Der 13. Tag in Japan
Im Zimmer Nr. 11 – das Zimmer „kleiner Sommer“ (konatu) kriechen heute um 7.30 Uhr aus unseren „Tatami Betten“. Leider fällt das Frühstück etwas mager aus: Heißt es nicht Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein König und zu Abend essen wie ein Bettler? Hier in Japan ist es umgekehrt, da haut man sich den Magen abends voll, weil man nach dem heißen Bad sonst zu schnell einschlafen würde. Aber es gibt Kaffee satt, wenn auch nur Instantkaffee, so gönne ich mir doch diesen „Morgenstarter“, wenn es schon kein Brot gibt. Heute wird Hajo endlich zum Arzt bzw., da es Wochenende ist, ins Krankenhaus gehen, um sein Bein untersuchen zu lassen. Wir haben hier in der Jugendherberge gleich mehrere Tage gebucht, damit Hajo seinen Flunken endlich mal auskurieren oder zu mindest ihn etwas schonen kann. Da wir die letzten Tage mit dem Bus bzw. Zug gefahren sind, sollten wir so viel Zeit aufgeholt haben, dass Hajo sich eine Pause gönnen kann. Wir fahren also mit dem Bummelzug von Engyojiguchi zum Hauptbahnhof Kochi und von hier zu Fuß zum Chikamori Krankenhaus. Der Vorplatz vom Hauptbahnhof ist abgesperrt, da hier der ganze Bereich erneuert wird. Die Straßenbahn fährt von hier direkt in die Stadt. Es gibt neben den neuen Zügen auch alte, die wie aus der Jahrhundertwende wirken. Wir laufen in Richtung der S-Bahngleise stadteinwärts, die Straße zum Krankenhaus ist von Palmen gesäumt, es erinnert mich irgendwie ans sonnige Miami, nur mit dem Unterschied, dass heute keine Sonne scheint und ein kalter Wind durch die Stadt fegt. Da der nette Herbergsvater Hajo bereits im Krankenhaus angemeldet hat bzw. die Leute darum gebeten hat, doch jemandem Bescheid zu sagen, der Englisch spricht, werden wir hier am Empfang erwartet. Es werden einige Personalien aufgenommen und Hajo erhält eine Patientenkarte, da hier vieles über Computer bzw. Selbstbedienungsterminals läuft. Uns wird ein Wartebereich gezeigt, in dem die Patienten in mehreren Stuhlreihen sitzen. Ein Fernsehgerät läuft. Hinter einem Vorhang kommt ab und zu eine Krankenschwester hervor, welche die Patienten aufruft. Ich setzte mich mit Hajo ganz vorne hin, damit wir seinen Namen nicht überhören. Er kommt relativ schnell an die Reihe und ich komme ebenfalls mit, mein kleines Japanisch Lexikon in der Hand. Während ein Doktor Hajos Fuß untersucht, fungiert ein anderer Arzt als Dolmetscher.
Nein, kein Röntgen, das ist nicht gebrochen und auch einen Bluttest, um eine Entzündung auszuschließen, lehnt Hajo ab und ich frage mich, warum wir denn hierher gekommen sind.
Die japanischen Ärzte gucken sich fragend an und verschreiben ihrem widerspenstigen Patienten ein Antibiotikum, Schmerzmittel und Ruhe. Von letzterem wird Hajos Bein heute weniger bekommten, da wir heute noch Tempel Nr. 33 und 31 besuchen wollen. Wir fahren zwar mit dem Bus und ersterer liegt direkt an der Straße, aber Nr. 31 liegt auf einem Hügel, der erst mal erstiegen werden will. Hajo bekommt noch eine Art Schmerzpflaster auf sein Bein, dann verabschieden uns von den Ärzten, aber wir sollen Morgen um 11.00 Uhr zur Kontrolle vorbeischauen. Da Hajo Privatpatient ist, will er alle unnötigen Untersuchungen meiden, erklärt er mir später. Die Tabletten und weitere Schmerzpflaster bekommen wir auf Vorlage eines Rezeptes in der klinikeigenen Apotheke und auch die Bezahlung erfolgt durch eine Service Dame an der Information, da wir die Computer alleine gar nicht bedienen können.
Wir laufen jetzt weiter in Richtung Zentrum, hier müssen wir erst mal den richtigen Busbahnhof finden bzw. die richtige Straßenseite, von der unser Bus abfährt. Wir drehen noch eine Runde durch die Einkaufspassage, vorbei an der berühmten Harimaya-bashi, einer Brücke mit angeschlossener Parkanlage, die man anlässlich eines Liedes erbauen ließ, das die Unglückliche Liebe eines Mönchs zu einer Frau beschreibt. Auf dem dahinterliegenden Platz wird gerade vorgeführt, wie man Thunfische mit ziemlich großen und scharfen Messern zerlegt. In diesem Bereich gibt es gleich vier Busbahnhöfe, Hajo hat zwar mit unserem Herbergsvater besprochen mit welchem Bus von wo man fahren kann, doch leider steht davon und von den Busbahnhöfen nichts im Pilgerführer. Mit etwas Geschick fragen wir uns bei den Busfahrern durch und landen im richtigen Bus. Der Busfahrer meistens Bescheid, wo wir denn aussteigen müssen, da wir ihn vorher nach der Haltestelle gefragt haben, aber glücklicher Weise stellt sich eine ältere Damen zur Verfügung, die ebenfalls in die Gegend fährt. Wir steigen an der Nagahama Shucchosho Bushaltestelle aus, sie liegt nur wenige Straßen von Tempel Nr. 33 entfernt. Endlich mal ein Tempel ohne viele Stufen, gut mit dem Bus zu erreichen, wenn man sich denn durchgefragt hat.
Exkurs Tempel Nr. 33 Sekkeiji (雪蹊寺)
„Der Tempel der Schneeklippe“ wurde von Kōbō Daishi noch unter seinem ursprünglichen Namen „Kōfukuji“ gegründet. Yakushi Nyorai gewidmet, wurde der Tempel in der Mitte des 16. Jahrhunderts von einem Mönch namens Geppō in einen Zen-Tempel (Rinzai Zen) ungewandelt. Der Legende nach sei Geppō hier auf ein Gespenst gestoßen, das immer wieder die Zeile „Mizu no ukiyo o itou tokoro kana“ (Nicht einmal das Wasser wird des Lebens überdrüssig) rezitierte. Nachdem er bemerkt hatte, das diese Zeilen die letzten aus einem bekannten, klassischen Gedicht waren und das Gespenst unfähig war, den Anfang zu zitieren, sprach er die ersten Worte und das Gespenste verschwand. Chōsokabe (1538-1599), der den Mönch Geppō geschickt hatte, um für ihn einen Ahnentempel (Bodaiji) zu suchen, gefiel diese Geschichte, so dass er den Tempel wiederherstellen ließ. 1599 wechselte der Tempel zur Rinzai Schule des Zen Buddhismus und wurde nach dem buddhistischen Totenname von Chōsokabes in „Sekkeji“ umbenannt. Hier ruht auch ein Teil seiner Asche sowie die seines Sohnes, der andere Teil wurde zum Koya-san, dem Shingon Hauptquartier, in Japan gebracht.1869 wurde der Tempel im Zuge der Trennung von Buddhismus und Shintoismus niedergebrannt. Zum Glück konnten 16 Statuen in den Tempel Nr. 31 verbracht werden. Auf der Stelle der niedergebrannten Tempelanlage wurde von den Einwohnern ein Shinto Schrein errichtet, ein später errichteter Tempel wurde in unmittelbarer Nähe gebaut. So kamen auch die Statue und die von Kōbō Daishi geschnitzte Hauptgottheit (Honzon) wieder in den Tempel. Der Tempel zählt historisch zu der Geburtsstätte der Tosa Schule der Konfuzianischen Studien (Nangaku).
Bemerkenswert ist der Taigen Erinnerungsturm, der an die Bemühung von Yammoto Taigen und seinem Schüler Yamato Genbō erinnern soll, die den Tempel um 1870 wiederaufgebaut haben. Zu den Tempelschätzen zählen ferner Statuen von Yakushi Nyorai, Nikko und Gekko Bosatsu, Bishamonten, Kisshō Tennyo und Zenniji-Dōjii, die von dem bekannten Japanischen Bildhauer Unkei (1151-1223) und seinem Sohn stammen und heute zu den Nationalen Kulturgütern zählen. Zu jener Zeit, also bevor Chōsokabe ihn zu seinem Ahnentempel gemacht hat, änderten die beiden Künstler den Tempelnamen in „Keiunji“. Obwohl im Sekkeiji eine große Kōbō Daishi Statue steht, ist er neben dem Fujiidera (Nr. 11) und Kokubunji (Nr. 15) der einzigen Zen Tempel in der Pilgerreise.
Auf dem Tempelgelände sehe ich die Kōbō Daishi Statue, deren Augen dem Betrachter zu folgen scheinen, aber leider nicht den Turm zu Ehren der beiden Künstler. Da es Mittagszeit ist, beschließen wir in ein Restaurant mit dem Schild „Okonomiaki“ einzukehren. Okonomiaki ist eine Art japanische Pizza oder Pfannkuchen, dabei wird auf einer heißen Platte erst das Fleisch durchgebraten, dann das Gemüse mit einigen Eiern verrührt und dazugegeben, einmal gedreht und fertige ist der Okonomiaki. Gewürzt mit Kräutern und Trockenfischflocken (Bonito) ein Gedicht. Man kann es selber machen, die kleinen Tische haben jeweils eine heiße Platte in der Mitte eingelassen bzw. am Tresen vom Koch braten lassen. Wir entscheiden uns für letzteres, da mir einfällt, das man verschiedene Zutaten bestellten muss. Es gibt also kein Komplettmenü Tintenfisch- oder Schweinefleisch Okonomiaki. Letzten Endes bestellen wir dann doch nach Preis, weil die Karte komplett in Japanisch ist und es auch keine Plastikmodelle der Speisen gibt, Yakisoba. Das hat weder was mit der Nudelsuppe Soba, also Buchweizennudel Suppe, noch mit Suppe zu tun. Als ich nachfrage, amüsieren sich die drei Angestellten, deren einzige Gäste wir um die Zeit sind, köstlich.
Yakisoba sind Bratnudeln, die so ähnlich wie Okonomiaki zubereitet werden: Als erstes etwas Speck und Tintenfischstückchen anbraten, dann das Gemüse wie Kohl, Frühlingszwiebel, Soja-Sprossen und Bambussprösslinge dazutun und die vorgekochten Nudeln, sie sehen aus wie Spaghetti, dazugeben. Alles schön anbraten und mit den zwei großen Spateln wenden. Zum Schluss noch fein gehackte Kräuter drüber und fertig auf den Teller. Echt lecker!
Nach diesem Mittagessen machen wir uns auf den Rückweg zur Bushaltestelle. Zum Glück gibt es hier ein kleines Wartehäuschen, in dem jemand Auskunft über Fahrpläne erteilt, sonst würden wir ganz schön frieren. Eine Frau, die im Wartehäuschen sitzt, redet auf uns ein. Sie redet nicht langsamer oder deutlicher, nein - lauter und kommt ganz nah an mein Gesicht. Dass ich sie nicht verstehe, weil ich die Worte nicht kenne begreift sie wohl nicht, sie hält mich wohl für schwerhörig. Ich kann nur sagen, Leute geht niemals in Japan zum Zahnarzt, so katastrophale Zähne bzw. Brücken, habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen und ich hatte einen Logenplatz bei dieser Frage. Leider können wir von hier nicht direkt zu Tempel Nr. 31 fahren, sondern müssen zurück in die Stadt und dort einem anderen Bus nehmen. Leider steigen wir nicht an der Bushaltestelle Aoyagibashi Brücke aus, sondern erst später an der Godaisan Grundschule, sodass wir den Berg jetzt von der Rückseite erklimmen müssen. Wohl ein selten genutzter Trail, der zwar mit Steinen gepflastert ist, aber total kaputt ist. Eigentlich sollte Hajo sich schonen, aber der Weg ist hier dermaßen steil. Die endlosen Treppen führen noch über einen Friedhof, aber endlich haben wir den Berg Godaisan geschafft und die Steintreppen sind mit Laternen ausgestattet.
Exkurs Tempel Nr. 31 Chikurinji (竹林寺)
„Der Tempel des Bambuswaldes“ wurde 724 von Gōgi auf Geheiß des Kaisers Shōmu nach dem Vorbild des Wutaisan (Godaisan) Tempels in China errichtet, der dem Kaiser im Traum erschienen war. Gyōgi hat auch die Monju Bosatsu Statue (Bodisattva der Weisheit) geschnitzt, welche die einzige auf der ganzen Pilgerreise ist und zu den drei besten Statuen dieser Gottheit in ganz Japan zählt. Von 810 bis 824 hielt sich Kōbō Daishi hier auf, um beim Wiederaufbau des Tempels „Nankai daiichi doojo“ („erster Platz der südlichen See“), wie der Tempel früher hieß, zu helfen und um Gumonji Rituale abzuhalten. Der Tempel galt als akademischer Tempel, d.h. er war nicht nur Zentrum für Religion, sondern auch Kultur der Provinz Tosa. So wurde der Tempel unter Yamauchi, Lord von Tosa und Herr der Burg Kochi, zwischen 1624 und 1643 wiederaufgebaut bzw. restauriert. 1672 zerstörte ein Feuer große Teile der Tempelanlage und auch das 19. Jahrhundert mit dem Gesetzt zur Trennung von Buddhismus und Shintoismus ging nicht spurlos an ihm vorüber. 1904 wurde die Monju Bosatsu Statue zum Nationalen Schatz erklärt und der Hondō (Haupthalle) aus der Muromachi Periode (1333-1573), in diesem Fall als Monju-dō bezeichnet, galt als besonders schützenswert. Leider wurde 1899 die dreistöckige Pagode von einem Taifun zerstört und erst 1980 durch eine fünfstöckige ersetzt, deren Bau 5 Mio. Dollar verschlungen haben soll. Das Tor mit den beiden Wächterstatuen wurde 1939 renoviert. Von Interesse sind der Tempelgarten und die 19 buddhistischen Statuen, die als Nationale Schätze klassifiziert sind. Es gibt ein Museum mit Ausstellungsstücken zum esoterischen Buddhismus und einen Botanische Garten. Der Makino Botanical Garden, nach dem Vater der japanischen Botanik Tomitaro Makino (1862-1957) benannt, wurde 1958 gegründet und beherbergt eine Sammlung von Kultur- sowie Wildpflanzen und ein Forschungsinstitut. (http://www.makino.or.jp/, leider nur Japanisch)
Zu diesem Zeitpunkt begrüßt uns eine Statue des historischen Buddhas Shakyamuni, da es hier zurzeit eine Ausstellung über sein Leben gibt. Ich bewundere die tolle Pagode und die unzähligen Jizōs davor. Hier gibt es einen Binzuru (heilenden Buddha) und Wasserspritzen, die ich anfangs kaum als solche identifiziert habe, die beim Ausbruch eines Feuers das schnelle Löschen ermöglichen sollen. Im Tempel gibt es Schilder mit zweisprachigen Erläuterungen – jeweils in Japanisch und Englischer, die sich bis in den nahen Botanischen Garten Makino erstreckt. Was noch buddhistischer Tempel oder schon shintoistischer Schrein ist, ist hier schwer auseinander zu halten. Es gibt sogar ein Denkmal von einer japanischen „Winkekatze“ (maneki neko). Die dreifarbigen Katzen werden hier in Japan als Glückskatzen verehrt, kaum ein Shop oder Restaurant, das nicht eine Katzenfigur mit winkendem Pfötchen aufgestellt hat. Aber laut Schild gab es sogar eine lebende Katze, die von einer Familie namens Kitamura (Nord Dorf) aufgezogen wurde. Das Fell der Katze wies am Bauch das japanische Zeichen „kita“ (北; Norden), wie die Anfangssilbe der Familie, auf. Der Mäusefänger soll der Familie großes Glück beschert haben und deshalb haben sie dieses Ehrenmal aufgestellt. Es werden sogar Fotos von der Katze und ihrem „Bücker“ gezeigt.
Exkurs Maneki Neko (Winkekatze)
Es gibt mehrere Geschichten über die Entstehung der Maneki Neko als Glücksbringer. Mein persönlicher Favorit ist die Geschichte von der Tempelkatze Tama:
Der Legende nach lebte in Setagaya (Tokyo) ein armer Priester mit seiner Katze mit Namen Tama. Es war ein heruntergekommener Tempel, dem der Priester vorstand. Eines Tages kam der reiche Fürst Naotaka Ii aus Hikone zum Tempel. Man sagt ihm, er möge in der Nähe des Tempels warten, da man auf solch hohen Besuch nicht eingerichtet wäre. Er nahm unter dem nächstbesten Baum platz, da es anfing zu regnen. Die Katze, die im Eingang des Tempels saß, winkte dem Fürsten zu, er folgte der ungewöhnlichen Einladung – gerade noch rechtzeitig, um nicht von dem Blitz getroffen zu werden, der kurz darauf in den Baum einschlug. Der Mönch und Naotaka Ii wurden Freunde, und aus Dankbarkeit für seine Rettung machte der Fürst den Tempel zur Ahnentempel (Gōtokuji). So lebten sie in Glück und Reichtum.
Nach dem Tempel besuchen wird noch den Botanischen Garten. Es wird zwar wieder Eintritt fällig, aber der Garten lockt mit Kirschblüten. Es gibt noch ein Gewächshaus, mehrere Forschungs- und Ausstellungsgebäude, ein Cafe und eine Plattform, von der man eine schöne Aussicht über die Stadt hat. Auf dem Rückweg durch den Dodaisan Park verlaufen wir uns, da der Tunnel, an dem wir hochgestiegen sind, zwei Ausgänge hat. Wir kommen also nicht auf dem Weg zurück, auf dem wir gekommen sind. Ich hatte Hajo zwar darauf aufmerksam gemacht, dass ich nicht glaube, dass es hier weiter geht, aber er hat nicht auf mich gehört. Da ich nicht genau wusste, was mein Navigator vor hat, bin ich ihm erstmal gefolgt. Als wir an der Aoyagibashi Brücke herauskommen, hier wollten wir ursprünglich aus dem Bus steigen, beobachte ich Kormorane, die hier auf Fische lauern. Wir laufen weiter und weiter, bis sich der Irrtum aufklärt. Wir sind glücklicher Weise nicht allzu weit vom Schuss, so dass wir die Straßenbahn von der Station Monjudori bis Harimaya-bashi nehmen können. Hier müssen wir noch mal umsteigen, um zum Kochi Hauptbahnhof zu gelangen. Japanische Straßen haben den Vorteil schnurstracks gerade zu sein, so dass man die nächste Haltestelle sehen bzw. an den Gleisen entlanglaufen kann. Am Bahnhof angekommen fragen wir noch in einem nahe gelegenen Hotel, wo man hier Geld abheben kann. ATM heißen hier in Japan die Geldautomaten und da in einem großen Hotel eher mal Ausländer absteigen, sollten die Angestellten doch wissen, wo es Automaten gibt, die auch mit ausländischen Kreditkarten bzw. englischem Menü arbeiten. Leider keine Klärung – weder die Angestellte, noch die Gäste, mit denen wir ins Gespräch kommen, können uns helfen. Da der „Local Train“ (Bummelzug) nach Engyojiguchi sehr selten fährt, haben wir eine lange Wartezeit auf dem Bahnsteig! Hoffentlich bekommen wir noch Abendessen und was ist mit dem um 21.00 Uhr angesetzten Sake-Seminar? Wir sitzen in einem Wartehäuschen und ich hole mir noch ein Getränk aus dem Automaten. Fanta „Budo“ – Brause mit Traubengeschmack, meine absolute Lieblingssorte, aber exklusive nur hier in Japan erhältlich. Doch leider verliere ich mein Portemonnaie am Automaten, da ich nicht wie sonst meine grüne Hose trage, sondern meine helle, deren Taschen nicht so tief angesetzt sind. Leider merke ich das aber erst, als wir schon wieder in der Jugendherberge eingetroffen sind. Wir kommen natürlich viel zu spät zum Essen, bekommen aber noch was zu beißen. Das Abendessen ist trotzdem lecker und reichhaltig. Nach dem Essen, Hajo sucht im Internet noch einen Automaten, bei dem er mit seine Mastercard was werden kann, werden wir auf eine kleine Gruppe Schweden aufmerksam, die gerade einziehen. Natürlich fragen wir auch die, wo sie denn ihr Geld ziehen und wir werden auf das Postamt verwiesen.
Der Abend wird noch lustig, da heute das Sake Seminar stattfindet. Hier erläutert unser Herbergsvater, der früher für eine große Sake Firma gearbeitet hat, wie Sake hergestellt wird, wie man die Arten und Qualitäten unterscheidet und am wichtigsten – wir dürfen sogar Sake verkosten. Und das in einer Jugendherberge, wo hier der Alkoholkonsum erst ab 20 erlaubt ist. Neben Hajo und mir gesellen sich noch eine älterer Herr und eine junge Japanerin zu uns. Da liege ich dann nach Abschluss des Seminars nicht alleine unter dem Tisch, denke ich so bei mir, doch die junge Frau ist trinkfester als vermutet. Aber wo ich sonst auch keine Tropfen Alkohol trinken, Rum gehört für mich in den Kuchen und Amaretto ins Tiramisu, habe ich schon Bedenken. Wir probieren erstens frischen und ungefilterten Sake, der wie Sekt schmeckt, aber noch fruchtig, nicht so „sprittig“ (nur nach Alkohol) wie man Sake sonst kennt. Beim 2. Gläschen probieren wir erhitzter Sake, hier ist weder was fruchtig, noch perlend. Die beiden letzten Proben, Nr. 3. erhitzt und gereift und Nr. 4. erneut gefiltert, schmecken sehr nach Alkohol. Man kann Unterschiede herausschmecken, wenn man sie parallel verkostet, aber mir hat der junge Sake am besten geschmeckt!
Exkurs Sake: siehe auch http://www.japan-sake.de/infostipps/sakeinfo/index.html
Sake (酒,) ein Synonym für Reiswein, ist ein klares oder weißlich-trübes alkoholisches Getränk, das aus vergorenem Reis gewonnen wird und einen Alkoholgehalt von 15-20% Vol. aufweist. Herstellungstechnisch ähnelt das Sake Braune weniger dem Weinkeltern als vielmehr dem Bierbrauen, da der Zucker vor dem Brauen erst erschlossen werden muss. Die Qualität des Sake hängt von den Grundzutaten Reis, Wasser und Hefe ab. So haben sich diejenigen Regionen in Japan zu Braugebieten herausgebildet, die über sehr gute Grundzutaten verfügen. Der Reis wird zunächst poliert, d.h. von seiner Kleieschicht befreit, dann gedämpft. Koji wird die Mischung aus diesem mit dem Schimmelpilz Aspergillus oryzae geimpfen Reis genannt, dessen Enzyme die Umwandlung der Stärke in Zucker fördern. Welche nach einer Inkubationszeit von bis zu 48 Stunden zusammen mit gedämpftem Reis, Wasser, Milchsäure und einer Hefekultur eine Starterkultur bilden, die jetzt Shubo genannt wird. Zwei Wochen lang vermehrt sich die Hefekultur, es entsteht der süßliche Amazake. Der nachfolgende Prozess, die eigentliche Alkoholische Gärung, dauert zwischen 21 und 25 Tage, es werden nochmals Reis und Wasser hinzugefügt. Abschließend wird der Sake von den Feststoffen befreit und nochmals für 6 bis 12 Monate zur Reifung gelagert.
Futsu-shu, Junmai-shu, Ginjo-shu und Daiginjo-shu werden die Qualitätsstufen beim Sake genannt, die sich jeweils durch das Maß der Reispolierung (30 % bis 50 % Volumenverlust) auszeichnen. Der Sake wird in Sakefässern, in Flaschen oder auch als „one Cup“ (eine Tasse/Schale) Gläschen in Japan verkauft. Besonders beeindruckend sind die Sake Fässer, welche dekorativ gestapelt vor den Shinto Schreinen stehen. Sake kann kalt oder erwärmt getrunken (5-55°C) werden, je nach Qualität und Jahreszeit, wobei er meist in kleine Keramikflaschen abgefüllt und dann aus Holzkistchen (masu), Trinkbechern oder flachen Schalen getrunken werden kann. Entgegen landläufiger Meinung wird Sake nie mit Sushi zusammen genossen, da das Getränk nicht mit dem essiggesäuerten Reis harmoniert.
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