Der 40. Tag in Japan
Die Nacht ist kalt hier oben in den Bergen, aber zum Glück hatte ich mich entschlossen, im Okadaya Ryokan zu übernachten. So habe ich mich in meinen dicken Futon gekuschelt und die Nacht doch recht gut überstanden. Als Frühstück muss mein restlicher Proviant herhalten, aber um 6.00 Uhr bin ich schon wieder abmarschbereit. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Ryokan so gemütlich ist, sogar Sitzklos haben sie hier oben installiert. Was von außen wirkt wie ein kleines Lagerhäuschen, hat sie doch als gemütliche Unterkunft entpuppt. Als ich das Haus verlasse, bekomme ich von meinem Wirt noch eine Dose Tee als Osettai (Pilgergeschenk) überreicht. Ich laufe wieder zu dem Platz mit der Steinlaterne, den ich gestern fotografiert hatte, aber das Licht ist anders und die Atmosphäre ist dahin. Nach einem kurzen Blick ins Kartenbuch muss ich feststellen, dass ich auf diesem Weg wieder zurück zur Bergbahnstation im Tal komme, ich laufe also in Gegenrichtung zur Bergstation. Mir ist kalt und da es hier an der Station Automaten mit Fertigsuppen gibt, labe ich mich erstmal an einer warmen Möhrchensuppe. Hinter der Station Yakuri-sanjo verläuft die Straße 115 wieder ins Tal. Ich folge der Autostraße, die ich ganz für mich habe, da so früh kein Auto den Berg hochfährt. Von hier kann ich sogar einige Gebäude bei Tempel Nr. 84 sehen, ich glaube es ist die Hotel Ruine, an der ich am Vortag vorbeigekommen bin. Man kann jetzt auch sehr gut Erkennen, das der Komplex auf einem Plateau liegt, anders als auf dem Gokensan Berg, wo der Tempel kurz unter der Bergspitze liegt. Ich wandere so vor mich hin, da schreckt mich ein Fasan auf. Jetzt bin ich ganz ohne Koffein hellwach, was so ein bisschen Adrenalin am Morgen doch ausmacht. Bis ich das Tal wieder erreicht habe, oder sollte ich es besser Hafen oder Küstenlinie nennen, läuft mir noch ein Golden Retriever vor die Füße, merkwürdig – als Gebrauchshund wäre er wohl angekettet gewesen, aber als Schoßhund würde man auf ihn mehr achtgeben. Da hat sich der Schlingel wohl von zuhause davongestohlen.
Ich passieren einen kleinen See mit WC-Häuschen, hier gibt es auch einen hübschen Blauregen unter dem Bänke stehen, die zum Verweilen einladen, aber für eine Pause ist es noch zu früh. Ich sehe Steinfiguren inform von Eulen und einem Buddha mit Türmchen, passiere einen neu aussehenden Schrein und bin schließlich wieder am Meer. Hier gibt es auch wieder die Schutzanlagen, die verhindern sollen, dass bei ungünstigen Wetterverhältnissen das Meerwasser in die kleinen Flüsse gedrückt wird und so Überschwemmungen ausgelöst werden. Ich trage noch eine Pilgerhütte in mein Kartenmaterial ein, an der ich hier vorbeikomme. Ich jetzt wandere zwischen Meer und Bahnlinie, mein Weg sollte mich direkt in den Shidoji Tempel (Nr. 86) führen. Ein Kombini (24-h-Laden) der „Daily Yamazaki“ Kette, in dem ich meinen Proviant aufstocken wollte, gibt es nicht mehr. Verwundert wandere ich an einem alten Gebäude vorbei, dass wie eine alte Schule aussieht. Aber warum es mit Stacheldraht gesichert ist und so vor sich hin gammelt, anstatt entweder abgerissen oder renoviert zu werden, weiß ich nicht. Genauso eigenartig ist ein Gebäude mit der deutschen Aufschrift „Autobahn“. Es könnte ein pleitegegangenes Autohaus oder ein Ersatzteilverkauf gewesen sein. Das hohe Gebäude steht auf alle Fälle leer. Endlich sehe ich ein blaues Verkehrsschild mit der Aufschrift „Shidoji Temple“ und kurz darauf stehe ich vor zwei Steinstelen, hinter denen sich der Tempelbezirk erstreckt.
Exkurs Tempel Nr. 86 Shidoji (志度寺)
“Der Tempel des Wunscherfüllung” bezieht sich auf eine Legende die „Ama no Tamatori“ („Taucherin beschafft die Juwelen wieder“) heißt, die sich wie folgt zugetragen haben soll: Als die Tochter von Fujiwara Kamatari (614–669; Gründer der Fujiwara Klans), einem einflussreichen Politiker und Freund des Kaisers Tenji (626-672; 38. Tennō), nach China reiste, um die Konkubine des Tang Kaisers Taitsung zu werden, gab ihr der Vater drei Kleinodien mit. Als der Vater jedoch starb, schickte sie die Juwelen mit einem Schiff zurück, da ihr Bruder Fubito sie für den Bau des Kōfukuji Tempels (669; als Yamashina-dera) in Nara brauchte. Der Legende nach soll das Schiff jedoch in der Shido Bucht auf Grund gelaufen und die Kleinodien vom Drachen König, der über das Meer herrscht, gestohlen worden sein. Nun machte sich Fubito persönlich daran, sie wiederzubeschaffen. Er heiratete eine einheimische Taucherin (jap. Berufsbezeichnung „ama“), die ihm einen Sohn gebar. Nachdem Fubito ihr das Versprechen gegeben hatte, ihren Sohn als Erben einzusetzen, beschaffte sie die Juwelen vom Grunde des Meeres. Dadurch zog sie den Zorn des Drachen Königs auf sich und mit einer List, die sie ihr Leben kostete, brachte sie die Kleinodien wieder an die Oberfläche. Sie schmücken heute die Stirn der Shakuson Statue im Kōfukuji (zentrale Halle Chūkondō) in Nara. So wurde ihr Sohn Fusasaki Stammvater des nördlichen Zweigs der Fujiwara Familie.
Eine andere Legende besagt, dass der Tempel 626 von einer Nonne namens Han Sonoko gegründet wurde, die die Yakushi Halle erbaute und aus einem Stück Holz, welches sie in der Shido Bucht gefunden hat, die Statue der elfgesichtigen Kannon geschnitzt hat. Eigentlich datieren die Ursprünge des Tempels viel früher, denn der Honzon (Haupthalle) stammt aus dem 6. Jahrhundert, zur Zeit der Kaiserin Suiko (554-628; 33. Tennō). 681 soll oben erwähnter Fujiwara Fuhito seiner verstorbenen Frau ein Grabmal errichtet haben, man nannte diese Örtlichkeit von nun an „heilige Stätte von Shido“. 693 habe sein Sohn, Fusasaki, Gebäude für den Gottesdienst für seine Mutter errichtet lassen und den Tempel „Shidoji“ genannt haben. Ob der Mönch Gyōgi (668-749) dabei involviert war oder nicht bleibt offen. Zwischen 810 und 824 kam Kōbō Daishi hierher, von ihm soll auch der Honzon (Hauptgottheit), die Juuichimen (elfgesichtige) Kannon stammen. Zusammen mit den Figuren von Fudō und Bishamonten zählen sie heute zum „Nationalen Schatz“. 1670 wird der jetzige Tempel mit Geld von Matsudaira Yorishige, Herrscher von Takamatsu, erbaut. Sehenswert ist der Landschaftsgarten aus der Muromachi-Periode (1333 –1568), der von Hosokawa Katsumoto (1430-1473), einem hohen Staatsbeamten und Erbauer des berühmtesten Zen-Gartens in Japan (Ryōan-ji in Kyoto), gestaltet wurde. Das Wächtertor (niōmon), die Haupthalle (hondō) und die fünfstöckige Pagode, die aus dem Jahre 1973 stammt, sind ebenfalls sehenswert..
Auf mich wirkt das Gelände etwas verwahrlost, vor allem die vielen kleinen Nebengebäude. Auch der so hoch gepriesene Landschaftsgarten macht auf mich den Eindruck, als sei es nur ein eingetrockneter und überwucherter Teich. Aber ich habe vielleicht auch nicht den Blick für solche japanischen Kunstfertigkeiten geschärft. Immer dann, wenn etwas sehr einfach, schlicht und wie dahingeworfen aussieht, kann das hohe Kunst sein. Denn um etwas einfach aussehen zu lassen, bedarf es jahrelangen Studiums und viel Erfahrung. Ich denke dabei z.B. an einen Kreis, den man als Übung auf einem Stück Papier zieht. Oberflächlich betrachtet ist es nur ein einfacher Kreis, bei dem sich noch dazu einzelne Pinselhaare selbständig gemacht haben. Aber schon mal versucht, so einen perfekt runden Kreis mit einem großen japanischen Pinsel zu ziehen? Sieht einfach aus, ist in der Durchführung aber mit viel Übung und Erfahrung verbunden – eben Kunst.
Die Dachreiter hier, sie gehen wahrscheinlich auf die Legende der Taucherin zurück, finde ich besonders interessant, da sie je nach Auslegung sowohl kleine Meerjungfrauen, als auch japanische Engel (Absaras) darstellen könnten. Ich verlasse den Tempel und halte nach einer Möglichkeit Ausschau, ein kräftiges Frühstück einzulegen. Als ich ein Schild für ein McDoof sehen, ziehe ich Geschmacksfäden – für so einen schönen Cheeseburger ist es ja eigentlich noch zu früh, aber hier in Japan sollte man alles rund um die Uhr kaufen können. Aber ich werde enttäuscht, da es gerade mal 10.00 Uhr ist, wird hier im „Drive-in“ nur Frühstück serviert – also keine Burger. Zum Glück gibt es nebenan einen Sunkus Kombini (24-h-Shop), in dem ich mir eine japanische Pizza (okonomiaki) und eine Portion Nudeln reinziehen kann. Meinen Proviant stocke ich ebenfalls auf.
Nach einer Flachlandetappe geht es wieder in die Berge, vielleicht erreiche ich mein Ziel, Tempel Nr. 88, heute noch. Ein Verkehrsschild verkündet mir, dass es bis Tempel Nr. 87 (Nahaoji) noch 4 km, bis zum Kikaku Park 6 km und bis zum Zieltempel Ōkuboji (Nr. 88) noch 20 km zu absolvieren sind. Während ich den Kikaku Park links liegen lassen werde, hier könnte ich noch den Usa Hachiman Schrein besuchen, werde ich auf alle Fälle im „Maeyama Ohenro Kouryu Salon“, eine Art Pilgermuseum, einkehren. Zurzeit laufen zwei Pilger vor mir mit roten Rucksäcken und zwei andere folgen mir. Das sind die ersten Wanderpilger, die ich seit langer Zeit wieder sehe. Dass man wie früher als Wanderpilgerkollegen von Zeit zu Zeit in den Tempeln wieder trifft, ist wohl fast ausgeschlossen, da mich die Nebentempel (Bangai) so viel Zeit gekostet haben, so dass ich meine Bekannten nicht mehr einholen konnte. Aber manchmal will man gar nicht auf bestimmte Dinge treffen. So z.B. auf das Tofu-Auto, dass mich seit geraumer Zeit verfolgt und mit seiner Lautsprecheranlage mit der Ansage „Tofu Watanabe wa oshii desu – ikaga desu“ geradezu in den Wahnsinn treibt. Es bedeutet so viel wie „Watanabe Tofu ist so lecker – wie wäre es? Da der Verkaufswagen hier im Schritttempo durch das Wohngebiet fährt, wird der Abstand zwischen mir und der Nervensäge nicht größter. Man merkt zunehmens, dass man dem Ziel der Pilgerreise näher kommt. Überall sind Schilder aufgestellt, auf denen Pilger abgebildet sind. Aber schließlich stehe ich dann doch vor dem Nagaoji Tempel und werde prompt von einer Japanerin auf Englisch angesprochen. Sie fragt mich nach meiner Pilgerreise, die ich jetzt schon fast geschafft habe. Sie selber ist ein Urlaubspilger, d.h. sie läuft die Pilgerreise etappenweise während ihres Urlaubs. Dieses Jahr wird sie die Pilgertour der 88 Tempel vollenden - nach fünf Jahren. Im Nagaoji ist sie nicht nur zum Beten, sondern will zusammen mit ihren Begleiterinnen zu Mittag essen. Das war mich allerdings neu, dass man nicht nur Shokubō, also Übernachtung mit Frühstück und Abendessen, in einem Tempel angeboten wird, sondern auch zusätzlich Mittagessen.
Exkurs Tempel Nr. 87 Nagaoji (長尾寺)
„Der Tempel des langen Schwanzes“ wurde 738 von Gyōgi (668-749) auf Anordnung des Kaisers Shōmu (701-756; 45. Tenno) gegründet, er hat auch die Statue der Shō Kannon aus Weidenholz als Honzon (Hauptgottheit) geschnitzt. Bevor Kōbō Daishi nach China reiste, legte er hier ein Versprechen ab, bei dem er an den ersten sieben Tagen des Januars das Goma Feuerritual durchführte und dabei Talismane an die beteiligte Bevölkerung verteilte. Dies war der Ursprung für das „Daikaiyōfuka Ubai“ („Ritus, um das Glück zu jagen“), eine Art Rennen, das alljährlich stattfindet und bei dem große Mochis (Reiskuchen aus gestampftem Reis) eine Rolle spielen. Um das Jahr 825 wurden die meisten Gebäude erneuert. Im 16. Jahrhundert brannte der Tempel wie so viele andere auch nieder, wurde aber mit Hilfe von Ikoma Kazumasa (1555-1610), 2. Daimyo (Landesherr) von Takamatsu wiederaufgebaut. Auch 1681 war es der Landesherr von Takamatsu, diesmal Matsudaira Yorishige, der Geld und Land für den Tempel stiftete. Während dieser Zeit konvertierte der Tempel auch vom Shingon zum Tendai Buddhismus. Bemerkenswert ist das Grab von Shizuka Gozen, Geliebte von Minamoto Yoshitsune, die sich nach dem Tod des Geliebten (1189) hier im Tempel als Nonne ordinieren ließ. Noch heute geht der Name Shizuka Yakushi, eine Einsiedelei wo sie damals gelebt hat, und der Name Tsuzumi-ga-Fuchi Teich, auf ihre Anwesenheit zurück. Es gibt ein Niōmon (Wächtertor) und ein „Onari“ genanntes Tor.
Mit „langem Schwanz“ könnte ein langer Ast einer Pinie gemeint sein, der hier quer über den Weg zur Haupthalle wächst. Das Grab der edlen Dame habe ich leider nicht gesehen, aber so hübsch war der Tempel dann doch nicht. Ich finde es immer etwas pietätlos, wenn Autos hinter dem Eingangstor auf dem Tempelgelände parken, aber vielleicht ist das die Anpassung des Tempels, der hier auch Mittagessen anbietet. Während der Eingang zum „Tempelrestaurant“ doch hübsch gestaltet ist, mit einem kleinen Garten mit Brunnen, man hat sogar einen roten Schirm aufgestellt, wirkt das Uhrenhäuschen neben der Steinstatue irgendwie deplaziert. Das Kanji (Symbolzeichen) für „Zeit“ besteht zwar aus den Zeichen für „Sonne“ und „Tempel“, doch sollte man bei einem Tempelbesuch, wo man Ruhe und Einkehr sucht, nicht unbedingt an die galoppierende Zeit erinnert werden.
Ich verlasse den Tempel wieder, um mich auf den Weg zum Pilgermuseum zu machen. Ich passiere Autos, auf die die Besitzer ihre Futons (japanische Betten) ausgebreitet haben. Was ich früher für eine Schutzmaßnahme von autobesessenen Japanern gehalten habe, stelle sich dann als Desinfektionsmöglichkeit für die Futonbetten heraus. Japaner sind nämlich der Meinung, dass man Futons nicht nur regelmäßig lüften und bewegen sollte, nein, die direkte Sonneneinstrahlung, vor allem das UV Licht, soll auch im Futon befindliche Krankheitserreger unschädlich machen! Deshalb sieht man überall an den Häusern Futons hängen. Dabei muss ich noch erwähnen, dass so ein Balkon in Japan eine ganz andere Aufgabe hat als bei uns. Während wir den Balkon als Gartenersatz zum Entspannen und allenfalls zum Rauchen nutzen. Stellt er in Japan eine Art Abstellraum und Wäschekammer dar. Hier wird Überflüssiges, was man nicht in die ohnehin viel zu kleinen Wohnungen unterbringen kann gelagert. Zusätzlich sind hier Halterungen angebracht, an denen die großen Trockenstangen hängen, auf die dann Wäsche oder besagte Futons befestigt sind. Der Gebrauch dieser ausziehbaren an die 3 Meter messenden Trockenstanden geht auf die Verwendung von Kimonos zurück. Früher hat man diese Stangen einfach von Ärmel zu Ärmel gezogen, um die verhältnismäßig großen Stoffmengen besser trockenen zu können.
Aber zurück zum Trail, der hier am Kabe Fluss entlang bis zum Maeyama Damm führt. Hier am Staudamm liegt auch das Pilgermuseum, dem ich einen Besuch abstatte. Im Museum werde ich auch gleich herzlich begrüßt. Ein älterer Herr, der etwas Englisch spricht, quetscht mich bei einem Schluck Tee aus, da er mir eine Pilgerurkunde ausstellen möchte. Wir tauschen sogar noch Visitenkarten aus, das sollte ihm erleichtern, meinen Namen zu schreiben. Ich bekomme auch noch einen Pin, so einen kleine Anstecknadel mit Henro Logo, geschenkt. Als Osettai (Pilgergeschenk) überreicht er mir eine Packung Kekse und ich muss schmunzeln, da ich diese Art von Butterkeksen aus Deutschland kenne. Aber als er mir ein weißes Band mit getrocknetem Obst übergibt, bin ich mir dann doch nicht sicher, um was es sich handelt. Aber ich bedanke mich herzlich und starte meinen Rundgang durchs Museum. Hier ist alles Mögliche zusammengetragen worden, was die Pilgerreise betrifft: Alte Pilgerkleidung, Pilgerbücher, Zeitungsartikel und sonstige Berichte. Auf einer Wand sind die 88 Tempel mit Bild und Karte aufgelistet, hier kann man sogar seine Namenszettel (osamefuda), sollte man es bei einem Tempel vergessen haben, nachträglich abgeben. Als ich das Museum verlassen will, spricht mich der alte Herr abermals an und zeigt mir auf einer Karte, die er mir mitgibt, dass der Weg zu Tempel Nr. 88 über den Kurusu Schrein zurzeit nicht passierbar ist. Da ich ohnehin die „Alte Pilgerroute“ einschlagen wollte, die mich um die Berge Nyotai und Yahazu herumführt, muss ich meine Pläne also nicht umstoßen. Ich will nämlich noch den Bangai Tempel Nr. 20 besuchen und der liegt leider in Gegenrichtung zum Ōkubōji (Nr. 88). Ich plane deshalb in einem Ryokan mit Namen Takeyashiki Unterkunft zu suchen, um mein Gepäck dort zu deponieren, da der Nebentempel (Bangai) Besuch mich mindestens einen Tag kosten wird.
Es hat mittlerweile angefangen zu regnen und so gebe ich den Plan auf, den Tempel Nr. 88 schon heute zu besuchen. Ich versuche also im Takegashiki Ryokan einzuchecken, finde jedoch nicht gleich den Eingang und lande in einem Shop. Leider spricht die Verkäuferin nur wenig Englisch, so dass meine Frage nach dem Preis für zwei Übernachtungen, obwohl ich sie nochmals in Japanisch und nach vielfachem Nachfragen, falsch beantwortet wird. Das ist so der Horror eines jeden Japanreisenden. Man kehrt in einen schlicht wirkenden Ryokan ein, denkt sich nichts Böses dabei und muss dann so richtig teuer bezahlen. Als Ausländer kann man leider nur schlecht zwischen echter Schlichtheit und künstlicher oder kunstvoller Schlichtheit unterscheiden. Zwar gibt mir die gute Frau ein kleines Zimmer, ich soll jetzt doch 10.500 Yen bezahlen, doch leider war hier wohl der Wunsch Vater des Gedankens, denn je mehr ich mich hier umsehe, desto unglaubwürdiger finde ich es, das ich für meine kleine Besenkammer nur so wenig bezahlen soll. Oder war das jetzt eine Sonderpausschale für den unkundigen Ausländer?. Als ich bezahlen will, wiegelt die Dame ab, erst beim Auschecken. Aber als ich das Abendessen zu mir nehme, kullern mir vor lauter Wut die Tränen ins Essen. Das Essen ist so fein und aufwendig hergerichtet, dass kann nur bedeuten, dass es 10.500Yen immerhin fast 80 Euro, für eine Übernachten sind. Ich weiß zwar, dass Ryokans vornehmlich ihr Essen verkaufen und dass die Übernachtungsmöglichkeit eigentlich zweitrangig ist, wohingegen ein Businesshotel vor allem die Übernachtung und weniger das Essen verkauft, aber die Einschätzung von Preisen fällt einem dann doch recht schwer. Zumal man als Ausländer in nicht so nobeln Ryokans meist die besten Zimmer bekommt, die dann aber wiederum schon die teuersten sind. Ich will ja nicht als geizig gelten und natürlich kann man sich auch zum Abschluss dieser Tortour was Gutes gönnen, aber ich will dann das doch selber entscheiden und mich nicht fühlen, als hätte man mich, wenn auch unwissentlich, aufs Kreuz gelegt. Nachdem ich mich wieder gefasst habe, bestehe ich darauf heute zu zahlen, damit ich morgen sehr früh starten kann. Mein Plan für morgen sieht wie folgt aus: Zum Tempel Nr. 88 wandern, um den Pilgerbucheintrag zu holen und Gepäck zu deponieren, sich dann auf den Weg zum Bangai Tempel Nr. 20 machen und von dort wieder zurück. Aber es soll alles anders kommen, weil ich bis jetzt einfach zu gut durchgekommen bin!
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