Karte von Shikoku mit den 88 Haupt- und 20 Nebentempeln


Donnerstag, 1. Juli 2010

Geschafft!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Geschafft, ich kann es kaum glauben:
Während mich meine Pilgertour in Japan
gerade mal 45 Tage beschäftigt hat,
hat dieses Pilgertagebuch über ein
Jahr für sich beansprucht!
Das Pilgertagebuch war der erste Streich,
doch die nächsten Projekte sind die
Ausarbeitung der Tempelbeschreibungen
sowie die der einzelnen Exkurse.
Eine weitere Pilgertour in Japan schließe
ich nicht aus - Japan ist immer eine Reise
wert!
Viele Grüße und "ja mata" - man sieht sich!
(vielleicht in Japan?)
Britta :-)

Freitag, 01.05.2009, Osaka, Hagoromo, Jugendherberge

Der 47. Tag in Japan
Auch diese Nacht schlafe ich wie ein Karnickel – ich schlafe nicht richtig tief, da ich befürchte, morgen nicht rechtzeitig aufzuwachen. Da meine beiden Zimmergenossinnen die Gardinen zugezogen haben, funktioniert mein Trick, die Vorhänge offen zu lassen, damit mich das erste Sonnenlicht weckt, nicht. Außerdem schnarcht die dickere der beiden leise vor sich hin. So komme ich nicht umhin, mitten in der Nacht um 3.30 Uhr meinerseits für Krach zu sorgen, als ich zur Toilette schleiche. Die schweren Türen in der Jugendherberge schließen von selbst und so muss man höllisch aufpassen, damit eine solche nicht laut ins Schloss fällt. Ich bin schon früh wach, ich habe ja nicht viel geschlafen und lauere auf das Frühstück, das es um 7.45 Uhr geben soll. Glücklicher Weise gibt es vor dem Frühstücksraum einen Internetterminal, wo man für 100 Yen 10 Minuten surfen kann. Nachdem ich mich beim Frühstück gestärkt habe, es gibt hier super leckere Minichroissants, mache ich mich auf den Weg zum Kansai Airport. Weder von der Fluggesellschaft noch von „Upandgo“ habe ich eine Antwort auf meine E-Mails erhalten. Ganz schön ärgerlich, wenn man so in einem fremden Land fest hängt und keinen Ansprechpartner hat.

Ich verlasse also den schönen Park, in der Japans größte Jugendherberge liegt, und schlendere zum Bahnhof Hagoromo. Von hier nehme ich den Llt. Express, der jedoch wieder einmal zwei Stationen vor dem Ziel Kansai Airport endet. Man sollte eben genau darauf achten bis zu welchem Bahnhof der Zug fährt („bound for“) und nicht in blind darauf vertrauen, dass hier alle Züge auf die künstliche Insel in der Buch von Ōsaka fahren. Ich steige also nochmals um und betrete kurz darauf die Flugschalterhalle. Den Flugschalter finde ich sofort, heute ist er auch geöffnet, da in nicht mal zwei Stunden ein Flieger nach Helsinki startet. Ich frage höflich am Schalter nach, ob sich mein Flug umbuchen lässt. Eigentlich glaube ich nicht, dass es möglich ist, da Mutter und Tochter aus Berlin auch nicht umbuchen konnten. Aber ich versuche es und die Stewardess am Schalter fragt telefonisch nach – das nährt meine Hoffung. Aber von der Aussicht heute endlich nach Hause fliegen zu können, meinen Eltern endlich von meinen Abenteuern berichten zu können, falle ich dann auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein Umbuchen ist nicht möglich und für den heutigen Flug müsste ich 2500 Euro bezahlen. Ich verdrücke mir eine Träne - für das Geld könnte ich die Shikoku Tour fast nochmals laufen, aber auch für das Geld einer Neubuchung, es würde so 700 bis 800 Euro kosten, könnte ich noch einige Zeit hier in Japan überleben.

Ich beschließe also meine knapp 3 Wochen dazu zu nutzen, mir die Orte in Japan anzusehen, die ich noch nicht kenne. Aber das größte Problem ist, dass ich so aus dem Stehgreif keine Idee habe, was ich besuchen möchte und mich bei dem Überangebot an interessanten Orten auch nicht entscheiden kann. Da fällt mir die Touristeninformation ein, die ich schon am Anfang meiner Shikoku Reise zusammen mit Hajo besucht hatte. Hatte ich dort nicht ein Prospekt („World Heritage Pilgrimages Routes – Way of St. James & Kumano Kodo“) in der Hand, wo der japanische „Kumano-Kodo“ mit dem spanischen Jakobsweg verglichen wurde. Ich suche das Prospekt, leider ist in ihm nicht die exakte Route verzeichnet. Hier vor der Touristeninformation gibt es so eine Art Ruhezone mit Prospekten über viele Sehenswürdigkeiten in Japan – nicht über alles aber über vieles. Bei speziellen Fragestellungen einfach die Damen an der Information fragen, aber zunächst benutze ich hier den Internetterminal, um noch einige Informationen einzuholen. Aber an Kartenmaterial komme ich so schnell nicht. Deshalb frage ich bei den Damen in der Touristeninformation erstens nach Infomaterial über den Ise Schrein, nach Möglichkeiten, hier in Japan als Ausländer am Karatetraining teilzunehmen und ob es nicht Wanderkarten für den Kumono-Kodo gibt. Da ich nicht kreuz und quer durch Japan reisen möchte, mein Budget ist begrenzt, und außerdem möchte ich in der Nähe bleiben. Ich erkläre ihr, dass ich mich auch für die Saikoku, die Pilgerreise zu den 33 Tempeln der Gottheit Kanon im Gebiet Kansai (Westjapan), interessiere. Für letzteres erhalte ich lediglich eine Liste mit den Tempelnamen, was mich nicht wirklich weiter bringt. Beim Ise Schrein und dem Kumano Kodo hat die Damen mehr Glück. Stolz präsentiert sie mir eine Broschüre mit der Aufschrift „Kumano Kodo – Walking Guide Map – Ise-ji Routes“. In diesem Heftchen sind Tagestouren so um die 10 km eingetragen, die meist von einem Bahnhof zum nächsten führen. Ein „Access Guide“ am Ende listet alle Möglichkeiten auf, mit welcher Zug-, Buslinie oder über welche Autobahn man an die Startpunkte gelangt. So etwas habe ich gesucht! Aber soll ich wirklich weiter wandern oder besser meinem Körper eine Pause gönne? Ich fühle mich noch relativ fit, aber meine Laune ist zurzeit nicht die beste, da ich die Hoffnung auf Heimkehr erstmal aufgeben musste. Es ist mittlerweile 14.03 Uhr, ich sitze hier schon fast 2 Stunden und als ein Mann von Sicherheitsdienst mich anspricht, ob es mir gut gehen würde, sehe ich mich endlich genötigt, meinen Arsch wieder in Bewegung zu setzen: Ich werde noch eine tolle Zeit hier in Japan haben, muntere ich mich auf, das ist doch bis jetzt fast alles super gelaufen, da werde ich am Ende mich doch durch so eine kleine Verzögerung nicht runterziehen lassen. Neue Wanderwege wollen von mir erkundet werden, neue Begegnungen und neue Abenteuer warten auf mich!

Ich mache mich also auf den Weg, zunächst einmal will ich nach Ōsaka ins Kikue, einem Businesshotel, dass ich schon von einer früheren Japanreise kenne. Ōsaka um die Namba Station ist für mich ein bisschen Heimat, da ich die Gegend recht gut kenne. Aber Vorsicht, der riesige Bahnhof von Namba, der noch dazu in eine supergroße Einkaufspassage (Namba Walk) übergeht und vor Shops nur so wimmelt, ist mit seinen vielen Eingängen ein wahres Labyrinth. Auch diesmal habe ich das Problem, den richtigen Ausgang Richtung „Denden Town“ zu finden. „Denden Towen“ ist so eine Art Akihabara (Stadtteil von Tokyo) von Ōsaka. Es ist ein Elektronik-Viertel, in dem alles, was mit Strom läuft, verkauft wird. Touristen können hier steuerfrei einkaufen, da die Steuer hier in Japan aber nur 5 % beträgt und Japan teuer ist, muss man gründlich recherchieren, um hier noch ein Schnäppchen zu machen. Zu dieser Zeit wäre ein „Nindo DaySi“ aktuell, da es diesen in Deutschland erst in zwei Monaten gibt. Aber ich spare mein Geld lieber, da ich jetzt nicht mehr im „Pilgerland“ bin, sondern die hiesigen Touristenpreise bezahlen muss. Auch wird mir die Unterkunftssuche schwerer fallen, da keine Unterkünfte im Wanderführer eingetragen sind.
Aber erstmal frage ich im Kikue, ob sie ein Zimmer für mich frei haben. Ach, da werden Erinnerungen an meine letzte Japanreise wach, als ich die Insel Okinawa besuch habe, den Fuji-san (höchste Erhebung in Japan; Wahrzeichen Japans) im Alleingang bezwang und ausgiebig in Kyoto und Nara „getempelt“ und „geschreint“ habe. Damals noch in voller Sommerhitze des August, habe ich jetzt (Anfang Mai) gemäßigte Temperaturen. Doch auch die hier vorherrschenden 24°C, sind ein Kontrastprogramm zum kühlen Koyasan und auch die letzten Shikoku Tage. Ich habe etwas Kopfschmerzen, als ich mich im Bereich um den Nankai Bahnhof umsehe – das ist wohl die Wetterumstellung. Im Namba Walk fröne ich der Fastfood Kultur: Bei McDoof hier in Japan gibt es leider keine Curry-Sauce zu den Hähnchenstücken, aber die Japan exklusive Senfsoße („Masutado Sozu“). Sogar Hotdogs sind hier in Japan im Sortiment. Mit meiner Tüte eingepacktem Essen ziehe ich mich in den als „Parks“ bezeichneten Bereich des Namba City Kaufhauses zurück. Es ist so eine Art Park, den man über mehrere Stockwerke, ähnlich einer Dachterrasse angelegt hat. So richtig mit Bäumen und Sträuchern. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie der Japaner seine geliebte Natur in der Betonwüste der Großstadt inszeniert. Nicht nur die traditionellen kleinen Gärten, zu denen sich die Zimmer öffnen, sondern auch richtige Parkanlagen auf den Dächern der Hochhäuser sind ein Beweiß dafür, dass der Japaner ohne seine Natur und den damit verbundenen Wechsel der Jahreszeiten nicht leben kann. Da die oberste Etage japanischer Kaufhäuser meist eine Art „Fressmeile“ mit den unterschiedlichsten Restaurants und Cafes bildet, ist auch ein Park zum Rumspazieren keine Seltenheit. Nahrung für den Körper und für die Seele! Aber auch kleinere Tiere fehlen hier nicht, so habe ich bei meinem letzten Japanaufenthalt eine tolle Libelle auf dem Dach des Busterminals von Ōsaka fotografieren können. Nach dem Essen durchstöbere ich im Takashimaya, einer renommierten Kaufhauskette aus dem Jahre 1829, die Abteilungen für Traditionelle Kleidung, sprich Kimono und Kimonozubehör, sowie die Kunst- bzw. Handwerkabteilung, die Lackarbeiten und Holzgeschirr in allen Variationen und natürlich auch Preisklassen für den geneigten (reichen) Kunden bereit hält. Ich sehe mich an den bunten bis prächtigen Kimonostoffen statt, leider gibt es hier nur die japanische Einheitsgröße, die mir nicht passt, da ich zu lange Arme habe. So ein Baumwollkimono (Yukata) würde mir schon gut stehen, aber man verweist mich dann immer in die Souvenirabteilung, in denen es die typischen blau-weißen Yukata in Übergrößen, speziell für Ausländer, zu kaufen gibt. Ich schwärme für die traditionellen Kimono und die geschmackvolle Zusammenstellung von Kimono, Gürtel und Accessoires wie Spangen, Schnüre (himo) und Kragen (eri). Wenn man am guten Geschmack der Japaner zweifelt, weil die Jugend allzu bunt, allzu kurz und allzu schrill auf sich aufmerksam machen will, dann sollte man sich eine Kimonoträgerin ansehen - das ist dann wie Watte und Balsam für die Sinne. Ich wundere mich immer wieder wie harmonisch die traditionelle Kleidung zusammengestellt wird. Farbe und Motiv der Jahreszeit entsprechend, die jüngeren Damen mit kräftigen Farben und langen Ärmeln (Furisode Kimono) und die älteren in gedeckten Farben oder mit der schlichten Eleganz eines schwarzen Kurotomesode, bei dem lediglich der untere Rand einige Motive aufweisen kann. Was für uns der „Schwarze Anzug“ oder das „Kleine Schwarze“ ist, findet in Japan sein Gegenstück in Kimono und Hakama (Hosenrock der Männer). Aber die ganzen Geschäfte und die Geschäftigkeit hier um den Bahnhof können einen ganz schwindelig machen. Ich mag die japanischen Großstädte nicht, alles ist zu viel – zu laut, zu warm, zu bunt, zu wimmelnd – einfach nervtötend.

Ich bin froh, als ich nach meiner Shoppingtour wieder im Kikue lande. Hier schmiede ich nun Pläne wie meine verbleibende Zeit in Japan verbringen möchte. Um es kurz zu machen, da ich noch keine Zeit hatte, die restlichen Notizen zu Papier bzw. Computer zur bringen: Als erstes werde ich mit dem Zug zum Ise-Schrein (http://www.isejingu.or.jp/english/) fahren, von dort weiter nach Umegadani, wo der Startpunkt auf meiner Wanderkarte ist. Doch zuvor werde ich noch per Zufall an einem Matsuri, einem traditionellen Schreinfest, in einem kleinen Dörfchen namens Tokida http://maps.google.com/maps?hl=de&rlz=1R2IRFC_deDE341&q=tokida&lr=&oq=&um=1&ie=UTF-8&sa=N&tab=il;%20http://hisaai-hp.hp.infoseek.co.jp/JRCentral/ka/Sg_s_eg.html)
teilnehmen. Als einzige Ausländerin werde ich zum gefragten Interviewstar, da ich gleich von drei mutigen Lokalreportern um ein paar Wort gebeten werde. Mein Weg wird mich einige Tage über den Kumano Kodo (http://www.kumadoco.net/kodo_eng/
führen, es werden auch einige Regentage dabei sein. Doch beim letzten der drei Kumano Schreine werde ich auf den Megangji Tempel treffen. Er ist der erste der 33 Tempel der Saikoku Pilgerreise (http://www.taleofgenji.org/saigoku_pilgrimage.html), von denen ich auch noch einige besuchen werde. Nicht mehr alles zu Fuß, sondern jeweils vom nächstmöglichen Bahnhof. Meine Reise wird mich einmal um die Wakayama Halbinsel mit den Kii-Bergen herumführen, über Ōsaka, Nara und Kyoto bis zur Schreininsel im Biwa See und einem Abstecher nach Ueno zum Iga Ninja Museum (http://www.iganinja.jp/en/). Doch um diese Geschichten aufzuschreiben, fehlt mir im Moment die Zeit, denn auch mein Blog (http://www.shikokuhenro.blogspot.com/) verlangt nach stetem Ausbau. Ob es vielleicht einmal einen Blog „kumanokodohenro“ oder saikokuhenro“ gibt, weiß ich nicht.

Donnerstag, 30.04.2009, Koyasan, Jugendherberge

Der 46. Tag in Japan
Heute bin ich zwar um 5.10 Uhr aufgewacht, habe mir die Morgenmeditation im Muryōkō-in dann doch verkniffen, weil ich einfach zu kaputt bin. Hajo geht schon hin und kann mir dann beim Frühstück davon berichten. Wir werden heute den Koyasan verlassen, Hajo, um nach Nara zu fahren und ich will dem Flugschalter im Flughafen Kansai einen Besuch abstatten, da ich vom Internetportal „Upandgo“ noch immer keine Infos über Umbuchungen erhalten habe. Ich bin aber pessimistisch. Mutter und Tochter aus Berlin, die ich auf Shikoku getroffen habe und ebenfalls vor ihrem eigentlichen Abflugtermin die Pilgertour beendet hatten, konnten nicht umbuchen und mussten das Geld für einen neuen Flug abdrücken. Es würde mich freuen, endlich mit meinen vielen Gesichten und Fotos nach Hause zu kommen, und den Daheimgebliebenen von meinen Abenteuern berichten zu können. Aber so wie es aussieht, werden ich mir ein Alternativprogramm überlegen müssen, denn für den Flugpreis könnte ich mich hier in Japan noch einige Zeit, wenn ich bescheiden lebe, durchschlagen. Ich befrage das Internet über eine Karate Trainingsmöglichkeit in Ōsaka. Es soll noch einen schönen Wanderweg zwischen Kyoto und Nara geben. Das Schicksal hat mich wieder mit Hajo zusammengeführt, und sollte ich meinen Flug nicht umbuchen kann, würde ich ihn in der Jugendherberge in Nara treffen, um wieder vereint von Nara nach Kyoto zu wandern. Leider gibt es im Netz keine Einzelheiten, vielleicht ist es ein alter Pilgerweg, vielleicht auch nur ein einfacher Wanderweg. Wenn wir Pech haben, ist es nur ein Gerücht und selbst wenn, dann können wir nicht auf so detailliertes Kartenmaterial wie in Shikoku zurückgreifen. Außerdem ist Shikoku die Insel der Pilger. Hier sind meist nur preiswerte Unterkünfte und Restaurants eingetragen. Doch auf dem „Festland“ gibt es wieder Business-Tarife für die Hotels und Eintritt für jeden Tempel, den man besuchen will. Wir sind dann wieder im „Touristenland“ und werden unser Pilgerland „Shikoku“ vermissen.

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen. Ich schieße noch ein paar Fotos von der Jugendherberge. Es ist ein altes, japanisches Haus, das man zur Jugendherberge umgebaut hat. Ich hatte eine gemütliche, wenn auch durch Schlafmangel geprägte, Zeit hier oben unter dem Dach – juhe! Da die Unterbringung hier oben in den „Kämmerlein“ das gleiche gekostet hat, wie ein Platz im Schlafsaal unten im Haus, habe ich die private Alternative vorgezogen. Ich musste allerdings unter den Toilettengänger des Nachts leiden. Das Zimmer neben meinem ist auch so ein „Kämmerlein“. Ich konnte einen flüchtigen Blick beim Auszug hineinwerfen. Wenn man sich durch die kleine Tür gequetscht hat, war der Raum doch größer als erwartet. Aber ich lobe mir mein Bett, obwohl ich immer Gefahr gelaufen bin, mir am Dachbalken den Kopf zu stoßen - aber wofür hat man eine Taschenlampe. Der Aufenthaltsraum ließ keine Wünsche offen.

Ich verlasse zusammen mit Hajo das Haus. Der Bus zum Bahnhof kostet 280 Yen. Da man das kurvige Stück kurz vor der Ortschaft nicht zu Fuß erklimmen darf, es gibt hier keinen Bürgersteig und keine Möglichkeit den Touristenbussen in den Kurven auszuweichen, sind wir gezwungen, unseren letzten Gruß vom Bus aus zu entrichten. „Sayonara Kōbō Daishi“ und „Tschüß“ Kurtsan!“ Wir hatten hier auf dem Koyasan und auf Shikoku eine schöne, wenn auch nicht unproblematische, Zeit. Für den Zug zum Kansai Airport berappe ich nochmals 1980 Yen, aber erstmal geht es mit der Bergbahn zurück zum Bahnhof der JR (Japanese Railways). Als ich mir das Ticket kaufe, erhalte ich als Wechselgeld einen 2000-Yen-Schein. So einen habe ich noch nie hier in Japan gesehen, aber ich werde ihn als Andenken aufgewahren. Wir fahren mit dem Zug wieder in Richtung Ōsaka. Am Bahnhof „Hashimoto“ verlässt mich Hajo, um in einen Zug nach Nara zu wechseln. Wenn ich den Flug nicht umbuchen kann und nicht weiß, was ich tun soll, kann ich Hajo in den nächsten Tagen in Nara finden. Danach wird er nach Kyoto reisen, um hier die berühmtesten Tempel Japans zu besuchen. Ich habe ihm noch einen meiner Reiseführer mitgegeben, damit er einen Eindruck davon gewinnt, was ihn erwartet. Alle Tempel in Kyoto besuchen zu wollen, ist fast unmöglich in der kurzen Zeit. Er muss also eine Vorauswahl treffen. Ich selber war vor einigen Jahren für eine Woche in Kyoto und hatte das Glück beim alljährlichen Abschluss des Allerseelenfestes (O-Bon) in Japan, dem „Gozan no Okuribi“ in Kyoto beizuwohnen. Bei diesem Ritual werden auf mehreren Bergen im Norden der Stadt große Feuer entfacht, die aus der Ferne gesehen die japanische Schriftzeichen für „Buddhas große Lehre“ ergeben. Eindrucksvoll, aber nach dem Entzünden herrscht das reine Verkehrschaos in der Stadt, da alle Zuschauer wieder schnell nach Hause wollen. Also nachdem Hajo den Goldenen Pavillon (Kinkaku-ji), den Silbernen Tempel (Gingaku-ji), den anschließenden Philosophenpfad erkundet hat, wird er wohl den Kiyomizu-dera („Tempel des Gutes Wassers“) mit seinen drei Quellen, die Zwillingstempel Nishi und Higashi Honganji besuchen und im Tōji-Tempel („Ost-Tempel“ oder Kyō Goku-ji, „Das Land beschützender Tempel des Königs der Lehre“) wieder auf Kōbō Daishi treffen, der hier seine erste Wirkungsstätte hatte. Die Pagode des Tōji ist übrigens das Wahrzeichen Kyotos, obwohl der hypermoderne Bahnhof ihr heutzutage den Rang streitig machen könnte. Ja – Kyoto ist keine Kleinstadt mit ein paar Tempeln, sondern eine Großstadt, in der man nur selten noch ruhige Ecken findet. Aber für den ambitionierten Japan Touristen ein Muss, ebenso wie die Tempel- bzw. Schreinanlage von Nikko, die Hajo auch noch besuchen möchte, bevor her über Tokyo und den Flughafen Narita wieder nach Hamburg zurückkehrt. Auch ich soll später wieder den Weg nach Kyoto finden. Nachdem ich von Ise dem Kumano-Kodo zu den drei Großschreinen von Kumano abgewandert habe, soll mich mein Weg über Ōsaka und Nara wieder in die Tempelstadt führen. Während ich den Kiyomizudera Tempel zum zweiten Mal im meinem Leben besuchte, soll mir der erste Besuch des Daigo-ji in bleibender Erinnerung bleiben. Der Name Daigo-ji kam mir von Anfang an so bekannt vor, bis mir einfiel, dass es letztes Jahr (2008; http://www.kah-bonn.de/index.htm?ausstellungen/daigoji/index.htm) eine Ausstellung in der Kunsthalle Bonn gegeben hat. Sie trug den Titel „Tempelschätze des heiligen Berges Daigo-ji – Der Geheime Buddhismus in Japan“. Und eben diesen Tempel wollte ich im Rahmen der Saikoku Pilgertour (33 Tempel der Kanon in Westjapan) besuchen. Als man mir jedoch im Haupttempel mit ratlosen Gesichtern und einem „arimasen“ (gibt es nicht!) verständlich machen wollte, dass es den Tempel nicht gibt, zweifelte ich schon an meinem Verstand. Als dann aber ein Mönch hinter mir her gestürmt kommt, den man telefonisch um Hilfe gebeten hatte, konnte der mir erklären, dass die Haupthalle (hondō) des Daigo-jis in den Bergen vor einem Jahr abgebrannt ist. Diese Nachricht hat mich dann fast sprachlos gemacht. Wie konnte bei all den Vorsichtsmaßnahmen gegen Feuer so ein Unglück passieren? Jahrhunderte alte Kulturgüter waren verbrannt – ein unermesslicher Verlust für Kyoto, für die Mönche, für Japan. Ich habe mir dann das ganze Ausmaß der Katastrophe angesehen und habe mich hierzu bei strömendem Regen den ganzen Berg hoch gequält. Ich musste sogar Eintritt für den Bereich des Kami-Daigos bezahlen, obwohl man mich bei dieser Gelegenheit hätte aufklären können. Doch nichts – außer ein paar steinernen Fundamenten, auf denen die Holzsäulen standen, war von der Halle nichts mehr übrig. Ich wäre fast vorbei gelaufen, wenn mich die Steintreppen nicht darauf aufmerksam gemacht hätten, dass hier früher ein Gebäude gestanden haben muss. Anstatt mir also einen Eintrag in mein Pilgerbuch am Daigo-ji geben zu lassen, war jetzt der Tempel im Tal, der Shimo-Daigo, für diese Aufgabe zuständig. Als ich später im Internet nach Informationen suche, wird das Feuer, das die Kannon-Halle vollständig zerstört hatte, mit keinem Wort erwähnt. Nur die Bemerkung, dass der Zugang zum Kami-Daigo Bereich zwecks Wiederaufbau nach einem Unfall gesperrt ist („Entry to Kami-Daigo Area is prohibited because of disaster restoration construction“ erschien auf der Homepage (http://www.daigoji.or.jp/index_e.html)

Ich fahre mit dem Zug noch bis Chaya und steige dann in einen Zug zum Kansai Airport um. Doch ich werde enttäuscht, da heute kein Flug stattfindet, ist der Schalter nicht besetzt. An der Information bekomme ich eine Telefonnummer, unter der sich jedoch keiner meldet. Am Internet Terminal bei der Touristeninformation, wo man für 100 Yen 10 Minuten surfen kann, finde ich auf der Airline Homepage die jeweiligen Flugdaten (Mo, Di, Mi, Do, So jeweils 11.00 und 18.30 Uhr). Wollten heute nicht Mutter und Tochter nach Berlin zurückfliegen? Ich frage nochmals an der Information und mir wird gesagt, dass der nächste Flug für morgen um 11.00 Uhr angesetzt ist. Da ich heute also nichts mehr ausrichten kann, beschließe ich die Jugendherberge in Hagoromo aufzusuchen. Ich würde zwar gerne in Ōsaka im Kikue, einem Business Hotel, das ich schon von einer früheren Japanreise kenne, absteigen, doch die Jugendherberge liegt einfach näher. In der Jugendherberge (http://www.osaka-yha.com/shin-osaka/shin-osaka-e/g-osaka-kokusai.html), in der schon Hajo seine erste Nacht in Japan verbracht hat, bin ich im Schlafsaal bzw. 8-Bett-Zimmer untergebracht. Ich teile mir das Zimmer heute nach mit zwei Französinnen, die vielleicht etwas älter sind als ich. Aber erstmal nutze ich das Ofuro (Gemeinschaftsbad) zum Entspannen. Das kann dann aber auch peinlich werden, wenn man zwar alle Regeln, die hier sorgfältig auf einem Plakat erklärt werden, beherzigt, aber so eine Schulklasse junger Mädchen, wie eine Gänseschar einfällt. Natürlich wird man als Ausländerin ganz anders beäugt als Einheimische. Wenn sich dann jemand vortraut und mit einem beherzten englischen „Hello“, versucht, einen ins Gespräch zu verwickeln, gackert der Rest der Mädchenschar los, als sei man ein Fuchs und habe es auf sie abgesehen. Natürlich kehrt die Mutige dann ganz schnell wieder in den Schoß der Gänsefamilie zurück und man selber steht allein auf weiter Flur und kann nur freundlich grinsen. Als ich vom Bad wiederkomme, überlege ich ob es “Paxnaturon“ (http://www.paxnaturon.com/) ein Jugendherbergen exklusives Haarpflegeprodukt wohl auch in Deutschland zu kaufen gibt. Es riecht herrlich und durch die Schaumspender, haut man sich nicht so viel davon in die Haare. Doch als ich ins Zimmer komme, hocken die beiden Französinnen vor einem Mini-Altar und murmeln ein Gebet. Still setze ich mich auf mein Bett und frage sie, nachdem sie geendet haben, ob sie gerade ein Sutra rezitiert haben. Sie erzählen mir, dass sie der japanischen Nishiren Schule des Buddhismus angehören und für einen Kongress hier nach Japan gekommen sind. Beim Abendbrot, es gibt eine Art Büffet, traue ich meinen Ohren nicht, als mich ein junger Japaner mit akzentfreien Deutsch anspricht. In einem Gespräch erfahre ich, dass er aus Wuppertal stammt, seine Mutter Japanerin ist und er hier seinen Zivildienst ableistet. Ich gehe heute früh zu Bett, da ich schon letzte Nacht nicht richtig schlagen konnte. Zum Glück haben meine beiden Zimmergenossinnen die gleiche Idee.

Mittwoch, 29.04.2009, Koyasan, Jugendherberge








Der 45. Tag in Japan
Heute ist für 5.00 Uhr Aufstehen angesagt, da Kurtsan uns für 6.00 Uhr zur Morgenmeditation in den Muryōkōin Tempel eingeladen hat. Leider habe ich heute Nacht nicht wirklich viel Schlaf gekommen: Ich bin alle paar Stunden aufgewacht, weil das Licht im Flur brannte, die anderen Gäste die Toilette benutzt haben oder das Gebälk hier oben sonst ein Knarren von sich gegeben hat. Zusammen mit Tamara und Hajo mache ich mich auf den Weg zum Tempel, der hier nur einige hundert Meter entfernt liegt. Es ist sehr kalt und wir scherzen darüber, dass der Frühling hier in Japan schon mal wärmer gewesen ist. Als wir an parkenden Autos vorbeikommen, sind doch tatsächlich die Scheiben befroren. Es ist zwar Ende April, aber in den Bergen so auf 1000 m Höhe ist es dann doch immer etwas kühler. Ich überlege, dass es mich schon reizen würde, einige Wochen so als „Azubine“ in einem Tempel zu leben, aber ich käme mit der Kälte nicht zurecht. In Japan ist eine Zentralheizung nicht gerade verbreitet, vielleicht im nördlichen Hokkaido, dem Schneeland. Aber allgemein scheint der Japaner sein Wärmebedürfnis im Winter mit einem heißen Bad am Abend und tagsüber mit dem Sitzen am Kotatsu (Tisch mit Decke und Heizstrahler) stillen zu können. Wenn man aber wie ich morgens ohnehin nur schlecht hochkommt und dann noch frierend in den Tag startet, dann muss man sich viel bewegen oder etwas heißes Essen. Ach ja – Frühstück haben wir auch noch nicht gegessen und ich hoffe, dass die Zeremonie nicht zu lange dauern wird.

Exkurs Muryōkō-in
http://www.shukubo.jp/eng/index.html
http://www.nzz.ch/2006/12/14/to/articleELDTU.html
http://www.swissinfo.ch/ger/Ein_Schweizer_Moench_in_Japan.html?cid=4439736
_2&bereich=Voxtours














Der Muryōkō-in („Unermessliches Licht“) Tempel wurde noch unter dem Namen „Take-in“ (Bambu Haus) vom vierten Sohn des Kaisers Kirakawa (1053-1129; 72. Tenno), Kakuho Shinno gegründet. Der Tempel wurde Buddha Murōyōju (auch Amitaba) gewidmet und später in Murōkō-in umbenannt. Von den ca. 117 Tempeln gehört er zu den ungefähr 53 Tempeln, die Shokubō, Tempelunterkunft, anbieten. Hierbei ist der Besucher in speziellen Gasträumen untergebracht und wird mit vegetarischer Kost verpflegt. Manche Tempel bieten auch spezielle Meditationskurse für die Gäste an bzw. man kann dort für einige Tage am Tempelleben teilnehmen. Das schließt die täglichen Zeremonien mit ein, aber auch das Putzen des Tempels und die Bewirtung von anderen Pilgern. Der Muryōkō-in ist berühmt für seinen Garten, aber wie erwähnt, ist auch Kurt Kübli Gensho einen Besuch wert. Er ist nicht der einzige Ausländer hier im Tempel, es gibt mehrere, nicht aus Japan stammende, Mönche und Nonnen.

Erstmal heißt es, sich in dem Gewirr aus Gängen hier im Muryōkō-in Tempel zurecht zu finden. Zum Glück begleitet uns ein Mönch, vorbei am berühmten Garten in die Haupthalle. Mein Herz geht auf, denn hier hat jemand Mitleid mit uns Normalsterblichen gehabt und einige Wärmestrahler aufgestellt. Wir setzen uns auf den Boden und warten auf die Dinge die da kommen. Heute sind es vielleicht 10 Gäste, die hier der Morgenzeremonie beiwohnen. Übernachtungsgäste aus dem Tempel und natürlich wir drei von außerhalb. Kurtsan gibt eine kurzer Einführung, wer wir drei denn sind und weshalb wir nicht zu den Shokubō (Tempelunterkunft) Gästen gehören. Er erklärt den Teilnehmern, dass wir die Pilgertour von Shikoku absolviert und jetzt hier am Koyasan, dem Daishi unsere „Aufwartung“ gemacht haben. Ich muss grinsen, denn der gebürtige Schweizer erklärt den japanischen Gästen natürlich auf Japanisch, was es mit unserer Anwesenheit auf sich hat. Und verflucht noch mal - ich kann ihn richtig gut verstehen! Da läuft man wochenlang durch Japan, verständigt sich mit Händen und Füßen, weil man den lokalen Dialekt, vielleicht auch die im Land vorherrschende Ausdrucksweise bzw. Sprechgeschwindigkeit, nicht gewöhnt ist, und dann bemerkt man, dass man vom Unterricht so an die europäische Sprechweise des Japanischen gewöhnt ist, dass man einen japanischen Muttersprachler nicht mehr versteht. Aber jetzt beginnt die Zeremonie.

Exkurs Zeremonien im Shingon Buddhismus (siehe Exkurse)

Es ist relativ dunkel hier, nur die kleinen Feuer auf den Gebetsplattformen der Mönche und einige Kerzen flackern vor sich hin. Es ist ein eindrucksvolles Ritual, dass von Gesängen und Opferungen von Flüssigkeiten aus Schälchen, die in dem kleinen Feuer verbrannt werden, begleitet werden. Als das Herz Sutra (hannya shingyo) rezitiert wird, können wir natürlich in den Chor mit ein fallen. Die Mönche scheinen sich bei dem Ritus abzuwechseln, da der Gesang mal von hier und mal von dort kommt. Wenn ich richtig informiert bin, werden am Ende die Verstorbenen mit Namen genannt, für die diese Zeremonie abgehalten wurde bzw. wer zur Erfüllung eines Wunsches eine Zeremonie bestellt hatte. Auch wir werden in den Ritus miteingebunden: Beim Weihrauchopfer verbeugt man sich vor der Schale, in der ein kleiner Funke glimmt, nimmt etwas Weihrauchpulver zwischen Daumen und Zeigefinger, führt sie zur Stirn, verbeugt sich und fügt das Pulver vorsichtig dem Glimmen hinzu. Einfach den Vordermann beobachten und es ihm nachtun. Nachdem die Zeremonie beendet ist, geht Tamara noch auf einen Tasse „Grünen Tee“ mit zu Kurt, doch Hajo und ich haben Frühstück für 7.00 Uhr bestellt und treten dem entsprechend den Rückweg zur Jugendherberge an. Das Frühstück ist lecker und reichhaltig, wir bekommen sogar hartgekochte Eier. Später gesellt sich dann Tamara noch zu uns, die von ihrem Tee-Kränzchen berichtet.

Ich bin noch relativ planlos, was ich heute unternehmen will - natürlich den Koyasan erkunden. Da Tamara die nächste Nacht als Shokubō (Tempelunterkunft) in einem Tempel gebucht hat, wird sie nach dem Frühstück dorthin umziehen. Ich bekomme mein englischsprachiges Kartenbuch zurück, das ich ihr gestern Abend geliehen hatte. Da sie noch keine konkreten Vorstellungen über den weiteren Verlauf ihrer Reise hat, haben wir ihr einen Abstecher nach Shikoku empfohlen und auch ich überlege, was ich denn machen könnte, wenn ich den Flug nicht umbuchen kann. „Opandgo“, das Internetportal bei dem ich meinen Flug gebucht habe, hat sich noch nicht gemeldet. Da Hajo hier schon länger weilt und sich somit auskennt, beschließen wir wieder gemeinsam die Tempelstadt unsicher zu machen.

Wir wollen als erstes den Kongōbuji, also den eigentlichen Haupttempel des Shingon Buddhismus, besuchen und danach den als „Danjo Garan“ bezeichneten Tempelkomplex. Doch als wir die Hauptstraße in Richtung Kongōbuji laufen, treffen wir vor dem Muryōkō-in, Kurt, der sich mit einem Fahrrad gerade auf den Weg machen will. Wir verabreden uns für 15.00 Uhr im Muryōkō-in und setzen unseren Weg fort. Aber es ist schwierig hier voran zu kommen, da die vielen Tempeltore einen immer wieder staunend fesseln. Wir passieren eine einstöckige Pagode, die hier an der Straße steht und nicht den Anschein erweckt, als würde sie zu einem der angrenzenden Tempel gehören. Die daneben stehende Statue aus polierten, schwarzen Stein, wirkt auf mich eher untypisch, das es eine dicke Buddha Statue (ähnlich Hotei von den 7 Glücksgöttern) ist, aber eine Art Kapuze trägt, die mich eher an einen Kampfmönch erinnert. Wir folgen der Straße, aber ich schaue immer wieder neugierig in die Eingangstore und was sich dahinter verbirgt. Mein Gott, was sind wir neugierig! Wir wollen zwar nur einen Blick auf die dahinterliegenden Gebäude werfen, doch meist kommt gleich ein Mönch auf uns zu gestürmt. Wir laufen die Odawara Straße entlang, hier gibt es viele interessante Geschäfte, in denen man Pilgerutensilien, Omiyage (Reisegeschenke für die Daheimgebliebenen) und die lokalen, kulinarischen Spezialitäten erstehen kann. Jetzt führt mich Hajo aber zum Kongōbuji (Diamant Tempel) Tempel, den ich unbedingt besuchen soll, da er einen der größten Zen Gärten Japans beherbergt. Hajo schwärmt für diese Art von „Japanischen Garten“, da sie relativ schlicht sind, meist nur aus einer Fläche aus hellen Kieselsteinen und den symbolträchtigen Felsen bestehen. Sie sind allenfalls von einigen Bäumen oder Sträuchern sowie Moosflächen eingerahmt, so dass sich die meiste Pflege darauf beschränkt, die Kiesel mit einem großen Rechen in Form zu harken und eventuell vorhandenen Blätter abzusammeln. So ein Garten hätte Hajo auch gerne zuhause in Hamburg.

In der Erläuterung zu diesem Garten wird vermerkt, dass er 2340 m2 umfasst und die Kieselsteine aus Kyoto stammen, die Felsen jedoch von Shikoku herbei geschafft worden sind. Wir machen einen Abstecher durch die Küche des Tempels und ich frage mich, ob die Mönche hier heutzutage immer noch verköstigt werden, oder ob es sich um eine Art „Ersatzküche“ handelt, die beim allzu großen Pilgerandrang z.B. an Festtagen wieder in Funktion genommen wird. Der Tempel wurde ursprünglich von Hideyoshi Toyotomie (1537-1589) erbaut. „Affe“, wie man ihn aufgrund seiner Gesichtszüge nannte, ist ein berühmten General aus bäuerlichen Verhältnissen gewesen, der zu seinen Glanzzeiten sogar Herrscher (Kampaku, „kaiserlichen Regenten“) über Japan war und den Weg für den Aufstieg Tokugawa Ieyasus (1545-1616) zum Shogun (Militärmachthaber) ebnete. Ieyasus schließlich konnte sich nach etlichen Schlachten gegen konkurrierende Samurai Clans durchsetzen, das Reich einigen und sich vom Kaiser (Tennō) 1603 zum ersten Shogun Japans ernennen lassen. Berühmt ist der Kongōbuji nicht nur weil er faktisch der Haupttempel über 3500 Zweigtempel in ganz Japan ist, sondern er birgt auch in künstlerischer Hinsicht einige Schätze. So z.B. das Ohiroma Zimmer, das für wichtige Zeremonien genutzt wird und dessen Schiebetüren (fusuma) vom Künstler Tanyuu Kanō (1602-1674) gestaltet worden sind. Vom gleichen Künstler stammen auch die Trauerweiden in einem weiteren Raum, in dem der Neffe bzw. Adoptivsohn Toyotomies (siehe oben) Hidetsugu 1595 rituellen Selbstmord (Seppuku) begangen hat, um einer Bestrafung wegen Hofverrats zu entgehen.

Schließlich kommen Hajo und ich in eine große Halle, in der das Bildnis Kōbō Daishis neben zwei seltsam anmutende Mandala (Bildhafte Erläuterung der Verhältnisse der Buddhas und der Welt) hängt. Es ist weder das mir bekannte Diamantreich- (Kongōkai) noch das Mutterschoßmandala (Taizokai). Doch bei näherem Hinsehen, könnte es eine „Abschrift“ der Mandalas sein, in dem die Buddhas nicht als Bilder, sondern inform ihrer Sanskrit-Silben (Keimsilben) aufgeführt sind. Man wird doch immer wieder überrascht! Hier ist es sogar erwünscht, bei einer Tasse „Grünen Tees“ zu verweilen. Die großen Heizöfen, auf den das Teewasser kocht haben es mir besonders angetan, da ich schon wieder durchgefroren bin. Aber jetzt gibt es sowohl Wärme von außen als auch von innen und selbst die Seele kann sich hier bei einer bei einer Runde Meditation für den Shingon Buddhismus erwärmen.

Wir streifen noch durch den Tempel, gucken uns die ausgestellten Sänften und Holzscheiben an. Letztere stammen wohl von den alten Bäumen aus der Pinienallee am Okunoin (Mausoleum) und auch vom Vorhof des Kongōbuji schieße ich noch einige Fotos. Besonders von den Brandschutzmaßnahmen hier sind wir amüsiert, da große Holzbottiche nicht nur am Boden, sondern direkt auf dem Schilf gedeckten Dach postiert sind. Das gäbe so eine richtige Dusche, wenn so ein Behältnis von da oben runterpurzeln würde. Jetzt müssen wir aber weiter, doch die Kirschblüte am Tor bremst mich abermals. Wie gesagt es ist hier auf dem Plateau des Koyasan, das sich zwischen 8 Bergspitzen erstreckt, immer etwas kühler, so dass auch die Kirschblüte etwas später stattfindet. Allgemein ähnelt der Koyasan im Aufbau einem Mandala, das sich über ganz Japan erstreckt. Kōbō Daishi hat diesen Platz also nicht ohne Hintergedanken ausgewählt, als er 816 vom damaligen Kaiser Saga (786-842; 52. Tennō) die Erlaubnis bekommen hat, hier sein Hauptquartier zu errichten.

Wir passieren die „Rojuji no Kane“, die 6-Uhr-Glocke, und laufen zum Danjo Garan Komplex. Er besteht aus der Kondo Halle (Goldene Halle), der Konpon Daito Pagode und dem Miedo (Halle der ewigen Einkehr), dazwischen liegen noch kleinere Gebäude wie das Aizendo, Daiendo, Junteido, sowie der Myo Schrein. Das dazugehörige Daimon („Große Tor“) liegt etwas abseits dieses Komplexes – wir wollen es später noch besuchen. Die Kondo Halle stammt ursprünglich aus dem Jahre 819 und wurde noch von Kukai persönlich erbaut und Ashuku Nyorai gewidmet. Ashuku gehört zu den 13 Buddhas des Shingon, und ist im Diamantreichmandala (Kongōkai) Begleitbuddha von Dainichi Nyorai, dem höchsten Buddha im Shingon Buddhismus. Ashuku repräsentiert die Erde und in dieser Aufgabe wird er auch als „Lotos König“ bezeichnet, da er einer der 5 Könige der Weisheit ist. Die jetzige Halle stammt aus dem Jahre 1932 und ist die 7. Rekonstruktion, da auch der Koyasan nicht von Feuersbrünsten verschont geblieben ist. Im Miedo soll Kōbō Daishi gelebt haben. Hier wurde ein Bildnis des Daishi aufgehängt, das der Künstler Shinnyo Shinno, ein Schüler Kōbō Daishis, geschaffen hat. Die Rekonstruktion der Halle stammt aus dem Jahre 1848. Die Fudodo Halle soll im Jahr 1198 vom Gyosho Shonin erbaut worden sein, sie ist somit das älteste noch im Originalzustand erhaltene Gebäude auf dem Koyasan. Sie wurde im Kamakura Stil erbaut und zählt heute zu den Nationalschätzen. Die Konpon Daito Pagode ist 48,5 m hoch und Dainichi Nyorai geweiht. Sie ist vollständig mit Lack überzogen und erst 1937 fertig gestellt worden. Betrachtet man den Koyasan als Teil eines Madalas, so ist diese Pagode der Mittelpunkt, dementsprechend finden sich in ihr sowohl der Dainichi Nyorai aus dem Taizokai (Mutterschoß) Mandala als auch vier Buddhas aus dem Kongōkai (Diamantreich).

Nach und nach besuchen wir die Hauptgebäude. Dann und wann muss man Eintritt bezahlen, eine freiwillige Spende abdrücken oder man kommt gar nicht ins Gebäude rein, weil sie verschlossen sind oder wir einfach zu doof sind, die richtige Tür der unzähligen Türen zu finden. Zum Glück gibt es hier Informationstafeln in englischer Sprache, so dass man sich dann doch nicht ganz so verloren vorkommt, zwischen all der Kultur und Religiosität. Wir besuchen den Saito aus dem Jahre 1834, eine 27 Meter hohe Schatzpagode (tahōto), die von riesigen Zedern umstanden ist. Das Gegenstück ist die Toto Pagode im Nordosten, die 1843 nieder brannte, aber erst 1984 wiedererbaut wurde. Wir besichtigen noch den Aizendō, die „Sanko-no-Matsu“ genannte Riesenpinie und den Pfauentempel „Kujako“, der vom Ex Kaiser Go-Toba (1180-1239; 82. Tennō) errichtet wurde und dessen Statue des Pfauengottes Mayura Videyara vom Künstler Kaikei um das Jahr 1200 geschaffen wurde. Das derzeitige Gebäude stammt allerdings aus dem Jahre 1984, nachdem ein Brand das gesamte Gebäude mit Ausnahme der Statue vernichtet hatte. Rokakku Kyōzō ist ein Sechseckbau, der aus dem Jahre 1159 stammt. Das Gebäude fiel ebenfalls einem Brand zum Opfer, so dass das jetzige neu errichtet werden musste. Ursprünglich enthielt der Bau eine chinesische Triplika (dreiteiliges Bild) mit goldenen Schriftzeichen auf purpurnem Untergrund, dies wird jetzt jedoch im naheliegenden Reihōkan Museum verwahrt.

Es gibt hier sogar einen Schrein, dessen weibliche Gottheiten Nyuu und die männliche Gottheit Koya bzw. Kariba von Kōbō Daishi dazu eingeladen worden waren, als Schutz-Kami (Shinto Gottheiten) für den Tempelbezirk zu dienen. Er soll sie, wenn ich es richtig verstanden habe, vom Amano am Fuße des Koyasan mit hierher gebracht haben.
Jetzt raucht mir aber der Kopf von den vielen Gebäuden und Eindrücken. Alles hier hat Geschichte, alles ist wichtig und man will ja auch nichts verpassen, was hier sehenswert ist. Aber schließlich laufen wir in Richtung Daimon („Großes Tor“), welches den eigentlichen Eingang zum Koyasan darstellt. Es gibt im Konpon Daito Komplex zwar noch das Mausoleum von Chisen Daitoku, das Sanmaido, den Bentensha Schrein in einem Teich, aber jetzt wandern wir über die Ruinen des ehemaligen als „Mitteltor“ bezeichneten Areals zurück zur Straße. Auch das auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegende Reihokan Museum schenken wir uns und kommen nach einigen Minuten Fußmarsch an das beeindruckend große, an die 25 Meter hohe Dainmon (Tor). Es ist eine Rekonstruktion von 1705 und die Wächterstatuen stammen vom Künstler Hokyo Uncho, über den ich aber nichts weiter in Erfahrung bringen konnte. Die Hauptstraße läuft hier direkt in einer Kurve vorbei, und um nicht von den doch recht zügig vorbeifahrenden Autos und Motorrädern angefahren zu werden, muss ich beim Fotografieren schon recht vorsichtig sein. Geschützt von kleinen Dächern gibt es die beiden „Otasuke Jizōs“ hier direkt an der Straße. Die Jizōs sollen Wünsche erfüllen können, doch bei der Aussicht von hier, bin ich eigentlich wunschlos glücklich. Das hätte ich vorher wissen müssen, denke ich so bei mir, als ich ein Schild mit den lokalen Wanderwegen entdecke. Ich hatte mir schon im Zug Gedanken darüber gemacht, wie der Pilger, der das Pilgern so richtig Ernst nimmt, hier denn hochkommen könnte. Diese Frage wird mir hier beantwortet:

Exkurs: Wander-/Pilgerwege der Kii-Berge
http://whc.unesco.org/pg.cfm?cid=31&id_site=1142
Über einen alten Wanderpfad „Koyasan cho ishi michi“), der am Fuße des Koyasan am Tempel Jison-in in Kudoyama beginnt, kann der geneigte Pilger, aber auch der einfache Wanderer, den Weg bis zum Okunoin (Mausoleum) zurücklegen. Diese 24 Kilometer werden jeweils alle 109 Meter durch steinerne Säulen markiert, so dass man nach 216 erwanderten Wegmarkierungen vor dem Mausoleum von Kōbō Daishi steht. Da es Frauen bis 1872, die magische Zahl der Meiji-Restauration, verboten war, den Koyasan zu betreten, gibt es bis heute den sogenannten „Frauenweg“, der um das Plateau des Koyasans herumführt. Nach einer ca. 6-stündigen Wanderung konnten sich die Pilgerinnen dann am Ortseingang im „Nyonindo“ genannten Gebäude ausruhen, denn näher durften sie zu damaligen Zeit dem heiligsten Ort im Shingon Buddhismus, dem Mausoleum des Daihi, nicht kommen. Aber der Koyasan ist und war nicht nur Ziel von Pilgerwanderungen, sondern auch Ausgangspunkt für solche. Ise-ji wird zum Beispiel der Pilgerweg zum Ise-Schrein genannt, zu Japans wichtigstem Schrein, der der Sonnengöttin Amaterasu gewidmet ist. 2004 wurde das gesamte Gebiet der Kii-Berges von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Unter dem Titel „Heiligtümer und Pilgerrouten in den Kii-Bergen“ umfasst es den gesamten Koyasan, sowie die Pilgerrouten (Naka-hechi, Ō-hechi, Ko-hechi) zu den Kumano-sanzan, den drei Großschreinen von Kumano (Honguu-Taisha, Hayatama-Taisha und Nachi-Taisha), die Gebirgsregion um Yoshino und Ōmine, sowie die die beiden Tempel Fudarukusan-ji und Seiganto-ji.

Letzterer Tempel soll mir später noch begegnen, da er der erste der sogenannten „Saikoku“ Pilgerroute ist, eine aus 33 Tempeln bestehende Pilgerroute, die der Gottheit Kannon gewidmet ist. Ohne vorgreifen zu wollen, aber der Flug lässt sich nicht umbuchen und ich werden den Entschluss fassen, meine verbleibenden 3 Wochen in Japan zu verbringen. Ich werde den shintoistischen Schrein in Ise besuchen und von dort dem Kumano-Kodo oder exakter dem Ise-ji, zu den shintoistischen Großschreinen von Kumano folgen. Da ich dann noch Zeit habe und durch “Zufall“ am Honguu-Taisha Schrein auf den direkt daneben liegenden Saiganto-ji Tempel treffe, werde ich in der mir verbleibenden Zeit auch noch 20 dieser 33 Tempel besuchen.

Aber jetzt laufen Hajo und ich wieder die Hautstraße entlang, vorbei am Hasu-ike, dem Teich, in dem auf einer Insel, nur über eine Brücke zu erreichend, der Bentensha Schrein liegt. „Wollen wir noch eine Sutra kopieren“, fragt mich Hajo und grinst breit. Wie sollen wir bei unseren mangelnden bis gar nicht vorhandenen Japanisch Kenntnissen eine Sutra abschreiben? Ich habe das Schreiben von Kanji (Symbolzeichen) zwar schon geübt, das beschränkte sich jedoch auch einfach Zeichen, die kaum mehr als 5 Striche aufwiesen. Aber als wir von einer netten Japanerin in den Raum für das Shakyo (Sutra kopieren/abschreiben) geführt werden, liegt da ein Filzstift mit pinselartiger Schreibspitze und die zu kopierende Sutra, deren Schriftzeichen grau unterlegt sind, so dass wir die Strich nur nachziehen müssen. Aufatmen, wir werden uns also nicht blamieren, zumal eine Anweisung in Englischer Sprache beiliegt.

Man soll in dem, was man tut vollständigen aufgehen, heißt es meist, wenn man den Weg der Erleuchtung sucht. Nicht nur etwas schreiben, sondern zum Geschriebenen werden. Volle Konzentration auf die Aufgabe, auch wenn es in japanischen Augen eine einfache Schreibübung ist. Doch wir Ausländer, die nicht so vertraut mit den Kanji sind, denken bei den Zeichen eher an zu Boden gefallene Spaghetti, als an so einleuchtende Kombinationen, wie dass aus Frau und Kind das Kanji für „sich mögen“ entsteht. Die „noch nicht Frau“ die kleine Schwester bezeichnet und die Kombination Frau und Markt, für die ältere Schwester steht, die durchaus schon alleine zum Markt gehen kann. Aber für uns Gaijin (Ausländer) ist der Umgang mit den Kanji ohnehin mit viel Konzentration verbunden, da wir die Strichführung ohnehin nicht kennen und es mehr wie eine Art „Malen nach Zahlen“ abläuft. Erstaunlich schnell haben wir dann unser Blatt gefüllt. Liegt es an der Schreibgeschwindigkeit oder an der Konzentration, die einem Stunden wie Minuten vorkommen lassen. Auf alle Fälle sind wir mit unserem Kunstwerk zufrieden und stellten uns jetzt die Frage, ob wir es als Souvenir mit nach Hause nehmen oder für eine, doch recht hohe, Gebühr zu Ehren des Daishi in einem Sutrenspeicher im Tempel für 1 Jahr verwahren lassen wollen. Wir entscheiden uns für die preiswerte Variante, obwohl ich mir noch ein Schreibset zulege, damit ich Zuhause noch ein bisschen üben kann.

Wir verlassen das Gebäude und wandern weiter in Richtung Okunoin. Kehren am Karukayado Doshin ein, um ein paar Postkarten zu kaufen. Im Karukayado Doshin (http://www.koyasan.net/i/english/sightseeing/seeingspot/karukayadou.html) wird die Geschichte von Karykaya Doshin und seinem Sohn Ishido-maru anhand hübscher Bilder erzählt. Sie lebten fast 40 Jahre hier in diesem Gebäude zusammen, ohne zu wissen, dass sie Vater und Sohn sind. Die Mutter verstarb kurz bevor sie ihrem Sohn seinen Vater vorstellen konnte am Fuße des Koyasan. Das Verbot für Frauen den Koyasan zu betreten tat ein Übriges, so dass die Frau ihren Mann nicht direkt seinen Sohn übergeben konnte. Aber die beiden fanden auch so nach dem Tod der Mutter zusammen. Wie die Zusammenhänge nun gelüftet wurden, verschießt sich meiner Kenntnis. Soll es eine Parabel über das Schicksal (Karma) sein, das grausam ist und dem man nicht entrinnen kann oder eine Geschichte über Fügung, dass was zusammen gehört schließlich und endlich auch zusammen findet?

Wir wandern weiter die Straße entlang, ein Schild weist den Weg zu einer Universität. Man muss bedenken, dass hier ca. 4000 Menschen leben, vielleicht 1000 davon sind Mönche. Von den vielen Touristen, die jährlich den Koyasan besuchen, will ich gar nicht reden. Aber die Menschen müssen versorgt werden, so gibt es neben Souvenirshops, kleine Supermärkte, Restaurants und Kneipen. Der Koyasan hat natürlich eine Universität (Koyasan Daigaku) zur Ausbildung der Mönche und Priester, aber auch eine Primary School (Grundschule), eine Junior High School (Realschule) und eine High School (Gymnasium), wo die Kinder der Einwohner zur Schule gehen. Über die Sando, die Zedernallee, gelangen wir wieder zum Okunoin, dem Mausoleum des Daishi. Auf meiner Karte sind verschiedene Gedenksteine eingetragen, z.B. für die Familie Toyotomi, Maeda oder Tokugawa. Es macht richtig Spaß, die Gedenksteine zu erkunden, da es ohne diese Hintergrundinformation einfach nur großr Steine mit japanischen Schriftzeichen sind. Bei besonders ungewöhnlichen Steinen hätte ich mir gerne eine Tafel in Englisch gewünscht, so z.B. bei der bereits erwähnten Hundestatue, oder auch bei dem kleinen Samurai, der mit seinen Zügen auf dem glattpolierten, schwarzen Marmor wie eine Manga-Figur (Comic-Figur) wirkt. Eine Firma hat hier sogar eine Tasse Kaffe in Stein arbeiten lassen. Kaum zu glauben, dass in Deutschland ein Kaffeeröster einen Gedenkstein für seine verstorbenen Betriebsmitglieder auf einem Friedhof errichten lassen würde - aber das ist Japan. Es gibt hier nicht nur ungewöhnliche Gedenksteine, sondern ganze Hütten aus Stein, mit einem Steintori (shintoistisches Tor) und Steinzaun, die mehr oder weniger verwittert, zum Teil mit Moos überzogen, den Ort so richtig unheimlich machen können. Heute scheint zum Glück die Sonne, aber gestern, als ich hier im Nieselregen entlang gelaufen bin, planlos, orientierungslos, kam dieser Ort mir so trostlos vor. Aber jetzt kann ich das Rasseln von Waffen der stolzen Samurai und Shogune geradezu hören. Was muss dieser Wandermönch namens Kukai (Kōbō Daishi; posthumer buddhistischer Ehrentitel) doch für eine Wirkung durch die Jahrhunderte, sowohl auf die Ärmsten als auch die Mächtigsten, hier in Japan gehabt haben, dass sie sich entschlossen haben, in der Nähe des Daishis ihre letzte Ruhe zu finden.

Jetzt betreten wir wieder den heiligsten Bereich, der durch einen kleinen Fluss, abgeteilt ist. Hajo erklärt mir noch was die einzelnen Gebäude darstellen und wo genau denn der Daishi in ewiger Meditation verweilt. Wir opfern ein Bund Räucherstäbchen, den wir in der Stadt geschenkt bekommen haben und machen uns wieder auf den Rückweg. Wir sind doch mit Kurtsan um 15.00 Uhr verabredet und deshalb wollen wir noch einige Teigteilchen für unser „Tee Kränzchen“ besorgen. Der lokale Kombini (24-h-Shop) heißt hier „Coco“ und schnell sind einige Teilchen gekauft. Ich hoffe nur, dass Kurt als Priester diese Süßigkeiten auch essen darf bzw. überhaupt Süßes in seinen Ernährungsplan passt. Aber schließlich trudeln wir dann etwas verspätet um 15.30 Uhr im Muryōkō-in ein. Leider ist Kurts Frau, die zusammen mit ihm in den Zimmer lebt, nicht da und auch Kurt selber ist keine Naschkatze. Aber trotzdem haben wir bei einer Tasse Tee anregende Gespräche über seinen Lebenslauf, seine Projekte und das Leben allgemein. Er berichtet uns von einem Fernsehteam, das eine Dokumentation über die Shikoku Pilgertour drehen will und ihn als Experten befragen möchte. Auch die DVD „88 – Pilgern auf Japanisch“ befindet sich in seinem Besitz, so dass wir ihm von unserem Kontakt zum Regisseur, den wir zwecks Informationsaustausches in Berlin besucht hatten, berichten können. Wir haben echtes Glück, Kurtsan gerade jetzt anzutreffen, denn er ist, wie bereits erwähnt, erst gestern aus Thailand zurückgekehrt. Die Zeit vergeht wie im Fluge und als wir auf die Uhr gucken, ist es doch schon 19.00 Uhr. Kurz entschlossen laden wir Kurtsan in sein Stammlokal ein, das am Ende der Straße liegt. Es ist klein, aber fein, wie ich gestern mit Tamara feststellen konnte. Die Bestellung überlassen wir Kurt, da er wohl am Besten weiß, was hier schmeckt. Es gibt „Grünen Salat“ mit Tofu, Sashimi und eine Schüssel Reis bestellen wir auch noch. Aber leider haben wir schon alles verputzt, als die Wirtin mit dem Reis kommt. Kurtsan erklärt uns dann noch, was es mit den Hähnchenteilen auf sich hat, die eigentlich ganz gut geschmeckt haben. Es soll sich wohl um „Kropf“ gehandelt haben, also die muskulöse Aussackung des Halses beim Huhn, aber das hat jetzt nicht irgendwie ungewöhnlich geschmeckt. Da hätte er schon mit Natto (fermentierte Sojabohnen), Bienenembryos oder Zappel-Sushimi (roher Fisch) kommen müssen, um uns gestandene Shikoku Veteranen aus der Fassung zu bringen.

Wir treffen recht spät in der Jungendherberge ein, da wir auch in der Kneipe unser Gespräch fortgesetzt haben. Aber anstelle eines Bades krieche ich todmüde in mein Bett und sage Hajo, dass er am Morgen nicht mit mir rechnen soll, falls er wieder die Morgenmesse im Muryōkō-in besuchen möchte. Und ich tat wohl, denn während der Nacht werde ich von mindestens 8 Toilettenspülungen aus dem Schlaf gerissen.