Der 36. Tag in Japan
Das Frühstück gibt es heute schon um 6.00 Uhr, denn die Wirtin weiß, dass Pilger immer früh raus müssen. Es fällt wie immer etwas mager aus, aber dafür ist das Abendessen umso reichhaltiger gewesen. Da ich nun weitere Pläne beschmiedet habe und anfangs nur nach einer Übernachtung gefragt hatte, kläre ich mit der Wirtin, ob ich noch eine weitere Nacht bleiben kann. Ich will heuten den Bangai Tempel Nr. 17 besuchen, der mit Hin- und Rückweg mich um die 24 km kosten wird. So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klatsche, da ich dann auch mein Gepäck hierlassen kann. Ich bezahle also erstmal die 7725 Yen für die gestrige Nacht und bekomme sogar noch ein Päckchen Taschentücher und zwei Bonbons geschenkt.
Als ich an diesem Morgen durch das fast menschenleere Zentsūji laufe, begegnen mir nur einige „Gassigeher“ mit ihren Hunden. Es ist ganz schön schwer den Weg zu finden, da mich mein Weg an den Bahnschienen entlang führt, hierzu muss ich aber erst mal blicken, wie ich auf die andere Seite der Schienen komme, da es hier keinen einfachen Bahnübergang, sondern so eine Brücke mit mehreren Ebenen gibt. Nachdem ich einen Tunnel, der über Treppen nach unten geht, durchwandert habe, finde ich mich auf der richtigen Seite wieder. Meine erste Rast mache ich dann bei einem Circul-K (24-h-Shop), der etwas außerhalb der Stadt liegt. Hier werde ich auch gleich von einem Japaner angesprochen, der mir auf seinem Handy seine Familienfotos, die Kirschblüte und die Tempel zeigt, die er von den 88 bisher besucht hat. Er kramt noch eine Fahrkarte von der Seilbahn bei Tempel Nr. 66 hervor und ich grinse ihn an, denn die habe ich auch benutzt.
Ich laufe jetzt nach japanischer Karte, da das englischsprachige Kartenmaterial mal wieder kurz hinter der Stadtgrenze endet. Aber der Weg verläuft gerade an den Bahnschienen entlang bis Kotohira. Verkehrsschilder weisen mich immer wieder auf den berühmten Schrein hin. In der japanischen Karte ist sogar ein Lageplan von den Schreingebäuden zu finden, während er in der englischen Karte keine Erwähnung findet. Aber zum Glück führt mich mein Weg direkt durch die Stadt, mir fallen die großen Bettenburgen auf, in denen die Schreinbesucher untergebracht sind, und laufe dann auch fast direkt am Eingang des Schreins vorbei. Den werde ich besuchen, wenn ich heute Nachmittag wieder zurückkomme, denke ich so bei mir, bei den vielen Treppen, muss ich meine Kräfte etwas sparen und erstmal meine Pilgerverpflichtungen erfüllen. Leider gibt es hier in der Stadt nur ganze zwei Henrozeichen, aber ich weiß so ungefähr die Richtung, und die Brücken, die ich überquere, merke ich mir besonders. Ich hasse Rückwege, da man schon alles auf dem Hinweg gesehen hat, verdaddelt man sich häufig, wenn man nicht aufpasst. Aber das Wetter ist gut, d.h. so richtiges Wanderwetter – es ist etwas dunstig, so dass es warm ist, ohne dass einem die Sonne auf den Pelz brennt. In der Stadt fallen mir an Mauern kleine Aufkleber auf – anscheinend gibt es hier eine Hundemarken, sondern Aufkleber für jedes Jahr. Vorbei an Steinfiguren, die wie die Steinköpfe von den Osterinseln wirken, wandere ich weiter. Ich sehe noch eine Feuerwehrwache und in der nächsten kleinen Ortschaft mache ich an einer Kreuzung vor einem Schrein eine weitere Pause. Das ist heute so eine richtige Flachlandetappe, aber kurz vor meinem Ziel muss ich noch einen Hügel überwinden, da es zum Manoike Reservoir hoch geht.
Exkurs Bangai Tempel Nr. 17 Kannoji (神野寺)
Der Bangai Tempel hier lässt sich mit den Symbolzeichen (Kanji) für „Gott“, „Feld“ und „Tempel“ übersetzen. Aber da ich keine exakte Übersetzung finden konnte, muss ich mit dem Namen „Gottesfeld Tempel“ zufrieden geben, obwohl er, direkt am Mannoike Wasserreservoir gelegen, alles andere als an Feldern liegt. Das Wasserreservoir ist mir schon früher begegnet, bei Tempel Nr.74 (Kōyamaji) dessen Bau der Daishi aus dem Verdienst für die Umgestaltung des Mannoike finanzieren konnte. Unser Kōbō Daishi ist nicht nur in spiritueller Hinsicht ein Menschenretter, neben seinen viele Talenten in den bildenden Künsten, konnte er nach dem Umbau des flutgefährdeten Reservoirs auch noch Ingenieur, heute würde man es ihn als Projektmanager bezeichnen, zu seinem Lebenslauf hinzufügen. Natürlich kamen mehr Spenden und Arbeiter zusammen, wenn man mit Kōbō Daishis Hilfe und seinen Ritualen auch noch Buddhas Beistand auf seiner Seite hatte.
Der Bangai Tempel ist dann doch etwas enttäuschen. Während andere Bangais durchaus große Anlagen und Gebäude aufweisen, besteht dieser Tempel nur aus einem einzigen, kleinen Gebäude, in dem Tempel und Büro untergebracht sind. Sehenswert ist dafür die große Kōbō Daishi Statue, die hier über das Wasserreservoir blickt. Es gibt hier kein Tempeltor, dafür aber einen Getränkeautomaten. Tolle Begrüßung denke ich so bei mir, doch im Pilgerbüro habe ich einen aufmerksamen Bewunderer meines Pilgerbuchs (nokyocho), der mich gleich fragt, ob ich Tempel Nr. 16 vergessen hätte. Nein antworte ich, der Eintrag von Nr. 16 ist ganz am Anfang der Bangai Tempel, die Stelle, die ich eigentlich für Bangai Tempel Nr. 1 vorgesehen hatte. Ich mache noch eine Runde durch den Tempelgarten. Wenn es die richtige Zeit gewesen wäre, hätte ich hier Pfingstrosen und Rhododendren in voller Blüte genießen können, so sind aber nur vereinzelt Blüten zu sehen. Es gibt hier auch eine Gruppe von Buddha Figuren, die wohl dem japanischen Horoskop zugeordnet sind. Das japanische bzw. chinesische Horoskop weist den Menschen nicht nach dem Monat, in dem sie geboren sind, symbolisch ein Tier und dessen Stärken bzw. Schwächen zu, sondern nach dem Jahr. So dass jeweils alle Personen, die im gleichen Jahr geboren worden sind, zum gleichen Tier gehören. Zu diesen zählen: die Ratte, der Büffel, der Tiger, der Hase, der Drache, die Schlange, das Pferd, das Schaf, der Affe, der Hahn, der Hund und das Schwein. Die Auswahl dieser Tiere geht auf eine Legende zurück, nach der Buddha diese Tiere zum Neujahrsfest eingeladen hatte. Ihnen wurde nach der Reihenfolge des Eintreffens die Ehre zuteil, das Symboltier eines ganzen Jahres zu werden. Die Ratte kam als erstes dran, das sie bis zu ihrem Ziel auf dem Büffel geritten war und erst kurz vom Ziel über dessen Kopf zu Buddha sprang. Sie hatte jedoch der Katze zuvor erzählt, dass das Treffen erst einen Tag später abgehalten würde, daraus resultierte, dass die Katze zu spät kam und seit dem eine tiefe Feindschaft zwischen Katzen und Ratten bzw. Mäusen besteht. Da ich 1971 geboren bin, also zu den Schweinen oder besser Wildschweinen zähle, bin ich nach dem chinesischen Horoskop schüchtern und gutmütig, nett und liebenswürdig, aber auch impulsiv und ehrlich. Das kann man jetzt halten wie man will, denn fast mehr als das Horoskop vertraut der Japaner auf seine Blutgruppenzugehörigkeit. Dieses System mit den wissenschaftlichen „Touch“ hat eine ebenso große Bedeutung wie bei uns das Sternhoroskop. Andere Länder – andere Sitten.
Für eine Pause am See will ich mir eine Dose „CC Lemon“, eine Zitronenbrause mit Vitamin C Zusatz, aus dem Automaten ziehen. Doch ich stutze, da ich für meine 150 Yen sowohl 0,25 als auch 0,5 l bekommen könnte. Wer kauft denn schon eine kleinere Dose, wenn er für sein Geld mehr bekommen kann? Da ich durstig bin ziehe ich mir die 0,5 l Dose und mache es mir zusammen mit einer Packung Brotstangen auf einer Bank am See gemütlich.
Während ich auf dem Hinweg die Straße entlang gelaufen bin, mache ich auf dem Rückweg einen Abstecher durch den angrenzenden Park. Hier ist eine Art Flusslandschaft angelegt und in einem Rosengarten kann man Pfingstrosen bewundern. In China symbolisiert die Pfingstrose oder Päonie Reichtum, Liebespfand, ein in Liebe erfülltes Frauenleben und die Sanftmut Buddhas. Ein japanisches Sprichwort sagt:
立てば芍薬、座れば牡丹、歩く姿は百合の花
tateba shakuyaku, suwareba botan, aruku sugata wa yuru no hana
Im Stehen wie eine „Chinesische Pfingstrose“, im Sitzen wie ein Strauch-Pfingstrose, und die Art wie sie läuft wie die Blüte einer Lilie.
Das Sprichwort beschreibt die drei unterschiedlichen Schönheitsideale, denen eine Frau entsprechen soll: Wenn sie steht, soll sie einer chinesischen Pfingstrose gleichen, mit ihrem kräftigen Stängel und der vollen Blüte. Wenn sie sitzt, soll sie dagegen zerbrechlich wirken wie die Strauch-Pfingstrose. Und wenn sie geht, soll sie anmutig sein wie eine Lilie.
Schnell wandere ich den Weg zurück nach Kotohira, da der Tag noch jung ist, gönne ich mir einen Abstecher zum Kotohira Schrein. Da ich mein Tagewerk erfüllt habe und die Kilometer zum Bangai Tempel Nr. 17 als Flachlandetappe gewertet werden können, habe ich noch genug Kraft und Ausdauer, um hier die vielen Treppen zum Schrein hochzusteigen.
Exkurs Kotohira Schrein (Kotohira-gū; früher auch Konpira-dai-gongen)
Der Kotohira Schrein ist ein Shinto Schrein in der Stadt Kotohira in der Präfektur Kagawa auf Shikoku. Er soll im 1. Jahrhundert gegründet worden sein und liegt auf dem Berg Zōzu.
Während der Weg zum Hauptschrein 785 Steinstufen misst (521 m Höhe), sind es stolze 1358 bis zum innersten Heiligtum. Hauptgottheit des Schreins (kami) war lange Zeit Ōmononushi (-no-mikoto), eine für alle Belange der Seefahrt zuständige Gottheit, die auch als buddhistische Gottheit „Kompira“ verehrt wird. Es ist also nicht so eindeutig, ob es nun shintoistisches oder buddhistisches Heiligtum war. Doch im Jahr 1165 durch die Gottheit durch Sutoku (75. Tennō; 1119-1164) ersetzt. In der Hōgen Rebellion von 1156 stritt er sich mit seinem Bruder (Go-shirakawa), wer nun nach dem Tod des Vaters Toba und Sutokus Abdankung als Tenno, zukünftig das Amt bekleiden sollte und welche Macht, der im Kloster lebenden, Ex-Tenno haben durfte. Das sogenannte „Insei-System“ sah nämlich auch für abgedankte Monarchen gewisse Macht und Einflussmöglichkeiten vor. Sutoku verlor die Rebellion und wurde ins Exil geschickt. Als Ergebnisse dominierten jetzt die Klans der Samurai über das Kaiserhaus und es kam erstmalige zur Errichtung einer, von Samurai geführten, Regierung. Aber Sutoku soll uns auf unserem weiteren Pilgerweg noch begegnen – in Tempel Nr. 79, dem Tennōji („Kaisertempel“), der das Wort für Kaiser (tennō) im Namen führt, ist Sutokus Leichnam nach seiner Ermordung in Tsutsumigaoka (1164) aufbewahrt worden, bis die Kunde auch die damalige Kaiserstadt Kyoto erreicht hatte. Nach 21 Tagen in der Kühlung einer Quelle im Tempel Nr. 79 wurde der Leichnam dann zum Berg Shiromine überstellt, wo er in der Nähe des Tempels Nr. 81 eingeäschert wurde und heute sein Mausoleum (gebaut 1414) steht. Da man befürchtete, dass der zu Lebzeiten ungerecht behandelte Ex-Tennō, der noch dazu eines gewaltsamen Todes gestorben ist, Unglück über das Kaiserhaus bringen bzw. als Geist (oni), Dämon (yōkai) oder Tengu-Gestalt (Bergkobold) seine Peiniger heimsuchen könne, wurde ihm der Schrein geweiht. Dies sollte seine ruhelose Seele besänftigen.
Aber zurück zum heutigen Kotohira Schrein, von dem jedes größere Schifffahrtsunternehmen in Japan ein Amulett an Bord hat. Für Seefahrer ist es eine Tradition, kleine Fässer mit Opfergaben in die See zu werfen. Von dem, der diese findet, wird erwartet, sie zum Schrein zu bringen. Es ist in Japan auch durchaus üblich den Sake (Reiswein), der bei den Zeremonien im Schrein Gebrauch findet, gleich fassweise zu spenden. Die Fässer werden dann in kleinen Pyramiden vor den Gebäuden aufgestapelt. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass sich ganz am Anfang des Weges zum Schrein ein kleines Sake-Museum befindet und viele Steine, auf denen der Spender und die Spendensumme eingeritzt sind, den Weg säumen.
Der Tempelführer des Bischhof Taisen Miyata erwähnt an dieser Stelle den Tod der Pilgerin Shizue Sawada aus Seattle (Washington) am 7. Mai 1982 – möge ihre Seele in Frieden ruhen oder „Namu Daishi Henjo Kongō“ wie sich der Pilger in mir äußern würde.
Es führen wirklich viele Stufen bis zum Schreingebäude, aber die meisten Pilger geben sich mit dieser ersten Begegnung zufrieden. Hier werden Schiffe in allen Größen und Formen ausgestellt. Von irgendwelchen selbstgebauten Solarschiffen bis hin zu Japans Astronauten ist hier alles vertreten, was im weitesten Sinne etwas mit Schifffahrt, Raumfahrt oder sonstiger hilfsmittelgesteuerten Fahrt zu tun hat. Es gibt Schreinhallen und eine kleine Bühne, auf der wahrscheinlich zu den Schreinfesten traditionelles japanisches Theater („No Theater“) mit Masken abgehalten wird. Von einer Art Terrasse kann man einen Blick auf den Fluss Kanakura und die ganze dahinterliegende Ebene werfen. Mir fällt ein Berg auf, der so eine schöne Kegelform wie der ruhende Vulkan Fuji aufweist. Aber ich bin noch lange nicht am eigentlichen Heiligtum, denn die Treppen führen weiter bis kurz unter den Gipfel des Berges Zōzu. Ich überhole mit Leichtigkeit die wenigen mit Wanderstöcken bewaffneten Schreinpilger, die es bis zum Innersten Heiligtum hoch treibt. Immer, wenn die Stufen hier die Richtung ändern, steht am Wendepunkt eine kleine Hütte zum Ausruhen. Aber ich bin fit wie ein Turnschuh, weder zieht es mir in der Oberschenkelmuskulatur noch machen mir meine Knien Probleme. Ich fliege geradezu den Berg hoch und muss mich dann am Ende geschlagen geben. Wieder einmal Bauarbeiten am Allerheiligsten! Es ruhen sich nur wenige Pilger hier oben auf den Bänken sitzen aus, aber ein Herr in Uniform und mit weißem Schutzhelm sorgt dafür, dass keiner die Absperrung leichtfertig überschreitet. Man kann hier zwar Glücksbringer kaufen und einen Blick durch einen Münzfeldstecher werfen, aber das Gebäude, was ich eigentlich besichtigen wollte, ist mit Pylonen (Verkehrshüttchen) und Netzen abgeschirmt. Ich trete also wieder den Rückweg an – bergab ist man viel schneller. Mir entgegen kommende Pilger trällere ich ein aufmunterndes „gambatte“ („Tun Sie Ihr Bestes“) entgegen, es ist ein Brauch, den ich schon von meiner Fuji Besteigung her kenne, aber auch immer wieder anwende, wenn ich so ein altes Muttchen sehe, wie es sich den steilen Weg zu einem Tempel raufschleppt. Ich hoffe dann, dass ich die Geplagten an mir ein Beispiel nehmen und sich darauf freuen, dass der Rückweg noch nicht einmal halb so anstrengend sein wird, wie der Hinweg. Auf dem Rückweg fallen mir noch unzählige Figuren, Statuen und Gebäude ins Auge. Hier steht sogar eine Statue eines Elefanten und eine Statue des ehemaligen Tennōs Hirohito kann ich ausmachen. Hier vor dem Eingang steht auch ein kleine, abgegriffenen Hundestatue. Ob das so eine Statue ist, wie ich sie aus Tokyo kenne? Dort ist dem Hund Hachiko, der sein Herrchen viele Jahre (um 1924) lang am Bahnhof von Shibuja von der Arbeit abholte, ein Denkmal gesetzt worden. Da er auch nach dem Tod seines, als Professor an der Uni arbeitenden, Herrchens noch 9 Jahre lang am gleichen Punkt auf ihn wartete, wurde der Hund zum Inbegriff der Treue. Schon zu Lebzeiten bekam dieser Hund ein Denkmal und der Bahnhofsausgang („Hachiko Exit“) wurde nach ihm benannt, als er 1935 an Filariose bzw. einigen sagen, er sei auch an den Holzspießchen von den Leckereien eingegangen, mit denen er von Passanten gefüttert worden war.
Aber zurück zum Kotohira Hündchen, dessen Statue ein Dankeschön von Schreinpilgern ist, die den langen Weg zum Innersten Heiligtum nicht mehr antreten konnten. Sein Vorbild ist nämlich ein Hund gewesen, der als Bindeglied zwischen Pilgern und oberstem Schrein fungiert hat und mit Pilgergaben den Berg hinauf zum Schreinpriester gelaufen ist. Und auch über die Süßigkeitenverkäuferinnen kurz hinter dem Schreintor konnte ich in Erfahrung bringen, dass diese Plätze vererbt werden und die meisten aufgrund der Tradition hier sitzen, nicht weil sie ein „Gutes Geschäft“ machen. Jetzt aber zurück zum Zentsūji Tempel, dem ich noch eine Stippvisite vor dem Abendessen abstatte. Vor allem die 500 Rakans oder Arhats, wie die Jünger Buddhas in Sankrit genannt werden, haben es mir angetan. 500 deswegen, weil sich nach dem Tod des historischen Buddhas Shakyamuni (536-483 v. Chr. ?), er ist komischer Weise an einem verdorbenen Gericht gestorben, 500 seiner besten Schüler zusammengefunden hatten, um seine Lehrreden (Sutras) zusammenzutragen. Jede Statue ist anders gestaltet, es gibt Dicke und Dünne, Bärtige und Glatte, Grimmige und Fröhliche, Sitzende und Stehende, Muskulöse und Schlanke, Sanftmütige und Kämpferische, Chinesische und Japanische, ja sogar einen mit Hut wie ein christlicher Missionar und zwischen diesen stehen dann noch 88 Buddha-Statuen für die 88 Tempel. Es soll sogar eine Frau unter den Rakans geben, im Tempel 66, der ebenfalls eine 500 Rakan Gruppe aufweist. Eine nach mir gewanderte Pilgerin (Kathrin) aus Deutschland hat sie sogar gefunden und fotografiert. Aber im Zentsūji kann man sich nicht satt sehen: So viele Hallen, Gebäude, Bäume, Steinfiguren und andere Sehenswürdigkeiten!
Als ich heute in meinen Ryokan zurückkehre, ich hatte meine Sachen vorsichtshalber aufgeräumt, finde ich meinen Futon im Schrank. Es muss ihn also jemand weggeräumt haben – das ist doch mal rundum Service. Ich habe hier mein eigenes Badezimmer, hätte aber auch keine Probleme mit einem Gemeinschaftsbad gehabt. Beim Abendessen gibt es fast das Gleiche wie gestern: Feuertopf mit Udon-Nudlen, Muscheln, Krebsschere und Garnelen, ein Stück Fisch, eingelegtes Gemüse mit Obergine und Gurke, Rettichsalat, gedämpfter Kürbis, Sashimi, Garnele und Muschelfleisch, natürlich Reis und Tofu in allen Variationen. Meine Wirtin will mich wohl mästen, da sie gestern wahrscheinlich gehört hat, dass ich keine Foto machen lassen wollte, weil ich im Gesicht so schmal aussehe. Deshalb bekomme ich heute noch eine Extraportion Garnelen serviert, obwohl ich schon ohne Extras zu tun habe, alles aufzuessen. Das Gespräch der Pilger im Esssaal fällt auf das Thema Wetter (tenki), es soll morgen mit 70 %-iger Wahrscheinlichkeit regnen (ame). Ich verstehe nicht viel Japanisch, aber wenn ich den Leuten so zuhöre und sie nicht allzu schnell und speziell reden, wundert es mich, wie viel ich dann doch verstehe. Die Wirtin erklärt den Mitpilgern auf Japanisch, dass sie schon mal Amerikaner und Australier beherbergt hätte, aber ich wäre die erste deutsche Frau. Natürlich denkt meine Wirtin, dass ich es nicht verstehe, weil wir bis jetzt mit Englisch ganz gut über die Runden gekommen sind und dafür bin ich dankbar. Aber so ein bisschen Japanisch in petto zu haben, kann nicht schaden, man muss es ja nicht an die große Glocke hängen und sich blamieren, wenn die Japaner dann mal wieder auf einen Einreden. Aber mit dem Wetter habe ich Pech, denn schon heute, wo ich die beleuchtete Pagode des Zentsūji fotografieren wollte, beginnt es zu regnen.
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