Der 12. Tag in Japan
Um 6.00 Uhr kommt unser Mütterchen uns wecken, da das Frühstück auf 6.30 Uhr angesetzt ist. Ich habe die Nacht kaum geschlafen, da die Katzen der Umgebung fast die ganze Nacht ein Ständchen zum Besten gegeben haben und auch der, stündlich von Band kommende, Uhrenschlag bis 21.00 Uhr nicht geschwiegen hat. Während der ganzen Tour konnte man in Dorfnähe, aber auch wenn man schon weit in den Bergen war, zur jeder vollen Stunde ein Melodie erklingen hören. Das stammt vielleicht noch aus alter Zeit, wo der Klang der großen Taiko Trommel, die Bewohner eines Dorfes auf den Versammlungsplatz rief. Auf alle Fälle erklingt zu jeder Stunde eine Art Jingle – es kann also durchaus passieren, dass man gerade durch ein kleines, idyllisches Bergdorf kommt und einem plötzlich von lokalen Lautsprecher „Freude schöner Götterfunke“ oder „Sah ein Knab’ ein Röslein stehen“ entgegen geschallt bekommt. Über diese Lautsprecher kommen aber auch Informationen für die Bevölkerung, es wird über lokale Veranstaltungen informiert, welcher Dorfbewohner wie viel dem örtlichen Schrein/Tempel gestiftet hat und ab und zu wird einem eine gute Nacht gewünscht.
Als ich also aufstehe ist meine Hand, die ich gestern bandagiert hatte, total geschwollen, so dass ich später beim Frühstück im „Drive-in-27“ Schwierigkeiten habe, mit Stäbchen zu Essen. Wir packen unsere Sachen, irren noch etwas mit unserem Gepäck zwischen den Häusern umher, finden dann aber doch die „Raststätte“, da diese direkt an der Küstenstraße liegt. Einzige Ausnahme heute beim Frühstück, es gibt keinen Reis, sondern Bratreis, den unser Mütterchen reichlich mit kleinen Fischchen gewürzt hat. Für Übernachtung und Frühstück bezahlen wir insgesamt 4000 Yen und zum Abschied segnet unsere rüstige Wirtin noch unsere Knie. Sie hält die Hände beschwörend darüber und rudert etwas herum. Wenn es hilft!
Zum Abschied kaufe ich noch als Proviant, die von mir liebgewonnen Pilgerkekse. Aber jetzt müssen wir los, da wir noch zum Bahnhof Tōnohama müssen. In Anbetracht unserer angeschlagenen Gesundheit, vor allem Hajos Schienbein oder Achillessehne, setzen wir unseren Weg zu Tempel Nr. 28 mit dem Zug fort. Es sind immerhin über 35 km bis zum nächsten Tempel. Der Bahnhof Tōnohama begrüßt uns mit einem Pilgermännchen, das mich an Playmobil Figuren erinnert. Wir fahren also von Tōnohama mit der Gomen-Nahri Linie bis zum Bahnhof „Noichi“, vorbei an Yasuda Town, Aki City, Geisei Village bis Konan City.
Hier im Bahnhof Noichi gibt es zwar Schließfächer, aber unsere Rucksäcke sind einfach zu groß für diese kleinen Fächer. Kurzerhand wuchtet Hajo unser Gepäck auf die Schließfächer oben drauf. Wir sprechen eine Verkäuferin an, die hier einen kleinen Kiosk bewirtschaftet, ob sie ein Auge auf die Sachen haben könnte.
Vom Bahnhof laufen wir in Richtung Tempel Nr. 28, überqueren den Karasu Fluss und gehen rechts am „Ryoma History Museum“ vorbei. Es ist so eine Art Wachsfiguren Kabinett, das die Stationen im Leben des berühmten Ryoma Sakamoto zeigt, einem Samurai, der maßgeblich an der Wiedereinsetzung des Kaisers und dem daraus resultierenden Machtverlust des Shoguns beteiligt war.(http://www.baobab.or.jp/~ryoma/guide2e.html ).
Exkurs Ryōma Sakamoto
Sakamoto Ryōma (坂本 龍馬; 1836-1867) war ein japanischer Samurai aus dem damaligen Daimyat (Herrschaftgebiet eines Daiyos – Landesherrn) Tosa in der Provinz Tosa. Er gilt in Japan als Wegbereiter der 1868 erfolgten Meiji-Restauration, bei der die seit 1635 regierenden Tokugawa-Shōgune (Militärmachthaber) die politische Macht wieder auf den Kaiser (Tennō) Meiji (1852–1912) übertrugen. Als schwächliches Kind einer Samuraifamilie niederen Ranges, prägte ihn ein Erlebnis in der Kindheit, bei dem seine Spielgefährten von Samurai getötet wurden, derart nachhaltig, dass er beschloss, ein starker Mann zu werden, um die Standesunterschiede in Japan beseitigen zu können. Hierzu musste die politische Macht wieder auf den Kaiser (Tennō) übertragen werden, ohne dass ein Machtvakuum die 260 Daimyate in einen Bürgerkrieg gestürzt hätte. Er schmiedete eine Allianz mit drei mächtigen Daimyaten, die den damaligen Shōgun zwangen, die Macht, die seit über 200 Jahren in Händen des Tokugawa Clans lag, an den amtierenden Kaiser Meiji zu übertragen. Die darauffolgende Öffnung Japans und die revolutionsähnliche Neuordnung der Gesellschaft, (der Stand der Samurai wurde abgeschafft, das von Ausländer mitgebrachte Wissen und die Technologie,) sollte Japan den Anschluss zum den westlichen Kolonialmächten sichern, ohne wie China oder Indien als deren Kolonie zu enden.
Hier vor dem Museum steht ein großes Schild mit den Worten “World classic car museum“, aber was hat das mit Ryoma Sakamoto zu tun? Nicht die einzige Merkwürdigkeit heute auf unserem Weg zu Tempel Nr. 28. Ich sehe zu meiner Rechten auch noch eine eigenartige Burg, wie sie auch in Deutschland hätte stehen können und ein Türmchen, das wie eine abstrakte Pagode auf mich wirkt. Ich glaube nicht, dass dies Sehenswürdigkeiten aus dem Noichi Zoologischen Garten sind oder irgendwas mit den Ryugado Höhlen zu tun haben, die doch etwas weiter entfernt vom Schuss liegen
Exkurs Tempel Nr. 28 Dainichiji (大日寺)
„Der Tempel der großen Sonne“ wurde von Gyōgi gegründet, der auch die Hauptgottheit, Dainichi Nyorai geschnitzt hat. Später soll Kōbō Daishi nur mit seinen Fingernägeln einen weiteren Dainichi Nyorai in einen nahe gelegenen Kampferbaum geschnitzt haben. Dieser Baum galt bis 1886 als Okunoin (innerstes Heiligtum), wurde jedoch in einem Sturm zerstört. Das Bildnis ist dann in ein, an gleicher Stelle errichtetes, Gebäude überstellt worden. Vor der Trennung von Buddhismus und Shintoismus im Jahre 1871 gab es sogar noch sieben Nebentempel, danach wurde der Tempel auf die Haupthalle und deren Statuen verkleinert und hieß fortan „Dainichidō“. 1884 wurde der Tempel wiederaufgebaut, der jetzige Hondō (Haupthalle) stammt aus dem Jahr 1997.
Das Dainichi Bildnis sowie die unterstützende Gottheit Shōkannon gelten als Nationale Schätze. Das Okunoin befindet sich ca. 150 m von der Haupthalle entfernt, die Pilger glauben, dass sie hier von Krankheiten des Kopfes wie z.B. Augen, Ohren, Mund und Nase geheilt werden können. Hierzu entspringt eine Art Brunnen an der linken Seite des Okunoin, welcher auch „Kaishi kaijisui“, „Gebetswasser“ Kōbō Daihis, genannt wird.
Mir fällt ein sechseckiges Gebäude ins Auge und der Glockenturm, der hier erhöht auf einem Steinsockel steht, aber besagtes Okunoin bzw. die Quelle kann ich leider nicht finden. Es herrscht hier gähnende Leere, aber wehe es kommen einige Pilgerbusse an, dann wird das ganze Gelände wieder von einer weißen Flut mit Wanderstock (kongozue) überströmt. Ja, richtig gehört, auch wenn man von Bus nur wenige Meter bis zum Tempel läuft, wird der Tradition entsprechend meist der Wanderstock mitgeführt. Im Bus selber sind am Eingang Ständer aufgestellt, wo man seinen Stock während der Fahrt sicher verstauen kann. Gemeinsam als Gemeinde oder in kleineren Grüppchen finden sich die Pilger dann zum Sutra Rezitieren zusammen. Meist gibt der Gemeindevorsteher mit einer Art Glöckchen oder Klangholz den Takt an, nach dem alle die Silben des Herz Sutras rezitieren. Ein Chaos im Pilgerbüro gibt es komischer Weise nie. Meist läuft der Busfahrer oder ein Angestellter der Reisegesellschaft mit einem ganzen Schwung Pilgerbücher, natürlich die großen, da man nicht auf das Gewicht achten muss, gleich zu Anfang zum Pilgerbüro. Bis die Busladung ihre Verpflichtungen an der Haupthalle und der Daishi-Halle absolviert hat, dauert es ein Weilchen. Im Nokyoshō (Pilgerbüro) wird dann im Akkord gestempelt und gepinselt. Aber auch zu solchen Stoßzeiten, muss man als Einzelpilger nicht die Befürchtung haben, hier Stunden in der Warteschlange zu verbringen. Es geht dem Personal derart schnell von der Hand und meist werden Einzelpersonen vorgezogen bzw. bei mehreren Kalligraphen, ist immer einer für die Einzelpilger zuständig. Man sieht dann auch die Busfahrer mit Föhn an den Rollbildern stehen, das ist notwendig, damit die frischen Einträge beim Zusammenrollen nicht verschmieren. Auch als Pilger mit einem einfachen Buch (nokyochō) wird einem meist ein Stück Zeitungspapier ins Buch gelegt, damit die Stempel und Kalligraphien weder verschmieren noch durchdrücken.
Als ich die Toilette benutzen will, merke ich mal wieder, dass ich mit meinen 1,75 m für japanische Verhältnisse etwas „oversized“ bin, da ich auf der Westlertoilette mit Knien an die Tür stoße. Auf dem Rückweg kommen wir an einem Shop vorbei, der mit einem großen Kōbō Daishi Bildnis wirbt. Bei den Ausmaßen könnte man ihn auch als „Supermarkt“ bezeichnen, denn hier gibt es alle nur erdenklichen Pilgerutensilien. Wir laufen den Weg, den wir gekommen sind wieder zurück. Hajos Humpeln macht mir Sorgen, vielleicht sollten wir zusehen, dass er noch vor dem Wochenende zum Arzt kommt. Wir halten in unserem Kartenbuch Ausschau nach einem Arzt oder Krankenhaus in der Nähe. Es gibt hier zwar das Noichi Chuo Hospital, doch liegt das etwas abseits, deshalb probieren wir es in einer Apotheke. Da diese Apotheke im Plan nicht eingetragen ist, haben wir es für eine Arztpraxis gehalten oder war es umgekehrt. Die Damen wollen uns jedenfalls ins Noichi Chuo Hospital schicken. Wir sind aus den Großstädten nur Apotheken so groß wie Supermärkte bewohnt, auf denen ein Schild mit „Kusuri“ steht, deshalb ist die Entscheidung ob Arzt oder Apotheke auch so schwer. Leider Fehlanzeige und wir laufen weiter Richtung Bahnhof.
Vom Bahnhof Noichi wollen wir bis Gomen fahren, da es der nächstmögliche Bahnhof ist, von dem wir Tempel Nr. 29 (Kokubunji) zu Fuß erreichen können. Doch vorher sehen wir noch einen besonderen Zug, dessen seitlich verlaufender Gang nicht hinter Glas liegt, sondern einen freien Blick auf die vorbeiziehende Landschaft lässt. Mann kann sich natürlich auch den Fahrtwind um die Ohren wehen lassen.
Als wir im Bahnhof von Gomen, in Ermangelung von geeigneten Schließfächern beim Bahnhofspersonal fragen, ob sie ein Auge auf unsere Rucksäcke haben könnten, wollen die doch pro Gepäckstück 400 Yen kassieren. Wir fragen noch in einem angrenzenden Frisiersalon nach, aber der Typ, den wir höflich ansprechen, ist entweder zu doof uns zu verstehen oder er will sich allzu aufdringliche Gaijins (Ausländer) von der Pelle halten. Wir finden aber später einen anderen Frisiersalon, deren Besitzerin uns sofort versteht und unsere Rucksäcke mal kurz um die Hausecke trägt, wo sie im Schatten keiner sehen kann.
Exkurs Tempel Nr. 29 Kokubunji (国分寺)
„Der offizielle Staatstempel“ der Provinz Tosa bzw. Kōchi wurde von Gōgi 739 auf Geheiß des Kaisers Shōmu (45. Tenno Japans) gegründet. Bevor er in den Rang eines Staatstempels erhoben worden ist, hieß er Kokōmyō Shitennō Gokokuji. Gyōgi hat die Hauptgottheit, eine tausendarmige Kannon (Senju Kanzeon Bosatsu) geschnitzt. Kōbō Daischi besuchte den Tempel im Alter von 42 Jahren und vollzog hier anlässlich des Sternenfestes (hoshi matsuri auch agonshu) ein besonderes Ritual, bei dem zwei große Feuer, die die beiden Mandala-Welten im esoterischen Buddhismus symbolisieren, mit Holzstöcken (gomagi), auf welchen ein Gebet oder eine Bitte geschrieben sind, geschürt werden. Es ist nicht mit dem „hoshi no hi“ (Sterntag) im Sommer zu verwechseln, welches als nationaler Feiertag gilt.
In Erinnerung daran steht eine Kōbō Daishi Statue im Tempel, die „Hoshiku Daishi„ genannt wird. Während der Chōsokabe und Yamanouchi Zeit wurde er wiederholt niedergebrannt und wiederaufgebaut. Dies ist einer der wenigen Tempel, die von Kunichika Chōsokabe (1504-1560) und seinem Sohn Motochika, nachdem sie im Alter zum Buddhismus konvertiert waren, wiederaufgebaut worden ist. 1653 stiftet Tadayoshi Yamauchi (1592-1665), 2. Lord der Provinz Tosa, Geld für die Restaurierung des Tores und die Pflasterung des Weges zum Tempel. 1904 wurden der Hondō (Haupthalle) und die 1,33 m große Statue des Yakushi Nyorai zu wichtigen Kulturgütern Japans erklärt, 1922 wurde dem gesamten Tempelkomplex dieses Prädikat verliehen.
Hier im Tempelbezirk ist die Sakura (Kirschblüte) in voller Pracht. Ich weiß nicht so genau, aber im Moment beherrscht im Tempel nicht die Frömmigkeit der Pilger, sondern eher die Leichtigkeit und Leidenschaft des rosa Blütenwunders vor. Überall stehen die Pilger und Fotografen, um die Kirschblüte in Szene zu setzen. Kinder spielen zwischen den Bäumen und einige ältere Damen haben sich hier auf den Steinblock-Bänken niedergelassen, um die mitgebrachten Bentōs zu genießen.
Exkurs Bentō
Bentō ist so eine Art japanisches Fast Food, in den einzelnen Fächer dieser Schachteln befinden sich eingelegtes Gemüse, Reis, Fisch- oder Fleischstücken, sogar ein Pralinenförmchen mit Nudel- oder Kartoffelsalat kann man finden. Es ist kein spezielles Gericht, sondern mehr eine Art Darreichungsform. Man unterscheidet Hamburger (hambaga)-Bentōs, Spaghetti (supagetti)-Bentōs, Schnitzel (tonkatsu)-Bentōs usw. Man kann sie in speziellen Bentō-Shops kaufen, aber auch in fast jedem Kombini (24-h-Markt) oder auch am Bahnhofskiosk. Man kann sie kalt genießen, oder z.B. im Kombini von den Angestellten in der Mikrowelle erhitzen lassen. Es gibt eine sehr ausgeprägte Bentō-Kultur in Japan. So bieten Bahnhofs Bentōs einen Querschnitt durch die lokalen Spezialitäten, das Shinkansen (Schnellzug) Bentō ist sehr berühmt, man kann es nur in den Schnellzugbahnhöfen kaufen. Jede Mutter gibt ihrem Kind und jede Ehefrau ihrem Mann das selbstgemachte Bentō mit in die Schule bzw. mit zur Arbeit. Auch wir kaufen uns ab und zu Bentōs, da wir nicht immer im Restaurant oder Ryokan essen wollen.
Aber zurück zum Tempel – hier bekommen wir Teebeutel anlässlich der Kirschblüte geschenkt. Im Pilgerbüro finden wir Ossi Stocks Buch („Auf den Spuren von Kōbō Daishi“) in der Auslage. Vor dem Büro können wir uns an einem Automaten Tee holen, den wir in dieser herrlichen Atmosphäre auch sehr genießen. Eigentlich wollten wir jetzt vom Kokubunji dori Bus Stopp zum Tempel Nr. 30 fahren, aber der Fahrplan ist nicht so eindeutig und außerdem müssten wir unser Gepäck nachholen, so dass wir es vorziehen, zum Bahnhof Gomen zurückzulaufen.
Von Bahnhof Gomen fahren wir dann abermals mit der JR Dosan Linie über Tosa otsu nach Tosa ikku. Hier stellt sich wieder das Problem – wo lassen wir unsere Rucksäcke. Ich kann Hajo noch so gerade bremsen, an einem Privathaus zu klingeln, das Nudelsuppenrestaurant, welches nicht in der Karte eingetragen ist, kommt uns da wie gerufen. Wir essen nicht nur eine große Portion Udon, sondern dürfen auch unser Gepäck hier deponieren, und Hajo kann sich wieder etwas befreiter fortbewegen. Aber wir müssen unbedingt dieses Problem lösen, bevor es uns noch über den Kopf wächst und wir vielleicht sogar die Tour abbrechen müssen.
Exkurs Tempel Nr. 30 Zenrakuji (善楽寺)
Zenrakuji, „Der Tempel der wahren Freude“, oder Anrakuji, „Der Tempel der ewig währenden Freude“, beide Tempel haben sich ab 1868 gestritten, wer die rechtmäßige Nr. 30 von den 88 Tempeln der Pilgertour ist. Der Zenrakuji wurde ursprünglich auf Geheiß des Kaisers Shōmu gegründet, die Gründung bzw. Reaktivierung als Tempel wird Kōbō Daishi zugeschrieben. Doch im Jahre 1868 wurde der Tempel, der mit einem Shintoschrein vergesellschaftet war, niedergebrannt und die Hauptgottheit Amida Nyorai sowie die Kōbō Daishi Statue in den Tempel Nr. 29 überführt. Als 1893 die Hauptgottheit in den Anrakuji, ebenfalls von Kōbō Daishi gegründet, übersiedelte, nannte sich jetzt dieser Tempel offiziell Nr. 30. Da auch der Besuch des Zenrakuji für Pilger verboten wurde, galt jetzt dieser Tempel für nahezu ein halbes Jahrhundert als rechtmäßige Nr. 30. Im Jahre 1929, es herrschte das Gesetz, das eine Neuerrichtung von Tempeln verbot, wollten die Anhänger des Zenrakuji ein Tempelgebäude aus der Nähe Tokyos kaufen, um das Gesetz zu umgehen. Doch ihnen fehlte das nötige Geld, auch nach dreijähriger Frist konnten sie kein Tempelgebäude aufweisen. 1938 wurde dann die Kōbō Daishi Figur in ein Provisorium überführt, doch der Anrakuji weigerte sich auch die Hauptgottheit auszuliefern. Das Ende vom ganzen Hick-Hack: In den 1970-gern wurde ein Tempelvorsteher für beide Tempel gefunden, der Zenrakuji beherbergt wieder den Honzon (Hauptgottheit) zählt wieder als Tempel Nr. 30 und der Anrakuji erhielt den Titel als Okunoin (innerstes Heiligtum).
Als wir das Haupttor vom Tempel Nr. 30 sehen, freuen wir uns, dass wir gleich unser Etappenziel für heute erreicht haben. Aber gefehlt, da ist noch ein ziemlich langer Weg zwischen Tor und Tempel zu absolvieren. Auch wenn ich zugeben muss, dass der Weg einem durch die in voller Blüte stehenden Kirschbäume, die den Weg säumen, doch sehr versüßt wird. Da hier sowohl der Tempel Zenrakuji als auch der Tosa-Schrein beginnen, müssen wir aufpassen, das wir den richtigen Weg einschlagen, aber ein Plakat am Tor klärt uns auf, wo wie lang müssen. Ich muss zugeben, dass der Schrein im Vergleich zum Tempel irgendwie interessanter wirkt. Nun haben wir noch nicht so viele Schreine auf unser Pilgertour besucht, wir sind ja wegen der Tempel hier, aber der Schrein mit seinen aufgestapelten Sake-Fässern, den weißen Papierwedel und der riesenhaften Trommel wirkt etwas beschaulicher und nicht so postmodern wie z.B. die Haupthalle des daneben liegenden Tempels. Aber natürlich gibt es auch hier alte Gebäude, einen wunderschönen roten Glockenturm und einige Jizō gewidmete Häuschen, in denen mich besonders die stilisierten Püppchen und die 1000-Kranich-Ketten beeindrucken. Nach einer japanischen Legende bekommt derjenige, der 1.000 Origami-Kraniche faltet, von den Göttern einen Wunsch erfüllt. Bei der japanischen Papierfaltkunst (Origami) versucht man ohne Schneiden und Kleben aus einem einzigen Stück Papier Lebewesen, Gegenstände, aber auch abstrakte Polyeder (Vielecke) und Mosaike zu falten.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof Tosa-Ikku machen wir Halt bei einem Bäcker. Hajo kauft sich eine Portion Crème brûlée und ich eine Art Madeleine (franz. Kleingebäck inform einer Jakobsmuschel). Beim Bezahlen merken wir, dass Unruhe aufkommt. Die Frau hinter dem Tresen wollte uns als Osettai (Pilgergeschenk) wohl einen selbstgebackenen Keks geben, doch der Bäckermeister tauscht die Kekse in kleine Kuchen um. Am Ende der Straße finden finden wir doch noch ein „Kusuri“ (Apotheken- und Drogeriemarkt) namens „Drug Seims“. Hajo ersteht ein Kühlspray mit Painkiller (Schmerzmittel), ich bin davon nicht begeistert, da ich weiß, wie schnell so ein Kältespray Kälteschäden an der Haut verursachen kann. Nachdem wir im Restaurant wieder unsere Rucksäcke an uns genommen haben, verabschieden wir uns und machen uns von Tosa-ikku auf nach Kōchi. Wir müssen am Hauptbahnhof der Großstadt Kōchi umsteigen, um zur Jugendherberge nach Engyojiguchi zu kommen. Leider ist unser zukünftiges Domizil, wir wollen hier einige Tage verbringen, um von hier aus die Tempel 31 bis 33 zu besuchen, nicht in unserer Pilgerkarte verzeichnet. Zum Glück habe ich auf meinem Computer die Liste und Wegbeschreibung aller japanischen Jugendherbergen, aber als wir dann am Bahnhof ankommen, ist die Orientierung dann doch etwas schwer – zumal es auch schon dunkel geworden ist. Wir fragen einfach eine Person, die mit Schutzhelm vorm Bahnhof steht, der zückt flux sein Handy und schon wissen wir, dass wir jetzt links herum abbiegen müssen und dann immer gerade aus.
Die Jugendherberge Sakenokuni („Sakeland“) und Infos rund um Kōchi City:
http://www.kyh-sakenokuni.com/english.html
http://www.attaka.or.jp/foreign/english/index.html
http://www.kochi-kia.or.jp/english/index.html
http://www.kochi-kia.or.jp/info/tosawave/tosawave.html
Die Jugendherberge ist einfach super! Wir belegen ein Zimmer mit Etagenbett – normale Betten, aber anstelle der Matratze liegen hier Tatamimatten drin. Es gibt eine Waschmaschine und Trockner, sowie einen Aufenthaltsraum mit kostenloser Internetbenutzung. Unser freundlicher Herbergsvater, der übrigens hervorragend Englisch spricht, erklärt uns, dass wir gerade noch rechtzeitig eingetrudelt sind, da in Japan die Ferien beginnen und viele Japaner zurzeit unterwegs sind. Hajo bespricht mit ihm, wie wir mit dem Bus am Besten zu den Tempeln kommen, dass wir Kōchi Castle und den Sonntagsmarkt besuchen wollen. Zum Glück sind wir noch rechtzeitig genug, um hier Abendessen zu bekommen. Es gibt Mābōdōfu, das ist gebratener Tofu (Sojabohnenquark) mit Hackfleisch und einer scharfen Würzsoße und Sashimi (roher Fisch in Scheiben). Da unser Herbergsvater früher für eine japanische Sake-Firma gearbeitet hat, bietet er Sake-Seminare an, d.h. neben einer Verkostung wird er Herstellung und Sortenvielfalt erklären. Hajo zieht das Seminar schon vor und bestellt sich zum Abendessen einen kleinen „Vorglüher“, den er dann gemeinsam mit so einen komischen Typen aus dem Speisesaal vertilgt.
Meine Hand ist wieder geschwollen, dafür habe ich meinen BH wiedergefunden, von dem ich dachte ich hätte ihn in Tempel Nr. 19 hängengelassen. Nicht auszudenken, wenn die Mönche morgens aufräumen und da hängt noch so ein Teil! Das wäre mir super peinlich gewesen, aber ich hatte ihn nur nicht mit in den wasserfesten Beutel gepackt, sondern lose in den Rucksack, da der BH noch nicht ganz trocken gewesen ist.
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