bohnen beworfen.<br /><br /><strong>Gesetzliche Feiertage</strong><br />1. Januar – Neujahrstag (shōgatsu): Ist der höchster Feiertag in Japan, es gibt besondere Speisen, die alle symbolische Bedeutung haben - so stehen lange Nudeln für ein langes Leben. Die Häuser werden auf Hochglanz gebracht und mit, aus Stroh und Bambus hergestellten, Dekorationen (shime-na oder kadomatsu) geschmückt. Weihnachten wird zwar auch in Japan gefeiert, doch Geschenke bzw. Geld in besonderen Umschlägen erhalten die Kinder zu Neujahr. Man besucht den Shintō-Schrein (hatsumōde) bzw. den buddhistischen Tempel. Je früher man seinen ersten Besuch im „Neuen Jahr“ macht, desto besser ist man vor Unglück geschützt. Deshalb steht man schon am Sylvesterabend in langen Schlangen an, um nach 24 Uhr ein erstes Gebet zu verrichten und sich mit neuen Talismanen, die alten werden verbrannt, einzudecken. Auch beginnt mit Neujahr ein neues Tierkreiszeichen, die in Japan jährlich wechseln. Deshalb ist das jeweilige Tier auch Hauptmotiv auf den in Massen an sämtliche Bekannten verschickten Neujahrskarten. Die japanische Post hat einen besonderen Dienst, damit auch ja keine Karte zu früh geliefert wird. Damit verbunden ist eine Art Neujahrslotterie. Auch die folgenden Tage gelten noch als Feiertage. Somit ist Neujahr eine der 3 Hauptferienzeiten in Japan, neben der „Goldenen Woche“ um den 1. Mai und O-Bon (Allerseelenfest) im August. Es bleibt noch zu erwähnen, dass wenn ein gesetzlicher Feiertag auf einen ohnehin freien Sonntag fällt, der darauffolgenden Montag fei ist.<br /><br />2. Montag im Januar: Tag der Erwachsenen (seijin no hi): An diesem Tag sieht man viele 20-jährige (genauer alle diejenigen, die in diesem Kalenderjahr zwanzig Jahre alt werden) im Kimono auf dem Weg zum Rathaus, wo eine Zeremonie zur Feier der Volljährigkeit stattfindet. Für viele junge Japanerinnen ist dies neben der Hochzeit die einzige Gelegenheit, zu der noch ein traditioneller Kimono betragen wird.<br /><br />11. Februar: Gedenktag der Reichsgründung (kenkoku-kinen no hi)<br /><br />um den 21. März: Frühlingsanfang (shunbun no hi) mit Kirschblüte (sakura)<br />Der Frühlingsanfang fällt zeitlich ungefähr zusammen mit der Kirschblüte (sakura), über letzteres habe ich schon berichtet.<br /><br />29. April: Shōwa-Tag (shōwa no hi) zu Ehren des Geburtstag des Kaisers Hirohito (Regierungsmotto „shōwa“), Vater des amtierenden Kaisers von Japan, der 1989 verstorben ist. Um die Reihe von Feiertagen, welche die sogenannte „Goldene Woche“ bilden, nicht zu unterbrechen, wurde er durch den „Tag der Umwelt“ (midori no hi) ersetzt.<br /><br />3. Mai Verfassungsgedenktag (kenpō kinenbi)<br /><br />5. Mai: Tag des Kindes (kodomo no hi) Am Kindertag, der früher ausschließlich ein „Jungen-Tag“ war, wünscht man den Kindern Glück und Gesundheit. In Anbetracht der ursprünglichen Bedeutung des Tages werden vor jedem Haus Windsäcke in Form von Karpfen (koinobori) gehisst. Es gibt jeweils für den Vater einen großen schwarzen, für die Mutter einen roten und für jeden Sohn einen blauen, oft auch in verschiedenen Größen je nach Alter.<br /><br />3. Montag im Juli: Meerestag (umi no hi): Dieser gesetzliche Feiertag wurde erst 1996 eingeführt, um die lange feiertagslose Zeit zwischen Mai und September aufzulockern.<br /><br />3. Montag im September: Tag der Ehrung der Alten (keirō no hi)<br /><br />um den 22. September: Herbstanfang (shūbun no hi)<br /><br />2. Montag im Oktober: Tag des Sports (taiiku no hi): An diesem Tag finden in vielen Städten Sportfeste statt, er soll an den Jahrestag der Olympischen Sommerspiele in Japan von 1964 erinnern.<br /><br />3. November: Tag der Kultur (bunka no hi): Ist ebenfalls ein „Ersatztag“ für den früher hier gefeierten Geburtstag des Kaisers Meiji, der Japan durch seine Restauration in die Moderne geführt hat.<br /><br />23. November: Arbeiter-Dank-Tag (kinrō kansha no hi; wörtlich „Tag des Dankes der Arbeit“)<br /><br />23. Dezember: Geburtstag des amtierenden Kaisers Akihito (tennō no tanjōbi)<br />Der Geburtstag jedes amtierenden Kaisers, des Tennō, ist für die Dauer seiner Regentschaft ein Feiertag. Wie man aber am „Tag der Umwelt“ im April sieht, wird er auch nach dem „Abtreten“ des Kaisers noch beibehalten. Am Geburtstag des derzeitigen Tennō wird ein Teil des Innenhofes des Kaiserpalastes für die Allgemeinheit geöffnet. Diese Gelegenheit nutzen viele Japaner, um dem Kaiser, während einer kleinen Ansprache, die er in Begleitung der kaiserlichen Familie hält, zu gratulieren.<br /><br /><strong>Sonstige Festtage<br /></strong><br />14. Februar Valentinstag<br />Anders als im Westen verschenken hier die Japanerinnen Schokolade an von ihnen verehrte Männer (Freunde, Kollegen), welche sich dann am 14. März, dem „White Day“ (Weißen Tag) revanchieren.<br /><br />3. März: Puppenfest (hinamatsuri): Es werden Puppen (ningyō) in historischen Kimono ausgestellt. Dieser Feiertag ist den Mädchen gewidmet. Dem Aberglauben nach nehmen die Puppen böse Geister in sich auf und schützen so die Besitzer. Hat ein Mädchen diese auch als „Puppentreppe“ bezeichnete Sammlung nicht am Folgetag weggeräumt, so sagt man, werde sie erst spät heiraten.<br /><br />8. April: Blumenfest (hana matsuri): Buddhas Geburtstag<br />An diesem Tag werden anlässlich des Geburtstags des historischen Buddhas Sakkyamuni Elefantenfiguren in den Tempeln aufgestellt. Der Gläubige gedenkt dieses Tages durch eine spezielle Zeremonie, bei der gesüßter Tee über eine kleine Buddha-Statue gegossen wird.<br /><br />13. August: O-Bon (buddhistisches Allerseelenfest) Buddhistischer Gedenktag für die Verstorbenen. Viele Japaner fahren dazu in ihren Heimatort, die meisten Firmen machen für einige Tage Betriebsferien, die etwa vier bis sieben Tage um den 13. August andauern. Behörden und öffentliche Institutionen bleiben jedoch geöffnet, da in Japan eine strikte Trennung von Staat und Kirche herrscht und sie daher religiöse Festtage ignorieren müssen. Ich hatte ja schon über die Feiern auf dem Friedhof und die Freudenfeuer von Kyoto berichtet.<br /><br />15. November: „Sieben-Fünf-Drei“ (shichi go san)An diesem Tag ist es üblich, dass Eltern mit drei- oder siebenjähriger Mädchen sowie fünfjähriger Jungen mit diesen den lokalen Shintō-Schrein besuchen, um für Gesundheit, Sicherheit und glückliche Zukunft zu beten. Dabei werden die Kinder in traditionelle Kleidung gesteckt, d.h. Kimono bzw. Hakama (Hosenrock). Zur Feier dieses Tages erhalten die Kinder spezielle Süßigkeiten im Schrein. Der Brauch entstand einst, um bei der damaligen hohen KindersterblichkeitKindersdem örtlichen Gott (kami) für das Wohlergehen des Kindes zu danken.<br /><br />24. bzw. 25 Dezember: Christmas (kurisumasu)<br />Auch in Japan kann man sich nicht dem Flair von Weihnachten entziehen. Obwohl hier die eigentlichen „Geschenke Saisons“ im Winter und im Sommer stattfinden. Hierzu werden von den Kaufhäusern vorbereitete “Pflichtgeschenke“ an die Personen verteilt, denen man Dank oder Respekt schuldet. Weihnachten ist mehr ein atmosphärisches Fest, bei dem man die Lichter und Dekorationen genießt, und sich, vor allem Liebespärchen, einen Restaurant oder Love Hotel Besuch leisten. Es fällt mitten in die Vorbereitungen für das Neujahrsfest, das von „Jahresabschiedfeiern“ geprägt ist, ähnlich der bei uns bekannten Weihnachtsfeiern im Betrieb oder Verein.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-27862601563642406672010-06-11T04:28:00.000-07:002010-06-11T04:34:09.439-07:00Donnerstag, 16.04.2009, Shikoku-Chuuō City, Shinchokokuji YH<a href="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBIfGQiY8oI/AAAAAAAABzY/TruXmKnkOR0/s1600/IMG_7730.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5481477888842199682" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 240px; CURSOR: hand; HEIGHT: 320px" alt="" src="http://2.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBIfGQiY8oI/AAAAAAAABzY/TruXmKnkOR0/s320/IMG_7730.JPG" border="0" /></a><strong>Der 32. Tag in Japan</strong><br />Um 6.00 Uhr ist Abmarsch angesagt, zum Frühstück gibt es den Rest Schokokekse, Dorae Keki und Wasser. Als ich gestern Abend zur Toilette ging und die Toilettenlatschen anzog, traf es mich wie ein Schlag: Welche Weichheit an meinem Fuße, welch Genuss die schmerzenden Füße endlich mal auf Latschen zu betten, die passen. Da die Damen des Hauses sich den ganzen Abend nicht mehr hat sehen lassen und sie auch am Morgen nicht zu finden war, habe ich die Latschen kurzerhand „geklauft“. Ich habe sie eingepackt und der Damen einen 1000-Yen-Schein in die Scheibe an der Rezeption geklemmt. Da ich weiß, dass solche Latschen allenfalls 700 Yen kosten, dazu noch gebraucht, sollte es reichen. Man muss sich doch wundern, wie sich während so einer Pilgertour die Präferenzen doch verschieben: Ein Himmel auf Erden in ausgelatschten Klopantoffeln! Aber die Muskulatur meiner Beine hatte sich so verkürzt, obwohl ich jeden Morgen Streching betrieben habe, dass ich morgens nach dem Aufstehen nur noch O-beinig und vorsichtig wie auf rohen Eiern barfuss laufen kann.<br /><br />Ich verlasse den Tempel, jedoch nicht ohne noch ein paar Fotos zu schießen. Allein der Tempel und aber auch die Aussicht von hier oben, sind es wert, die lange Treppe hochgestiegen zu sein. Nach dem Tempeltor fällen mir die Hütte, das WC-Häuschen und die Getränkeautomaten ins Auge. Zur Not hätte ich auch dort schlafen können. Ich brauche jetzt einfach nur die ganze Strecke bis zum Abzweiger zum Tempel Nr. 65 an der Autobahn entlang laufen. Aber vorher muss ich noch einen Abstecher in die Stadt machen, da mein Proviant aufgebraucht ist und man nie weis, was einen in Zukunft erwartet. Aber das ist leichter gesagt als gedacht, denn der Trail hier in der Stadt ist unübersichtlich und schlecht ausgeschildert. Ich irre über neue, zweispurige Straßen, auf denen so früh kaum ein Auto fährt. Ich spreche einen Mopedfahrer an und halte verzweifelt Ausschau nach weiß gekleideten Pilgerkameraden. Schließlich folge ich Schulkindern, um mich an deren Schule zu erkundigen, um welche es sich handelt, da es hier immerhin drei verschiedene Schulen gibt. Ich bin an der Nakasone Elementary School (Grundschule) gelandet. Eine Mutter, die hier Schülerlotse spielt, gibt mir freudig Auskunft. Von diesem Bezugspunkt finde ich dann auch recht schnell den Circul-K Kombini (24-h-Shop), wo ich erst mal so richtig frühstücken kann. Es gibt Okonomiaki (jap. Pizza) und Erdbeermilch und auch meinen Proviant kann ich hier aufstocken. Aber der Pilgerführer ist hier nicht sehr exakt, da laut Karte der Trail vor dem Shop vorbeiführt sollte, die roten Pilgerzeichen mich jedoch hinter dem Geschäft vorbei lotsen. Aber jetzt muss ich zurück zum Expressway (Autobahn), über den Togawa Park in die Berge Richtung Sankakuji Tempel. Es geht wieder bergauf, anfangs recht steil, dann mäßig und schließlich bin ich schneller als erwartet am Tempel Nr. 65.<br /><br /><strong>Exkurs Tempel Nr. 65 Sankakuji (三角寺)</strong><br />„Der Tempel der Dreiecke“ erhielt seinen Namen von dem dreieckigen Altar, den Kōbō Daishi für ein 21-tägiges Goma Ritual errichtet hat, um einen unheilvollen Geist hier auf dem Geisterberg (Yurei-san) zu bannen. Der Tempel wurde zwar ursprünglich von Gōgi (669-749) nach dem Model von Mirokus (Buddha der Zukunft) „Tusita Himmel“, eine Art Paradies, gegründet, jedoch 815 von Kōbō Daishi, der sich in seinem gefährlichen 42 Lebensjahr befand, für das Bannen seines Unglücks benutzt. Kōbō Daishi hat auch die Statue der Hauptgottheit (honzon), die elfgesichtige Kannon (Juuichinen Kannon), geschnitzt. Unter Kaiser Saga (786-842; 52. Tennō) wurde der Tempel mit Ländereien ausgestattet und auf 12 Subtempeln erweitert, bis er im 16. Jahrhundert nieder brannte, aber wiederaufgebaut wurde. Das „innerste Heiligtum“ (okunoin) ist Kōbō Daishi gewidmet, der hier das Goma Ritual abgehalten hat. Im Angedenken daran wurde auch ein dreieckiger Teich mit Jizō Statue angelegt. Der Tempel, der auf einer Höhe von 450 m liegt, ist der leichten Geburt gewidmet. Hier müssen die potentiellen Mütter allerdings so tun, als würden sie in den Tempel einbrechen, um eine Schöpfkelle zu stehen, die dann unter dem heimischen Bett verwahrt wird. Nach erfolgter Geburt, bringen die Mütter die Kellen dann zurück zum Tempel, wo sie dann erneut „entwendet“ werden können.<br /><br />Überraschender Weise treffe ich hier „Herrn Siam“ wieder, diesmal ohne Pilgerpartner, erzählt er mir wie schnell ich doch bin. Ich bin zwar schnell, aber durch den Besuch der Nebentempel (bangai fudasho) verlieren ich dann noch viel Zeit. Trotzdem treffe ich immer wieder auf meinen nur Japanisch sprechenden, aber wohl etwas Englisch verstehenden, Pilgerkollegen. Ich erzähle ihm, dass ich noch den Bangai Tempel Nr. 13 besuchen möchte. „Herr Siam“ dagegen kann sich gleich auf den direkten Weg zu Tempel Nr.66 (Unpenji) machen. Da aber nach Bangai Tempel Nr. 13 auch noch Bangai Tempel Nr. 14 und Nr. 15 auf mich warten, die für sich jeweils eine ganze Tagestour beanspruchen, wird dies hier wohl unsere allerletztes Treffen sein. Im Sankakuji Tempel ist Frühjahrsputz angesagt, da überall Leute arbeiten bzw. zurzeit gerade eine Teepause einlegen. Es wird gewischt, geharkt und die Beete gesäubert. Ich muss jetzt wieder auf das japanische Pilgerbuch umsteigen, das die Bangai Fudasho (Nebentempel) im englischen Kartenmaterial nicht aufgeführt sind. Ich habe die Wahl zwischen drei Routen, allerdings sehe ich beim ersten Blick in die Karte nur den direkten Weg über den Berg. Ich frage im Tempel, ob ich meinen Rucksack hier deponieren darf, um den Bangai Tempel Nr. 13 zu besuchen. Ich verstaue mein gutes Stück unter einer Bank im Pilgerbüro. Nun folge ich den Pilgerzeichen in den Wald, aber der Trail wird wohl nicht so häufig benutz, da er voller Laub und umgestürzter Bäume ist. Es ist so eine richtige „Querfeldein Tour“ und ich überlege, wie ich den Weg nur zurück schaffen soll. Ich treffe ein Pärchen in hochmoderner Wanderausrüstung. Die kommen garantiert nicht vom Bangai Tempel, die sehen mit ihrer Ausrüstung nicht nach Pilgern aus! Hier am Trail hängen auch so kleine Sicheln an langen Stielen. Zur Not muss sich der Pilger seinen Pfad hier eigenhändig freischneiden. Endlich gelange ich aus dem Wald an einen etwas lichteren Bereich. Vor mir steht ein kleines Gebäude, vielleicht ein Schrein. Die Steinlaternen und Statuen, die den Weg säumen, lassen weder die eine noch die andere Schlussfolgerung zu. Als ich weiter gehe, muss ich erschreckt feststellen, dass der Trail hier direkt über eine schlecht gesicherte Klippe führt. Mit einem großen Rucksack als Gepäck und zusätzlich Regen wäre ich wohl nicht über die Klippe gewandert. Aber so hangle ich mir vorsichtig an einem gespannten Seil über den Felsen. Nein, auf keinen Fall werde ich diese Tour zurückwandern, da werde ich eine andere Lösung finden! Hinter diesem Hindernis ist der Weg nicht mehr schwierig, Steinstufen gewährleisten den sicheren Tritt und Steinfiguren säumen den Weg. Doch im Tempel werde ich von einem ohrenbetäubenden Laubfeger begrüßt.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 13 Senryūji (仙龍寺)</strong><br />„Der Tempel des Einsiedler Drachens“ soll von Kōbō Daishi 794 gegründet worden sein. Bisweilen wird er auch als „innerstes Heiligtum“ (okunoin) von Tempel Nr. 65 bezeichnet oder als „Kōya-san für Frauen“, da Frauen der Zugang seit jeher gestattet war, was nicht bei allen Tempeln zu damaliger Zeit üblich war. Das geht auf eine Legende zurück, nachdem Kōbō Daishi hier eine weiblichen Hindu (indische Religion) Einsiedlerin getroffen hat, die als Besitzerin des Berges, ihm all ihr Hab und Gut geschenkt hat. Eine andere Quelle besagt, dass nicht Kōbō Daishi, sondern Hōdō Sennin, ein indischer Asket, der über China und Korea nach Japan kam, den Tempel gegründet hat. Allerdings scheinen Frau und Asket nicht ein und dieselbe Person zu sein, obwohl in den Tempelführern der Eindruck erweckt wird. Kōbō Daishi soll hier das Goma Feuerritual abgehalten und das „Bija Mandala“ (Keimsilben Mandala; vermutlich Mutterschoß Mandala) in die Wand der Tempelhöhle geritzt haben. Der Tempel liegt in einer Felsschlucht, so dass es auch tagsüber recht dunkel ist. Sehenswert ist die Höhle, in der Kōbō Daishi verehrt wird. Ihm wird hier auch als „Mushiyoke Daishi“ gehuldigt, der Insekten und Würmer ausmerzt.<br /><br />Der Bangai Tempel Nr. 13 besteht eigentlich nur aus einem einzigen großes Gebäude, in dem auch das Pilgerbüro sich befindet. Am Eingang muss man die Schuhe ausziehen und gelangt dann über diverse Gänge zur Stempelstelle. Ich suche anfangs im menschenleeren Tempel nach dem Ort, wo ich meine Sutren rezitieren kann, lande aber erstmal unfreiwillig in der „Freiluft Waschgelegenheit“ und den Toiletten. Als Pilger möchte ich hier aber nicht untergebracht werden, das wäre mir dann doch zu spartanisch, allerdings lockt die Eingangshalle mit einem Getränkeautomaten. Nachdem ich mein Nokyochō (Pilgerbuch) habe ausfüllen lassen, ob ich nur am Hondō (Haupthalle) oder Daishidō (Daishi-Halle) meine Sutra rezitiert habe weiß ich nicht, setzt ich mich in den Hof. Bei einer Cola und Pilgerkeksen genieße ich die wenigen Sonnenstrahlen, die hier in der Schlucht ankommen. Ein Taxi fährt vor und drei Mönche steigen aus. Das ist jetzt deine Change, denke ich bei mir, wieder zurück zum Tempel Nr. 65 zu kommen. Also frage ich den Taxifahrer, was er für die Tour nimmt. Für 2000 Yen will er mich zurück zu meinem Rucksack bringen und ehe ich mich versehe, sitze ich auch schon auf der Rückbank des Taxis. Der Weg zum Tempel Nr. 65 ist wie eine Achterbahnfahrt, da sich die Autostraße um den Berg herum schlängelt. Als wir durch einen langen Tunnel fahren, sehe ich einen Pilger in Richtung Tempel Nr. 65 laufen und überlege noch, ob wir den nicht besser hätten mitnehmen sollen. Am Tempel angekommen bezahle ich das Taxi, doch als ich die Treppen zum Tempel hinaufsteigen will, krampf sich alles in mir zusammen und mir kommen die Tränen. Als ich nämlich so schön in der Sonne gesessen und mir meine Pilgerkekse habe schmecken lassen, hatte ich bei meiner Ankunft der Umständlichkeit halber, meinen Wanderstock zusammen mit meinem Hut in den Stockständer am Eingang gestellt. Toll – da stehen sie jetzt noch immer!!!<br />Ich muss mich jetzt erstmal fangen, setze mich in eine Ecke und heule „Rotz und Wasser“. Ich komme endlich zu dem Schluss, dass ich Kōbō Daishi (meinen Stock) und meinen Sonnenschutz (Hut), die mich über so viele Kilometer treu begleitet haben, nicht einfach stehenlassen kann. Da fragt man sich immer wieder wie Pilger ihre Wanderstöcke einfach so im Tempel vergessen können und dann passiert es einem selbst!<br /><br />Ich studiere die Karte. Über den Berg gehe ich auf keinen Fall, durch den Tunnel, das ist zu weit. Aber in der Karte finde ich einen unauffälligen, kleinen Pfad, der eigentlich auch zum Bangai führen sollte. Eventuell hat der Bangai Tempel Shokubō, Tempelunterkunft, und ich könnte heute dort übernachten, obwohl es wie erwähnt doch recht spartanisch auf mich gewirkt hat. Aber wo ein Wille, da ist auch ein Weg. Wenn aber etwas schief läuft, dann kann es sich zur Lawine entwickeln. So komme ich an diesem Tag zwar noch zum Bangai Nr. 13 und kann meine kostbaren Stück an mich nehmen, aber leider gibt es keine Unterkunftsmöglichkeit und auch in der Nähe ist keine Hütte eingetragen. Dabei ist 13 doch meine Glückszahl, da ich an einem 13. geboren worden bin. Es nützt alles nichts und so laufe ich einfach den weiten Weg durch den Tunnel, den ich von der Taxifahrt schon kenne, zurück. Eine Taschenlampe mit Kurbelantrieb habe ich dabei, so dass ich auch bei Dunkelheit laufen kann. Dann muss ich einfach mal gucken, wie weit ich komme. Man muss sich immer mehrere Pläne ausdenken und immer noch einen Plan B des Plan B parat haben. Nur nicht frustriert den Kopf in den Sand stecken – es muss weitergehen! Zumal in der Karte eine kleine Hütte in einer Ortschaft hinter dem Tunnel eingetragen ist. „Handa Rest Hut“ wird diese Lokalität in der Karte genannt, aber ob diese Hütte noch existiert und wie große die vor allen Dingen ist, erfahre ich erst vor Ort.<br /><br />Natürlich schaffe ich den Weg bis zur Hütte, obwohl der Tunnel dann noch sehr lang und stickig ist. Bei Abenddämmerung trudel ich an der Hütte ein. Habe sogar noch genügend Zeit, um mir für das Abendbrot Getränke aus einem Automaten am Ortseingang zu holen.<br /><br />Resumee von diesem Tag – was predigte Buddha seinen Anhängern immer wieder? Der mittlere Weg ist der rechte, nicht der längste auch nicht der steilste, nein - der mittlere Weg zwischen den Extremen! Unachtsamkeit ist die Geißel der Menschheit – vieles passiert aus Unachtsamkeit, deshalb lebe bewusst, konzentriere Dich auf das, was Du tust und werde Eins mit Deiner Tätigkeit. Namu Daishi Henjo Kongō!Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-5451295690695603999.post-49363434531539304902010-06-10T05:23:00.000-07:002010-06-11T04:42:20.935-07:00Mittwoch, 15.04.2009, Saijo City, BH Tamano-ya<a href="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBDgpyJZItI/AAAAAAAABzQ/ZptndGd34f8/s1600/IMG_7312.JPG"><img id="BLOGGER_PHOTO_ID_5481127754950320850" style="FLOAT: left; MARGIN: 0px 10px 10px 0px; WIDTH: 320px; CURSOR: hand; HEIGHT: 240px" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_u-ZYsRjLPlQ/TBDgpyJZItI/AAAAAAAABzQ/ZptndGd34f8/s320/IMG_7312.JPG" border="0" /></a> <strong>Der 31. Tag in Japan</strong><br />Der Tag beginnt heute für mich um 6 Uhr. Ich packe meine Sachen und stelle alles zusammen, damit ich ja nicht meinen Wanderstock<br /><br />>> Würden Sie bei diesem Mann ihren Kaffee kaufen?<<<br /><br /><br />oder den Pilgerhut vergesse. Die Sonne scheint, aber an den Bergen hinter der Iyo Saijo Station (Bahnhof) hängen noch dicke, graue Regenwolken. Um 6.30 Uhr gibt es japanisches Frühstück im sogenannten „Boogie Woogie Cafe“, wo ich allerdings anstatt eines Tees oder Kaffees Eiswasser bekomme. Das Frühstück besteht aus einem Ei, welches über den Reis geschlagen wird, eine Schüssel mit Miso Suppe, einem Päckchen Seetang, einem Scheibchen Lachs, fein geschnittenem Eisbergsalat und eingelegtem Ingwer sowie der obligatorischen „Frühstücks-Ume-Boshi“ (eingelegte jap. Pflaume). Trotz des „Super-Wassers“, was es hier am Bahnhof kostenlos an einem Marmorbecken gibt, bevorzuge ich den Getränkeautomaten, um mir eine Cola zu ziehen. Ich stutze, da die Cola hier sowohl 120 als auch 150 Yen kosten soll, obwohl es jeweils die gleiche Flaschengröße ist. Da hat wohl jemand nicht aufgepasst! Aber Tommy Lee Jones, der hier Werbung für „Boss“, den Kaffee Dosen von der Getränkefirma Suntory macht, hat kein Lächeln für mich übrig. Kein Wunder, wenn man so einer Dose lauwarmen und superstarken Kaffee den Vorzug gibt, macht das Kaffeetrinken keine Spaß mehr. Wo bleibt den da der Genuss? Wenn die Kaffeesorte dann noch „morning shot“ heißt, weiß man, dass es den Japanern weniger um Genuss als vielmehr ums Aufwachen bzw. Coffein geht. Das ein Volk, welches sich stundenlang der Teezeremonie widmen kann, und für die Genuss beim Essen an oberster Stelle steht, sich an Fertigtee und -kaffee laben kann, wird mir immer unverständlich bleiben.<br /><br />Jetzt muss ich aber zurück auf den Pilgerpfad. Gar nicht so einfach den wiederzufinden, so verfehle ich leider den richtigen Abzweiger und muss die Straße Nr. 11 entlang laufen. Mir begegnen Schüler in Uniform und gelben Mützen, sie überqueren eine Straße mit einer älteren Schülerin als Schülerlotse. Beim dem Verkehr hier wäre das eigentlich nicht nötig, aber Japaner sind immer sehr auf Sicherheit bedacht. Ich passiere einen Wassergraben, über dem die Spinnen ihre Netze gewebt haben, im Sonnenlicht glitzert alles so schön. Aber beim Gedanken an die vielleicht doch etwas größeren, japanischen Spinnen schaudert es mich. Hier sind auch überall Schilder aufgestellt, auf denen kulleraugige Hunde den Hundebesitzer daran erinnern, die Hinterlassenschaften zu beseitigen. Da es hier nur Straßen, Betongräben, aber keinen Grünstreifen gibt, ist das durchaus angebracht. Aber es gibt hier auch die Einrichtung von Trinkbrunnen, da das Wasser wie gesagt besonders gut sein soll, hat man für den Pilger gleich einen Becher dazugehängt. Aber mein Weg führt mich weiter am Matsuyama Expressway (Autobahn) entlang. Ich sehe ein seltsames Gebäude, das nicht wie ein Tempel aussieht. Hoch am Berg steht es und hat so ein Gestell auf dem Dach montiert.<br />Ich komme an einem Automaten mit der Aufschrift „Potato Boy“ vorbei, das ist wohl ein Automat für Kartoffelchips und auch einer für Kaugummi steht daneben. Bei einer gemütlichen Hütte, die sehr fantasievoll dekoriert ist, mache ich ein kleines Päuschen. Oder ist es ein kleiner Schrein, das weiß ich nicht so genau. Ein Schild über der Straße gibt mir Auskunft, dass jetzt Niihama City kommt und aus der Ferne kann ich das Ehime Präfekturmuseum für Naturwissenschaften sehen. Es ist so ein kegelförmiger Bau, in dem man etwas über Dinosaurier und andere naturwissenschaftliche Themen erfahren kann. Es rühmt sich mit dem größten Planetarium der Welt, aber für eine Stippvisite ist es noch zu früh.<br />Ich komme an einem Gebäude vorbei, was mich an ein Schloss erinnert. Ob das wieder so ein Love Hotel, ein Stundenhotel für Liebespaare ist, welches genutzt wird, da die Wohnverhältnisse zuhause doch recht beschränkt sind und vor allem die Wände zu den Nachbarn doch recht dünn? Ein Schild weist es als „Cindarella’s Castle“ aus, aber was es im Endeffekt ist, ein Love Hotel oder nur ein opulentes Touristenhotel, bleibt mir verborgen. Kurz nach dem Schloss liegt da ein Haus auf meinem Weg, im Vorgarten bewundere ich eine alte Pinie und das Dach sowie Gartenmauer ist mit wunderschönen Dachreiter wie Drachen und Glückgöttern versehen. Als ich ein Fotogeschäft sehe, nutzte ich die Gunst der Stunde und frage, ob sie Linsentücher bzw. „lense cleaner“ führen. Der Chef des Ladens legt gleich selbst Hand an. Zu verkaufen hat er diese Einwegtücher mit Reinigungsflüssigkeit, wie ich sie aus Deutschland kenne, nicht, aber er könne mir die Linse durchaus gleich hier vor Ort reinigen. Als ich ihn nach dem Preis für seine Dienstleistung frage, entgegnet der „osettai“ also Pilgergeschenk. Ich bedanke mich recht herzlich und auch im nächsten Laden, einem kleinen „Tante Emma Laden“, wo ich Proviant aufstocken will, hält mich die Japanerin hinter der Ladentheke mit den Worten „chotto matte“ („Bitte warten Sie einen Augenblick“) zurück. Sie stellt mir eine Tüte mit Dorae keki, so eine Art Biskuitwaffel mit Bohnenmus Füllung und eine Flasche Grünen Tee als Pilgergeschenk zusammen. Ich muss jetzt aufpassen, da der Pilgertrail demnächst abknickt. Mein englischsprachiger Plan hat einen „meat shop“ (Schlachter) an diesem Punkt eingetragen, dann bis zum COOP Laden. Nein - Ausnahmsweise ist es nicht die Deutsche COOP-Kette, obwohl ich schon Läden wie „Spar“ in Japan gesehen habe. Ich wandere so an der Straße lang, hier gibt es keinen Bürgersteig und ich muss aufpassen, dass ich nicht mit meinem Wanderstock in eines der vielen Löcher der Kanalisation einfädle. In Japan ist die Kanalisation mit Betonplatten abgedeckt, die jedoch alle ein Griffloch haben So kann man sie bei Bedarf einfach anheben, sollte da mal was verstopft sein. Aber man muss sich wundern wie oft man als Pilger dann doch einen Volltreffer direkt ins Loch landet. Ist die Reaktion dann nicht schnell genug, kann man sich bei solchem Missgeschick dann durchaus den Pilgerstab abbrechen. Aber mein Kōbō Daishi (symbolisiert durch meinen Wanderstock) wird die ganze Tour überstehen, wenn ich auch zugeben muss, dass er am Ende dann doch erheblich kürzer ist als am Anfang.<br /><br />Über den Ashitami Fluss führt mich mein Weg in den Yamane Park, wo ich an einem Toilettenhäuschen eine Pause einlege. Ich lasse mir meinen „Dorae Keki“, von dem Doraemon, die Roboterkatze aus der Zukunft ihren Namen hat, da sie seine Leibspeise sind, schmecken. Es ist zwar erst Mitte April, aber man kommt schon richtig ins Schwitzen, mal ganz davon abgesehen, dass die Sonne hier ganz anders vom Himmel brennt als in Europa. Sieht man also Japaner mit Sonnenschirm und UV-dichten Handschuhen sowie Gesichtsschutz herumlaufen, hat das durchaus seine Berechtigung. Ich habe mich auch schon angepasst und versuche nie in der Sonne eine Pause zu machen, sondern immer erst ein schattiges Plätzchen aufzusuchen, damit ich mir keinen Sonnenbrand einfange. Ich laufe direkt am Matsuyama Expressway entlang, der Pilgerweg ist etwas erhöht, so kann ich von oben auf den Mishima Schrein mit seinem Beton Tōri (Tor) gucken. Doch für eine Stippvisite bin ich zurzeit einfach zu faul, da ich dann mein ganzes Gepäck wieder über die lange Betontreppe nach oben wuchten müsste. Danach wird es schwierig den Weg zu finden, da die Beschilderung nur mäßig ist. Als ich dem Weg weiter an der Autobahn folge, führt er mich über den Parkplatz eines Golfvereins. Von hier hat man zwar eine fantastische Aussicht, es ist aber ein Umweg, den ich wegen der schlechten Beschilderung eingeschlagen habe. Kurze Zeit später fährt ein silberfarbenes Auto langsam an mir vorbei. Hupt, stoppt, bleibt erst mal stehen – dann springt eine kleine Frau aus dem Auto und übergibt mir so ein eingepacktes Teeküchlein. Ich versehe nur, dass die Frau mich wohl am Golfplatz gesehen hat und in ihr Auto gesprungen ist. Die Ärmste heult fast vor Aufregung. „Ohenro“ (Pilger) nennt sie mich immer wieder und verschwindet so plötzlich wie sie aufgetaucht ist. Ich habe noch Adrenalin intus, da sie mich mit dem Hupfen dann doch ganz schön erschreckt hat. Ich laufe hier neben der lauten Autobahn in der prallen Sonne, es stinkt nach Abgasen, ich muss aufpassen, den Weg nicht zu verlieren und dann so was. Aber glücklicher Weise macht der Trail nach ca. 10 km einen Abzweig in die Stadt Shikoku-Chuuō, wo der nächst Bangai Tempel steht.<br /><br />Als ich die Straße Nr. 11 überquere kann ich Gesänge hören, ob die vom Tempel kommen? Ich laufe hier nur nach Karte, da es keine Pilgerzeichen gibt. Ich erkundige mich noch bei einem kleinen Jungen nach dem Tempel Enmeiji, doch schließlich finde ich ihn dann doch. Ich habe immer wieder Probleme, wenn es durch Wohngebiete geht, da aus der Karte nicht unbedingt ersichtlich ist, ob die eingetragene Straße nur eine kleiner Weg oder doch eine mehrspurigen Asphaltstraße ist.<br /><br /><strong>Exkurs Bangai Tempel Nr. 12 Enmeiji (延命時)<br /></strong>„Der Tempel der Langlebigkeit“ wurde von Gōgi (668-749)gegründet und Jizō Bosatsu gewidmet. Aber der Tempel wird auch nach einer Legende Izarimatsuji, „Tempel der Krüppelpinie“, oder nach den hier verkauften Amuletten (Senmai-dōshi), „Tempel der Senmai-dōshi“, genannt. Senmai Dōshi sind kleine Papierstreifen, auf denen der Name Buddhas steht. Es bedeutet buchstäblich „1000 Versenkungen“ und der Gläubige nimmt diese Papierblättchen mit etwas Wasser zu sich, während er das Gōhōgō Mantra (Wortformel; „Namu Daishi Henjo Kongō“) dreimal rezitiert. Diese Einnahme soll Krankheiten heilen und für eine leichte Geburt sorgen. Der Tempel verschickt die Blättchen in ganz Japan, da die Gläubigen sie auch als spirituelle Glücksbringer verwenden. Der Gebraucht geht auf eine Legende zurück, bei der Kōbō Daishi einen behinderten Mann durch Gabe eines solchen Senmai Dōshis geheilt haben soll. Zum Dank ließ sich der Mann vom Daishi zum Mönch ordinieren und bekam den Namen Hōnin. Eine weitere Legende erzählt von der Heilung eines gebehinderten Mannes, der sich an der „Krüppelpinie“ niedergelassen hatte. Alsbald war der Mann genesen, doch die überirdischen Teile des Baumes starben, nur die Wurzeln überlebten.<br /><br />Der Tempel sieht recht bescheiden aus - alles spielt sich in einem kleinen Gebäude ab. Es gibt kein Tor, nur eine kleine Brücke, die Daishi-Halle ist auch gleichzeitig das Pilgerbüro oder ist es der Hondō (Haupthalle). Ein Schild weist mich auf die „Izarimatsu“ genannte Krüppelpinie hin, aber unter einer Überdachung liegt hier ein Baumstamm, wie ich ihn schon im Bangai Nr. 11 gesehen habe. Auf dem Schild ist eine viel größere Pinie abgebildet als jetzt hier vor mir steht. Ich muss also davon ausgehen, dass es sich wieder einmal um eine Neuanpflanzung handelt und nicht um das Original. Ich klingle nach dem Priester, der mir mein Pilgerbuch ausfüllt. Aber die Senmai Dōshis kann ich nirgends entdecken, obwohl hier eine ganze Vielzahl von Postern angeboten werden, in die man die Götterbildchen, die man bei jedem Nokyochō (Pilgerbuch) Eintrag erhält, einkleben kann.<br /><br />Eigentlich wollte ich heute im „Ehime Truck Station“ übernachten, aber da ich der Karte entnehmen kann, dass es hier eine Jugendherberge (Youth Hostel) gibt, ändere ich meine Pläne. Ich habe jetzt noch ca. 8 Kilometer zu laufen und decke mit in einem Family Mart (24-h-Shop) mit Proviant ein. Ich muss wieder aufpassen, damit ich nicht zu früh oder zu spät die Autobahn kreuze, da es hier kein einziges Pilgerzeichen gibt. Als ich in der Nähe einer kleinen Holzhütte einen Arbeiter mit Schutzhelm treffe, frage ich ihn, ob die Jungendherberge eventuell auf dem Tempelgelände des Shin Chokkuji liegt, vor dem wir gerade stehen. Er bemüht das Internet auf seim Handy einige Minuten lang, kann mir dann aber doch nichts Näheres berichten. Ich steige also die lange Treppe zum Tempel hoch und habe Glück, nachdem ich wie Falschgeld durch die Gebäude geirrt bin, ich fälschlicher Weise eine Frau als „Herbergsmutter“ abgesprochen habe, treffe ich dann doch noch auf eine junge Frau. Eigentlich hätte sie Ferien und geschlossen, aber da ich sie bekniee, dass ich nur ein Zimmer benötige, willigt sie schließlich ein, mir ein Tatami-Zimmer für 3.300 Yen zu vermieten. Richtiges Ofuro gibt es heute nicht, da ich wohl der einzige Gast heute bin, aber mir reicht eine heiße Dusch. Allerdings hätte ich auch gerne Grünen Tee gehabt oder zumindest heißes Wasser, doch nach meinem Zimmerbezug, war die Dame verschwunden. Ich esse also Schokokekse und Wasser aus dem Wasserhahn zu Abendbrot. Ich hätte mir zwar von der Hütte am Tempeltor noch ein Getränk aus dem Automaten ziehen können, doch dazu bin ich einfach zu kaputt. Als die Sonne untergegangen ist, genieße ich den fantastischen Ausblick von meinem Zimmer über die beleuchtete Stadt Shikoku-Chuuō und die Seto Inlandsee.Midorihttp://www.blogger.com/profile/16207214999110000198noreply@blogger.com0